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Nr. 84MinisterratssitzungDienstag, 26. Februar 1952 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Schwalber, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Globalabgeltung der Rückerstattungsansprüche der JRSO. III. Personalangelegenheiten. IV. IG-Entflechtung. V. [Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer]. [VI. Auerbach-Ausschuß]. [VII. Bürgermeisterwahl in Pressath/OPf.]. [VIII. Nationaler Feiertag des deutschen Volkes].

I. Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsjugendgerichtsgesetzes1Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, zu diesem Entwurf lägen Abänderungsvorschläge des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten vor. Diesen Vorschlägen entsprechend empfehle der Koordinierungsausschuß, Einwendungen gem. Art. 76 Abs. 2  GG nicht zu erheben.2

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, auch das Justizministerium sei damit einverstanden.

Der Ministerrat beschließt, Einwendungen nicht zu erheben.3

2. Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung4

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter des Wirtschaftsministeriums5 zu einer Reihe von Bestimmungen Abänderungsvorschläge vorgetragen.6

Staatssekretär Dr. Koch stellt fest, daß das Justizministerium noch keine Stellung nehmen könne, da es diese Vorschläge erst gestern bekommen habe.

Es wird vereinbart, daß sich Justiz- und Wirtschaftsministerium noch über die Einzelheiten verständige.7

3. Entwurf eines Gesetzes über Erfindungen von Arbeitnehmern und Beamten8

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet weiter, der Koordinierungsausschuß empfehle, an Hand der in der BR-Drucks. 43/1/52 niedergelegten Abänderungsvorschläge verschiedener Ausschüsse die darin enthaltenen Vorschläge unter Ziff. 1 bis 5, 6b, 7 bis 9, 1a sowie 11 bis 31 zu unterstützen, dagegen nicht die unter Ziff. 6a und 10b.9

Der Ministerrat beschließt, diesen Vorschlägen zu folgen.

Zu Ziff. 34 a:

Staatssekretär Dr. Ringelmann macht darauf aufmerksam, daß das Kultusministerium den Wunsch geäußert habe, die Hochschulen ausdrücklich auszunehmen, damit würden neue zweckbestimmte Mittel vorgesehen, die in den Haushalt eingestellt werden müssten.10

Staatsminister Dr. Seidel, unterstützt von Staatsminister Zietsch, tritt dafür ein, die Ausnahmen für die Hochschulen nicht zu unterstützen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.11

4. Entwurf einer allgemeinen Verfügung des Bundesministers der Justiz betr. Übergang des bisher bei der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht geführten Strafregisters auf die Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof12

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Rechtsausschusses entsprechend, dieser allgemeinen Verfügung nicht zuzustimmen, da sie nur von der Bundesregierung, nicht aber von einem einzelnen Bundesminister erlassen werden könne (Art. 84 Abs. 2  GG).13

5. Wahl eines Nachfolgers für ein ausgeschiedenes Mitglied des Bundesverfassungsgerichts14

Es wird festgestellt daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden wird.15

6. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht16

Der Empfehlung des Rechtsausschusses folgend wird beschlossen, von einer Äußerung und einem Beitritt abzusehen.

7. Errichtung eines Wiedergutmachungssenats beim Bundesgerichtshof17

Mit Rücksicht auf den bisher eingenommenen Standpunkt wird beschlossen, von bayerischer Seite aus nach wie vor gegen den Antrag Hessens zu stimmen.

8. Entwurf eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz)18

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, die vom Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik, vom Rechtsausschuß, vom Ausschuß für Innere Angelegenheiten und vom Wirtschaftsausschuß gemachten Vorschläge seien in der BR-Drucks. Nr. 42/1/52  niedergelegt. Der Koordinierungsausschuß empfehle, die unter Ziff. I aufgeführten Vorschläge zu unterstützen.19 Zu den unter Ziff. II aufgeführten Vorschlägen habe der Koordinierungsausschuß wie folgt Stellung genommen:

§20 sehe wieder eine unzulässige Mischverwaltung vor, es sei deshalb angeregt worden, statt „Einvernehmen“ „Benehmen“ zu sagen.

Zu §26 sei zu bemerken, daß im Gegensatz zum Grundgesetz hier vorgesehen sei, daß bei den Angehörigen von Bundesbahn und Bundespost die Hauptfürsorgestelle entscheiden solle, gegen deren Entscheidungen aber das Bundespost- und Bundesverkehrsministerium angerufen werden könnten. Diese Regelung sei keinesfalls hinzunehmen, der Koordinierungsausschuß empfehle deshalb, für die Streichung des §26 Abs. 2 einzutreten.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, was Ziff. 2 betreffe, so solle man diesen Vorschlag, soweit § 1 betroffen sei, nicht unterstützen, damit würde dann aber auch §2 entfallen. Sollte sich für §1 eine Mehrheit finden, dann müsse wohl auch §2 hingenommen werden.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Zu Ziff. 3:

Auf Ersuchen von Staatssekretär Krehle wird beschlossen, die vom Agrarausschuß zu §6 angenommene Empfehlung nicht zu übernehmen.

Zu Ziff. 4, 7 und 8:

Diese Vorschläge werden unterstützt.

Zu Ziff. 5, 6, 9 und 10:

Es wird beschlossen, diese Vorschläge nicht zu unterstützen.20

9. Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung von Vorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes21

Der Ministerrat beschließt, keinen Antrag gem. Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.

10. Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen22

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, nach Meinung des Koordinierungsausschusses sei es zweckmäßig, zum Zwecke der Fristwahrung zunächst einmal den Vermittlungsausschuß anzurufen mit dem Ziele, im §3 Abs. 2 den Satz 2 zu streichen, dem Satz 3 aber folgende Fassung zu geben:

„Die Bundesregierung kann für besondere Fälle Einzelanweisungen an die obersten Landesbehörden erteilen“.23

Für den Fall, daß der Rechtsausschuß keine Bedenken gegen die jetzige Fassung des §3 Abs. 2 erhebe, könne der Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses immer noch zurückgezogen werden.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.24

11. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz)25

Regierungsdirektor Dr. Gerner fährt fort, der Vertreter des Finanzministeriums habe Bedenken wegen der für die Versorgungsämter entstehenden Mehrbelastung geäußert.

Staatssekretär Krehle stimmt zu und weist darauf hin, daß diese Neuregelung die Bearbeitung der Fälle um Monate verzögern würde. Mit den in der Bearbeitung [sic!] müßten alle Fälle wieder von neuem geprüft werden, ohne daß ein wesentlicher Erfolg dabei herauskomme.

Staatssekretär Dr. Ringelmann entgegnet, die Mehrleistungen für die Versorgungsberechtigten betrügen immerhin 50 bis 60 Millionen DM. Er glaube deshalb nicht, daß man den Gesetzentwurf ablehnen könne.

Auch Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich für die Zustimmung aus, da man eine Besserstellung der Berechtigten nicht mit erhöhten Verwaltungskosten ablehnen könne.

Der Ministerrat beschließt Zustimmung.

Regierungsdirektor Dr. Gerner gibt noch zu bedenken, daß in der Präambel von Zustimmungen nichts enthalten sei, es sei deshalb noch die Frage zu entscheiden, ob man einfach zustimmen könne oder das Zustimmungserfordernis ausdrücklich erklären müsse.

Der Ministerrat entscheidet sich für den letzteren Weg.26

12. Entwurf von Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz)27

Es wird festgestellt, daß dieser Entwurf von der Bundesregierung zurückgezogen wird.28

13. Ergänzungsvorlage zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 195129

Regierungsdirektor Dr. Gerner teilt mit, der Vertreter des Finanzministeriums habe im Koordinierungsausschuß angeregt, dieser Vorlage nach Maßgabe der Empfehlungen des Finanzausschusses zuzustimmen; die Abänderungsvorschläge aller übrigen Ausschüsse mit Ausnahme der Vorschläge des Flüchtlingsausschusses zu Kap. 1 Tit. 32 abzulehnen.30

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, der Finanzausschuß habe sich außerordentlich gründlich mit der Angelegenheit beschäftigt und auf weitere Vorschläge verzichtet. Er empfehle, bei diesen Beschlüssen zu verbleiben, die einstimmig gefaßt worden seien.

Staatsminister Dr. Seidel entgegnet, beim Bundeswirtschaftsministerium drehe es sich darum, im Rahmen der Abteilungen für Handwerk, Handel, Berufsausbildung, Forschung usw. eine Neuorganisation vorzunehmen. Um diese Fragen drehten sich die Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses, die er für dringend notwendig halte; er sei deshalb dafür, insoweit die Empfehlungen des Finanzausschusses zu streichen. Auch andere dem Bundeswirtschaftsministerium neu zugewachsene Aufgaben, er erinnere nur an den Schuman-Plan,31 seien vom Finanzausschuß nicht erkannt worden. Es müßten neue Referate beim Bundeswirtschaftsministerium bestehen, um mit diesen Aufgaben fertig zu werden. Die deutschen Vertreter in der Hohen Behörde müssten von dort aus mit entsprechendem Material versorgt werden.

Staatsminister Zietsch entgegnet, nach einem ihm hier vorliegenden Bericht, den er verlese, bestünden im Bundeswirtschaftsministerium noch erhebliche Personalreserven, die dafür eingesetzt werden könnten.

Staatsminister Dr. Seidel erwidert, wenn die freie Wirtschaft abgelehnt und eine Lenkung gefordert werde, müsse auch das notwendige Personal zur Verfügung stehen. Er stelle den Antrag, § 1 bis 3 der Empfehlung des Finanzausschusses überhaupt zu streichen und damit die Empfehlungen des Wirtschaftsausschusses zu unterstützen.

Dieser Antrag wird mit Mehrheit angenommen.

Staatsminister Dr. Schlögl begründet die Notwendigkeit, die Empfehlungen des Agrarausschusses zu unterstützen.

Auch Staatssekretär Maag tritt dafür ein, dem Agrarausschuß und nicht dem Finanzausschuß zu folgen.

Der Ministerrat beschließt, diesen Empfehlungen hinsichtlich Ziff. 1 bis 3 zu folgen, Ziff. 5 jedoch zurückzuziehen.

Es wird ferner vereinbart, daß sich der Herr Finanzminister und Herr Staatssekretär Dr. Oberländer wegen der weitergehenden vom Finanzausschuß nicht angenommenen Vorschläge des Flüchtlingsausschusses besprechen sollten; die Angelegenheit bleibt noch offen.

Regierungsdirektor Dr. Gerner kommt abschließend auf die Frage eines Zuschusses für den Ausbau des Verkehrsflughafens Hannover zu sprechen, die auch Bayern wegen des Flughafens Kraftshof bei Nürnberg berühret.32Wahrscheinlich werde Niedersachsen einen Antrag auf Aufnahme eines Zuschusses von 750000 DM einbringen; nach Meinung des Koordinierungsausschusses könne dieser Vorschlag mit der Maßgabe unterstützt werden, daß ein gleicher Betrag zum Ausbau von Nürnberg-Kraftshof zur Verfügung gestellt werden müsse.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.33

14. Entwurf eines Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag34

Zustimmung.

15. Entwurf eines Gesetzes zur Umstellung der Reichsmarkguthaben heimatvertriebener Sparer35

Regierungsdirektor Dr. Gerner weist darauf hin, daß nach Mitteilung des Finanzministeriums die bayerischen Sparkassen und Giroverbände den in §11 Abs. 1 vorgesehenen Zins von 4,5% für zu niedrig erachteten. In dem ursprünglichen Initiativgesetzentwurf sei ein Zins von 6,5% vorgesehen gewesen, der dann dem Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich entsprechend auf 4,5% ermäßigt worden sei.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, aber ausdrücklich zu betonen, daß es sich hier um ein Zustimmungsgesetz handle.36

16. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West)37

Zustimmung.

17. Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1951/5238

Im Einverständnis mit Staatsminister Zietsch wird beschlossen, falls gegen den Entwurf Einwendungen erhoben würden, alle von den einzelnen Ländern zu erwartenden Anträge nicht zu unterstützen, mit Ausnahme des Antrags, der möglicherweise von Nordrhein-Westfalen auf Streichung des §6 Abs. 3 gestellt werden würde.39

18. Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 195240

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß nach wie vor einer Erhöhung des bisherigen Satzes der Inanspruchnahme der Länder von 27 auf 40% nicht zugestimmt werden könne. Der Finanzausschuß empfehle, die Bundesregierung zu ersuchen, ihre Vorlage zunächst zurückzuziehen.

Der Ministerrat beschließt, diese Entschließung des Finanzausschusses zu unterstützen.41

19. Ernennung des Regierungsdirektors Paul Radebach42 zum Staatsfinanzrat und Mitglied des Kollegiums der Bundesschuldenverwaltung

Bedenken werden nicht erhoben.

20. Entwurf eines Gesetzes über das deutsche Arzneibuch43

Es wird beschlossen, keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2  GG zu stellen.

21. Entwurf eines Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde44

Der Ministerrat beschließt, den Vermittlungsausschuß anzurufen mit den vom Innenausschuß in der Sitzung vom 21. Februar 1952 erarbeiteten Gründen.45

22. Entwurf eines Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaues46

und

23. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes47

Zu diesen beiden Punkten sollen Anträge nach Art. 77 Abs. 2  GG nicht gestellt werden.

24. Entwurf einer Dritten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen48

und

25. Entwurf einer Vierten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 195149

Es wird beschlossen, nach Maßgabe der gemeinsamen Empfehlungen des Ausschusses für Innere Angelegenheiten, für Arbeit und Sozialpolitik und des Finanzausschusses zuzustimmen unter der Voraussetzung, daß die endgültige Fassung nicht zu Widersprüchen geführt habe.50

26. Entwurf einer Verordnung für Reiseausweise als Paßersatz und über die Befreiung von Paß- und Sichtvermerkszwang51

27. Entwurf einer Durchführungsverordnung des Bundesministers des Innern zum Gesetz über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt vom 29. März 195152

und

28. Entwurf einer Vierten Verordnung zur Bekämpfung der Papageienkrankheit (Psittacosis)53

Zu diesen drei Punkten wird beschlossen, nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Innenausschusses zuzustimmen.54

29. Entwurf eines Gesetzes über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen55

Regierungsdirektor Dr. Gerner berichtet, der Koordinierungsausschuß empfehle, keine Einwendungen zu erheben; allerdings sei auch zu überlegen, ob nicht im § 11 a zusätzlich die Abänderung der Worte „im Einvernehmen“ durch die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates“ und an Stelle des Wortes „Bundesminister“ das Wort „Bundesregierung“ beantragt werden solle.56

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.57

30. Entwurf eines Gesetzes über das erste Berichtigungs- und Änderungsprotokoll zu den Zollzugeständnislisten des allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens [GATT]58

Bedenken werden nicht erhoben.59

31. a) Entwurf einer Verordnung zur Änderung von Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung über die Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen60

b) Einbringung eines Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen im Straßenverkehr61

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet den Entwurf über die Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen als unzweckmäßig und völlig unnötig zentralistisch und spricht sich dafür aus, ihn abzulehnen.62

Regierungsdirektor Dr. Gerner teilt dazu mit, Hamburg habe einen Initiativantrag eingebracht in Form eines Gesetzentwurfs, in dem die bayerischen Vorschläge übernommen worden seien. Der Innenausschuß empfehle, der Verordnung mit der Maßgabe zuzustimmen, daß überall dort, wo von einem Kennzeichen die Rede sei, die hamburgischen Vorschläge an die Stelle der bisherigen Bestimmungen treten sollten.63 Auch der Koordinierungsausschuß halte den Entwurf für unzweckmäßig, der nicht weniger wie 481 verschiedene Schilder vorsehe.64

Der Ministerrat beschließt, die Vorschläge Hamburgs zu unterstützen und dem Verkehrsausschuß nur insoweit zu folgen, als er damit nicht im Widerspruch stehe.65

32. Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung66

und

33. Entwurf einer Verordnung über Handelsklassen und Kennzeichnung von Eiern (Eierverordnung)67

Es wird beschlossen, nach Maßgabe der Vorschläge des Agrarausschusses zuzustimmen.68

34. Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung69

Der Ministerrat beschließt, zunächst abzuwarten.70

35. Entwurf eines Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung71

Regierungsdirektor Dr. Gerner führt aus, trotz des Ersuchens des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik, dem Entwurf bereits in der Bundesratssitzung vom 29. Februar 1952 ohne Erinnerungen zuzustimmen, sei der Koordinierungsausschuß einhellig der Auffassung, dieser Punkt müsse nochmals von der Tagesordnung abgesetzt werden, da es nicht möglich sei, so weitgehende Bestimmungen bis Freitag zu klären.72

II. Globalabgeltung der Rückerstattungsansprüche der JRSO73Staatsminister Zietsch stellt einleitend fest, daß zunächst zwei Fragen behandelt werden müßten und zwar

1. welchem Abfindungsbetrag kann zugestimmt werden im Hinblick darauf, daß der Vertrag dem Landtag vorgelegt werden muß?

2. Unter welchen Bedingungen ist es möglich, zuzustimmen.

Besonders kritisch sei die Frage der Ansprüche wegen Schmuck- und Edelmetallablieferung. Bekanntlich seien die Juden auf Grund einer Verordnung vom 3. Dezember 1938 gezwungen worden, ihre sämtlichen Schmuck- und Edelmetallgegenstände bei den Städtischen Pfandleihanstalten abzuliefern. Die Ablieferungsaktion sei ausschließlich auf Grund von Bestimmungen des früheren Reichswirtschaftsministeriums durchgeführt worden, die Pfandleihanstalten hätten hiebei nur den Weisungen des Ministeriums unterstanden und etwaige Überschüsse aus der Verwertung an das Deutsche Reich abführen müssen. Dennoch nehme die JRSO die Städte als Rechtsträger der Pfandleihanstalten in Anspruch und verlange im Rahmen eines Globalabkommens hiefür 7 Millionen DM. Soweit die Pfandleihanstalten die abgelieferten Gegenstände nicht selbst verwertet hätten, stünden der JRSO nur Schadensersatzansprüche gegen das Deutsche Reich zu, sie lehne bisher die Abtretung dieser Ansprüche ab und wolle sie gegen den Bund verfolgen. Bayern fordere die Abtretung auch dieser Ansprüche, eine Einigung sei aber noch nicht erzielt worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard unterstreicht die Notwendigkeit, zu einer baldigen Entscheidung zu kommen, zumal die Vertreter der JRSO mitgeteilt hätten, es sollten Verhandlungen mit dem Bund in Brüssel geführt werden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, die Forderungen der JRSO beliefen sich auf 24 Millionen DM. An sich stehe fest, daß Bayern zu einer Übernahme nicht verpflichtet sei. Er habe auch erklärt, der Bund, also das Bundesfinanzministerium müsse zustimmen, infolgedessen sei auch am 25. Februar 1952 ein eingehendes Schreiben an den Bundesminister der Finanzen ausgelaufen.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Seidel antwortet Staatssekretär Dr. Ringelmann, die JRSO nehme nicht nur Erbansprüche in Anspruch, sondern auch solche, die nicht angemeldet worden seien. Natürlich habe sich das Finanzministerium bei den Verhandlungen Vorbehalten, für den Fall, daß solche Meldungen erfolgen, Minderungsansprüche zu erheben. Auf alle Fälle werde es schwer sein, in einem Prozeß zu beweisen, daß die JRSO nicht aktiv legitimiert sei. Die Frage wegen des Preises sei noch offen, die JRSO verlange - wie gesagt - 24 Millionen DM. Bayern wolle nur 20 Millionen DM bieten. Dabei sei der JRSO gesagt worden, die Differenz könne dadurch überbrückt werden, daß das Staatsministerium der Finanzen die Übernahme etwaiger Lastenausgleichsverpflichtungen der JRSO ohne Abzug von der Abfindungssumme zugestehe. 20 Millionen DM sei wirklich ein sehr loyales Angebot. Er glaube, man könne dabei bleiben, dann werde sich die JRSO auch einverstanden erklären, wenn auch bisher noch keine Einigung erzielt worden sei.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, seit Herbst seien einwandfreie Unterlagen verlangt worden, die nun auch gekommen seien. An dem Betrag, der bereits im August genannt worden sei, nämlich 20 Millionen DM, sei immer festgehalten worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet aus seiner Unterredung mit den Vertretern der JRSO. Diese seien an einer Einzelabfindung, wie das in Württemberg gewesen sei, nicht mehr interessiert, eine solche Forderung würde auch das Scheitern der Verhandlungen herbeiführen.

Staatsminister Zietsch fährt fort, die Zahlungsbedingungen seien auf Seite 5 der Note des Finanzministeriums aufgeführt. Das Angebot komme von der JRSO selbst, es scheine ihm günstig zu sein. Beabsichtigt sei, diese Beträge in Waren umzusetzen und diese dann nach Israel zu exportieren.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Hoegner erwidert Staatsminister Zietsch, Steuergutscheine würden nicht angenommen.

Staatsminister Dr. Müller spricht sich dafür aus, jetzt zu einem Abschluß zu kommen.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß natürlich damit ein gewisses Risiko verbunden sei; seiner Meinung nach müsse das aber getragen werden, zumal wenn man bedenke, daß Leute, die durch Einzelverfahren der JRSO in Anspruch genommen wurden, bestimmt um Hilfe vom Staat kommen würden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann macht darauf aufmerksam, daß ein Betrag von 20 Millionen DM zweifellos nicht hereinkommen werde; er rechne allerdings nur mit einem Ausfall von 5 Millionen DM, während seine Herren diesen bis zu 10 Millionen DM schätzten.

Staatsminister Zietsch bezweifelt, daß der Ausfall so groß sein könne an Hand der Unterlagen, die in seiner Note vom 18. Februar enthalten seien. Allerdings müsse man sich darüber im klaren sein, daß der Staat alle diejenigen wirklich in Anspruch nehmen müsse, die sich in der Tat Vorteile aus jüdischen Vermögen verschafft hätten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann gibt zu bedenken, daß die JRSO Ansprüche ohne weiteres durchsetzen könne, der bayerische Staat es aber viel schwerer habe, insbesondere, weil er den guten Glauben berücksichtigen müsse. Das gelte in erster Linie für bewegliche Sachen und auch für Grundstücke, die im Wege der Veräußerung in andere Hände gekommen seien. Auch diejenigen Fälle kommen in Betracht, in denen der Kaufpreis zwar gezahlt worden sei, dann aber vom damaligen Deutschen Reich beschlagnahmt und jedenfalls den Juden nicht zugute gekommen sei.

Der Ministerrat beschließt, der JRSO für die Globalabgeltung der Rückerstattungsansprüche 20 Millionen DM anzubieten, vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags, unter den Bedingungen, die in der Note vom 18. Februar enthalten sind, insbesondere hinsichtlich der Abtretung der Ansprüche gegen den Bund in der Frage der Pfandleihanstalten.

Staatsminister Dr. Müller spricht sich dafür aus, unterstützt von Staatssekretär Dr. Koch, die Wiedergutmachungskammern zu verdreifachen, weil alle beim Landesentschädigungsamt nicht erledigten Wiedergutmachungssachen nach 6 Monaten vor die Kammern kommen können, die jetzt mit Arbeit überlastet seien.74 Auch jetzt noch arbeite das Landesentschädigungsamt nicht entsprechend.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, diese Angelegenheit heute nicht zu behandeln, aber auf die Tagesordnung der nächsten Ministerratssitzung zu setzen.75

III. Personalangelegenheiten

1. Der Ministerrat beschließt, die Regierungsdirektoren Martin Bittel,76Dr. Max Wunschel77 und Dr. Heinrich Fürholzer78 zu Ministerialräten im Staatsministerium der Finanzen

2. Oberregierungsrat Dr. Wolfgang Dorsch79 zum Ministerialrat und Mitglied des Obersten Rechnungshofs zu ernennen.

3. Staatsminister Dr. Seidel teilt mit, der Sekretär des Wirtschaftsausschusses des Bundesrats, Ministerialrat von der Heyde,80 komme demnächst in das Bundeskanzleramt. Als Nachfolger werde ein von Bayern zu benennender Herr gewünscht. Er bitte deshalb zu prüfen, ob ein geeigneter Oberregierungsrat oder Regierungsdirektor mit wirtschaftlichen Erfahrungen benannt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht die Herren Kabinettsmitglieder, sich in ihren Ressorts zu erkundigen.

IV. IG - Entflechtung

1. Staatsminister Dr. Seidel teilt mit, bezüglich des Werkes in Bobingen werde jetzt eine Entscheidung der Staatsregierung verlangt.81 Er habe dem Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagen, sowohl von der Hoechst-Gruppe wie von Cassella82 verbindliche Vorschläge einzuholen. Die Cassella-Werke hätten daraufhin erklärt, sie seien an Bobingen nicht mehr interessiert. Er müsse nun an die IG-Control Group in Frankfurt eine Erklärung abgeben, daß gegen den Anschluß von Bobingen an Hoechst die bayerische Staatsregierung nichts einzuwenden habe. Dies entspreche der Taktik, die von Anfang an von Bayern aus eingenommen worden sei. Er habe auch mit den maßgebenden Herren von Hoechst gesprochen und die Zusicherung erhalten, daß Böbingen nicht stillgelegt werde.

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Seidel entsprechend, diese Erklärung abzugeben.83

2. Lech-Chemie84

Staatsminister Dr. Seidel fährt fort, in diesem Fall habe er der IG-Control Group mitgeteilt, Bayern habe nichts gegen die Verbindung mit Hoechst einzuwenden, wenn

a) aus der Lech-Chemie eine Tochtergesellschaft gemacht werde,

b) wenn die bisherige Leitung verbleibe und

c) wenn nicht über den Umweg über das Statut die Bewegungsfreiheit des Unternehmens eingeschränkt werde.85

Hier habe sich nun ergeben, daß sich Hoechst nicht entschließen könne, die Lech-Chemie zu einer Tochtergesellschaft, also zu einem relativ selbständigen Unternehmen zu machen. Hoechst habe aber den bisherigen Leiterin den Vorstand der gesamten IG-Gruppe Hoechst aufgenommen und darauf hingewiesen, daß für Bayern nach dem sogenannten Zerlegungsgesetz86 auch keine steuerlichen Bedenken mehr bestünden. Er selbst schätze die Gefahr einer Beeinträchtigung des Unternehmens nicht sehr hoch ein und glaube, daß man zustimmen könne.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zuzustimmen.87

V. Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer88

Ministerpräsident Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß zwei Gutachten vorlägen, wonach die Bayer. Berg-, Hütten- und Salzwerke AG nicht unter das Gesetz über die Mitbestimmung falle.89 Außerdem müsse sich seines Erachtens der Ministerrat über die Aufsichtsräte bei der Bayer. Braunkohlenindustrie AG Schwandorf, der Maxhütte90 und der Oberbayer. AG für Kohlenbergbau unterhalten.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, daß sich die Ministerien der Finanzen, für Wirtschaft und für Arbeit und soziale Fürsorge zusammensetzen und dann dem Ministerrat eine Vorlage machen sollten und weist darauf hin, daß allerdings bei der BBI Schwandorf schon ohne Beteiligung der anderen Ministerien eine Entscheidung gefallen sei.

Der Ministerrat beschließt, die Angelegenheit in der nächsten Kabinettssitzung zu behandeln.91

VI. Auerbach-Ausschuß92

Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet über ein Schreiben des Vorsitzenden des Ausschusses, Abg. Dr. Fischer,93 in dem der Beschluß des Ausschusses mitgeteilt werde.94

VII. Bürgermeisterwahl in Pressath/OPf.

Staatsminister Dr. Müller macht darauf aufmerksam, daß beabsichtigt sei, einen Herrn Wirschei95 zum Bürgermeister von Pressath vorzuschlagen, der in Gruppe II eingereiht sei. Bestehe eine Möglichkeit, ihn zur Wahl zuzulassen?

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, im Gemeindewahlgesetz96sei festgelegt, daß Belastete der Gruppe II nicht Bürgermeister werden könnten.97 Es sei nicht möglich, Ausnahmen von diesem Gesetz zu machen.

VIII Nationaler Feiertag des deutschen Volkes

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, Ministerialdirektor Leusser habe berichtet, einem Wunsche des Herrn Bundespräsidenten98 entsprechend werde das Bundesministerium des Innern einen Gesetzentwurf vorlegen, demzufolge der 7. September als Nationaler Gedenktag des deutschen Volkes bestimmt werden solle.99 Herr Leusser bitte um Weisung, ob von der Vertretung aus Weiteres unternommen oder die Einbringung des Gesetzentwurfs abgewartet werden solle.

Der Ministerrat beschließt, zunächst abzuwarten und weitere Schritte nicht zu unternehmen.100

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
In Vertretung
gez.: Dr. Fritz Baer
Ministerialrat