Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Personalangelegenheiten. III. Ausbau des oberen Lechs. IV. Stiftung eines Ehrenpreises für den bayerischen Segelflugmeister 1955. V. Krankheitsurlaub des Herrn Staatsministers Prof. Rucker. VI. Errichtung einer evangelischen Kirche in Gangkofen. VII. Elternabstimmung in Dinkelsbühl. VIII. Reifeprüfung 1956. IX. Errichtung eines Lehrstuhls für Agrarwesen und Agrarpolitik an der landwirtschaftlichen Fakultät der Technischen Hochschule München. X. Residenz in Kempten. XI. Einladung der Hoechster Farbwerke AG zur Besichtigung der Anorgana Gendorf am 2. Dezember 1955. XII. Veräußerung von Grundstücken der BHS in Rosenheim. XIII. Umbesetzung der Aufsichtsräte. XIV. Ernennung des Regierungspräsidenten für die Regierung von Niederbayern. XV. Spielbankausschuß des Bayerischen Landtags. XVI. Vertraulichkeit der Ministerratssitzungen. XVII. Schifferschule in Würzburg. XVIII. Wohnungen für ehemalige Insassen des Lagers Föhrenwald. XIX. Pressegerüchte. XX. Oberregierungsrat Dr. Deuerlein. XXI. Europa-Union. XXII. Veranstaltungen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner beglückwünscht Herrn Staatsminister Zietsch persönlich und im Namen der Staatsregierung nachträglich zum Geburtstag.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt zunächst fest, daß an der Bundesratssitzung Herr Staatsminister Zietsch und die Herren Staatssekretäre Dr. Haas und Simmel teilnehmen werden.
1.Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Sonderzulagen-Gesetz – SZG –)1
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 GG.
2.Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten2
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, die Ausschüsse für Arbeit und Sozialpolitik und für Wirtschaft empfählen, dem Gesetzesbeschluß des Bundestags vom 11. November 1955 gem. Art. 84 Abs. 1 GG zuzustimmen, der dahin gehe, daß nur zwei verkaufsoffene Sonntage vor Weihnachten zugelassen würden.3
Der Ministerrat habe bereits am 8. November 1955 beschlossen, dem Gesetzesbeschluß zuzustimmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt mit Nachdruck, es gehe nicht an, daß am Freitag ein Gesetz beschlossen und am Samstag veröffentlicht werde, das eine Regelung für den darauffolgenden Sonntag enthalte. Der Ministerrat habe aber dem Gesetzesbeschluß am 8. November 1955 bereits zugestimmt und werde daran festhalten. Er empfehle aber, einer Absetzung dieses Punktes keinesfalls zuzustimmen.4
Der Ministerrat beschließt, dem entsprechend gemäß Art. 84 Abs. 1 GG zuzustimmen und einen Antrag auf Absetzung nicht zu unterstützen.5
3.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz)6
Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder hätten sich in der Konferenz vom 23. November 1955 für die Anrufung des Vermittlungsausschusses ausgesprochen. Es sei allerdings nicht ganz zweifelsfrei, ob es im gegenwärtigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens zulässig sei, den Vermittlungsausschuß nochmals anzurufen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die allen Kabinettsmitgliedern zugegangene Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 18. November 1955, in der die Gründe zusammengefaßt würden, die für und gegen die Annahme des dritten Vermittlungsvorschlags vom 11. November 1955 sprächen.
Offenbar wolle der Bundeskanzler den jetzigen gesetzlosen Zustand beseitigen und habe deshalb die Ministerpräsidenten für Donnerstag, den l. Dezember 1955 zu einer Besprechung eingeladen. Wahrscheinlich werde dort versucht werden, auf die Ministerpräsidenten einzuwirken, ihren Widerstand aufzugeben.
Staatsminister Zietsch weist darauf hin, daß in der Finanzministerkonferenz vom 23. November 1955 mit Mehrheit beschlossen worden sei, dem Vermittlungsvorschlag nicht zuzustimmen, sondern nochmals den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Die Bedenken der Finanzminister seien nach wie vor außerordentlich groß und zwar sowohl gegen die vorgesehene Regelung, daß die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer in unbeschränkter Höhe möglich sein könne, als auch gegen die Festsetzung des Bundesanteils auf 35%. Dies bedeute übrigens einen Ausfall für Bayern allein von 42 Mio DM.
Die Mehrheit der Finanzminister beabsichtige deshalb, folgenden Antrag zu stellen:
1. Artikel 106 Abs. 1 Ziff. 1 wird durch folgende Fassung ersetzt:
„7. Die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftssteuer in Höhe bis zu 5 vom Hundert dieser Steuern.“
2. Artikel 106 Abs. 3 erhält folgende Fassung:
„3. Vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer stehen ein Drittel dem Bund, und zwei Drittel den Ländern zu.”
3. In Artikel 106 Abs. 4 wird Satz 2 (betr. die unter Nr. 1–3 verzeichneten Grundsätze) gestrichen.
4. Artikel 106 Abs. 4 Satz 3 wird Satz 2 und erhält folgende Fassung:
„Die Änderung des Beteiligungsverhältnisses setzt ferner voraus, daß seit dem Inkrafttreten des Gesetzes, welches das Beteiligungsverhältnis zuletzt bestimmt hat, mindestens drei Jahre vergangen sind. Dies gilt nicht für eine Änderung des Beteiligungsverhältnisses nach Abs. 5."
Selbstverständlich könne dieser Antrag nur gestellt werden, wenn feststehe, daß sich im Bundesrat die Mehrheit der Länder dafür ausspreche. Es stehe jetzt schon fest, daß sowohl Hessen als auch Baden-Württemberg sich dem bayerischen Vorgehen anschließen würden.
Staatsminister Zietsch teilt im Laufe der Sitzung noch mit, daß auch Nordrhein-Westfalen dem Antrag zustimmen werde.
Der Ministerrat beschließt nach kurzer Aussprache einstimmig, in erster Linie den Vermittlungsausschuß anzurufen und dabei den von Herrn Staatsminister Zietsch formulierten Antrag zu stellen; wenn der Antrag abgelehnt wird, soll dem Vermittlungsvorschlag die Zustimmung versagt werden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner weist noch darauf hin, daß ihm vor allem die unbeschränkte Höhe der Ergänzungsabgabe höchst bedenklich erscheine.7
4.Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956)8
Nach eingehendem Bericht des Herrn Ministerialrats Dr. Gerner faßt der Ministerrat folgenden Beschluß:
1. Bei der Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG werden von den in der Anlage zu BR-Drucks. Nr. 371/1/55 unter C enthaltenen Empfehlungen nicht unterstützt Ziff. II a (Seite 14), III 1 (Seite 16), IV 1 h bb (Seite 23), i bb (Seite 24), m aa (Seite 25), qu aa (Seite 27), r bb (Seite 30).
2. Stimmenthaltung wird geübt bezüglich der Empfehlungen in BR-Drucks. Nr. 371/1/55 Anlage C unter Ziff. IV 1 i aa (Seite 23), r aa (Seite 29), IV 2 (Seite 30) und 3 (Seite 31), V 1 c (Seite 34).
3. Die übrigen Empfehlungen unter C werden unterstützt.9
5.Entwurf eines Bundesbesoldungsgesetzes10
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet weiter über die Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse, die in der BR-Drucks. Nr. 353/1/55 zusammengefaßt sind.11
Eine längere Aussprache ergibt sich über die Empfehlung des Kulturausschusses unter Ziff. 29, hinter § 53 einen § 53 a (neu) einzufügen, der eine Sonderregelung für die Besoldung der Lehrer vorsehen solle.12
Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter des Bayer. Kultusministeriums vorgeschlagen,13 anstelle der Empfehlung unter Ziff. 29 folgenden Landesantrag zu stellen:14
„Hinter § 53 ist folgender § 53 a (neu) einzufügen:
§ 53 a
Für die Hochschullehrer, Assistenten und Lektoren an den Hochschulen und für die den wissenschaftlichen Assistenten gleichgestellten Beamten können die Länder abweichende Vorschriften erlassen.“
Die Begründung könne etwa folgendermaßen lauten: ,
„Für die Hochschullehrer, Assistenten und Lektoren an wissenschaftlichen und anderen Hochschulen sowie für die den wissenschaftlichen Assistenten gleichgestellten Beamten ergibt sich auf Grund der historischen Entwicklung des deutschen Hochschulwesens die Notwendigkeit, abweichende Regelungen zu treffen. Die bisherige Entwicklung hat seit jeher in allen deutschen Ländern zu heute noch bestehenden Sondervorschriften geführt. Den Ländern muß deshalb die Möglichkeit offen gelassen werden, diese Sonderregelungen aufrecht zu erhalten und fortzuentwickeln.“
Staatsminister Zietsch erklärt sich damit einverstanden, wenn § 53 a (neu) in diesem Sinne auf Hochschullehrer usw. begrenzt werde. Es gehe aber s.E. nicht an, eine Sonderregelung für Lehrer außerhalb des Bundesbesoldungsgesetzes zu treffen, zumal dies bestimmt Beschwerden und Eingaben der Richter, der Polizeibeamten und anderer Beamtengruppen hervorrufen werde. Man dürfe deshalb, soweit eine Rahmengesetzgebung vorgesehen sei, Änderungen nur in der Weise vornehmen, daß man in der Bewegungsfreiheit hinsichtlich der Einstufung nicht gehindert sei.
Staatssekretär Dr. Haas stimmt zu und betont, daß den Wünschen der Lehrer bereits durch entsprechende Handhabung des § 45 des Entwurfs hinreichend Rechnung getragen werden könne.15
Staatssekretär Eilles erklärt, auf der letzten Justizministerkonferenz sei man allgemein der Auffassung gewesen, daß eine besondere Besoldungsordnung für Richter anzustreben sei, da es gerade darauf ankomme, die Stellung des Richters besonders zu stärken. Er bitte deshalb, sich bei der Behandlung der Empfehlung unter Ziff. 28 a zumindest der Stimme zu enthalten, wenn man ihr schon nicht zustimmen wolle.16
Nach Schluß der Aussprache faßt der Ministerrat folgenden Beschluß:
1. Bei der Stellungnahme gemäß Artikel 76 Abs. 2 GG werden von den in BR-Drucks. Nr. 353/1/55 niedergelegten Empfehlungen unterstützt die Ziff. l mit 14, 15 b mit 21, 22 b mit 27, 28 b, c, 30 a, b, 31 a mit k, 32 a und b.
2. Nicht unterstützt werden die Empfehlungen unter Ziff. 15 a, 22 a und 28 a.
Dazu wird festgestellt, daß damit dem Vorschlag des Herrn Staatssekretärs Eilles nicht entsprochen wird.
3. Ein Landesantrag auf Einfügung eines § 53 a (neu) mit dem von Herrn Ministerialrat Dr. Gerner verlesenen Wortlaut wird gestellt.
4. Falls dieser Antrag keine Mehrheit findet, wird die Empfehlung unter Ziff. 29 der BR-Drucks. Nr. 353/1/55 unterstützt.17
6.Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West)18
Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 3 GG.19
7.Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 195520
Der Ministerrat beschließt nach Vortrag des Herrn Ministerialrats Dr. Gerner, die Empfehlungen unter I 1, II, III 1, 3, IV 1, 2 b und V der BR-Drucks. Nr. 232/55 I/1 zu unterstützen, dagegen nicht diejenigen unter Ziff. I 2, III 2 und IV 2 a.21
8.Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung22
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG, die Abänderungsvorschläge unter Ziff. II 1, 2, 3 und 4 der BR-Drucks. Nr. 253/1/55 werden unterstützt.
9.Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Zweiten, Dritten, Vierten und Zehnten Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz23
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
10.Entwurf einer Fünfundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Zollkontingent für Schienen)24
und
11.Entwurf einer Sechsundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Vitamin-A-Acetat und Vitamin-A-Palmitat)25
Keine Bedenken.
12.Entwurf einer Siebenundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Schwefelsäure usw.)26
Der Ministerrat beschließt, gegen den Entwurf keine Bedenken zu erheben und die von Bayern aus gegenüber dem Wirtschaftsausschuß des Bundesrats geäußerten Einwendungen nicht weiter zu verfolgen.
13.Entwurf einer Achtundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung)27
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erklärt,28 die ursprünglich von Bayern gegenüber dem Agrarausschuß des Bundesrats erhobenen Bedenken würden nicht aufrecht erhalten.29
Staatsminister Bezold teilt dagegen mit, die vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr gegenüber dem Wirtschaftsausschuß vorgebrachten Bedenken, die sich hauptsächlich auf die Zollsatzänderungen bei landwirtschaftlichen Maschinen, Steinen usw. richteten, könnten nicht aufgegeben werden. Wenn die Zollsenkung auch nur ½ Jahr in Kraft bleiben solle, so sei doch zu befürchten, daß ausländische Firmen umfangreiche Verträge abschließen könnten, was zu einer schweren Belastung der Landmaschinen-Industrie führen könne.
Staatsminister Dr. Baumgartner entgegnet, nachdem die Landwirtschaft sich sehr großzügig gezeigt und ihren ursprünglichen Einspruch zurückgezogen habe, empfehle er, daß auch das Wirtschaftsministerium seine Bedenken zurückstelle, zumal die Landmaschinen-Industrie in den letzten Jahren eine sehr günstige Konjunktur gehabt habe.
Der Ministerrat beschließt mit allen gegen eine Stimme, gegen diesen Entwurf keine Bedenken zu erheben.30
14.Zustimmung des Bundesrates zur Veräußerung der reichseigenen Grundstücke in Northeim31
a) ehem. Lagerhaus,
b) ehem. Einfamilien-Wohnhaus
an die Firma Linnhoff, Maschinenfabrik, Berlin.
Zustimmung
15.Entschließung des Bundesrats zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes im Bereich der Wehrverfassung
Der vom Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit vorgeschlagenen Entschließung (BR-Drucks. Nr. 387/55) wird zugestimmt.
16.Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes32
Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft zunächst die Frage auf, ob die Behandlung dieses Gesetzentwurfs nicht solange zurückgestellt werden sollte, bis die neuen Möglichkeiten des Schutzes gegen die Wirkung von Atom-Bomben geprüft seien.
Auch Staatsminister Dr. Geislhöringer bezweifelt die Wirksamkeit dieses Gesetzes und betont, um in einem modernen Luftkrieg die Bevölkerung wenigstens einigermaßen schützen zu können, brauche man ungezählte Milliarden DM.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, jedenfalls werde die Frage des Luftschutzes auch in der Bayer. Atom-Kommission besprochen werden müssen; er werde anregen, eine eigene Unterkommission einzusetzen, die die Möglichkeiten des Schutzes gegen Atomwaffen prüfe. Er halte es für unbedingt notwendig, die Bevölkerung aufzuklären und ihr offen zu sagen, welche ungeheueren Gefahren ein moderner Krieg mit sich bringen werde.
Was nun den vorliegenden Gesetzentwurf betreffe, so sei er der Meinung, Bayern solle im Bundesrat eine Erklärung abgeben, die folgenden Wortlaut tragen könne:
„Angesichts der Entwicklung der Atomwaffen wird die Bundesregierung ersucht, in erster Linie zu prüfen, ob und welcher Schutz für die Zivilbevölkerung im Falle eines Atomkrieges möglich und wirksam ist.“
Der Ministerrat beschließt einstimmig, diese Erklärung abzugeben.
Anschließend berichtet Ministerialrat Dr. Gerner über die Einzelheiten des Entwurfs, worauf nach längerer Aussprache folgender Beschluß gefaßt wird:
1. Bei der Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG werden von den in BR-Drucks. Nr. 368/1/55 niedergelegten Empfehlungen33 unterstützt Ziff. I 1 a, 2 a und c, 3, 4 a, 5 a mit c, 6 a, 7 mit 14 a, b, 15 (sofern die Empfehlung unter 16 a keine Mehrheit findet), 16 a, 17 a mit f, 18, 19 a und d, 20 a, 21 a, b, 22 a und c, 23 a (mit Ausnahme des Abs. 5 ), 23 b, 24 b mit 27, Ziff. II 1, 2, 3 Unterziffer 1, Ziff. 4.
2. Die Empfehlungen unter Ziff. I 22 b, 24 a, II 3 Unterziffer 2 werden nicht unterstützt.
3. Bezüglich der Empfehlung unter Ziff. I 2 b wird Stimmenthaltung geübt.
4. Die Empfehlungen unter Ziff. I 19 b und c werden unterstützt, falls die Empfehlung unter Ziff. 19 a keine Mehrheit findet.34
17.Entwurf eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (THG)35
Der Ministerrat beschließt, bei der Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG die Empfehlungen unter Ziff. II 1, 2, 3 a (hilfsweise 3 b), 4, 5 a (hilfsweise 5 b) 6 a und b, 7, 8, 9, 10 der BR-Drucks. Nr. 370/1/55 zu unterstützen, dagegen nicht die Empfehlungen unter Ziff. I a und b.36
Ferner wird beschlossen, bei der Unterstützung der Empfehlung unter Ziff. 5 a die Begründung des Finanzausschusses unter Ziff. l a der BR-Drucks. Nr. 370/1/55 heranzuziehen.37
18.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes38
und
19.Entwurf eines Gesetzes über die Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes39
Zustimmung gemäß. Art. 84 Abs. 1 GG.40
20.Entwurf eines Gesetzes über die Lohnstatistik41
Bei der Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG werden die Empfehlungen unter Ziff. l, 2 b, 3 a, b, 4 a, b, c der BR-Drucks. Nr. 366/1/55 unterstützt, dagegen nicht diejenigen unter Ziff. 2 a, 5 und 6.42
21.Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Verordnung zur Durchführung des Heimkehrergesetzes43
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
22.Änderung und Ergänzung der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Heimkehrergesetzes44
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 2 GG mit Unterstützung der Empfehlungen unter Ziff. I und 2 der BR-Drucks. Nr. 379/1/55.45
23.Entwurf einer Dritten Verordnung zur Durchführung des Schwerbeschädigtengesetzes46
Staatssekretär Weishäupl macht darauf aufmerksam, daß sich diese Verordnung unter Umständen zum Nachteil Bayerns auswirken könne.
Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, dem Entwurf gemäß Art. 80 Abs. 2 GG zuzustimmen und die Empfehlung unter Ziff. I mit 3 der BR-Drucks. Nr. 365/1/55 zu unterstützen.47
24.Entwurf einer Verordnung über Schichtenbücher für Kraftfahrer und Beifahrer48
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG. Der Abänderungsvorschlag in BR-Drucks. Nr. 343/1/55 wird unterstützt.49
Einwendungen nach Art. 76 Abs. 2 GG werden nicht erhoben.
26.Entwurf von Anordnungen zur Verlängerung der Geltungsdauer der Anordnungen über den Eisenbahn-Gütertarif und über den Reichskraftwagentarif51
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.52
27.Entwurf einer Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen53
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG mit Unterstützung der Empfehlungen unter Ziff. 2 Unterziffer 1 mit 4 der BR-Drucks. Nr. 349/1/55.54
28.Entwurf einer Verordnung über eine Jahreserhebung der Nettoleistung der Industrie55
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
29.Bestellung von Mitgliedern des Verwaltungsrats der Kreditanstalt für Wiederaufbau56
Die Empfehlung des Finanzausschusses unter Ziff. 2 der BR-Drucks. Nr. 344/1/55 wird unterstützt.
30.Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau57
Ein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG wird nicht gestellt.
31.Entwurf einer Verordnung über die Hopfenanbaufläche im Anbaujahr 195658
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
32.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht59
Der Ministerrat beschließt, die Empfehlungen des Rechtsausschusses unter A a mit c und B I der BR-Drucks. V Nr. 10/55 (neu) zu unterstützen, dagegen nicht die Empfehlung des Finanzausschusses unter B II.
33.Neuwahl des Vorsitzenden des Ausschusses für Kulturfragen
Die Empfehlung des Kulturausschusses vom 17. November 1955 gleichlautend mit der Empfehlung in BR-Drucks. Nr. 318/55 wird unterstützt.60
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus beantrage, die Regierungsdirektoren Heinrich Rentsch, Otto Strößenreuther und Dr. Gregor Weber in diesem Ministerium zu Ministerialräten zu ernennen. Ob die Stellungnahmen des Staatsministeriums der Finanzen schon vorliege, sei ihm nicht bekannt.
Staatssekretär Dr. Panholzer erklärt, das Finanzministerium erhebe keine Bedenken.
Der Ministerrat beschließt daraufhin einstimmig, der Ernennung der drei Beamten zu Ministerialräten zuzustimmen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, der Aufsichtsrat der BAWAG habe am vergangenen Donnerstag, den 24. November 1955, offenbar unter dem Einfluß der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) erklärt, die vom Ministerrat für den Ausbau der Staustufe 6 gestellten Bedingungen nicht annehmen zu können und deshalb an dem Ausbau nicht mehr interessiert zu sein.
Er habe bereits in der Ministerratssitzung vom 22. November 1955 darauf aufmerksam gemacht, daß die RWE und die VIAG als Aktionäre kaum bereit seien, den weiteren Ausbau des Lechs zu finanzieren, wenn der Ministerrat die Genehmigung nur unter Bedingungen erteile. Im übrigen überlege jetzt die BAWAG, welche Rechte ihr auf Grund des Vertrags von 1940 zustünden.62
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, die Staatsregierung müsse es ablehnen, sich von dem Aufsichtsrat der BAWAG unter Druck setzen zu lassen. Von der Rechtsgültigkeit des Vertrags von 1940 ganz abgesehen, werde jede Genehmigung zum Ausbau von Flüssen unter dem Vorbehalt der wasserpolizeilichen Erlaubnis gegeben. Die BAWAG könne sich nicht einfach über den bayerischen Staat hinwegsetzen, zumal ja Art. 141 der Bayer. Verfassung bestimme, daß die Denkmäler der Natur sowie die Landschaft öffentlichen Schutz und Pflege des Staates genössen.63
Staatssekretär Dr. Haas fügt hinzu, im Generalplan für den Ausbau des Lechs vom Jahre 1941 sei eine Erhöhung des Aufstaues über 23 Meter gar nicht vorgesehen. Die Staatsregierung komme der BAWAG also entgegen, wenn sie als Bedingung festsetze, daß der geplante Aufstau lediglich 2–3 Meter gesenkt werden müsse.
Der Ministerrat nimmt die Mitteilung des Herrn Staatsministers des Innern zur Kenntnis.64
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, der Bayer. Luftsportverband Bayern e.V.65 bitte um einen Ehrenpreis für den diesjährigen bayerischen Segelflugmeister. Er bitte ihm mitzuteilen, ob sich der Verband auch an andere Staatsministerien gewandt habe.
Staatsminister Bezold bejaht diese Frage und bittet, daß der Ehrenpreis von der Staatskanzlei übernommen wird.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, bei dieser Gelegenheit möchte er darauf aufmerksam machen, daß gegen den Präsidenten des Luftsportverbandes, Dr. Primbs, nach wie vor ein Haftbefehl der österreichischen Behörden bestehe, der sich darauf stütze, daß Dr. Primbs als stellv. Gauleiter von Tirol in der nationalsozialistischen Zeit politische Gefangene mißhandelt habe.66
Er bitte dringend, daß die Staatsministerien, die mit dem Luftsportverband zu tun hätten, die Verbindung mit Dr. Primbs nach Möglichkeit lösten.
Staatssekretär Weishäupl erklärt, Dr. Primbs versuche sich zu rehabilitieren, nachdem beim Flugtag 1955 sowohl Herr Oberbürgermeister Wimmer wie Herr Stadtrat Bößl die Teilnahme an der Veranstaltung im Hinblick auf seine politische Belastung abgelehnt hätten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt nochmals möglichste Zurückhaltung.
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Staatsminister Rucker habe ihm geschrieben, daß er einen dreiwöchigen Erholungsurlaub in Montreux verbringen werde, seine Amtsgeschäfte aber von dort aus weiterführen wolle.
Nach der Bayer. Verfassung sei der Staatssekretär im Falle der Verhinderung des Staatsministers dessen Stellvertreter mit eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.67 Wenn der Ministerrat damit einverstanden sei, werde er deshalb Herrn Staatsminister Rucker antworten, die Leitung des Ministeriums von der Schweiz aus sei kaum möglich, infolgedessen müsse wohl seine Vertretung durch Herrn Staatssekretär Dr. Meinzolt erfolgen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner dankt für die zahlreiche Beteiligung des Kabinetts bei der Einweihung der Matthäuskirche69 in München und beglückwünscht Staatssekretär Dr. Meinzolt zur Verleihung des Ehrendoktors der Theol. Universitat Erlangen.
Bei dieser Gelegenheit habe ihn Herr Landesbischof Dietzfelbinger auf den Kirchenbau in Gangkofen angesprochen, der ja schon im Ministerrat erörtert worden sei.
Staatssekretär Vetter antwortet, es werde noch ein Gutachten der Obersten Baubehörde eingeholt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, der Ministerrat habe diese Angelegenheit bereits geprüft und festgestellt, daß hier ein begünstigender Verwaltungsakt vorliege, der nicht mehr aufgehoben werden könne.
Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt, es werde wohl gelingen, in einer in Aussicht genommenen Sitzung, an der Vertreter des Staatsministeriums des Innern, für Unterricht und Kultus und des Evangelischen Landeskirchenrats teilnähmen, diese Sache in Ordnung zu bringen.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.70
Staatssekretär Dr. Meinzolt berichtet, in Dinkelsbühl habe am vergangenen Sonntag eine Abstimmung der Eltern stattgefunden, an der sich von 1428 Wahlberechtigten 789 (55,3%) beteiligt hätten. Davon hätten sich 308 (29,7%) für die Wiederherstellung des früheren Zustands ausgesprochen, während 479 Eltern (60,7%) der jetzigen Regelung zugestimmt hätten.
Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus werde jetzt auf die Möglichkeiten hinweisen, für das Schuljahr 1955/56 die Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu beantragen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Note des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 24. November 1955, in der die Gründe zusammengefaßt würden, die gegen eine Vorverlegung der Reifeprüfung auf das Frühjahr 1956 oder eine zweimalige Durchführung der Prüfung sprächen.
Im Hinblick auf diese eingehende Stellungnahme des zuständigen Ministeriums werde sich wohl auch der Ministerrat damit einverstanden erklären, daß die Reifeprüfung 1956 wie vorgesehen im Sommer stattfinde.
Der Ministerrat erklärt seine Zustimmung.
Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf eine Note des Herrn Staatsministers Dr. Baumgartner vom 23. November 1955, in der ausgeführt werde, daß Bayern allein von allen Ländern der Bundesrepublik keinen Lehrstuhl für Agrarwesen und Agrarpolitik besitze.
Er halte diesen Lehrstuhl für Bayern als dem größten Agrarland der Bundesrepublik für besonders wichtig, er empfehle aber zunächst, die Technische Hochschule und deren landwirtschaftliche Fakultät zu hören.
Staatssekretär Dr. Meinzolt sichert zu, das Erforderliche zu veranlassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner macht auf eine Denkschrift des Oberbürgermeisters der Stadt Kempten vom 23. November 1955 aufmerksam, in der die Pläne der Stadt hinsichtlich der künftigen Verwendung eines Teiles der Residenz als Kulturstätte und die Absicht, den ehemaligen Hofgarten als Parkanlage wiederherzustellen, dargelegt würden.73
Staatsminister Zietsch erklärt, das Gespräch mit dem Oberbürgermeister der Stadt Kempten gehe weiter, zunächst müsse die Stadt sich äußern, ob sie die Residenz kaufen oder in Erbpachtrecht übernehmen werde.
Er werde den Ministerrat über den Fortgang der Besprechung unterrichten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, die schon lange geplante Einladung der Hoechster Farbwerke AG zur Besichtigung der Anorgana Gendorf liege jetzt vor für Freitag, den 2. Dezember 1955, 12 Uhr 30.
Es wird festgestellt, daß der Einladung der Herr Ministerpräsident, die Herren Staatsminister Dr. Geislhöringer, Dr. Koch und Bezold, sowie die Herren Staatssekretäre Eilles, Dr. Panholzer, Dr. Meinzolt, Dr. Guthsmuths und Weishäupl Folge leisten werden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, ob die Pressenachricht zutreffe, wonach der Aufsichtsrat der BHS die Abgabe von Grundstücken an die Stadt Rosenheim abgelehnt habe.
Staatssekretär Dr. Panholzer erwidert, ein Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten sei unterwegs, in dem berichtet werde, daß sich der Aufsichtsrat der BHS einstimmig dafür ausgesprochen habe, den Verkauf zunächst zurückzustellen, nachdem bekanntgeworden sei, daß die Stadt vor dem Ablauf von drei Jahren die Grundstücke für den Wohnungsbau gar nicht benötige.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, der Vorstand der BHS habe nachgewiesen, daß seit dem Jahre 1946 zahlreiche Grundstücke für Zwecke des Wohnungsbaues abgegeben worden seien und auch beabsichtigt gewesen sei, der Stadt Rosenheim entgegenzukommen; der Vorstand habe sich nur dagegen gewehrt, daß die Wünsche der Stadt mit den Interessen der Firma Wallner gekoppelt würden. Dazu kämen noch die Fragen der Ortsplanung, die noch nicht geklärt seien.
Im übrigen habe er schon früher darauf aufmerksam gemacht, daß das Ergebnis von Bohrungen in Unterfranken abgewartet werden müsse. Bis dahin sei es der BHS unmöglich, sich von weiteren Grundstücken zu trennen.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis
Staatsminister Zietsch kommt dann auf die Umbesetzung der Aufsichtsräte zu sprechen und erklärt, leider habe Herr Staatssekretär Dr. Haas nicht wie vorgeschlagen in den Aufsichtsrat der BHS eintreten können, da der frühere Staatssekretär Geiger diesem Aufsichtsrat bis 31. Dezember 1956 angehöre und sein Amt nicht zur Verfügung gestellt habe. Das1 gleiche gelte bei der Rhein-Main-Donau, wo der Bund eine Zweidrittel-Mehrheit besitze und den früheren Staatsminister Dr. Seidel auf sein Kontingent übernehmen wolle. Dagegen sei nichts zu sagen, es gehe aber nun um den Vorsitz; diesen wolle der Bund behalten und mit der Person Dr. Seidels besetzen. Er werde den Bundesverkehrsministerium mitteilen, daß die Bayerische Staatsregierung dies als unfreundlichen Akt betrachten müsse. Die Entscheidung werde erst in der Versammlung fallen, die in Januar oder Februar stattfinden werde. Zumindest müsse Bayern den stellv. Vorsitz erhalten und zwar Herr Staatsminister Bezold.
Dagegen seien bei allen anderen Aufsichtsräten die Verhältnisse geklärt, auch der frühere Staatssekretär Dr. Ringelmann habe alle seine Posten zur Verfügung gestellt.
Auf Frage von Staatsminister Dr. Geislhöringer antwortet Ministerpräsident Dr. Hoegner, nachdem die Ernennung der Regierungspräsidenten durch den Ministerrat erfolge, werde er selbst die Verbindung mit dem Bezirkstagspräsidenten von Niederbayern aufnehmen. Er werde ihn schriftlich ersuchen, zu einer Besprechung zu kommen.
Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert Staatssekretär Dr. Guthsmuths, die Fraktion des BHE habe sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie ihren Vertreter im Ausschuß belassen wolle. Ihr Entschluß werde davon abhängen, wie der Ausschuß, der morgen wieder zusammentrete, hinsichtlich der Fortführung entscheide.
Die Lage sei dadurch erschwert worden, daß der Vorsitzende des Ausschusses, Abg. Dr. Hirsch, in einer öffentlichen Versammlung über die bisherige Tätigkeit des Ausschusses sprechen wolle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß es höchst unglücklich sei, wenn der Vorsitzende eines solchen Ausschusses vor dem Abschluß der Untersuchung öffentlich Stellung nehme. Er werde über diese Sache mit Herrn Abg. von Knoeringen sprechen.77
Staatsminister Bezold macht darauf aufmerksam, daß sich die Presse über die Vertraulichkeit der Kabinettssitzungen beklage und anrege, außer dem allgemeinen Protokoll vertrauenswürdigen Vertretern der Zeitungen auch Einzelheiten über die Sitzung bekanntzugeben.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt mit Zustimmung des Ministerrats, daß die Sitzungen vertraulich seien und Ausnahmen nicht zugestanden werden könnten.
In diesem Zusammenhang gibt Ministerpräsident Dr. Hoegner bekannt, daß die nächste Pressekonferenz am Freitag, den 9. Dezember 1955, vormittags 10 Uhr 30, stattfinden werde.
Staatsminister Bezold berichtet, bei einem Besuch in Würzburg sei ihm der Wunsch vorgetragen worden, daß die Schifferschule in Würzburg, die einzige Fachschule dieser Art in Bayern, in irgendeiner Form vom Bayerischen Staat übernommen werde. Er ersuche das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zu prüfen, ob eine Möglichkeit dazu bestehe.
Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt sich bereit, die Sache zu untersuchen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer nimmt Bezug auf die Anfrage des Herrn Staatsministers Stain im letzten Ministerrat und erklärt, das Staatsministerium des Innern habe keine Bedenken, wenn die Lagerinsassen von Föhrenwald in Wohnblöcken neben den Wohnungen der Bereitschaftspolizei untergebracht würden. Es treffe auch nicht zu, daß früher eine Entschließung des Staatsministeriums des Innern ergangen sei, die das Nebeneinander verbiete. Es sei vielmehr lediglich erklärt worden, in die Wohnblöcke sollten nur Angehörige der Bereitschaftspolizei hineinkommen; das Innenministerium habe also keine Bedenken gegen die Belegung mit den Juden aus dem Lager Föhrenwald.
Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.79
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt zu einer Nachricht in der Korrespondenz „Hintergrund“ fest, es sei völlig unwahr, wenn behauptet werde, er habe auf dem Parteitag der SPD den Abg. Reitzner veranlaßt, über die Zukunft des BHE zu sprechen. Er selbst sei über die Ausführungen Reitzners genau wie alle anderen Teilnehmer an dem Parteitag überrascht gewesen und habe sich sofort dagegen gewandt.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths teilt in diesem Zusammenhang mit, über ihn werde behauptet, es sei ihm der Posten eines Staatssekretärs in Bundesministerium für Atomfragen angeboten worden; auch diese Mitteilung entbehre jeder Grundlage.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt noch, auch die Nachricht, daß auf seine Veranlassung am Volkstrauertag eine Kranzschleife mit der Aufschrift „Waffen SS“ entfernt worden sei, sei unrichtig. Herr Oberbürgermeister Wimmer habe ihn von dieser Schleife verständigt, worauf er empfohlen habe, den Vorfall stillschweigend zu übergehen. Unmittelbar danach habe ihm der Oberbürgermeister dann mitgeteilt, die Schleife sei schon vorher von der Polizei entfernt worden.
Staatssekretär Dr. Haas erklärt, bei der Verwendung des Oberregierungsrats Dr. Deuerlein seien neuerdings Schwierigkeiten eingetreten. Er bitte deshalb den Herrn Staatsminister des Innern, formell die Zustimmung zu erteilen, daß Dr. Deuerlein bei der Regierung von Oberbayern beschäftigt werde, zu der er abgeordnet sei.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, daß das Staatsministerium des Innern der Abordnung des Oberregierungsrats Dr. Deuerlein zur Regierung von Oberbayern zustimmt.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, er habe ein Schreiben der Europa-Union München, unterzeichnet von Herrn Staatsminister Stain erhalten, in dem um einen Zuschuß für die Arbeiten der Europa-Union gebeten werde. Er frage nun, ob auch dem Herrn Ministerpräsidenten und den Herren Staatsministern ein solches Schreiben zugegangen sei.
Die Frage wird verneint, worauf Ministerpräsident Dr. Hoegner feststellt, daß die Europa-Union wahrscheinlich auf einen Zuschuß aus dem beim Staatsministerium des Innern bestehenden Fonds zur Förderung demokratischer Bestrebungen rechne.
a) Mitgliederversammlung des Deutschen Kanal- und Schiffahrtsvereins Rhein-Main-Donau e.V. Nürnberg am 16. Dezember 1955
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt eine Einladung des 1. Vorsitzenden dieses Vereins, Oberbürgermeister Dr. Kolb (Frankfurt/Main) zu dieser Veranstaltung bekannt.
Es wird vereinbart, daß an der Veranstaltung die Herren Staatsminister Dr. Geislhöringer und Zietsch teilnehmen.
b) Feier der Südostdeutschen Landsmannschaften am 5. Dezember 1955 in München81
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, einem Wunsche des Südostdeutschen Kulturwerks82 folgend habe er die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung übernommen, sein persönliches Erscheinen allerdings nicht zugesagt. Er bitte nun um Äußerung, wer von den Herren Kabinettsmitgliedern bei dieser Veranstaltung sprechen könne.
Staatssekretär Weishäupl antwortet, wahrscheinlich werde Herr Staatsminister Stain die Staatsregierung vertreten, er werde sich mit ihm noch in Verbindung setzen.