I. BundesratsangelegenheitenT

II. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (Kirchensteuergesetz)51T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß dieser Gesetzentwurf vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus neuerdings vorgelegt worden sei, nachdem sich der Senat dazu gutachtlich geäußert habe.52 Bedenken gegen den jetzigen Entwurf seien von keiner Seite erhoben worden.52Mit Schreiben (Abdruck) vom 4.1.1954 hatte StM Schwalber einen geänderten Entwurf des Kirchensteuergesetzes an MPr. Ehard gesandt (MK 49009), nachdem der gutachtliche Bericht des Senatsausschusses für kulturpolitische Fragen, des Finanz- und Haushaltsausschusses sowie des Rechts- und Verfassungsausschusses bereits am 21.7.1953 vorgelegt und in der Sitzung des Bayer. Senats vom darauffolgenden Tag gebilligt worden war. S. Verhandlungen des Bayerischen Senats Bd. 6 S. 713f. sowie Anlagen 463 u. 473. Detaillierte Unterlagen zum Gutachterverfahren im Senat mit Laufzeit 1952 bis 1954 auch enthalten in Bayerischer Senat 3016.

2ter Dr. Schwalber fügt hinzu, auf Grund des Senatsgutachtens sei der ursprüngliche Entwurf in einigen Punkten geändert worden, insbesondere sei jetzt durch Art. 1 Abs. 2 die Einführung einer Kirchengrundsteuer durch die Kirchen, religions- und weltanschauliche Gemeinschaften zugelassen.5353Zu den Auseinandersetzungen zwischen dem für den Gesetzentwurf federführend verantwortlichen StMUK und dem StMELF um die Kirchengrundsteuer s. Protokolle Ehard III Bd. 2 Nr. 113 TOP I die Anm. 2ff. Das StMELF sah die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene Heranziehung von land- und forstwirtschaftichem Vermögen zur Kirchengrundsteuer als unzulässige Sonderbesteuerung der Landwirtschaft an. Da das StMELF in seiner Position vom StMF unterstützt wurde, kam es schließlich zur Streichung der Bestimmungen zur Kirchengrundsteuer. S. hierzu Protokolle Ehard III Bd. 2 Nr. 131 TOP I insbes. Anm. 2. Der Bayer. Senat allerdings vertrat in seinem Gutachten die Auffassung, daß „die Beschränkung der Maßstabsteuern auf die Einkommen- und Lohnsteuer zu ungleichmäßiger Besteuerung im kirchlichen Bereich“ führe. „Wo diese ungleichmäßige Besteuerung vorhanden ist, muß sie durch Heranziehung des Grundbesitzes oder Einführung einer Mindestkirchensteuer (Umlage) oder auf sonstige Weise ausgeschaltet werden, wobei eine neue ungerechtfertigte Belastung vermieden und den Forderungen der sozialen Gerechtigkeit Rechnung getragen werden soll.“ (Verhandlungen des Bayerischen Senats Bd. 6 Anlage 463). In dem geänderten Entwurf vom 4.1.1954 (wie oben Anm. 52) war daher durch Einfügung eines Satzes 2 in Art. 1 Abs. 2 die Einführung der Kirchengrundsteuer als Kann-Bestimmung wieder aufgenommen worden. Art. 1 Abs. 2 des Entwurfs lautete nun: „Die Kirchensteuern werden als Umlagen nach dem Maßstab der veranlagten Einkommensteuer (Kircheneinkommensteuer) und der Lohnsteuer (Kirchenlohnsteuer) sowie in Form von Kirchgeld erhoben. Daneben können die in Abs. 1 genannten Gemeinschaften Kirchensteuern als Umlagen nach dem Maßstab der Gundsteuermeßbeträge (Kirchengrundsteuer) auf Grund eigener Steuerordnung erheben.“

3Die Kirchen könnten über die Voraussetzungen, die Art und den Umfang der Erhebung einer Kirchengrundsteuer im Rahmen besonderer Steuerordnungen, vergl. Art. 17, weitgehend selbst bestimmen.5454Art. 17 des Gesetzentwurfs vom 4.1.1954 (wie oben Anm. 52) enthielt die Bestimmungen zur Erhebung der Kirchengrundsteuer. Kirchen und Religionsgemeinschaften wurden hier ermächtigt, „zum Zweck der Erhebung der Kirchengrundsteuer eigene Steuerordnungen zu erlassen“, unter genauer Benennung der „Voraussetzungen, in welchem Zeitraum und, mit welchem Umlagesatz der Grundbesitz zur Entrichtung der Kirchengrundsteuer heranzuziehen ist.“ Einschränkend wurde in Abs. 2 verfügt, daß der Kirchengrundsteuer „nur diejenigen Grundstücke unterworfen werden“ dürfen, „die im Bereich des Bayerischen Staates gelegen sind, und nur insoweit als ein Angehöriger der erhebenden Gemeinschaft Eigentümer ist“; gemäß Abs. 3 dürfe der Umlagesatz für die Kirchengrundsteuer 10% des Grundsteuermeßbetrages nicht überschreiten. Die erforderlichen Unterlagen für die Kirchengrundsteuererhebung durch die Kirchen und Religionsgemeinschaften hatten nach Abs. 4 von den zuständigen Staats- und Gemeindebehörden bereitgestellt zu werden; dem StMF schließlich oblag nach Abs. 5 die Aufsicht über die Steuerordnungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften.

4Der Ministerrat erklärt sich mit dem vorliegenden Entwurf einverstanden und beschließt, ihn dem Landtag zuzuleiten.

5 Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist noch darauf hin, daß der Entwurf dem Senat lediglich noch zur Kenntnisnahme übersandt werden müsse.5555MPr. Ehard leitete Entwurf und Begründung am 21.1.1954 an den Landtagspräsidenten. Der Bayer. Landtag verabschiedete das Gesetz in seiner Sitzung vom 27.10.1954 und gab in seiner Sitzung 23.11.1954 noch geringfügigen formellen Einwendungen des Senats statt. S. BBd. 1953/54 VI Nr. 5004; StB. 1953/54 VII S. 2389–2400 u. S. 2465f. – Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschaulichen Gemeinschaften (Kirchensteuergesetz) vom 26. November 1954 (GVBl. S. 305).

III. Beschluß des Bayer. Senats vom 22. Juli 1953 betr. Abgrenzung der Zuständigkeiten der Staatsministerien des Innern und der Finanzen in Finanzausgleichsfragen56T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Senat habe am 22. Juli 1953 einen Beschluß gefaßt, wonach er es für zweckmäßig erachte, daß auf dem Gebiet des kommunalen Finanzausgleichs und der Bewirtschaftung der Finanzausgleichsmittel die alleinige Zuständigkeit des Staatsministeriums des Innern klar ausgesprochen werde.

2Eine Einigung zwischen den Staatsministerien des Innern und der Finanzen sei nur zum Teil zustande gekommen. Sein Ministerium wolle vor allem die Zuständigkeitsregelung aus der Zeit vor 1945 wieder hergestellt wissen und deshalb dem Beschluß des Senats entsprechend für die Bewilligung folgender Einzelleistungen zuständig sein:

3a) Grundsteuerausfallvergütung (nach Art. 8 des FAG),5757Bezug genommen wird hier und folgend auf Einzelbestimmungen des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsgesetz) in der Fassung vom 25. Oktober 1951 (GVBl. S. 207); vgl. hierzu Protokolle Ehard III Bd. 1 Nr. 35 TOP VI.

4b) Zuschüsse zur Trümmerbeseitigung usw. (nach Art. 10 FAG),

5c) Bedarfszuweisungen (nach Art. 11 FAG),

6d) Polizeikostenzuschüsse (nach Art. 12 FAG),

7e) Straßenbauzuschüsse (nach Art. 13 Abs. 5 FAG)

8Im übrigen verweise er auf die Note des Staatsministeriums des Innern vom 24. Dezember 1953.5858Schreiben von StM Hoegner an die StK, 24.12.1953 (StK 11699).

9In diesem Zusammenhang müsse er feststellen, daß das vorgeschlagene Verfahren auch weitgehend der Staatsvereinfachung dienen könne. Das Staatsministerium des Innern müsse sich jetzt einmal dagegen wenden, daß sich das Staatsministerium der Finanzen mehr und mehr zu einer Art Kontrollorgan der übrigen Ministerien entwickle und bei einer Reihe von Entscheidungen der Ressorts mitwirken wolle.59 Er verweise dabei auf Art. 51 Abs. 1 der BVerf.60 wonach jeder Staatsminister seinen Geschäftsbereich selbständig führe.59Die Kritik in den zentralen Passagen des Schreibens von StM Hoegner vom 24.12.1953 hatte den Wortlaut: „Dem Staatsministerium des Innern kommt es nicht darauf an, die Berechnung und Auszahlung der allgemeinen Finanzausgleichsleistungen federführend zu übernehmen, die ohne Bindung an die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben als Pauschalzuschüsse gewährt werden. Es wird lediglich, hier aber entscheidend und mit Nachdruck Wert darauf gelegt, daß die unter a) – e) angeführten Einzelleistungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen der jeweils im Staatshaushaltsplan veranschlagten Gesamthöhe ausschliesslich vom Staatsministerium des Innern bewilligt werden. Mit dieser Forderung, die bereits seit 1951 immer wieder erhoben wurde, soll im wesentlichen die Zuständigkeitsregelung wiederhergestellt werden, wie sie bis 1945 bestand. Die Forderung des Staatsministeriums des Innern erscheint auch sachlich voll begründet. Die Zuständigkeit zur Bewirtschaftung der im Haushaltsplan jeweils veranschlagten Haushaltsmittel kommt grundsätzlich dem Staatsministerium zu, in dessen Geschäftsbereich die Aufgaben fallen, zu deren Erfüllung die Haushaltsmittel bestimmt sind (Ressortprinzip). Die in Frage stehenden Einzelleistungen dienen der Erfüllung kommunaler Aufgaben. […] Das Staatsministerium der Finanzen, dessen Zuständigkeit zur Behandlung allgemeiner Finanzausgleichsfragen und zur Ausarbeitung entsprechender Gesetzentwürfe unbestritten bleibt, wirkt daher bei der Bewilligung der o.a. Einzelleistungen des Finanzausgleichs auf einem Gebiete mit, das ihm fachlich fremd ist. Diese Mitwirkung kann als Verstoß gegen das Ressortprinzip schon im Hinblick auf Art. 51 Bayer. Verfassung […] nicht mehr hingenommen werden. Zudem bedeutet die jetzige Regelung und Handhabung eine sachlich nicht begründete Doppelgleisigkeit und damit eine vermeidbare Verzögerung des jeweiligen Bewilligungsverfahrens. Es scheint daher schon im Hinblick auf die gebotene Vereinfachung, Verbilligung und Beschleunigung der staatl. Verwaltung unbedingt notwendig, endlich die frühere ausschließliche Zuständigkeit des Staatsministeriums des Innern zur Bewilligung der o.a. Einzelleistungen wiederherzustellen. Das Staatsministerium der Finanzen weigert sich jedoch, der Forderung des Staatsministeriums des Innern Rechnung zu tragen; es will an den in der Nachkriegszeit an sich gezogenen Zuständigkeiten auch zur Bewilligung von Einzelleistungen auf dem Gebiete des kommunalen Finanzausgleichs […] festhalten.“ (StK 11699).60Art. 51 Abs. 1 BV lautet. „Gemäß den vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik führt jeder Staatsminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.“

10Staatsminister Zietsch ersucht, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, da er die Vorschläge des Staatsministeriums des Innern noch nicht habe ausreichend prüfen können.

11Es wird vereinbart, die Angelegenheit in der nächsten Ministerratssitzung am Dienstag, den 26. Januar 1954 zu behandeln.6161Zum Fortgang s. Nr. 195 TOP IV, Nr. 197 TOP IV u. Nr. 200 TOP IX.

IV. Vorlage eines neuen Landesjugendplans an den Bayer. Landtag62T

1Staatsminister Dr. Oechsle erklärt, der Landesjugendplan müsse dem Landtag auf Grund seines Beschlusses vom 15. Oktober 1953 vorgelegt werden.63 Es komme nun darauf an, ob es gelinge, sich endgültig mit dem Staatsministerium der Finanzen zu einigen, ferner sei auch noch die Übereinstimmung mit den Staatsministerien des Innern und für Unterricht und Kultus zu erzielen.63S. Protokolle Ehard III Bd. 3 Nr. 182 Anm. 20.

2Staatsminister Zietsch macht darauf aufmerksam, daß am kommenden Montag, den 25. Januar 1954 eine Sondersitzung wegen des Haushaltsplans stattfinden werde, bei dieser Gelegenheit könne dann auch der Landesjugendplan behandelt werden.

3Der Ministerrat erklärt sich mit der Verschiebung bis zum 25. Januar 1954 einverstanden.6464Zum Fortgang s. Nr. 195 TOP III u. Nr. 197 TOP V.

V. Federführung auf dem Gebiet der Luftfahrtforschung65T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr am 3. September 1953 um eine Entscheidung des Ministerrats über die Federführung auf dem Gebiet der Luftfahrtforschung gebeten habe. Dabei werde vorgeschlagen, daß die Federführung für die angewandte oder Zweckforschung auf das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr übertragen werde, während die Federführung für die Grundlagenforschung beim Staatsministerium für Unterricht und Kultus verbleiben solle. Dieses Ministerium habe sich mit Schreiben vom 31. Dezember 1953 mit dieser Anregung grundsätzlich einverstanden erklärt, mache allerdings seine Zustimmung davon abhängig, daß ein enges Benehmen zwischen den beiden Ministerien hergestellt werde.6666Schreiben (Abdruck) von StM Schwalber an MPr. Ehard, 31.12.1953 (MWi 12706).

2Außerdem nehme das Staatsministerium für Unterricht und Kultus weiterhin die ausschließliche Federführung in Anspruch für Fragen

31. der Forschung im Rahmen der Lehr- und Forschungsaufgaben der Technischen Hochschule München sowie für Fragen, die mit der Errichtung einer Zentrale für Wissenschaftliches Berichtswesen auf dem Gebiet der Luftfahrtforschung (ZWB)

4bei der Technischen Hochschule München zusammenhängen,

52. der Jugendpflege, auch insoweit als die Jugendpflege in der Förderung eines – nicht kommerziell betriebenen – Segelflugsports besteht.

6Staatsminister Dr. Seidel erklärt sich mit diesen Bedingungen ausdrücklich einverstanden, betont jedoch, daß auch das Kultusministerium an das enge Benehmen mit seinem Ministerium gebunden sein müsse, was Staatsminister Dr. Schwalber zusichert.

7Der Ministerrat beschließt daraufhin, die Federführung dem Vorschlag des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr entsprechend aufzuteilen.6767In thematisch ähnlichem Fortgang (Wiedererrichtung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug) s. Nr. 201 TOP IV.

VI. Entwurf eines Stiftungsgesetzes68T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe jetzt den Beschlüssen des Ministerrats vom 5. Januar 1954 folgend69 den geänderten Text des Stiftungsgesetzes vorgelegt. Im einzelnen handle es sich um Änderungen der Art. 6 Abs. 2, 15, 20, 31 Abs. 3 Satz 1, 34 und 39 Abs. 2.69Hier hs. Änderung v. Gumppenbergs im Registraturexemplar; die ursprüngliche Formulierung hatte gelautet: „entsprechend“ (StK-MinRProt 22).

2Der Ministerrat erklärt sich mit dem geänderten Text des Entwurfs einverstanden und beschließt, ihn dem Senat vor der Zuleitung an den Landtag zur gutachtlichen Stellungnahme gemäß Art. 40 BV zuzuleiten.7070Zum Fortgang s. Nr. 212 TOP II.

VII. Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des kommunalen Wahlrechts71T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Besprechung dieses Punktes in der letzten Ministerratssitzung vom 12. Januar 1954 und teilt mit, bei den Beratungen in seinem Ministerium habe sich gezeigt, daß es zweckmäßig sei, im Gesetzentwurf von Voraussetzungen für die Wahl zum Landrat abzusehen, also § 4 Abs. 4 Landkreiswahlgesetz (neu) völlig zu streichen und nur noch in der Begründung die bisherige Formulierung des Abs. 4 im Hinblick auf den Landtagsbeschluß vom 6. Mai 1953 anzuführen.

2Für § 4 Abs. 4 LkrWG werde deshalb folgende Fassung vorgeschlagen:

3„(3) Als Landrat ist außer den in Art. 5 des Gemeindewahlgesetzes aufgeführten Personen nicht wählbar:

41. Wer zu Zuchthaus oder wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu Gefängnis von 1 Jahr oder längerer Dauer rechtskräftig verurteilt ist,

52. wer die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter durch Richterspruch rechtskräftig verloren hat,

63. wer von einem Dienststrafgericht zur Entfernung aus dem Dienst rechtskräftig verurteilt ist,

74. wer in einem sonstigen behördlichen Verjähren, in einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren von der weiteren Ausübung eines Berufes, dessen Voraussetzungen rechtlich geregelt sind, rechtskräftig ausgeschlossen ist.“

8Außerdem sei es noch notwendig, eine dem Art. 4 Abs. 3 LKrWG entsprechende Ergänzung auch bei § 1 Ziff. 13 des Entwurfs (Art. 29 Abs. 2 Gemeindewahlgesetz/Wählbarkeit zum Bürgermeisteramt) vorzunehmen.

9 Der Ministerrat erklärt sich mit diesen beiden Vorschlägen einverstanden.7272MPr. Ehard leitete Entwurf und Begründung am 8.2.1954 an den Landtagspräsidenten. Der Bayer. Landtag verabschiedete das Gesetz in seiner Sitzung vom 15.9.1954, Einwendungen des Senats entsprach der Bayer. Landtag in seiner Sitzung vom 26.10.1954. S. BBd. 1953/54 VI Nr. 5093; StB. 1953/54 VII S. 2016–2021 u. 2342f. – Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des kommunalen Wahlrechts vom 28. Oktober 1954 (GVBl. S. 253).

VIII. Landeswahlgesetz73T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, er halte es für notwendig, in diesem Zusammenhang nochmals auf den vom Staatsministerium des Innern am 5. März 1951 den Ministerrat vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Landtagswahl, Volksbegehren und Volksentscheid (Landeswahlgesetz) zurückzukommen. Dieser Entwurf, der unter anderem vorsehe, daß die Zahl der Abgeordneten auf 150 verringert werde, sei verschiedentlich im Ministerrat behandelt, dann aber, mit Ausnahme einiger Punkte, wie z.B. die Streichung der Nachwahlen, nicht weiter behandelt worden, da der Herr Ministerpräsident vor allem die Frage der Verringerung der Zahl der Abgeordneten selbst mit den Vertretern der Koalitionsparteien habe besprechen wollen. Die erbetenen äußerungen der Fraktionen seien aber nicht eingelaufen, er glaube auch nicht, daß irgendeine Aussicht bestehe, die Zahl der Abgeordneten zu verringern, so daß man diesen Punkt besser wohl nicht weiter verfolge.

2In dem Entwurf seien aber auch noch eine Reihe von Verbesserungen technischer Art enthalten, so daß er Vorschläge, sich nochmals damit zu beschäftigen und den Gesetzentwurf dann dem Landtag zuzuleiten,

3Staatsminister Zietsch hält es nicht für aussichtslos, daß die Zahl der Abgeordneten vermindert werde, zumal sich auch der Landtagspräsident gegen die Vermehrung der Abgeordnetenzahl in Bonn gewandt habe.

4Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, das lässt sich nicht vergleichen, Herr Landtagspräsident Hundhammer habe im wesentlichen hinsichtlich des bayerischen Entwurfs verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 14 der BVerf. gehabt, die er selbst allerdings nicht teile. Jedenfalls glaube er nach wie vor, daß eine Vorlage mit dem Ziel, die Zahl der Abgeordneten zu verringern, wenig Aussicht auf Erfolg habe.

5Staatssekretär Dr. Nerreter empfiehlt die Vorlage, die sich auf die technischen Verbesserungen beschränke, bald zu machen, da sie als Muster für das Bezirkstagswahlgesetz74 diene. Was die Zahl der Abgeordneten betreffe, so halte er es für besser abzuwarten, ob nicht eine entsprechende Anregung aus den Reihen des Landtags selbst komme.74Zum Fortgang hierzu s. Nr. 213 TOP I.

6Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, zunächst in der morgigen Koalitionsbesprechung auch diese Frage anzuschneiden, dann könne man sehen, in welcher Form der Entwurf dem Landtag vorgelegt werden könne.

7 Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.7575Zum Fortgang s. Nr. 206 TOP II u. Nr. 207 TOP I.

IX. PersonalangelegenheitenT

11. Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten des Bayer. Obersten Rechnungshof7676Vgl. Protokolle Ehard III Bd. 3 Nr. 189 TOP VIII.

2Der Ministerrat beschließt, die Amtszeit des Präsidenten des Bayer. Obersten Rechnungshofs, Richard Kallenbach, bis auf weiteres, vorerst bis zum Ablauf dieses Rechnungsjahres, zu verlängern.7777Zum Fortgang s. Nr. 201 TOP VI u. Nr. 217 TOP IX (Regelung der Nachfolge Kallenbachs); in thematischem Fortgang („Angelegenheit Kallenbach“/Landtagsuntersuchungsausschuß Residenztheater) s. Nr. 205 TOP IV.

32. Ernennung eines Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordbayern7878S. Kabinettsprotokolle 1954 S. 139 Anm. 54, S. 157 u. 550 insbes. Anm. 115. Vgl. thematisch Protokolle Ehard III Bd. 3 Nr. 176 TOP X.

4Staatsminister Dr. Oechsle führt aus, die Stelle eines Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordbayern müsse neu besetzt werden. An sich sei kein Zweifel gewesen, daß der bisherige Vizepräsident, Alfred May,79 der praktisch schon seit zwei Jahren die Geschäfte führe, Nachfolger des verstorbenen Präsidenten80 werden solle. Nun habe ihm Herr Bundesarbeitsminister Storch81 gesagt, aus politischen Erwägungen könne Herr May nicht vorgeschlagen werden. Daraufhin seien die Mitglieder des Verwaltungsausschusses, also des zuständigen Selbstverwaltungsorgans, an ihn herangetreten, mit dem Vorschlag, sie wollten eine Art Vertrauenskundgebung für May herbeiführen, vorausgesetzt, daß sich auch das bayerische Kabinett, das ja bei der Neubesetzung gehört werden müsse, ebenfalls positiv zu May einstelle. Er bitte deshalb, sich heute zu äußern, wobei er noch bemerke, daß an Herrn Dipl. Kaufmann Emmert82 als Vizepräsident gedacht sei.79Alfred May (1901–1970), Kaufmann, SPD-Funktionär und Vorsitzender des Zentralverbandes der Angestellten in Schweinfurt, 1924/25 Angestellter beim Arbeitsamt Schweinfurt, 1925–1927 selbständiger Kaufmann, anschließend bis zur Dienstentlassung am 10.3.1933 wieder Angestellter beim Arbeitsamt Schweinfurt, März 1933 Inhaftierung zunächst im Landgerichtsgefängnis Schweinfurt, dann von Juni bis Oktober im KZ Dachau, anschließend bis 1943 leitende kaufmännische Tätigkeiten bei verschiedenen Nürnberger Unternehmen, 1943 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft, September 1945 Wiedereinstellung beim Landesarbeitsamt OFr. in Ansbach, 1.5.1946 stv. Direktor beim Arbeitsamt Nürnberg, 18.12.1946 Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und ORR, 1.4.1949 Vizepräsident des Landesarbeitsamtes Nordbayern, 19.12.1949 RegDir, 23.5.1955 Leitender Verwaltungsdirektor und ständiger Stellvertreter des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordbayern.80Gemeint ist der am 5.10.1953 verstorbene Wilhelm Jakob; zu dessen Person keine Angaben ermittelt.81Anton Storch (1892–1975), 1915 Sekretär des Zentralverbandes christl. Holzarbeiter Deutschlands, anschließend Vorsitzender der christl. Gewerkschaften in Hessen, 1931–1933 Leiter des Landesverbandes Niedersachsen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, nach 1933 Versicherungsvertreter, 1946–1948 Leiter der Hauptabteilung Sozialpolitik des DGB in der brit. Zone, 1947–1948 Mitglied des Wirtschaftsrates, 13.9.1948 bis 20.9.1949 Direktor der Verwaltung für Arbeit des VWG, 1949–1965 MdB (CDU), 1949–1957 Bundesminister für Arbeit. Vgl. Hockerts, Storch .82Heinrich Emmert (1901–1974), Dipl.-Kaufmann, 1946–1950 MdL (CSU). Emmert hatte von Oktober 1947 bis zum 31.3.1956 das im StMWi, dann im StMWV angesiedelte Amt des „Staatsbeauftragten zur Durchführung des Art. 160 der Verfassung“ inne; zur Berufung Emmerts in dieses Amt s. Protokolle Ehard II Bd. 1 Nr. 2 TOP XVIII, Juli 1953 Sonderbeauftragter für Grenzlandfragen im StMWV.

5Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß in erster Linie fachliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sein müßten.

6Er glaube aber nicht, daß man sich heute in Abwesenheit des Herrn Ministerpräsidenten abschließend mit dem Fall befassen könne.

7Staatsminister Dr. Oechsle erwidert, er habe mit dem Herrn Ministerpräsidenten schon gesprochen und sei mit ihm grundsätzlich darüber einig, daß für May eingetreten worden solle, zumal Herr Landrat Dr. Neff,83 der auch in Betracht komme, abgelehnt habe. Ein Beschluß binde das Kabinett nicht, der Verwaltungsausschuß wolle nur eine gewisse Sicherheit haben, daß das Kabinett der gleichen Meinung sei.83Dr. jur. et rer. pol. Richard Neff (geb. 1892), Jurist, Kommunalpolitiker, 1909 Abitur Gymnasium Neuburg/Donau, 1909–1913 Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten München und Nürnberg, 1913 Erstes Juristisches Staatsexamen, 1920 Große Juristische Staatsprüfung, 1920 RR im StMI, 1922 Bezirksamtmann in Miesbach, 1927–1938 ORR bei der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung, 1938–1944 im Reichsarbeitsministerium in Berlin, aufgrund der jüdischen Abstammung der Ehefrau keine Beförderung und Beurlaubung aus politischen Gründen im Herbst 1944, 1945 Ernennung zum Landrat von Ansbach durch die US-Militärregierung, 1948–1952 Vorsitzender des Bayer. Landkreisverbandes. Vgl. Latzin, Lernen von Amerika S. 393 .

8Staatsminister Dr. Seidel erklärt; er könne nicht glauben, daß der Bundesarbeitsminister Herrn May wegen seiner Zugehörigkeit zur SPD ablehne. Im übrigen habe er von dieser Sache noch nichts gehört und müsse sich erst erkundigen.

9Staatsminister Dr. Oechsle macht darauf aufmerksam, daß die Sache eilig sei, nachdem der Verwaltungsausschuß am Freitag zusammentrete.

10Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt nochmals, daß heute nicht abschließend Stellung genommen werden könne. Der Ministerrat stehe aber wohl auf dem Standpunkt, daß jedenfalls die fachliche Eignung den Vorzug vor politischen Erwägungen haben müsse.

11Der Ministerrat stimmt dieser Auffassung zu.8484Zum Fortgang s. Nr. 195 TOP VI u. Nr. 211 TOP XI.

123. Staatsminister Dr. Oechsle erkundigt sich, was mit der Personalsache Dr. Meissinger85 sei, die er schon vor einiger Zeit an die Staatskanzlei herübergegeben habe.85Vgl. Protokolle Ehard III Bd. 3 Nr. 183 TOP VIII. – Dr. jur. Hermann Meissinger (geb. 1884), Arbeitsrechtler, 1903–1907 Studium der Rechtswissenschaften in Gießen, 1.6.1907 bis 30.9.1910 Referendar in Gießen und Friedberg, 1910 Große Juristische Staatsprüfung, 1913 Promotion, 1914/15 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1.10.1910 bis 1.10.1920 Gerichtsassessor im Hessischen Justizministerium, hier allerdings von 1912–1920 für Tätigkeiten in der Privatwirtschaft beurlaubt, 1.4.1920 bis Kriegsende 1945 Geschäftsführer der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Berlin, daneben 1926–1945 Fachanwalt für Arbeitsrecht beim Reichsarbeitsgericht, NSDAP-Mitglied 1940–1945, SA-Mitglied 1934–1945, Sturmführer ehrenhalber 1943–1945, laut Bescheid der Spruchkammer Starnberg vom 17.10.1947 Einstufung als Mitläufer, Aufhebung des Spruchkammerurteils und Einstufung als Entlasteter durch Urteil des Kassationshofes vom 20.5.1950, 1.9.1948 Landesarbeitsgerichtsdirektor beim Bayer. Landesarbeitsgericht, dort 1.4.1949 Vizepräsident, 1.10.1952 Präsident, Ruhestandsversetzung zum 1.9.1954.

13Ministerialrat von Gumppenberg erwidert, der Akt sei noch nicht zu den Ministerratsakten gekommen, er werde der Sache aber nachgehen.8686Zum Fortgang s. Nr. 195 TOP IV u. Nr. 200 TOP VII.

X. Niederlassung des Erzherzogs Otto von Habsburg in Bayern87T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Landrat des Landkreises Landshut88 habe eine Anfrage der Deutschen Vertretung in Paris erhalten, ob für drei Angestellte Otto von Habsburgs, der sich in Bayern und zwar auf dem Schloss Niederaichbach des Fürsten Urach89 niederlassen wolle, die Aufenthaltsgenehmigung erteilt werde.90 Er habe dem Landrat, der ihn sofort verständigt habe, mitgeteilt, die Entscheidung könne nicht getroffen werden, ohne daß sich der Ministerrat damit befaßt habe. Otto von Habsburg wolle sich offensichtlich für dauernd in Bayern niederlassen, nachdem in Österreich ein Gesetz bestehe, wonach ihm dort der Aufenthalt versagt sei.9188Franz Graf Spreti (1914–1990), Landwirt, Gutsbesitzer, Politiker, 1939–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1941 Übernahme des elterlichen Gutshofes, 1945 US-amerikanische Kriegsgefangenschaft, Entlassung Sommer 1945, dann Bürgermeister in Vilsheim/NB (CSU), 1946–1964 Landrat des Lkr. Landshut, 1954–1962 Mitglied des Bezirkstags von NB, 1958–1962 dessen Präsident, 1964–1979 Präsident des Kanzlei und Verwaltung des Herzogs von Bayern. S. NDB Bd. 24 S. 754 ; Köpfe der Politik S. 1057 .89Eberhard Fürst von Urach (1907–1969), Offizier, Gutsbesitzer, 1917–1922 Besuch des Gymnasiums in Stuttgart, 1922–1927 Internatsschüler am Neuen Gymnasium in Regensburg, ab 1927 Offizierslaufbahn, Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1944–1947 britische Kriegsgefangenschaft, 1948 Heirat mit Inigia Prinzessin von Thurn und Taxis (1925–2008) und Bewirtschaftung des von dieser in die Ehe eingebrachten Gutes Niederaichbach bei Landshut. S. Das Haus Württemberg S. 393 .90S. das Telegramm des Landratsamtes Landshut an das StMI, 16.1.1954; Vormerkung von MinRat v. Gumppenberg betr. Erzherzog Otto von Habsburg/Österreich, 18.1.1954. Am Vormittag des 18.1.1954 hatte Otto von Habsburg sich darüber hinaus telefonisch in der StK kurzfristig nach einem Besuchstermin bei MPr. Ehard erkundigt (StK 13516).91Gemeint ist das Gesetz vom 3. April 1919, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen (StGBl. S. 513), dessen § 2 lautete: „Im Interesse der Sicherheit der Republik werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen, diese, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes verwiesen. Die Festsetzung, ob diese Erklärung als ausreichend zu erkennen sei, steht der Staatsregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschusse der Nationalversammlung zu.“ Diese Verzichtserklärung sollte Otto von Habsburg erst im Jahre 1961 abgeben. Es folgten über fünf Jahre schwere innenpolitische, publizistische und gerichtliche Auseinandersetzungen über diese Erklärung („Habsburg-Krise“), bis Otto von Habsburg nach dem Sieg der ÖVP in den österreichischen Nationalratswahlen von 1966, aus denen die Partei mit absoluter Mehrheit hervorging, wieder uneingeschränkt nach Österreich einreisen durfte. Vgl. hierzu Baier/Demmerle, Otto von Habsburg S. 298–350; Wirth, Broda S. 248–262.

2Er schlage vor, im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Angelegenheit, die Anfrage der Deutschen Vertretung in Paris dem Bundeskanzler als Bundesminister des Äußeren zuzuleiten.

3Staatsminister Dr. Oechsle meint, wenn es sich nur um Angestellte handle, könne allein das Arbeitsamt in Landshut entscheiden.

4Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, er teile diese Ansicht nicht, es handle sich vielmehr um die grundsätzliche Frage der Niederlassung Otto von Habsburgs in Bayern, der wie er gehört habe, ein Haus in Ambach kaufen oder bauen wolle.

5Auch Staatssekretär Dr. Koch empfiehlt, sich zunächst mit der Bundesregierung in Verbindung zu setzen.

6Staatssekretär Dr. Brenner wirft die Frage auf, ob man nicht zum Ausdruck bringen wolle, welchen Standpunkt der Ministerrat einnehme.

7Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält es dagegen für richtig, zunächst nur beim Bundeskanzler anzufragen, ob er der Meinung sei, daß Schwierigkeiten politischer Art92 aus der Übersiedlung Otto von Habsburgs nach Bayern entstehen könnten.92Hier hs. Änderung v. Gumppenbergs im Registraturexemplar; die ursprüngliche Formulierung hatte gelautet: „… anzufragen, ob s.E. Schwierigkeiten politischer Art …“ (StK-MinRProt 22).

8Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.9393Mit Schreiben vom 19.1.1954 an Bundeskanzler Adenauer informierte MPr. Ehard die Bundesregierung von den Plänen Otto von Habsburgs und bat um eine Entscheidung: „Nachdem Erzherzog Otto von Habsburg offensichtlich beabsichtigt, sich in nächster Zeit dauernd in Bayern und damit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland niederzulassen, möchte ich nicht verfehlen, Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, als Bundesminister des Auswärtigen, von dieser Absicht zu unterrichten. Ich darf Sie bitten, mir mitzuteilen, ob in Anbetracht des internationalen Interesses an der Persönlichkeit des Erzherzogs auf Seiten der Bundesregierung Bedenken politischer Art gegen eine dauernde Niederlassung in Bayern bestehen.“ (StK 13516). Zum Fortgang s. Nr. 196 TOP VIII, Nr. 214 TOP V u. Nr. 215 TOP IV.

XI. Anleihen des Bayerischen StaatesT

1Ministerialdirektor Schwend übermittelt den Wunsch des Herrn Ministerpräsidenten, im nächsten Ministerrat die Frage einer Anleihe für den Straßenbau zu erörtern. Dabei möchte der Herr Ministerpräsident auch Auskunft darüber haben, welche Anleihen bisher aufgenommen seien und welche Verpflichtungen daraus bestünden. Er bitte deshalb die Herren Staatsminister des Innern und der Finanzen, bis zur nächsten Sitzung die notwendigen Feststellungen zu treffen.

2Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt unter Zustimmung des Ministerrats, man könne diese Frage mit der Besprechung des Haushalts 1954 verbinden.9494Zum Fortgang s. Nr. 194 TOP I.

XII. Äußerungen des Münchner FaschingsprinzenT

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet, der Herr Ministerpräsident habe ihm gesagt, daß er an Veranstaltungen, zu denen der Faschingsprinz komme, nicht teilnehmen werde und die Kabinettsmitglieder bitten lasse, ebenso zu verfahren.9595Bei der Eröffnung der Münchner Faschingssaison 1954 am 9. Januar im Bayerischen Hof hatte der Münchner Faschingsprinz in seiner Inthronisationsrede u.a. geäußert, im Fasching sollten die Eheringe und die „ehelichen Fesseln“ abgelegt werden. Empörte Reaktionen seitens der Kirche und des Familienbundes deutscher Katholiken folgten prompt, denen sich auch StM Hoegner öffentlich anschloß: „Leider fehlt eine Strafbestimmung, um gegen eine so herausfordernde Herabsetzung unserer höchsten Kulturwerte vorgehen zu können.“ Das StMI aber „werde die Polizeibehörden anweisen, nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches gegen etwaige Verletzungen der öffentlichen Sittlichkeit auf Faschingsveranstaltungen vorzugehen.“ Vgl. SZ Nr. 7, 11.1.1954, „Jubel-Ouvertüre des Münchner Faschings“; SZ Nr. 11, 15.1.1954, „Familienbund gegen Faschingsprinzen“; SZ Nr. 12, 16./17.1.1954, „Dr. Hoegner ist entrüstet“, Zitate ebd.

2Er selbst könne nur bedauern, daß derjenige, der für Zucht und Sitte eintrete, in der Presse heruntergezogen werde.

3Die Geschichte lehre, daß mit der Herabsetzung von Ehe und Familie noch jedesmal der Untergang eines Volkes eingeleitet worden sei.

4Der Ministerrat beschließt, dem Wunsche des Herrn Ministerpräsidenten Rechnung zu tragen, wobei festgestellt wird, daß bei Wohltätigkeitsveranstaltungen Eintrittskarten gekauft werden könnten, um den guten Zweck zu fordern, aber von einer persönlichen Beteiligung abgesehen werden solle.

XIII. Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes; hier: Ernennung von Mitgliedern des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt96T

1Staatssekretär Stain macht darauf aufmerksam, daß ein Unterausschuß zur Prüfung der Arbeitsplatzdarlehen gegründet worden sei, so daß es notwendig sei, noch einen weiteren bayerischen Stellvertreter zu benennen; er schlage hier Herrn Ministerialrat Dr. Reuter vor.

2Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden, für den Fall, daß der Ausschuß tatsächlich gebildet werde.9797Hier hs. Änderung v. Gumppenbergs im Registraturexemplar; die ursprüngliche Formulierung hatte gelautet: „… für den Fall der Ausschuß tatsächlich ins Leben trete.“ (StK-MinRProt 22). Zum Fortgang s. Nr. 198 TOP X.

XIV. Ministerpräsidentenkonferenz am 5./6. Februar 1954 98T

1Ministerialdirektor Schwend teilt mit, im Laufe der Konferenz sei ein offizielles Mittagessen und ein Staatsempfang für die Konferenzteilnehmer und die Mitglieder des Kabinetts vorgesehen und außerdem am Freitag, den 5. Februar abends eine Theatervorstellung. Er bitte die Herren Minister und Staatssekretäre, für diesen Abend auf ihre Karte zu verzichten, damit ein Überblick über die zur Verfügung stehenden Plätze gewonnen werden könne. Selbstverständlich würden die Herren Kabinettsmitglieder für diese Vorstellung dann Karten erhalten.

2Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.9999Zum Fortgang s. Nr. 194 TOP III.

XV. Ankauf des Botticelli-Gemäldes „Madonna mit singenden Engeln und Lilien“ des Grafen Raczynski100T

1Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben des Bundesinnenministers,101 in dem die Länder nochmals gebeten würden, ihre endgültige Zustimmung zum Ankauf dieses Bildes zu geben.101Dr. jur. Gerhard Schröder (1910–1989), Jurist, Politiker, 1929–1932 Studium der Rechtswissenschaften in Königsberg, Edinburgh, Berlin und Bonn, 1933 Promotion, 1933/34 Assistent an der Universität Bonn, 1934–1936 Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für Ausländisches und Internationales Recht in Berlin, dann bis 1939 Assessor in Berlin, 1939–1945 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1945 Eintritt in das Oberpräsidium der Nordrheinprovinz bzw. das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen, 1947–1953 Abteilungsleiter der North German Iron and Steel Control (ab 1949: Stahltreuhändervereinigung), 1945 Mitbegründer der CDU, 1949–1980 MdB (CDU), 1952/53 stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1953–1961 Bundesminister des Innern, 1961–1966 Bundesaußenminister, 1966–1969 Bundesminister der Verteidigung, 1967–1973 stv. Bundesvorsitzender der CDU. S. Kempf/Merz S. 626–632 ; Lexikon der Christlichen Demokratie S. 361f.

2Ministerialdirektor Schwend fügt hinzu, das Kabinett von Baden-Württemberg habe beschlossen, sich nach dem Schlüssel des Königsteiner Staatsabkommens102 an dem Kauf zu beteiligen, es müsse aber noch der Landtag zustimmen und die Frage des Miteigentums geklärt werden.103102Zum Königsteiner Staatsabkommen vom 30./31.3.1949 s. Protokolle Ehard II Bd. 2 Nr. 67 TOP V. Es handelte sich hier um ein Verwaltungsabkommen der Länder, das ursprünglich zur gemeinsamen Finanzierung überregionaler Forschungseinrichtungen geschlossen wurde. Der zusammen mit dem Staatsabkommen von 1949 erstmals festgesetzte sogenannte Königsteiner Schlüssel stellte – und stellt heute noch – die Berechnungsgrundlage für die Beteiligung der einzelnen Länder an gemeinsam aufzubringenden Mitteln dar; in Abhängigkeit vom Verhältnis der Bevölkerungszahl und dem Steueraufkommen wird der Königsteiner Schlüssel jährlich neu berechnet.103Dieser Absatz ms. Korrektur im Registraturexemplar; die ursprüngliche Formulierung hatte gelautet: „Ministerialdirektor Schwend fügt hinzu, Baden-Württemberg wolle sich nur dann beteiligen, wenn der Landtag zustimme und außerdem die Frage des Miteigentums geklärt werde.“ (StK-MinRProt 22).

3Nach kurzer Aussprache wird folgender Beschluß gefaßt:

4Die Bayerische Staatsregierung ist bereit, sich an dem Ankauf des Botticelli-Gemäldes nach dem Schlüssel des Königsteiner Staatsabkommens zu beteiligen, unter der Voraussetzung, daß der Bayerische Staat Miteigentum an dem Bild erhält.104104Zum Fortgang s. Nr. 195 TOP IX.

XVI. Richterbesoldung105T

1Staatsminister Weinkamm erinnert daran, daß im Ministerrat vom 22. Dezember 1953 beschlossen worden sei, die Frage der Richterbesoldung durch Justiz- und Finanzministerium prüfen zu lassen. Das Justizministerium habe heute allen Kabinettsmitgliedern eine Note zugehen lassen, er bitte nun auch den Herrn Staatsminister der Finanzen, seine Stellungnahme abzugeben.

2Es wird vereinbart, diese Frage in der Ministerratssitzung vom Dienstag, den 26. Januar 1954 zu besprechen.106106Zun Fortgang s. Nr. 194 TOP II, Nr. 196 TOP I, Nr. 197 TOP I, Nr. 198 TOP VII, Nr. 199 TOP II/2, Nr. 200 TOP III, Nr. 201 TOP I, Nr. 211 TOP I, Nr. 214 TOP III/2 u. Nr. 215 TOP III.

3Staatsminister Weinkamm fährt fort, außerdem bitte er das Finanzministerium, seine Stellungnahme zum Entwurf des Entnazifizierungsschlußgesetzes107 abzugeben, um die das Staatsministerium der Justiz schon vor längerer Zeit gebeten habe.107Zum Fortgang hierzu s. Nr. 197 TOP VII.