Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Baer (Bayer. Staatskanzlei) zu Punkt II, Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Zusicherungen des Freistaates Bayern an die Pfalz für den Fall ihrer Rückkehr nach Bayern. III. Bierpreisfrage. IV. Luitpoldhütte AG. V. Umorganisation des Landesamts für Wasserversorgung und der Landesstelle für Gewässerkunde. VI. Querschnittsreferate Handwerk in den Staatsministerien. VII. Kraftfahrer und ihre Altersversorgung. VIII. Personalangelegenheiten. IX. Errichtung einer Kurzschule in den bayerischen Bergen durch die Deutsche Gesellschaft für europäische Erziehung e.V.; hier: Finanzielle Beteiligung des Freistaates Bayern. X. Beteiligung Bayerns an Gemischten Deutsch-Österreichischen Kommissionen. XI. Veranstaltung einer Kunstausstellung des Europarats „Spätbarock und Rokoko“ in München im Jahre 1958. XII. Alpine Skimeisterschaften in Oberstdorf im Jahre 1956. XIII. Bayerischer Kreis Lindau. XIV. Plenarsitzung des Bundesrats in Berlin. XV. Fortgang der Vorarbeiten für den Autobahnbau Nürnberg-Frankfurt. XVI. Benennung eines bayerischen Vertreters bei der deutschen NATO-Botschaft. XVII. Aufstellung des ao. Haushalts 1956.
Zu Beginn der Sitzung begrüßt Ministerpräsident Dr. Hoegner persönlich und im Namen des Kabinetts Herrn Staatsminister Rucker und spricht seine Freude darüber aus, daß dieser heute zum erstenmal nach seiner Genesung am Ministerrat teilnehmen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dann eine Anregung des Koalitionsausschusses bekannt, die dahin gehe, daß der Ministerpräsident in der ersten Plenarsitzung des Landtags im neuen Jahr die Richtlinien der Politik, für das Jahr 1956 festlege, also ein politisches Programm entwickle. Ferner werde angeregt, daß der Herr Finanzminister im Anschluß daran eine große finanzpolitische Rede halte.1
Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einstimmig einverstanden.
1.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz)2
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 8. Dezember 1955 habe die Änderungswünsche des Bundesrats in Ziff. 1, 3 und 4 nicht berücksichtigt.
Was den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer anlange, so sei lediglich auf die Dauer von drei Jahren, nämlich bis zum 31. März 1958, ein Beteiligungsverhältnis von 33⅓ % für den Bund und von 66⅔ % für die Länder vorgesehen worden. Finanzpolitische und verfassungsrechtliche Bedenken bestünden in erster Linie dagegen, daß der Hebesatz der Ergänzungsabgabe nicht begrenzt sei, ferner gegen die nach dem Gesetzesbeschluß des Bundesrats vom 11. November 1955 vorgesehenen Regelungen über die sog. Revisionsklausel.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, leider sei es nicht gelungen zu erreichen, daß die Ergänzungsabgabe nur mit Zustimmung des Bundesrats über 5 % hinaus erhöht werden könne.
Ministerialrat Dr. Gerner meint noch, es könne geschehen, daß die Steuern allgemein gesenkt würden, zum Ausgleich aber die Ergänzungsabgabe erhöht werde. Auf diese Weise könne das Bundesfinanzministerium die Länderfinanzen aushöhlen; aus diesem Grunde werde aller Voraussicht nach Nordrhein-Westfalen dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen,
Staatsminister Zietsch führt aus, zweifellos sei die Festlegung des Bundesanteils auf 33⅓ % auf die Dauer von drei Jahren im Vermittlungsausschuß ein Erfolg gewesen. Trotzdem seien die Bedenken noch groß und der Vertreter Nordrhein-Westfalens habe deshalb auch am vergangenen Donnerstag im Finanzausschuß angekündigt, seine Regierung werde voraussichtlich die Zustimmung verweigern. Eine ähnliche Erklärung habe Hessen durch Finanzminister Tröger abgeben lassen. Auch Hessen befürchte, daß sich der allgemeine Wunsch nach einer linearen Steuersenkung durchsetzen werde, was vor allem die Länder stark betreffe, nachdem gerade die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Gegensatz zum Bund für die Länder die tragende Steuer sei. Er weise darauf hin, daß von den gesamten Steuereinnahmen des Bundes der Anteil der Einkommen- und Körperschaftsteuer nur 1/7 ausmache. Schon bei der ersten Besprechung habe er festgestellt, daß der Bundesanteil an sich zu hoch sei, abgesehen davon, daß auch die verfassungsrechtlichen Bedenken keineswegs ausgeräumt seien. Welche Haltung Baden-Württemberg einnehmen werde, stehe noch nicht fest, mit Sicherheit sei aber, wie gesagt, damit zu rechnen, daß Nordrhein-Westfalen und Hessen die Zustimmung verweigern oder sich mindestens der Stimme enthalten würden.
Die ganzen Schwierigkeiten hätten vermieden werden können, wenn sich die Länder, dem bayerischen Vorschlag folgend, bereits im Frühjahr geeinigt hätten. Wenn jetzt wenigstens einige der Länder den vorgeschlagenen Kompromiß nicht mitmachten, würde er es für seine Person für richtig halten, sich dem anzuschließen und sich wenigstens der Stimme zu enthalten. Er bitte um die Vollmacht, in dieser Weise vorgehen zu können.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, der Vermittlungsausschuß sei bereits zum drittenmal angerufen worden, man habe jetzt mehr erreicht als eigentlich zu erhoffen gewesen sei. Daß der Bundesanteil auf 33⅓ % begrenzt und in dieser Höhe auf drei Jahre festgelegt worden sei, müsse sicherlich als Erfolg bewertet werden. Ungünstig sei freilich die Tatsache, daß die Erhöhung der Ergänzungsabgabe nicht an die Zustimmung des Bundesrats gebunden sei. Ob der Bundesfinanzminister sein Versprechen, die Ergänzungsabgabe in den nächsten zwei Jahren nicht zu erheben, halten könne, stehe dahin, wenn man die steigenden Ausgaben für die Rüstung bedenke.
Er glaube aber, daß man die Entwicklung auch durch ein Nein nicht aufhalten könne. Die Öffentlichkeit werde es kaum verstehen, wenn der Bundesrat jetzt nochmals Schwierigkeiten bereiten werde. Er schlage deshalb vor, zwar die Meinung der anderen Länder zu erforschen, aber schließlich doch zuzustimmen. Jedenfalls könne er sich mit einer Stimmenthaltung nicht einverstanden erklären.
Staatssekretär Dr. Haas unterstützt dagegen die Auffassung des Herrn Finanzministers und bezeichnet die Begrenzung des Bundesanteils auf 33⅓ % als nur kleinen Erfolg. Wenn Nordrhein-Westfalen die Zustimmung verweigere, könnte s.E. Bayern sich ebenso entscheiden oder sich doch der Stimme enthalten, aber schlecht zustimmen.3 Es stehe immerhin fest, daß der Vermittlungsausschuß in ganz wesentlichen Punkten die Vorschläge des Bundesrats nicht beachtet habe.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths meint dagegen, die Staatsregierung habe im Landtag und vor der Presse den Vorschlag des Vermittlungsausschusses als Erfolg des Herrn Staatsministers der Finanzen bezeichnet. Man komme in eine mißliche Lage, wenn man sich jetzt auf einen anderen Standpunkt stelle.
Auf Frage von Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert Staatsminister Zietsch, ab 1. April 1958 betrage der Bundesanteil 35%, sowohl der Bund wie die Länder könnten aber dann eine Revision verlangen.
Staatssekretär Dr. Panholzer spricht sich gegen die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Regelung aus. Seiner Meinung nach könne man die Zustimmung verweigern, wenn das gleiche seitens der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen geschehe.
Ministerialrat Dr. Gerner weist noch darauf hin, daß es für den Bundesrat schwierig sein werde, sich gegen eine allgemeine Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu wenden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt dagegen fest, er halte es nicht für möglich, nochmals den Vermittlungsausschuß anzurufen und die seit langem in allen Einzelheiten behandelte Frage abermals aufzuschieben. Was die lineare Senkung der Steuern betreffe, so habe darüber immerhin auch noch der Bundestag zu entscheiden, abgesehen davon, daß die Einkommensteuer ohne die Zustimmung der Länder nicht gesenkt werden könne. Er spreche sich deshalb dafür aus, den Vorschlag des Vermittlungsausschusses anzunehmen.
Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.4
Zustimmung gemäß Art. 78, 105 Abs. 3 GG.
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. l GG, wobei die vom Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit vorgeschlagene Entschließung (BR-Drucks. Nr. 423/1/55) unterstützt wird.
4.Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz7
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, der Koordinierungsausschuß empfehle, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG zu erheben und die in der BR-Drucks. Nr. 392/1/55 enthaltene Stellungnahme der Ausschüsse zu unterstützen.8
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.
Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, Hessen habe am 19. Dezember 1955 im Zusammenhang mit § 4 des Entwurfs einen Antrag auf Aufhebung der Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden angekündigt.9 Die Auffassung Hessens habe aber im Innenausschuß keine Mehrheit gefunden, da man befürchtet habe, daß bei der Beseitigung des Bundesgrenzschutzes erhebliche finanzielle Aufwendungen für die Länder durch die dann notwendig werdende Verstärkung der Bereitschaftspolizei entstehen würden.10
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß diese Frage für Bayern von keiner allzu großen Bedeutung sei, da hier auch die Grenzpolizei bestehe. Im Sicherheitsausschuß hätten sich die meisten Länder für die Abschaffung des Bundesgrenzschutzes ausgesprochen mit der Begründung, es gehe auf die Dauer nicht an, daß verschiedene Polizeifunktionen und dazu noch der Bundesgrenzschutz bestehen blieben.11 Von einer Abstimmung habe man allerdings abgesehen, da in den einzelnen Ländern noch kein Ministerratsbeschluß vorgelegen habe.
Er empfehle, dem hessischen Antrag zuzustimmen. Wenn der Bundesgrenzschutz schon in die Wehrmacht überführt werde, müsse er als Ganzes beseitigt werden. Übrigens sei auch der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags der gleichen Meinung.
Staatssekretär Vetter meint, wenn der Bundesgrenzschutz aufgelöst werde, entstehe die Frage, in welcher Weise Bereitschaftspolizei und Grenzpolizei zusammengeführt werden sollten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, dies sei eine innerbayerische Angelegenheit, die heute nicht erörtert werden brauche.
Der Ministerrat beschließt daraufhin einstimmig, den angekündigten Antrag des Landes Hessen zu unterstützen.12
5.Änderung der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Unterbringung nach Kapitel I des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen13
Die Empfehlungen unter Ziff. 1, 2 a und b der BR-Drucks. Nr. 124/l/55 (Beschluß) werden unterstützt.
6.Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes14
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. l GG.
Staatsminister Zietsch erklärt sich damit einverstanden, daß der in Ziff. II der BR-Drucks. Nr. 416/1/55 enthaltene Eventualvorschlag des Finanzausschusses, den Vermittlungsausschuß anzurufen, nicht unterstützt wird.15
7.Entwurf eines Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes nach Art. 29 Abs. 2 bis 6 des Grundgesetzes16
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. l GG.
Ministerialrat Dr. Gerner bemerkt zu diesem Punkt der Tagesordnung, ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses werde nicht kommen.17
Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, die in Ziff. 1, 2 und 3 der BR-Drucks. Nr. 405/1/55 niedergelegten Abänderungsvorschläge seien vom Bundesinnenministerium selbst angeregt worden mit dem ausdrücklichen Bemerken, eine Verzögerung werde nicht eintreten, wenn man diese Vorschläge berücksichtige.19
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt trotzdem, den Abänderungsvorschlägen nicht zuzustimmen, da gerade Bayern an einem möglichst raschen Abschluß des Neugliederungsgesetzes interessiert sei.
Der Ministerrat beschließt, die Abänderungsvorschläge nicht zu unterstützen.20
9.Entwurf eines Gesetzes über Tuberkulosehilfe (THG)21
Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, im Koordinierungsausschuß hätten sich lediglich die Vertreter des Innen- und Finanzministeriums22 für die Empfehlung in Ziff. I der BR-Drucks. Nr. 370/1/55 ausgesprochen, die darauf hinauslaufe, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.23 Die Vertreter der übrigen Ministerien seien gegenteiliger Auffassung gewesen.
Staatsminister Zietsch spricht sich dafür aus, die Zustimmung nicht zu verweigern, sondern den Empfehlungen unter Ziff. II dieser Drucksache zu folgen.
Der Ministerrat faßt darauf folgenden Beschluß:
1. Von den in der BR-Drucks. Nr. 370/1/55 niedergelegten Empfehlungen werden unterstützt Ziff. II 1, 2, 3 a und d, 4 a, c und d, 5 a, b und d, 6 a, b und c, 7, 8 a, 9 a, 10, 11, 12 (dabei sollen die Worte „durch Rechtsverordnung der Bundesregierung“ entfallen) 13 und 14.
2. hilfsweise unterstützt werden die Empfehlungen unter Ziff. II 3 b, 8 b und c.
3. Die Empfehlungen unter Ziff. I, II 3 c, 4 b, 5 c und e, 8 d, 9 b und c werden nicht unterstützt.24
10.Entwurf von Verwaltungsvorschriften über den Aufbau der Fürsorgegerichtsätze und ihr Verhältnis zum Arbeitseinkommen25
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 2 GG mit Unterstützung der Abänderungsvorschläge unter Ziff. II 1 a und b und 2 der BR-Drucks. Nr. 395/1/55.
11.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes und des Mieterschutzgesetzes26
und
12.Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 195427
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. l GG.28
13.Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen29
Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG.
14.Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung30
Stimmenthaltung.
15.Entwurf eines Gesetzes über die weitere Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt31
Kein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG.
16.Entwurf eines Gesetzes über eine zeitweilige besondere Regelung der Prüfung der Jahresabschlüsse von Eisenbahnaktiengesellschaften des öffentlichen Verkehrs32
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. l GG.
17.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht33
Von einer Äußerung und einem Beitritt zu diesen Verfahren wird abgesehen.
18.Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Zolltarif-Novelle)34
und
19.Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Vanadium-Titan-Roheisen, Stromschienen)35
Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG.
20.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes36
Zustimmung gemäß Art. 120 a GG.37
21.Entwurf eines Gesetzes über die Statistiken der Steuern vom Einkommen38
Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 3 GG.
22.Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Aluminium-Zollkontingent 1956)39
Bedenken werden nicht erhoben.
23.Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1953; Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßiger Ausgaben nach § 83 RHO40
Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden wird.41
24.Entwurf einer Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich42
25.Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Ersten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz43
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, Art. 2 dieses Übereinkommens betreffe das Schulrecht. Eine sog. Abschluß- und Transformationskompetenz bestehe nach der von Bayern bisher vertretenen Auffassung jedoch nicht für Bereiche, bei denen dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz zukomme. Da diese Fragen derzeit noch im Rechtsausschuß grundsätzlich behandelt würden, empfehle der Koordinierungsausschuß, sich im vorliegenden Falle der Stimme zu enthalten.45Anderer Auffassung sei allerdings das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge.
Der Ministerrat beschließt, wegen der ungeklärten Rechtsfrage Stimmenthaltung zu üben.46
27.Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes47
Staatssekretär Weishäupl erklärt, das Arbeitsministerium rege an, folgenden Landesantrag zu stellen:
„Der Bundesrat wolle gemäß Art. 77 Abs. 2 beschließen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen mit dem Ziel, daß der vorbezeichnete Gesetzentwurf wie folgt geändert wird:
In § 2 Abs. 1 Satz 1 wird
a) das Wort ‚März‘ durch das Wort ‚Dezember‘ und
b) das Wort ‚vierundzwanzigfachen‘ durch das Wort ‚sechsunddreißigfachen‘ ersetzt."
Den Vorschlag unter a) könne man damit begründen, daß eine redaktionelle Änderung notwendig sei, die sich aus § 1 und § 2 Abs. l Satz 2 ergebe. Nach der jetzigen Fassung des § 2 Abs. l Satz 1 würden z.B. Personen, die erst nach dem Monat März 1955 Rentenempfänger geworden bezw. in den Genuss der Teuerungszulage gelangt seien, von dem Anspruch auf die abschließende Zahlung ausgeschlossen sein. Die Teuerungszulage würde ihnen ersatzlos wieder entzogen werden.
Zu b) sei darauf hinzuweisen, daß der Bundesrat in der Sitzung vom 24. Juni 1955 beschlossen habe, statt der im Regierungsentwurf vorgesehenen Abschlußzahlung in Höhe des zwölffachen Monatsbetrages eine solche in Höhe des vierundzwanzigfachen Monatssbetrages vorzuschlagen.48 Seither sei aber aus der Stellungnahme von Mitgliedern der Bundesregierung bekannt geworden, daß der Anschluß an die Neuordnung der sozialen Leistungen innerhalb von 24 Monaten nach dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes nicht hergestellt sein werde.
Er bitte zunächst in der Vorabstimmung festzustellen, ob ein solcher bayerischer Antrag eine Mehrheit finden werde. Sollte Bayern allein bleiben, könne er immer noch zurückgezogen werden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, den Antrag auf alle Fälle zu stellen und aufrecht zu erhalten, auch wenn er keine Mehrheit finde.
Der Ministerrat beschließt daraufhin, den von Herrn Staatssekretär Weishäupl formulierten Antrag einzubringen und entsprechend zu begründen.49
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG.
Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG.
30.Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes (Kindergeldergänzungsgesetz – KGEG –)52
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, der Koordinierungsausschuß empfehle, trotz großer Bedenken dem Gesetzentwurf gemäß Art. 84 Abs. 1 GG zuzustimmen.53
Staatssekretär Weishäupl erklärt, im Kindergeldgesetz sei ausdrücklich versprochen worden, daß die bisher nicht beteiligten Kreise in ein Ergänzungsgesetz aufgenommen werden sollten. Trotzdem seien z.B. berufstätige Mütter wieder nicht berücksichtigt worden.54
Wichtig sei auch § 10 des vorliegenden Entwurfs, wonach selbständige Gewerbetreibende, deren Einkommen 4800 DM im Jahr nicht übersteige, beitragsfrei seien, nicht aber die kleineren Landwirte.55 Er habe im Sozialpolitischen Ausschuß versucht, diesen Personenkreis einzubeziehen, jedoch ohne Erfolg.
Es handle sich also hier wiederum nur um eine halbe Lösung, nicht aber um ein Schlußgesetz. Den Entwurf abzulehnen, könne aber nicht angeraten werden, da er immerhin für etwa 50 000 Menschen einen Fortschritt bedeute. Die Beitragsleistung stelle aber gerade für die kleinen Bauern eine fast untragbare Belastung dar. Ob allerdings ein Antrag im Vermittlungsausschuß eine Mehrheit finden werde, stehe dahin.
Auch Staatsminister Zietsch befürchtet, daß Bayern mit einem solchen Antrag allein bleiben werde.
Staatssekretär Weishäupl fügt noch hinzu, der Bundestag habe der Bundesregierung aufgegeben, die Auswirkungen des Gesetzes zu überprüfen und dann wieder dem Bundestag zu berichten.
Staatsminister Dr. Baumgartner empfiehlt im Interesse der Kleinbauern, nicht zuzustimmen, sondern einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen, auch wenn Bayern von anderen Ländern nicht unterstützt werde.
Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, die Frage der Kleinbauern nochmals aufzuwerfen und zu ihren Gunsten einen Antrag zu stellen mit dem Ziel, die Beitragsfreiheit aller Selbständigen vorzusehen, deren Einkommen jährlich 4800 DM nicht übersteige. Wenn dieser Antrag abgelehnt werde, könne man dann dem Gesetzentwurf trotzdem zustimmen.56
Der Ministerrat beschließt einstimmig, so zu verfahren.57
31.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes58
Dieser Punkt wird von der Tagesordnung abgesetzt.59
32.Entwurf eines Gesetzes über den Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 11. Mai 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba60
Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG.
33.Entwurf einer Verordnung über die Durchführung einer Statistik über die Arbeitszeitverhältnisse in der Industrie61
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG mit Unterstützung der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik unter Ziff. 2 der BR-Drucks. Nr. 384/1/55.
34.Benennung von zwei Mitgliedern für den Versicherungsbeirat beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen62
Die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses in der BR-Drucks. Nr. 367/1/55 wird unterstützt.
35.Bestellung eines Mitgliedes im Beirat des Deutschen Bundestags für handelspolitische Vereinbarungen63
Mit der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses in der BR-Drucks. Nr. 414 besteht Einverständnis.
36.Entwurf eines Gesetzes über das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, 195464
Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG.
37.Entwurf eines Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger65
Die Empfehlungen unter Ziff. 1, 2, 3 a und c der BR-Drucks. Nr. 390/1/55 werden unterstützt, dagegen nicht diejenige unter Ziff. 3 b.66
38.Entwurf einer Zweiten allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen67
Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, der Finanzausschuß empfehle, diesen Verwaltungsvorschriften nicht zuzustimmen, da die Frage der sog. Bauleitungskosten in dem Entwurf in einer für die Länder unbefriedigenden Weise geregelt sei. Der Entwurf gehe davon aus, daß diese Kosten vom Bund nur freiwillig zu erstatten seien, den Ländern aber ein Rechtsanspruch auf Erstattung nicht zustehe.
Bisher habe der Bund freiwillig die Kosten der Bauaufsicht in der Höhe von 1% der Bausumme und die Kosten für die Entwurfsbearbeitung in Höhe von rund 3% der Bausumme erstattet mit der Folge, daß Bayern jährlich rund 2 Mio DM Bauleitungskosten selbst habe tragen müssen, das sei etwa die Hälfte der tatsächlich entstehenden Kosten.
Der Vertreter der Obersten Baubehörde spreche sich dagegen für die Zustimmung nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge unter C I 1 mit 22 und II 1 mit 7 der BR-Drucks. Nr. 368/1/54 aus und betone, der Erlaß der Verwaltungsvorschriften sei sehr eilbedürftig.
Staatsminister Zietsch stellt fest, Bauleitungskosten seien Baunebenkosten und deshalb vom Bund zu tragen. Er sei für die Ablehnung des Entwurfs.
Staatssekretär Dr. Panholzer schließt sich dieser Auffassung an und bemerkt, wenn der Bund freiwillig schon einen Teil der Kosten erstatte, beweise er damit, daß seine Rechtslage schwach sei.
Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner und Staatsminister Dr. Koch empfehlen, den Entwurf abzulehnen.
Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:
1. Dem Entwurf einer Zweiten allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen wird zugestimmt.
2. Falls sich für diese Auffassung im Bundesrat keine Mehrheit findet, werden die Empfehlungen unter C I 1 mit 22 und II 1 mit 7 der BR-Drucks. Nr. 368/1/54 unterstützt.
39.Entwurf eines Viehzählungsgesetzes68
Bei der Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG werden unterstützt die Empfehlungen unter Ziff. II 1 a und b sowie e der BR-Drucks. Nr. 388/1/55.69
40.Entwurf einer Verordnung zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiete des Saatgutwesens70
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
41.Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken (Apothekenstoppgesetz)71
Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf die Zustimmung zu versagen.72
42.Besoldungs- und Stillhalteabkommen73
Nach Vortrag von Ministerialrat Dr. Gerner wird folgender Beschluß gefaßt:
Der Ministerrat ist mit der Verlängerung des Besoldungs-Stillhalteabkommens bis 30. Juni 1956 einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, der Pfalzreferent der Bayer. Staatskanzlei, Herr Ministerialdirigent Dr. Baer, rege in Übereinstimmung mit dem Bund Bayern und Pfalz und dem Landesverband der Pfälzer im rechtsrheinischen Bayern an, nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid anläßlich der Neugliederung des Bundesgebiets einen Aufruf von Staatsregierung, Landtag und Senat an die Bevölkerung der Pfalz zu erlassen, der gewisse Zusicherungen enthalten solle. Die Staatsministerien hätten der Staatskanzlei für ihren Bereich diejenigen Zusicherungen mitgeteilt, die der Aufruf enthalten könnte.75 Im einzelnen handle es sich dabei um folgende Vorschläge:
1. Den Interessen des Landesteils Pfalz solle auf dem Gebiet der Exekutive durch die Errichtung eines besonderen Pfalzministeriums Rechnung getragen werden.
Staatsminister Bezold befürchtet, die bayerischen Grenzgebiete, die schon seit längerem den Ruf nach einem eigenen Staatssekretär für Grenzlandfragen erhöben, würden sicherlich die Forderung auf ein Grenzlandministerium stellen, wenn ein besonderes Pfalzministerium errichtet werde.
Auch Staatssekretär Dr. Meinzolt wendet sich gegen diesen Vorschlag und empfiehlt, einfach den früheren Zustand, wie er vor 1945 bestanden habe, wieder herzustellen.
Staatssekretär Dr. Haas stimmt zu und erklärt, hauptamtliche Referenten für Pfalzfragen in den Ministerien dürften ausreichen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, man müsse den Pfälzern gewisse Zusicherungen machen, um sie zu gewinnen. Ein eigenes Pfalzministerium würde der Bevölkerung der Pfalz vor Augen führen, daß der Bayerischen Staatsregierung ihre Anliegen am Herzen lägen.
Staatsminister Dr. Baumgartner bestätigt dies mit dem Hinweis, daß die Pfälzer empfindlich seien und sich von einer Wiedervereinigung mit Bayern alles Mögliche versprächen.
Staatsminister Rucker bemerkt, in anderen Ländern gebe es besondere Ministerien für Bundesangelegenheiten, ein bayerisches Pfalzministerium könne ein Gegenstück zu diesem Ministerium sein.
Ministerpräsident Dr. Hoegner hält es für richtig, diese Einrichtung nur auf einige Jahre zu treffen, um die sich aus der Rückgliederung ergebenden Aufgaben zu lösen.
Der Ministerrat spricht sich daraufhin mit Mehrheit für die Errichtung eines vorübergehenden Pfalzministeriums aus.
2. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der zweite Vorschlag laute:
Der Regierungspräsident solle ein Pfälzer sein, dem die pfälzische Wesensart besonders eng vertraut sei und bei dessen Ernennung das pfälzische Volk durch seine Meinungsäußerung im Bezirkstag mitzuwirken habe.
Er glaube, daß diese Zusicherung ohne weiteres abgegeben werden könne, allerdings mit der Einschränkung, daß sich die Mitwirkung des Bezirkstages auf das in der Bayer. Bezirksordnung vorgesehene Benehmen beschränke.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
3. Die dritte Zusicherung betreffe die allgemeine Behörden- und Gerichtsorganisation in der Pfalz; diese solle unverändert erhalten bleiben, wobei die Übernahme aller gegenwärtig im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz stehenden Beamten, Angestellten und Arbeiter in den bayerischen Staatsdienst selbstverständlich sein solle.
Der Ministerrat beschließt, auch diese Zusicherung abzugeben mit der Maßgabe, daß die Bestimmungen des Bayer. Haushaltsgesetzes über die Stellenbesetzung usw. angewendet werden sollen.
4. Bei der Besprechung des vierten Punktes, demzufolge den Pfälzern die Entscheidung darüber überlassen werden soll, ob bei der Ernennung der Landräte am gegenwärtigen Rechtszustand festgehalten oder das bayerische Recht übernommen werden soll, ergibt sich eine längere Aussprache über die Angriffe des Landrats Unnützer (Traunstein) gegen die Bayerische Staatsregierung bei der Eröffnung der Landwirtschaftsschule Traunstein am 16. Dezember 1955.76
Staatsminister Dr. Baumgartner berichtet, der Landrat habe in Anwesenheit zahlreicher Festgäste und des Bayer. Landwirtschaftsministers erklärt, die Landwirtschaftsschule sei nicht notwendig gewesen, der Bau sei mit viel zu großem Aufwand ausgeführt worden und der Staat habe keine entsprechenden Zuschüsse geleistet.
Landrat Unnützer habe sich demnach öffentlich gegen die Staatsregierung gewendet und dazu noch völlig falsche Behauptungen aufgestellt. Tatsache sei, daß der Um- und Neubau der Landwirtschaftsschule vom Kreistag einstimmig beschlossen worden sei, die Bauausführung halte sich durchaus im Rahmen der bisherigen Neubauten, abgesehen davon, daß die Ausstattung der Räume dem Landkreis überlassen worden sei. Schließlich stehe noch fest, daß der Bayerische Staat insgesamt Zuschüsse in Höhe von 135 000 DM zur Verfügung gestellt habe.
Er werde eine Klarstellung ausarbeiten lassen und sie in geeigneter Form veröffentlichen.
Es erhebe sich nun die Frage, ob ein solcher Landrat nicht vom Dienst suspendiert werden könne. Auch der in Traunstein anwesende Regierungspräsident von Oberbayern, Herr Dr. Mang, sei, wie übrigens alle Anwesenden, empört gewesen und habe gemeint, Landrat Unnützer solle sofort vom Dienst suspendiert werden.
Staatssekretär Vetter antwortet, gegen jede einstweilige Dienstenthebung sei Beschwerde an die Dienststrafkammer zulässig, bei der man nicht wisse, wie diese entscheiden werde. Die Regierung von Oberbayern habe aber bereits ein Verfahren eingeleitet.
Nach längerer Aussprache wird auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten folgender Beschluß gefaßt:
Der Ministerrat ist der Meinung, daß die völlig unbegründeten Angriffe des Landrats Unnützer gegen die Bayerische Staatsregerung nicht hingenommen werden können und beschließt daher, daß die Frage der sofortigen Suspendierung des Landrats durch den Regierungspräsidenten von Oberbayern eingehend geprüft werden soll.77
Zu Ziff. 4 der Vorschläge wird beschlossen, den Pfälzern selbst zu überlassen, ob bei der Ernennung der Landräte am gegenwärtigen Rechtszustand festgehalten oder das bayerische Recht übernommen werden soll.
Ferner wird beschlossen, daß auch sonstige Sondereinrichtungen, wie Gemeindeeinnehmereien, erhalten bleiben sollen, wenn das Pfälzer Volk dies wünscht.
5. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der fünfte Vorschlag sehe vor, der Pfalz nicht nur eigene Mittelbehörden in allen landeseigenen Verwaltungszweigen zu geben, sondern auch Landeszentralbehörden bezw. -gerichte nach Möglichkeit in das Gebiet der Pfalz zu verlegen, bezw. Zweigstellen der in München bestehenden Landeszentralbehörden und -gerichte zu errichten.
Ministerialdirigent Dr. Baer fügt hinzu, das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge habe angeregt, ein Landesarbeitsgericht, ein Landessozialgericht, ein Oberversicherungsamt, eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft und eine Landesversicherungsanstalt in der Pfalz zu errichten.
Staatssekretär Weishäupl bestätigt, daß die Errichtung eines Landessozialgerichts möglich sei, da für das bisherige Landessozialgericht des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz ein Ersatz geschaffen werden müsse. Die gesetzlichen Vorschriften stünden nicht im Wege.
Mit Zustimmung des Ministerrats meint Ministerialdirigent Dr. Baer, es sei wohl zweckmäßig, in einem etwaigen Aufruf auf diese Einzelheiten nicht einzugehen.
6. Ministerialdirigent Dr. Baer führt dann aus, der sechste Punkt betreffe die bevorzugte Berücksichtigung der pfälzischen Wirtschaft bei der Vergabe staatlicher Aufträge und Leistungen. Er dürfe bemerken, daß seit der Währungsreform bereits Aufträge in Höhe von 15 Mio DM in die Pfalz gegangen seien, vor allem seitens der Obersten Baubehörde. Die Aufträge von Bundesbahn und Bundespost seien in dieser Summe nicht enthalten.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, wenigstens für die Übergangszeit diese Zusicherung zu geben.
7. Eine eingehende Aussprache ergibt sich zu Punkt 7), wonach der Pfalz zugesichert werden soll, daß die in der Pfalz aufkommenden Steuern dort verbleiben, d.h. den Pfälzern selbst zugute kommen sollten.
Staatsminister Dr. Baumgartner wendet sich mit Nachdruck gegen diesen Vorschlag, worauf Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, das Staatsministerium der Finanzen habe selbst mitgeteilt, es werde zwar kein eigener Haushaltsplan für den Regierungsbezirk Pfalz aufgestellt werden, man könne jedoch die Einnahmen aus staatlichen Steuern in der Pfalz den Ausgaben für sonstige Verwaltungszweige gegenüberstellen und in Einnahmen und Ausgaben für den Regierungsbezirk besonders abgleichen. Selbstverständlich könne eine solche Zusicherung nur für eine bestimmte Übergangszeit gelten.
Staatsminister Bezold betont dagegen, die pfälzische Wirtschaft sei durchaus gesund und bedürfe solcher Vergünstigungen in keiner Weise.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, es sei eine alte Befürchtung der Pfälzer, daß sie vom rechtsrheinischen Bayern ausgebeutet würden.
Ministerialdirigent Dr. Baer berichtet, Feststellungen über die Steuer- und Wirtschaftskraft der Pfalz und des rechtsrheinischen Bayerns hätten ergeben, daß in dieser Hinsicht die Pfalz günstiger als Bayern abschneide. Die Industrialisierung in der Pfalz sei besonders weit fortgeschritten. Die Befürchtungen der Pfälzer vor einer Ausbeutung gingen wohl darauf zurück, daß finanziell das Land Rheinland-Pfalz im wesentlichen von der Pfalz getragen worden sei.
Der Ministerrat erklärt sich mit der Zusicherung unter 7) einverstanden.
Zu Punkt 8) Zusicherungen auf kulturellem Gebiet, faßt der Ministerrat auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten folgenden Beschluß:
Auf kulturellem Gebiet kann der Pfalz der Fortbestand der gegenwärtigen besonderen Verhältnisse solange zugesichert werden, bis die Bevölkerung selbst den Wunsch nach einer Änderung bezw. Eingliederung an die bayerischen Verhältnisse ausspricht.
Ministerialdirigent Dr. Baer führt dann aus, der neunte Punkt betreffe die Globalzuschüsse an die Kirchen, die in der Pfalz mit 3 Mark pro Kopf des Bekenntnisangehörigen höher als in Bayern seien.
Staatssekretär Dr. Meinzolt stellt fest, daß in dem Betrag von 3 Mark auch Pflichtleistungen enthalten seien, während der Kopfbetrag von 1,95 DM im rechtsrheinischen Bayern nur freiwillige Leistungen enthalte.
Der Ministerrat beschließt daraufhin, diesen Punkt fallen zu lassen.
Ministerialdirigent Dr. Baer stellt dann die Frage, ob diese Zusicherungen entweder in Form eines Aufrufes oder als Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten bekanntgemacht werden sollten. Auf alle Fälle dürfe er empfehlen, vor der Veröffentlichung den Pfalzausschuß des Bayer. Landtags zu verständigen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Billigung durch den Pfalzausschuß herbeigeführt werden müsse.
Staatssekretär Dr. Meinzolt spricht sich dafür aus, keinen Aufruf, sondern eine nüchtern gehaltene Regierungserklärung zu erlassen, die in der Pfalz sicher mehr Eindruck machen werde als ein notwendig mit einer gewissen Propaganda verbundener Aufruf.
Ministerialdirigent Dr. Baer macht noch darauf aufmerksam, daß eine etwaige Veröffentlichung im Laufe des Januar 1956 erfolgen müsse, da das Volksbegehren vor dem 5. Februar 1956 beantragt sein müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft dann die Frage auf, ob überhaupt eine offizielle Erklärung abgegeben werden solle. Es sei nicht unbedenklich, als Staatsregierung offen gegen die Regierung eines anderen Landes aufzutreten. Vielleicht sei es besser, wenn nur der Bund Bayern-Pfalz diese Zusicherungen des Bayerischen Staates mitteile. Man dürfe nicht übersehen, daß im Grundgesetz Rheinland-Pfalz als selbständiges Land der Bundesrepublik aufgeführt sei.
Staatssekretär Dr. Haas gibt zu erwägen, ob man die Vorschläge nicht an den Pfalzausschuß geben könne, damit dieser erkläre, er werde sich nach der Rückgliederung der Pfalz dafür einsetzen, daß diese Zusicherungen von der Bayerischen Staatsregierung angenommen würden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner hält diesen Vorschlag für erwägenswert und betont, die Bayerische Staatsregierung habe zwar seit 1945 ihren Anspruch auf die Pfalz aufrecht erhalten, sie könne aber nicht gut in die Agitation als Staatsregierung eintreten und sich als solche in das Volksbegehren einmischen. Vielleicht wäre es der beste Weg, wenn der Pfalzausschuß bekanntgebe, er werde im Landtag und bei der Staatsregierung dafür eintreten, daß diese Zusicherungen gegeben würden.
Auch Staatsminister Dr. Koch rät davon ab, von der Staatsregierung78 einen Aufruf an die Pfälzer Bevölkerung zu erlassen.
Ministerialdirigent Dr. Baer gibt zu bedenken, daß bei zahlreichen Gesprächen mit Vertretern der Pfalz gerade die Frage der Zusicherungen eine bedeutende Rolle gespielt habe. Immer wieder sei gefragt worden, was die Bayerische Staatsregierung biete und was die Pfälzer zu erwarten hätten. Mit einer Propaganda für die Rückgliederung der Pfalz, die bis 1945 zu Bayern gehört habe, werde nichts unternommen, was gegen das Grundgesetz verstoße.
Staatsminister Dr. Koch meint, sicherlich könne alles Erforderliche über die geschichtliche Zusammengehörigkeit zwischen Pfalz und Bayern gesagt werden, ein Stimmenfang durch Versprechungen sei aber s.E. bedenklich.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, es sei richtig gewesen, den Bund Bayern-Pfalz mit erheblichen Mitteln zu unterstützen, zwischen dieser Hilfe und einem offiziellen Hervortreten der Staatsregierung bei der Abstimmung bestehe aber doch ein erheblicher Unterschied.
Er halte es übrigens für ausgeschlossen, daß ein Mitglied des Kabinetts in der Pfalz während des Volksbegehrens bei Kundgebungen spreche.
Ministerialdirigent Dr. Baer berichtet, von Pfälzer Seite sei angeregt worden, daß der Herr Ministerpräsident mit Herrn Ministerpräsidenten Altmeier vor dem Volksbegehren eine Aussprache führen solle, da sowohl Wirtschaftskreise wie die Beamtenschaft Nachteile befürchteten, wenn sie sich im Abstimmungskampf besonders hervortäten; bekanntlich sei schon 1948 im Land Rheinland-Pfalz ein sog. Maulkorb-Erlaß veröffentlicht worden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, der Vorschlag könne nur dahin gehen, daß die Mitglieder der beiderseitigen Regierungen sich nicht am Abstimmungskampf beteiligten. Er sei aber jedenfalls bereit, mit Ministerpräsident Altmeier zu sprechen.
Staatssekretär Simmel erklärt, nachdem Bedenken gegen eine Regierungserklärung oder einen Aufruf geltend gemacht worden seien, halte er es für das Beste, daß die Koalitionsparteien diese Frage aufgreifen und an den Pfalzausschuß herantreten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden und bemerkt, er werde die einzelnen Punkte zusammenstellen lassen, damit diese im Koalitionsausschuß beraten werden könnten.
Der Ministerrat erklärt sich damit einstimmig einverstanden.
Anschließend wird das Memorandum in der Pfalzfrage des Landesverbandes der Pfälzer im rechtsrheinischen Bayern erörtert.79
Ministerialdirigent Dr. Baer führt aus, in diesem Memorandum vom 14. Oktober 1955 seien eine Reihe von Vorschlägen enthalten, die einer Entschließung des Herrn Ministerpräsidenten, gegebenenfalls der Staatsregierung bedürften. Im einzelnen handle es sich um folgende Vorschläge:
1. Der Landesverband bitte, der Staatsregierung einen dreiköpfigen Beirat zur Beratung der Pfalzfrage beizugeben.
2. Die Pfalzreferenten in den drei Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft und Verkehr, sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sollen hauptamtlich bestellt werden.
3. Für die Werbearbeit in der Pfalz solle ein Betrag von 1 Mio DM zur Verfügung gestellt werden, der u.U. sogar überschritten werden müßte.
Er halte als Pfalzreferent diese drei Vorschläge für überflüssig. Was Punkt 3) betreffe, so müsse der Bund Bayern-Pfalz mitteilen, welche Propagandamaßnahmen er durchführen wolle und dann einen Voranschlag einreichen. Die Mittel könnten dann im Wege einer überplanmäßigen Ausgabe bereitgestellt werden.
Staatsminister Zietsch stimmt diesem Vorschlag zu und bemerkt, über die Höhe der Mittel bestehe wohl noch keine Gewißheit, das Finanzministerium müsse auf alle Fälle wissen, welche Mittel man ansetzen wolle. Wenn der Landesverband von 1 Mio DM spreche, so müsse das Finanzministerium Klarheit darüber haben, wofür dieser Betrag verwendet werden soll.
Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:
1. Es wird festgestellt, daß der Herr Staatsminister der Finanzen damit einverstanden ist, daß für Propaganda die notwendigen Mittel verwendet werden und notfalls der Ansatz im Staatshaushalt Tit. 300 überschritten wird.
Ministerialdirigent Dr. Baer fährt dann in seinem Vortrag über das Memorandum fort und macht zunächst darauf aufmerksam, daß die vom Landesverband unter 4) angeregte Bestellung eines Pfalzreferenten beim Bevollmächtigten Bayerns in Bonn inzwischen erfolgt sei.
Punkt 5) betreffe eine weitere offizielle Stellungnahme der Staatsregierung zu der Denkschrift des Lutherausschusses; er persönlich halte dies nicht mehr für erforderlich.
Der Ministerrat stimmt dieser Auffassung zu.
Ministerialdirigent Dr. Baer berichtet dann weiter über die Punkte 6 und 7. Hier rege der Landesverband an, bayerische Beamte für Propagandareden in die Pfalz vor dem Zeitpunkt des Volksbegehrens zur Verfügung zu stellen und Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung in der Pfalz während des Volksbegehrens bei Kundgebungen sprechen zu lassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner betont nochmals, daß der Wunsch unter 7) keinesfalls erfüllt werden könne. Bei Abgeordneten liege die Sache natürlich anders.
Staatssekretär Dr. Haas regt an, auch diese Frage mit Ministerpräsident Altmeier zu besprechen.
Staatsminister Bezold teilt in diesem Zusammenhang mit, er selbst sei schon vor längerer Zeit aufgefordert worden, vor jungen Pfälzer Industriellen über Wirtschaftsfragen zu sprechen; dagegen bestehe wohl kein Bedenken.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt, daß ein solcher Vortrag jedenfalls gehalten werden könne, zumal er sicher gut wirken werde. Im übrigen werde er – soweit notwendig – auch die im Memorandum enthaltenen Fragen mit Ministerpräsident Altmeier besprechen. Er bitte Herrn Ministerialdirigent Dr. Baer, ihm eine entsprechende Zusammenstellung auszuarbeiten.
Der Ministerrat stellt schließlich fest, daß die 8. Anregung des Landesverbands keinen Bedenken begegnet. Sie geht dahin, nach Erlaß des Volksbegehrensgesetzes eine Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zu erlassen, durch welche die Lehrkräfte an den bayerischen Volksschulen aufgefordert werden, auf das Volksbegehren und die Pfalzfrage hinzuweisen.80
Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, er stimme der in der Note vom 21. November 1955 niedergelegten Auffassung des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr, die bisherige Bierpreisregelung beizubehalten, im vollen Umfange zu.
Staatsminister Bezold weist darauf hin, daß gegenwärtig noch Verhandlungen mit den beteiligten Kreisen stattfänden und schlägt deshalb vor, diesen Punkt der Tagesordnung zu vertagen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.82
Staatsminister Zietsch führt aus, die Frage, ob die ehem. Reichswerke AG (nunmehr AG für Berg- und Hüttenbetriebe Salzgitter), die früher auch das Eigentum an den Anlagen der Luitpoldhütte AG wirksam erworben habe und daher jetzt Inhaberin der Aktien der 1952 gegründeten Luitpoldhütte AG sei, sei streitig.84 Wenn keine Einigung zu erzielen sei, müsse ein Rechtsstreit geführt werden, dessen Ausgang ungewiß sei. Infolgedessen fänden seit längerer Zeit Vergleichsverhandlungen statt, die zu folgenden Ergebnissen geführt hätten:85
Die AG für Berg- und Hüttenbetriebe Salzgitter wolle nach Zustimmung ihres Aufsichtsrats anerkennen, daß der Freistaat Bayern Inhaber von 26% der Aktien der Luitpoldhütte AG sei. Es frage sich nun, ob man sich mit diesem Anteil zufrieden geben solle, zumal man bedenken müsse, was geschehen könne, wenn die Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG)86 die Luitpoldhütte verkaufen wolle. Nach reiflicher Überlegung glaube er, vorschlagen zu sollen, sich mit der Sperrminorität von 26% zu begnügen; ein Rechtsstreit werde höchst langwierig sein, sein Ausgang könne nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden.
Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert Staatsminister Zietsch, augenblicklich werfe die Luitpoldhütte keine Erträge ab.
Staatssekretär Dr. Panholzer bemerkt, es liege zwar ein Gutachten des Universitätsprofessors Dr. Maunz vor, wonach die Anordnungen des Beauftragten für den Vier-Jahresplan vom 31. Dezember 1939 und 26. August 1942 den Übergang der Luitpoldhütte auf die Reichswerke AG nicht bewirkt hätten.87 Außerdem seien Gutachten vom Obersten Rechnungshof und Verwaltungsgerichtshof eingeholt worden, in denen von einem Prozeß abgeraten werde.88 Auch er halte es nicht für richtig, einen Rechtsstreit zu beginnen, der auf alle Fälle sehr hohe Kosten verursachen werde.
Staatsminister Dr. Koch stimmt zu und erklärt, er halte das Rechtsgutachten des Herrn Professors Dr. Maunz für nicht überzeugend.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths empfiehlt, das Finanzministerium solle versuchen, eine Sperrminorität von 26% zu erreichen, damit der Bayerische Staat überhaupt wieder an der Luitpoldhütte AG beteiligt sei. Dieser Betrieb sei gerade im Begriff, für die bayerische Wirtschaft und insbesondere für die gesamte bayerische Porzellanindustrie höchst bedeutungsvoll zu werden. Der Übergang der 26% werde übrigens vor sich gehen, ohne daß der Bayerische Staat dafür etwas zahlen müsse.
Staatsminister Zietsch gibt noch Einzelheiten aus dem Vergleichsvorschlag bekannt, u.a. stehe darin, daß die Salzgitter AG und der Freistaat Bayern Aktien nur nach vorherigem Einvernehmen an Dritte abtreten dürften. Ferner soll ein vom Freistaat Bayern zu benennendes Mitglied des Aufsichtsrats den stellv. Vorsitz übernehmen, Bayern könne auch von den fünf Aktionärvertretern zwei benennen. Auf alle Fälle sei der Einfluß Bayerns in jeder Weise gewahrt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt dann die Frage, ob der Ministerrat dem Vergleich zustimmen wolle, obwohl der Bayerische Staat bisher die Luitpoldhütte zu 100% für sich in Anspruch genommen habe.
Der Ministerrat beschließt einstimmig, dem vom Staatsministerium der Finanzen vorgelegten Vergleichsvorschlag zuzustimmen.89
Die Sitzung wird um 22 Uhr 45 unterbrochen und am Dienstag, den 20. Dezember 1955 um 8 Uhr 30 fortgesetzt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf das Gutachten der Obersten Baubehörde vom 28. November 1955, in dem festgestellt werde, daß eine Eingliederung der beiden Behörden in die Oberste Baubehörde unzweckmäßig sei und sich mit der angestrebten Verwaltungsvereinfachung nicht vereinbaren lasse.91 Das Gutachten schlage aber eine organisatorische und räumliche Zusammenlegung der beiden Behörden und eine weitgehende Abgabe ihrer Aufgaben an die Wasserwirtschäftsämter vor.92
Der Ministerrat brauche diese Stellungnahme wohl nur zur Kenntnis zu nehmen, das weitere könne der Verwaltungsvereinfachung überlassen bleiben. Er frage aber den Herrn Staatsminister des Innern, ob dieser schon Vorschläge machen könne.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erwidert, er sei dazu noch nicht in der Lage, zunächst müsse die Stelle des Präsidenten des Landesamts neu besetzt werden.93
Staatssekretär Dr. Haas entgegnet, es könne doch keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten, einen Vorschlag im Sinne des Gutachtens der Obersten Baubehörde zu machen.
Der Ministerrat faßt folgenden Beschluß:
Der Ministerrat ist mit der im Gutachten vom 12. November 1955 niedergelegten Auffassung der Obersten Baubehörde grundsätzlich einverstanden und sieht einem Vorschlag des Staatsministeriums des Innern über organisatorische Veränderungen im Bereich des Landesamts für Wasserversorgung und der Landesstelle für Gewässerkunde entgegen.94
Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Note des Bayer. Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 5. Dezember 1955, in der angeregt werde, den Beschluß des Ministerrats vom 10. Juni 1948 zu erneuern, wonach in den einzelnen Staatsministerien sog. Querschnittsreferate Handwerk errichtet werden sollten.95
Mit Recht weise das Wirtschaftsministerium darauf hin, daß die Aufgabe, das Handwerk zu fördern, seitdem nichts von ihrer staatspolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung verloren habe. Dazu wolle er noch die politische Bemerkung machen, daß die Erneuerung des Beschlusses vom 10. Juni 1948 schon deshalb notwendig sei, weil die Opposition die Förderung des Handwerks mehr oder weniger als ihr Monopol in Anspruch nehme.
Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:
Der Beschluß des Ministerrats vom 10. Juni 1948, in den einzelnen Staatsministerien Querschnittsreferate Handwerk zu errichten, wird ausdrücklich erneuert.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt kurz den Inhalt der Note des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 9. Dezember 1955 bekannt, in der mitgeteilt werde, daß die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr zur Zeit einen Manteltarifvertrag für die Arbeiter im öffentlichen Dienst vorbereiteten.
Danach werde sich für die Kraftfahrer folgende Regelung ergeben:
a) Die Kraftfahrer (soweit es sich nicht wie z.B. bei der Polizei um Beamte handle) fallen einheitlich unter den Manteltarifvertrag für Arbeiter. Die in den einzelnen Ressorts angewandte Übung, Kraftfahrer als Angestellte zu behandeln, werde künftig nicht mehr zulässig sein.
b) Die Kraftfahrer werden nach ihren Tätigkeitsmerkmalen einheitlich nach Maßgabe eines Lohngruppenverzeichnisses entlohnt, das ebenfalls zur Zeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien sei.
c) Arbeiter (also auch Kraftfahrer), die nach mindestens einjähriger Beschäftigungszeit infolge eines Arbeitsunfalles in ihrer Lohngruppe nicht mehr voll leistungsfähig seien und denen deshalb eine Arbeit in einer niedrigeren Lohngruppe zugewiesen werde, erhalten den Unterschiedsbetrag zwischen dem bisherigen und dem neuen Lohn als persönliche Ausgleichszulage.
d) Die Bestimmungen über die Unkündbarkeit seien nicht endgültig festgelegt. Es sei zu erwarten, daß Arbeitern, die über 45 Jahre alt seien, künftig bereits nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden könne.
Ältere Kraftfahrer, die nicht mehr in ihrem Beruf Dienst machen können, müssen deshalb nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren in der Staatsverwaltung anderweitig beschäftigt werden.
e) Die Kraftfahrer unterliegen bei sonst gegebenen Voraussetzungen nach Maßgabe des Tarifvertrags vom 31. Juli 1955 der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, die unter a) vorgesehene Regelung, daß nämlich die Kraftfahrer einheitlich als Arbeiter zu betrachten seien, stelle das Gegenteil dessen dar, was die Kraftfahrer selbst anstrebten.
Anschließend ergibt sich eine längere Aussprache, ob die Tätigkeit eines Kraftfahrers der eines Arbeiters oder eines Angestellten entspreche.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths weist darauf hin, daß es außer den Kraftfahrern noch verschiedene andere Berufe gebe, bei denen die Anschauungen zur Zeit im Wechsel seien. Die moderne Wirtschaft und der moderne Verkehr stellten auch geistig hohe Anforderungen, und zwar gerade an einen Kraftfahrer, der die Verkehrsvorschriften beherrschen, eine hohe Verantwortung tragen müsse usw.
Staatssekretär Weishäupl meint dagegen, man solle es der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und der ÖTV überlassen, welche Vorschläge sie machen wollten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, hier handle es sich um eine sehr bedeutsame Frage, über die sich der Ministerrat ein eigenes Urteil bilden müsse.
Staatssekretär Weishäupl führt aus, entscheidend werde sein, wie man die Arbeit des Kraftfahrers beurteile. Was den Urlaub anlange, so stelle sich natürlich ein Angestellter besser, der Manteltarifvertrag könne aber eine besondere Regelung vorsehen.
Die zweite Frage sei die der Altersversicherung. Hier sei zu bemerken, daß die Invalidenversicherung teilweise eine bessere Altersversorgung als die Angestelltenversicherung gewähre. Auch hinsichtlich der Bezahlung von Überstunden werde sich ein Kraftfahrer als Arbeiter besser stellen wie als Angestellter, allerdings sei zuzugeben, daß die Pauschalsumme für Überstunden zu niedrig sei.
Im Anschluß daran ergibt sich eine Aussprache über die Höhe der Tagegelder für Kraftfahrer, die von den Herren Kabinettsmitgliedern übereinstimmend mit 11 DM als zu niedrig bezeichnet wird.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird dann folgender Beschluß gefaßt:
Das Staatsministerium der Finanzen wird beauftragt, die Frage zu überprüfen, inwieweit die Tagegelder erhöht werden können.
1. Beförderungen und Ernennungen im Bereich des Staatsministeriums der Finanzen
Auf Antrag des Staatsministeriums der Finanzen faßt der Ministerrat folgende Beschlüsse:
a) Ministerialrat Fritz Rüth wird zum Ministerialdirigenten ernannt;
b) Regierungsdirektor Dr. Bonifaz Beck wird zum Ministerialrat ernannt;
c) Regierungsdirektor Alexander Jauch wird zum Ministerialrat ernannt;
d) Regierungsdirektor Dr. Albert Weber wird zum Ministerialrat ernannt;
e) der Präsident des Finanzgerichts München, Dr. Emil Gretschmann wird zum Präsidenten der Bayer. Staatsschuldenverwaltung ernannt;
f) Regierungsdirektor Otmar Letz der Oberfinanzdirektion München wird zum Präsidenten des Finanzgerichts München ernannt;
g) Regierungsdirektor Dr. Emil Knöringer wird zum Ministerialrat ernannt.
2. Ernennungen im Bereich des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe beantragt, die Leiter der Regierungsforstämter Schwaben und Unterfranken, die Regierungsdirektoren Otto Freuding und Dr. Hans Weber ab 1. Januar 1956 in die beiden freien Stellen der Besoldungsgruppe A l a (Leitender Regierungsdirektor) einzuweisen.
Der Ministerrat beschließt, die Einweisung der Regierungsdirektoren Otto Freuding und Dr. Hans Weber in die Besoldungsgruppe A 1 a vorzunehmen.
3. Vollzug des Ersten Gesetzes zur Durchführung des Art. 160 der Bayer. Verfassung; hier: Staatskommissar Heinrich Emmert96
Staatsminister Bezold teilt mit, er habe wegen der Weiterverwendung des Staatskommissars Emmert mit dem Vorsitzenden des Ausschusses zur Durchführung des Art. 160 BV, Staatsminister a.D. Oechsle gesprochen. Dieser sehe ein, daß eine Änderung eintreten müsse, bitte aber, Herrn Emmert bis 1. April 1956 als offiziellen Staatskommissar weiter arbeiten zu lassen.
Er habe Herrn Dr. Oechsle ausdrücklich gebeten, im Ausschuß mitzuteilen, die Kündigung Emmerts gehe keineswegs auf politische Gesichtspunkte zurück. Bekanntlich habe Emmert selbst erklärt, er habe schon damit gerechnet, daß seine Bestellung zum Staatskommissar aufgehoben werde.
Als Staatskommissar werde also Herr Emmert bis 1. April 1956 seine Aufgaben weiter wahrnehmen.
Was nun die Tätigkeit Emmerts als Beauftragter für das Grenzland betreffe, so könnten insoweit seine bisherigen Aufgaben ohne weiteres auch von einem Beamten des Wirtschaftsministeriums erfüllt werden. Es sei nur zu befürchten, daß neuerdings der Ruf nach einem Staatssekretär für die Grenzgebiete auftrete, wenn Emmert entlassen werde. Dieser habe übrigens noch keine Stellung dazu genommen, ob er die Geschäfte des Grenzlandbeauftragten mit einer niedrigeren Einstufung, etwa nach TOA III weiterführen wolle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt mit Zustimmung des Ministerrats, zunächst die Äußerung des 160er Ausschusses abzuwarten.97
4. Verlängerung der Dienstzeit des Direktors der Juliusspitalstiftung in Würzburg98
Staatsminister Dr. Geislhöringer weist darauf hin, daß sich ein von Ministerialdirektor Dr. Mayer (Kultusministerium) unterzeichnetes Gutachten auf den Standpunkt stelle, nach dem Stiftungsgesetz sei nicht mehr die Staatsregierung für die Verlängerung der Dienstzeit zuständig.99 Er habe nun das Kultusministerium um eine nochmalige Nachprüfung dieses Gutachtens gebeten. Bis zur Klärung sei es notwendig zu überlegen, ob und in welcher Weise das Stiftungsgesetz hinsichtlich der Frage der Stiftungsorgane geändert werden solle. Die zweite Frage sei, ob bis zur Klärung die Dienstzeit des Direktors Dr. Diener bis 30. Juni 1956 verlängert werden solle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Staatsregierung nach dem jüngsten Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs zur Verlängerung überhaupt nicht mehr zuständig sei.
Staatssekretär Vetter meint dagegen, diese Entscheidung gelte nur für Staatsbeamte, nicht aber für Stiftungsbeamte.
Ministerpräsident Dr. Hoegner widerspricht dieser Auffassung und betont, die Staatsregierung sei verpflichtet, dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Rechnung zu tragen. Sie könne sich dabei auch nicht darum kümmern, ob die Kommunen dieses Urteil berücksichtigten oder nicht.
Staatssekretär Vetter bemerkt, im Fall Würzburg stehe der Stiftungsrat auf dem Standpunkt, er allein könne die Verlängerung beschließen; ein Beschluß, die Amtszeit von Dr. Diener auf drei Jahre zu verlängern, sei bereits gefaßt worden.100 Wenn nichts geschehe, werde Dr. Diener ab 1. Januar 1956 seine Geschäfte weiterführen.
Die Staatsregierung könne dann nur mehr klagen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, er könne dieser Meinung nicht zustimmen, er halte es vielmehr für durchaus möglich, einen neuen Direktor zu ernennen und zu erklären, daß Dr. Diener mit Wirkung vom 31. Dezember 1955 ausgeschieden sei.
Staatsminister Dr. Geislhöringer wirft ein, der Generalvikar des Bistums Würzburg habe schon mitgeteilt, daß in einem solchen Falle der Stiftungsrat klagen müsse.
Staatssekretär Vetter fährt fort, sein Vorschlag gehe deshalb dahin, die Amtszeit Dr. Dieners kurzfristig bis 30. Juni oder nur 31. März 1956 zu verlängern, womit immerhin Zeit gewonnen werde. Er glaube, daß die Verlängerung eines Stiftungsbeamten durch das Stiftungsorgan ohne Genehmigung des Landespersonalamts vorgenommen werden könne. Bis jetzt sei das Innenministerium Stiftungsorgan gewesen, während jetzt der Oberpflegrat, gestützt auf das Gutachten des Herrn Ministerialdirektors Dr. Mayer, diese Zuständigkeit für sich in Anspruch nehme. Er könne aber eigentlich nicht annehmen, daß der Herr Kultusminister selbst der Auffassung sei, sein Ministerium habe aufgehört, Stiftungsorgan zu sein. Man dürfe nicht übersehen, daß dies große Auswirkungen haben werde.
Im Innenministerium neige der Stiftungsreferent der Auffassung des Kultusministeriums zu, allerdings im Gegensatz zu den übrigen Abteilungen des Ministeriums.
Um die Rechtsfrage zu klären, müsse die Zeit gewonnen werden, auf dem Wege von Verhandlungen oder einer Normenkontrollklage die Lage eindeutig festzustellen.
Staatssekretär Dr. Panholzer regt an, das Landespersonalamt zu ersuchen, die Verlängerung vorzunehmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt diesem Vorschlag zu, auch Staatssekretär Dr. Meinzolt betont, daß nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ein Ministerium ebenso wenig die Verlängerung eines Stiftungsbeamten wie eines Staatsbeamten vornehmen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner macht noch darauf aufmerksam, daß der Bischof von Würzburg schon angedeutet habe, die JuliusspitalStiftung sei eine rein kirchliche Stiftung, die am Anfang des vorigen Jahrhunderts säkularisiert worden sei.101 Er schlage vor, daß das Staatsministerium für Unterricht und Kultus möglichst bis 27. Dezember 1955 die Rechtslage kläre.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird außerdem vereinbart, daß das Staatsministerium des Innern sich wegen der Verlängerung der Amtszeit Dr. Dieners an das Landespersonalamt wendet, wenn es der Auffassung ist, daß die Verlängerung bis zur Klärung der Rechtslage erforderlich ist.102
5. Verlängerung der Abordnung des Amtsgerichtsrats Dr. Reischl
Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet Herrn Staatsminister Dr. Koch um seine Zustimmung, daß die Abordnung des Amtsgerichtsrats Dr. Reischl als Sekretär des Sicherheitsausschusses auf drei Monate verlängert werde.
Staatsminister Dr. Koch erklärt sich mit der Verlängerung einverstanden.
Staatssekretär Dr. Meinzolt führt aus, die Deutsche Gesellschaft für europäische Erziehung e.V. sei Trägerin der sog. Kurzschulen, von denen die erste im Jahre 1952 in Weissenhaus in Ostholstein errichtet worden sei. In diesen sog. Kurzschulen würden in vierwöchigen Kursen etwa 80 junge Menschen jeder Herkunft zusammengezogen und durch Charakterbildung und Gemeinschaftserziehung dazu geführt, verantwortungsfreudige Mitglieder einer Gemeinschaft zu werden.
Es sei nun daran gedacht, eine weitere Kurzschule im Gebirge zu errichten und hier besonders die Bergrettung zu pflegen.104
Die Bergwacht habe sich zurückhaltend geäußert,105 aber nicht gegen den Plan, der übrigens vom Herrn Bundespräsidenten gefördert werde, gewendet.106 Von den Kosten, etwa 400 000 DM, würde von amerikanischer Seite die Hälfte getragen, während die andere Hälfte von Bund und Bayern aufgebracht werden müsse. Die Kosten des laufenden Betriebs würden sicherlich im wesentlichen auf Bayern entfallen. Ursprünglich seien die amerikanischen Mittel bis 31. Dezember 1955 bereitgestellt gewesen, inzwischen habe man aber eine Verlängerung erreicht.107
S.E. sei der Plan noch nicht so vorbereitet, daß Bayern eine offizielle Zusicherung geben könne. Grundsätzlich heiße zwar das Kultusministerium die Einrichtung gut, die Finanzierung müsse aber noch geklärt werden und darüber hinaus die praktische Arbeit der Schule, der Standort usw.108
Staatsminister Dr. Baumgartner wendet sich gegen die Errichtung dieser Kurzschule und schlägt vor, Mittel hiefür abzulehnen.
Der Ministerrat beschließt, die Entscheidung zurückzustellen und das Kultusministerium zu beauftragen, die Pläne zur Errichtung einer Kurzschule noch vorher zu prüfen.109
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt unter Bezugnahme auf eine Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 9. Dezember 1955 bekannt, daß bei dem Besuch des Herrn Bundesaußenministers in Wien vereinbart worden sei, Fragen, welche die Deutsche Bundesrepublik und die Bundesrepublik Österreich beträfen, laufend in Gemischten Kommissionen zu behandeln.110 Herr Staatsminister Zietsch sei der Meinung, Bayern habe ein natürliches Interesse daran, bei diesen Verhandlungen, die alle Ressorts berührten, beteiligt zu sein. Er erkläre, wegen ihres wirtschaftlichen Charakters und der zu behandelnden finanziellen, steuerlichen und zollpolitischen Fragen dürften die Verhandlungen im Finanzministerium ihren Schwerpunkt finden. Ergänzend könne er noch mitteilen, daß der Bundesaußenminister im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats erklärt habe, Österreich werde die Salinen-Konvention vom Jahre 1829 anerkennen. Daraus habe er zu seiner Freude entnommen, daß seine Reise im Juni nach Wien doch zu einem Erfolg geführt habe. Österreich wolle offenbar nur eine Neufassung der Salinen-Konvention, die in einigen Punkten veraltet sei.111
Staatsminister Bezold drückt sein Erstaunen darüber aus, daß der Bundesaußenminister die Anerkennung der Salinen-Konvention durch Österreich der Bayerischen Staatsregierung nicht offiziell mitgeteilt habe. Im übrigen sei er der Auffassung, daß wegen des wirtschaftlichen Charakters der Verhandlungen mit Österreich, auf den der Herr Finanzminister hinweise, der Schwerpunkt wohl im Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr liegen müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, dem Auswärtigen Amt mitzuteilen, daß Bayern an den Gemischten Kommissionen, die sowohl das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr wie die Staatsministerien der Finanzen und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beträfen, beteiligt werden wolle. Die Federführung müsse aber bei der Bayer. Staatskanzlei liegen, nachdem es sich hier um Verhandlungen mit einem auswärtigen Staat handle. Wenn der Ministerrat einverstanden sei, werde er sich in diesem Sinne an den Bundesaußenminister wenden und bayerische Ansprüche anmelden.
Der Ministerrat erklärt sich einstimmig damit einverstanden.112
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, im Jahre 1952 habe der Europarat beschlossen, in seinen Mitgliedsstaaten Kunstausstellungen durchzuführen. Mit Zustimmung der Kultusminister der Länder habe sich die Bundesrepublik 1955 zur Teilnahme verpflichtet. Die nächste Ausstellung werde für 1958 unter dem Namen „Spätbarock und Rokoko“ in München geplant. Das Auswärtige Amt habe am 15. Oktober 1955 die Bayer. Staatskanzlei und die Stadt München um grundsätzliche Zustimmung zu diesem Plan gebeten, damit dem Europarat eine Zusage erteilt werden könne.114 Die Direktoren der beteiligten Museen und Sammlungen schlügen vor, die Ausstellung in Nymphenburg zu veranstalten und mit Theater- und Musikveranstaltungen zu umrahmen.115
Etwa 40% der Kosten der Ausstellung werde voraussichtlich der Europarat tragen, der Rest von etwa 250 000 DM entfalle auf den Bund, Bayern und die Stadt München, wovon wiederum auf den Bayer. Staat etwa ¼ entfallen werde.
Die Landeshauptstadt habe dem Auswärtigen Amt am 24. November 1955 grundsätzlich ihr Einverständnis erklärt,116 auch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus befürworte den Plan, bitte aber vor der endgültigen Zusage um einen Beschluß des Ministerrats.117
Er persönlich halte diese Ausstellung, die das Augenmerk der Welt auf München lenken werde, kulturpolitisch für höchst bedeutungsvoll. Er schlage deshalb vor, einen entsprechenden Beschluß zu fassen.
Der Ministerrat beschließt daraufhin einstimmig, sich an der Ausstellung zu beteiligen, auch wenn Kosten in Höhe von 60–70 000 DM entstehen würden.
Anschließend wird vereinbart, diesen Beschluß dem Auswärtigen Amt mitzuteilen.118
Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert Staatsminister Rucker, es sei geplant, in dieser Ausstellung Kunstwerke aus der Zeit des Barock und Rokoko aus ganz Europa zu zeigen.
Staatssekretär Dr. Panholzer fügt hinzu, die bisherigen Pläne gingen dahin, das Schloß Nymphenburg als eingerichtetes Schloß aus dem 17./18. Jahrhundert zu zeigen, nachdem auch Herzog Albrecht von Bayern bereit sei, seinen Teil des Schlosses zur Verfügung zu stellen. Die auswärtigen Kunstwerke sollten im bisherigen Residenzmuseum und in sonstigen Räumen des Schlosses ausgestellt werden. Der bayerische Kunstbesitz selbst werde in der Residenz in München gezeigt werden.119
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Gemeinde Oberstdorf habe für die Durchführung dieser Skimeisterschaften einen Staatszuschuß in Höhe von 8000 DM beantragt. Früher habe für derartige Veranstaltungen das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr Zuschüsse aus Fremdenverkehrsmitteln gegeben, dies sei aber jetzt nicht mehr möglich.
Staatssekretär Dr. Meinzolt fügt hinzu, die Veranstaltung werde vom Deutschen Skiverband getragen, sie finde jedes Jahr in Bayern statt. Von den Gesamtkosten von 8000 DM werde der Landkreis Sonthofen 2000 DM übernehmen, so daß noch ein Rest von 6000 DM bleibe. Auch der Bund werde sich an den Kosten beteiligen, wenn der Bayerische Staat einspringe. Wenn das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr tatsächlich nicht mehr in der Lage sei, Fremdenverkehrsmittel bereitzustellen, könne das Staatsministerium für Unterricht und Kultus, allerdings unter erheblichen Schwierigkeiten, etwas beisteuern.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich bereit, einen Zuschuß von 2000 DM aus Tit. 500 zu geben, so daß der Zuschuß des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus auf 1000 DM vermindert werden kann.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, mit Schreiben vom 17. Dezember 1955 weise der Kreispräsident von Lindau (Abwicklungsstelle) darauf hin, daß eine wesentliche Voraussetzung für die Überführung des bayerischen Kreises Lindau die Übernahme der bisherigen Haushaltsansätze in den Staatshaushalt 1956 sei. Im einzelnen habe jedoch bisher nur das Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Haushaltsansätze mit der Abwicklungsstelle erörtert. Herr Kreispräsident Zwisler bitte nun im Auftrag der Stadtverwaltung, des Landratsamtes und der ehemaligen Mitglieder des Beratenden Ausschusses, daß auch die übrigen bayerischen Ministerien in gleicher Weise verfahren mögen. Er erkläre ferner, soweit die einzelnen Ministerien eine Abänderung der Lindauer Ansätze für geboten hielten, möchten sie der Abwicklungsstelle vorher Gelegenheit zur Stellungnahme geben.121
Staatsminister Zietsch erklärt, das Staatsministerium der Finanzen sei ständig in Verbindung mit Lindau, er könne nicht recht einsehen, was Herr Kreispräsident Zwisler mit dieser Anregung bezwecken wolle. Allerdings sei ihm nicht bekannt, wie es sich mit den anderen Ressorts verhalte.
Staatsminister Bezold kommt in diesem Zusammenhang auf die Frage der Industrie- und Handelskammer Lindau zu sprechen, die sich mit allen Mitteln dagegen wehre, in der Industrie- und Handelskammer Augsburg aufzugehen. Angeblich habe der Herr Ministerpräsident dem Herrn Kreispräsidenten zugesichert, Lindau könne die Kammer beibehalten.122
Ministerpräsident Dr. Hoegner bestreitet dies und stellt dann an den Herrn Finanzminister die Frage, ob der Lindauer Haushalt unverändert in den Staatshaushalt übernommen worden sei.
Staatsminister Zietsch bestätigt dies und meint, das Schreiben des Herrn Kreispräsidenten müsse überholt sein.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt daraufhin fest, er werde eine Abschrift des Briefes des Herrn Kreispräsidenten vom 17. Dezember 1955 allen Staatsministerien zustellen und sie ersuchen, notfalls die Fühlung mit der Abwicklungsstelle wieder herzustellen.
Abschließend erklärt Ministerpräsident Dr. Hoegner, er beabsichtige, Lindau im Frühjahr 1956 mit dem ganzen Kabinett einen Besuch abzustatten.123
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, einer Mitteilung des Bayer. Bevollmächtigten in Bonn zufolge bemühe sich der Regierende Bürgermeister von Berlin seit längerem darum, daß eine Plenarsitzung des Bundesrats in Berlin stattfinde. Das Präsidium des Bundesrats habe nun vorgeschlagen, diese Sitzung am 3. Februar 1956 in Berlin abzuhalten.
Der Ministerrat erklärt sich mit dem Vorschlag einstimmig einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, die Industrie- und Handelskammer Nürnberg behaupte, der Fortgang der Vorarbeiten werde nach wie vor dadurch behindert, daß die Oberste Baubehörde die Genehmigung zur Einstellung der notwendigen und in Nürnberg vorhandenen Fachkräfte noch nicht gegeben habe. Er einnere daran, daß er in dieser Sache am 10. Dezember 1955 dem Herm Staatsminister des Innern geschrieben habe.
Staatssekretär Vetter erwidert, die von der Industrie- und Handelskammer Nürnberg aufgestellte Behauptung treffe nicht zu.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt in diesem Zusammenhang, er müsse sich darüber beklagen, daß persönliche Schreiben, die er an die Ministerien richte, vielfach monatelang nicht beantwortet würden. Er bitte die Herren Staatsminister darauf zu achten, daß dem Ministerpräsidenten möglichst umgehend auf Anfragen usw. eine Antwort erteilt werde.
Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß jetzt der personelle Aufbau der Deutschen NATO-Botschaft vorgenommen werde. Er bitte den Herrn Staatsminister für Wirtschaft zu prüfen, ob ein Beamter zur Verfügung stehe, der sich für diesem Posten eigne. Einer bayerischen Vertretung in der NATO-Botschaft komme vor allem aus wirtschaftlichen Gründen große Bedeutung zu.
Staatsminister Bezold sichert zu, sich dieser Sache anzunehmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, wann mit der Vorlage des ao. Haushalts 1956 gerechnet werden könne.
Staatsminister Zietsch antwortet, die Vorlage werde dem Kabinett voraussichtlich in der ersten Januarwoche zugehen.125
Am Schluß der Sitzung wünscht Staatsminister Dr. Baumgartner dem Herrn Ministerpräsidenten für sich und seine Familie frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert die Glückwünsche und dankt allen Mitgliedern des Kabinetts für die freundschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr.
Die nächste Sitzung des Ministerrats wird auf Dienstag, den 27. Dezember 1955, vormittags 9 Uhr, festgesetzt.