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Nr. 51Außerordentliche MinisterratssitzungMontag, 13. August 1951 Beginn: 10 Uhr Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Regierungsdirektor Müller1 (Landwirtschaftsministerium), Oberregierungsrat Maerz2 (Landwirtschaftsministerium), Ministerialrat Dr. Woelfle3 (Forstabteilung), Oberregierungsrat Dr. Knöringer (Finanzministerium), Dr. Kurtz4 (Landesplanung), Herr von Kretschmar5 (Bezirksplanungsstelle Regensburg), Dr. Haushofer6 (Bayer. Bauernverband).

Entschuldigt:

Kultusminister Dr. Schwalber, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. [Empfang einer Deputation des Landkreises Parsberg]. [II.] Erweiterung des ehemaligen Truppenübungsplatzes Hohenfels.

I. [Empfang einer Deputation des Landkreises Parsberg]7

Vor der Ministerratssitzung wurde eine Deputation des Landkreises Parsberg empfangen,8 die sich aus Landrat Lanzhammer, Herrn Schraml9 vom Bayer. Bauernverband Parsberg und sechs Bürgermeistern zusammensetzte. Die Deputation war außerdem begleitet von den Herren Abg. Dr. Schedl10 und Dr. Meitinger.11

Zunächst schilderte Landrat Lanzhammer eingehend die Nachteile, die eine Erweiterung nach Westen mit sich bringen müsse, während sich Abg. Meitinger erkundigte, warum eigentlich – wie man höre – die Staatsregierung Hohenfels überhaupt angeboten habe.

Anschließend baten die Bürgermeister der Gemeinden Großbissendorf,12 Lutzmannstein,13 Geroldsee,14 Pielenhofen,15 Velburg16 und Griffenwang17 im Namen ihrer Bürger, doch alles zu tun, um eine Erweiterung des Übungsplatzes nach Westen zu verhindern. Dabei wurde besonders darauf hingewiesen, daß es sich hier um jahrhundertealte Gemeinden mit Pfarrkirchen, Friedhöfen usw. handle, deren Verlassen von der Bevölkerung unerträgliche Opfer verlange.

Landrat und Abg. Dr. Schedl tritt gleichfalls für die Norderweiterung ein und betont, daß man zweifellos bei einer Entscheidung für die Westerweiterung das Risiko auf sich nehmen müsse, daß die Amerikaner doch von der ursprünglichen Grenze ausgehen würden, womit weitere 600 Menschen evakuiert werden müßten.

Landrat Dr. Winkler, 18 Amberg, nimmt Bezug auf die von ihm in der Ministerratssitzung vom Donnerstag, den 9. August dargelegten Argumente, die gegen die Norderweiterung sprechen und verweist besonders auf die Tatsache, daß sich das Kalkwerk Vilshofen, das für die Maxhütte unentbehrlich sei, nur 2–300 m von der Grenze des neuen Übungsplatzes befinde. Er wird dabei von Dr. von Hofen, Maxhütte, unterstützt, der die Wichtigkeit dieses Kalkwerks und die von der Maxhütte aufgewendeten Mittel betont.

Dagegen tritt Herr Schraml vom Bauernverband für die Nordlösung ein.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt zunächst fest, daß die Bayerische Staatsregierung weder etwas angeboten habe noch von sich aus eine Entscheidung treffen könne. Tatsache sei, daß die amerikanische Armee neue Übungsplätze brauche und zwar gerade in Bayern, obwohl die Bayerische Staatsregierung immer wieder auf die besonderen Belastungen des Landes hingewiesen habe.

Anschließend gibt Ministerpräsident Dr. Ehard dann einen Überblick über die Entwicklung hinsichtlich Hammelburg und Hohenfels, die dann am 29. Juli dadurch abgeschlossen worden sei, daß er vom Hohen Kommissar, Mr. McCloy, eine Karte mit der geplanten Erweiterung erhalten habe.19

Von einem Angebot könne also überhaupt keine Rede sein, man habe lediglich immer wieder versucht, neue Beschlagnahmungen von Bayern fernzuhalten; allerdings sei es Pflicht der Regierung, auf das Objekt mit den relativ geringsten Nachteilen hinzuweisen, wenn die Amerikaner auf ihrer Forderung bestünden. In einem ähnlichen Fall habe ja auch z.B. ein Landrat die Verpflichtung, mitzuteilen, welche von den beiden Gemeinden, die in Anspruch genommen würden, am ehesten aufgegeben werden könne. Selbstverständlich sei es auch falsch, wenn behauptet werde, die Staatsregierung schätze Hammelburg und seine Bewohner höher ein wie die Bevölkerung von Hohenfels. Entscheidend sei einzig und allein die Überlegung, wie viele Menschen jeweils gezwungen würden, ihre Heimat zu verlassen, wie viele ihre Existenz verlören usw. Wenn man dann alle Unterlagen sorgfältig geprüft habe, könne man erklären, dieses oder jenes Objekt sei am wenigsten schlimm.

Was heute ausgeführt worden sei, habe an sich nichts Neues gebracht, außer vielleicht der Umstand mit dem Kalkwerk Vilshofen. Er müsse aber nochmals darauf hinweisen, daß nicht das Kabinett über die West- oder Nordlösung zu entscheiden habe, sondern allein die Amerikaner, von denen bekanntlich der Plan der Westerweiterung ausgegangen sei. Dabei sei die Nordlösung20 ein nur von der Dienststelle Blank ausgegangener Vorschlag, zu dem sich die Amerikaner überhaupt noch nicht geäußert hätten. Immerhin dürfe man sich nicht darüber täuschen lassen, daß bei der Norderweiterung nicht nur der Staatswald betroffen, sondern auch weit über 1000 Menschen ihre Heimat und ihre Existenz verlieren würden, ganz abgesehen davon, daß man die Auswirkungen einer Waldvernichtung noch nicht übersehen könne. Selbstverständlich müsse die Regierung hier auch insoweit Einspruch erheben, als die Amerikaner ein Gebiet verlangten, daß 35 qkm größer sei wie das Projekt Hammelburg.

Landrat Lanzhammer macht noch darauf aufmerksam, daß bei einer Norderweiterung es durchaus nicht notwendig sei, den ganzen alten Truppenübungsplatz Hohenfels in Anspruch zu nehmen. Man könne ohne große Schwierigkeiten21 einen Streifen zwischen den Orten Hohenburg und Großbissendorf abtrennen, in dem ungefähr 30 neue Höfe errichtet worden seien. Vor allem aber müsse er seine Bedenken wiederholen, daß sich die Amerikaner kaum mit einer reduzierten Erweiterung zufrieden geben, sondern das ganze ursprüngliche Gebiet im Westen verlangen würden. Das gehe ja auch aus den verschiedenen Fernschreiben der Dienststelle Blank hervor.

Ministerpräsident Dr. Ehard sichert abschließend zu, alles tun zu wollen, um eine Lösung zu finden, die verhältnismäßig geringe Opfer verlange. Er bitte aber die Herren Landräte dringend, auf ihre Bevölkerung dahin einzuwirken, daß nicht aus einer Panikstimmung heraus Holz geschlagen und sonstige Verkäufe getätigt würden.

Nachdem die Delegation sich verabschiedet hat, beginnt die Ministerratssitzung.

[II.] Erweiterung des ehemaligen Truppenübungsplatzes Hohenfels

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß noch keine Nachrichten aus Bonn eingelaufen seien, die Dienststelle Blank behaupte aber, daß die Amerikaner auf jeden Vorschlag der bayerischen Regierung eingehen würden; ob das allerdings zutreffend sei, könne man noch nicht beurteilen.

Was die heutige Demonstration betreffe, so sei dadurch die Entscheidung der Regierung noch erschwert worden. Das Argument, daß bei der Nordlösung auch der Staat Opfer bringen müsse, sei schwer zu widerlegen.

Staatsminister Dr. Müller tritt für die Nordlösung ein, während Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, wenn man sich nicht für diese Regelung entscheide, werde es bestimmt heißen, man habe dies nur mit Rücksicht auf den Staatswald getan.

Staatsminister Dr. Oechsle meint, wenn eine Garantie bestünde, daß es bei der Begrenzung auf der grünen Linie bleibe,22 so wäre die Westlösung zweifellos das kleinere Übel; wenn die Amerikaner doch auf der gesamten Westerweiterung bestünden, müsse man die Nordlösung vorziehen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, auch der Landeskommissar habe ihm gesagt, von der Forderung im Westen könnten sicher noch Abstriche gemacht werden. Man habe aber keine Anhaltspunkte dafür, wie groß hier die amerikanischen Konzessionen sein würden.

Staatssekretär Dr. Nerreter stellt fest, daß keine der beiden Lösungen besonders vorteilhaft erscheine, weshalb man sich fragen müsse, ob man nicht die Entscheidung überhaupt den Amerikanern überlassen solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, daß das Kabinett trotz der Schwierigkeiten irgendwie Stellung nehmen müsse.

Staatsminister Dr. Schlögl führt aus, im Westen handle es sich um Gemeinden mit Pfarreien und Friedhöfen, an denen die Bevölkerung besonders hänge, während im Norden hauptsächlich Einzelhöfe, Weiler usw. zu verzeichnen seien.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält ihm entgegen, daß die Betriebsgrößen in beiden Teilen ungefähr gleich seien.

Dr. Kurtz hält vom gesamtwirtschaftlichen Plan aus die Westlösung für geeigneter. Was den Einwand von Landrat Lanzhammer betreffe, daß von dem alten Übungsplatz der Weststreifen abgeschnitten werden könne, so halte er einen solchen Vorschlag für völlig aussichtslos. Von dem alten Platz würden die Amerikaner keinesfalls abgehen.

Die Zahl der zu evakuierenden Bevölkerung sei im Westen etwas niedriger wie im Norden. Dagegen treffe auf das westliche Erweiterungsgebiet etwa 2000 ha Wald, der in bäuerlichem oder Gemeindebesitz sei. Die entsprechenden Zahlen im Nordgebiet betrügen 1763 ha, die Gesamtfläche des Staatswaldes betrage 5363 ha, seine gänzliche oder teilweise Zerstörung würde einen schweren Verlust bedeuten.

Von dem westlichen Gebiet seien 20% Ödland, vom nördlichen 5,84%, also spreche auch insoweit das Verhältnis für die Westlösung. Besonders zu beachten sei auch, daß sich im Norden die zwei Eisenbahnlinien Amberg-Lauterhofen und Amberg-Schmidmühlen befänden, während der Westen ein Verkehrstoter Raum sei. Daß die Amerikaner stets nur eine Erweiterung nach Westen, nie aber eine nach Norden verlangt hätten, sei ja schon mehrfach erörtert worden.

Regierungsdirektor Müller hält es für notwendig, die landwirtschaftliche Nutzfläche und die Waldfläche zu vergleichen; wenn das geschehe, sei zweifellos die Nordlösung günstiger, die ja auch auf weniger Widerstand bei der Bevölkerung stoßen werde.

Staatsminister Dr. Müller schlägt vor, die Entscheidung der Dienststelle Blank zu überlassen, wogegen Staatsminister Dr. Oechsle Bedenken geltend macht.

Ministerpräsident Dr. Ehard faßt die bisherige Beratung dahingehend zusammen, daß es zunächst wohl so aussehe, als ob die Westlösung günstiger sei. Allerdings bestehe hier die große Unsicherheit, ob die Amerikaner sich auch tatsächlich mit einer Einschränkung23 bis zur grünen Linie begnügen würden. Auch die Tatsache, daß alte Pfarrdörfer evakuiert werden müßten, sei sehr zu beachten.

Staatsminister Zietsch erklärt, er neige zur Westlösung, auch für den Fall, daß die Erweiterung im ursprünglichen Umfang erfolge, weil ihn die Tatsache beeindrucke, daß wertvollster Staatswald bei der Nordlösung geopfert werden müsse, während die übrigen Verluste ungefähr gleich seien. Wenn der Wald zerstört werde, wird damit gleichzeitig für alle Zukunft das ganze Gebiet schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auch der Umstand, daß im Norden Eisenbahnen seien, während es sich im Westen um einen Verkehrstoten Raum handle, sei zu beachten, ferner die bedrohliche Nähe der Nordgrenze des erweiterten Platzes gegenüber der Stadt Amberg und deren Industriegebiet.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß ernste politische Schwierigkeiten entstehen könnten, wenn sich die Bayerische Staatsregierung entgegen dem Gutachten der Dienststelle Blank24 für die Westlösung entscheide. Dazu komme, daß offensichtlich im Norden erheblich weniger geschlossene Gemeinden und Pfarreien bestünden. Besonders falle seines Erachtens aber ins Gewicht, daß der Staatsregierung der Vorwurf gemacht werden könne, sie trete für die Westlösung ein, weil sie damit keinen Staatswald zu opfern brauche. Er sehe sich deshalb gezwungen, nun doch für die Nordlösung einzutreten.

Staatsminister Dr. Oechsle unterstützt diese Auffassung und betont, daß der politische Gesichtspunkt der wichtigste sei, wenn auch die Nähe des Platzes zur Stadt Amberg zu großen Bedenken Anlaß gebe.

Der Ministerrat beschließt mit acht gegen drei Stimmen, dem Bundeskanzleramt mitzuteilen, daß er die Nordlösung für das geringere Übel halte.

Staatsminister Dr. Ochsle tritt noch dafür ein, jedenfalls den Versuch zu machen, den Umfang des neuen Platzes auf ca. 150 qkm zu beschränken.

Zum Abschluß wird beschlossen, der Presse mitzuteilen, daß der Ministerrat eingehend die Auswirkungen geprüft habe, die das Verlangen der Besatzungsmacht auf Errichtung eines Truppenübungsplatzes mit sich brächten und nach sorgfältiger Überlegung des Für und Wider festgestellt habe, die Nordlösung bringe die geringeren Nachteile mit sich.25

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
In Vertretung
gez.: Dr. Fritz Baer
Ministerialrat