Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei)
Kultusminister Rucker.
I. Verlegung der Regierung von Niederbayern von Regensburg nach Landshut. II. Bayerische staatliche Kommission zur friedlichen Nutzung der Atomkräfte. III. Ausbau des oberen Lechs bei Schongau. IV. Entwurf eines Fünften Gesetzes über Zins- und Tilgungszuschüsse des Bayerischen Staates. V. Entschließung der Bayerischen Staatsregierung über Dienstbesprechungen. VI. Reifeprüfung 1956. VII. Kaolinvorkommen in der Oberpfalz. VIII. Zuschuß für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 1956 in Frankfurt am Main. IX. Internationale Polizeiausstellung 1956 in Essen. X. Deutscher Juristentag 1957. XI. Verwaltungsrat der Deutschen Pfandbriefanstalt in Wiesbaden. XII. Lager Föhrenwald. XIII. Industrie-Gemeinschafts-Siedlung Geretsried. XIV. Veräußerung eines Grundstücks der Saline Rosenheim durch die BHS. XV. Rückerwerbung von Kunstgegenständen aus dem Prinz-Carl-Palais. XVI. Weiterverwendung des Staatsbeauftragten für Grenzlandfragen, Dipl. Kaufmann Heinrich Emmert. XVII. Versammlung der Deutschen Reichspartei in Bamberg. XVIII. Landesamt für Wasserversorgung und Landesstelle für Gewässerkunde. XIX. Mitwirkung der Bezirkstage bei der Ernennung von Regierungspräsidenten. XX. Zuschuß des Oberbürgermeisters von Nürnberg an die Ferien-Aktion der KPD. XXI. Besichtigung der Anorgana Gendorf. XXII. Tagung des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner begrüßt Herrn Staatssekretär Dr. Haas nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten und bittet ihn, dem Ministerrat gelegentlich über seine Reiseeindrücke zu berichten.
Staatssekretär Dr. Haas erklärt sich dazu bereit.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, welche Stellungnahme die Fraktionen zu der von der Staatsregierung vorgeschlagenen Verlegung der Regierung von Niederbayern nach Landshut einnähmen und stellt fest, daß es sich hier um eine Rechtsfrage handle. In der SPD-Fraktion habe er nachdrücklich darauf hingewiesen, daß das Recht auf dem Spiele stehe und damit erreicht, daß sich die Fraktion einstimmig für die Verlegung nach Landshut ausgesprochen habe.2
Staatsminister Dr. Baumgartner fügt hinzu, die Fraktion der Bayernpartei habe einstimmig den gleichen Beschluß gefaßt.
Staatssekretär Dr. Haas bemerkt, nach Auffassung der Fraktion der FDP handle es sich in erster Linie um eine politische, nicht um eine Rechtsfrage. Die Mehrheit der Fraktion werde sich wohl der Stimme enthalten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet mit Nachdruck, die Frage der Verlegung sei ausschließlich rechtlicher Natur, er mache auf das Gesetz vom Jahre 1948 aufmerksam, wonach die Regierung in Niederbayern errichtet sei. Außerdem würde die Verweigerung der Verlegung im Widerspruch mit der Bayer. Verfassung stehen. In der SPD-Fraktion habe er gestern erklärt, er sei bereit, notfalls den Verfassungsgerichtshof anzurufen, wenn er sich nicht durchsetzen; könne. Nach Art. 78 Abs. 2 der Bayer. Verfassung sei die Staatsregierung verpflichtet, Ausgaben, „die zur Deckung der Kosten bestehender bereits bewilligter Einrichtungen und zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen des Staates erforderlich sind“, in den Haushaltsplan einzustellen; der Landtag wiederum sei verpflichtet, diese Ausgaben zu bewilligen.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths führt aus, er habe sich bemüht, die Fraktion des BHE mit diesen Gründen zu überzeugen. Mit großer Mehrheit sei aber beschlossen worden, dem Antrag zuzustimmen, der den Vollzug des Gesetzes von 1948 aussetzen wolle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, dies sei nicht möglich, durch das Gesetz von 1948 sei die Regierung, wie schon erwähnt, errichtet.
Staatsminister Dr. Geislhöringer bemerkt, wenn die Regierung in Landshut nicht errichtet werde, müsse etwas für die Regierung in Regensburg geschehen. Dies habe aber keinen Sinn, zumal die Mehrkosten für Landshut sich lediglich auf 187 000 DM beliefen, ein Betrag, der wahrhaftig zu gering sei, um deswegen die Bayer. Verfassung zu brechen. Er mache auch darauf aufmerksam, daß in Niederbayern große Erregung entstehen werde, wenn man die Regierung nicht verlege, vor allem im Hinblick darauf, daß die Regierung in Bayreuth bereits seit Jahren errichtet sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner wiederholt, daß er notfalls den Verfassungsgerichtshof anrufen werde, Recht müsse Recht bleiben, auch wenn dies mit Ausgaben verbunden sei. Das Ansehen der Regierung stehe auf dem Spiel, im übrigen auch eine Koalitionsvereinbarung, an der unter allen Umständen festgehalten werde.
Sein ganzes Leben sei er für Recht und Gerechtigkeit eingetreten, er werde von diesem Grundsatz auch im vorliegenden Falle nicht abweichen.
Staatsminister Dr. Koch fügt hinzu, der Rechtsstandpunkt sei schon früher im Ministerrat allgemein anerkannt worden.
Auch Staatssekretär Dr. Meinzolt meint, die Rechtslage sei durch die Verfassung gegeben, das allein müsse ausschlaggebend sein.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich dann nach der Auffassung der Kabinettsmitglieder.
Staatssekretär Simmel erklärt, er habe sich schon im Ministerrat für die Verlegung ausgesprochen und zwar im Hinblick auf die Koalitionsvereinbarung. In dieser Vereinbarung sei aber nur von „selbständigen Quellen“ für die Finanzierung die Rede gewesen, man habe dabei an die Verwendung von Überschüssen der Bayer. Staatsbank gedacht.
Ministerpräsident Dr. Hoegner antwortet, diese Finanzierungsmöglichkeit sei nur erwähnt worden, es komme nur darauf an, überhaupt über die erforderlichen Mittel zu verfügen, was im Hinblick auf die erhebliche Besserung der Steuereinnahmen durchaus möglich sei.
Staatssekretär Dr. Haas betont, bei der Koalitionsvereinbarung sei man davon ausgegangen, daß durch Einsparungen Mittel frei werden könnten, diese Voraussetzung sei aber nicht eingetreten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner räumt ein, daß die Entscheidung nicht leicht falle; die in der Koalitionsvereinbarung erwähnten Mittel seien aber vorhanden, die Verwendung von Überschüssen der Staatsbank sei nicht Bedingung gewesen, es habe sich vielmehr ganz allgemein um die Aufbringung der notwendigen Mittel gehandelt. Er bitte nochmals dringend, diese Angelegenheit, in der das Recht auf dem Spiele stehe, ernstzunehmen.3
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß nun auch die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) gebeten habe, einen von ihr zu benennenden Vertreter in die Kommission zu berufen.
Nach Kurzer Aussprache wird beschlossen, der Berufung eines Vertreters der DAG zuzustimmen.
Staatssekretär Dr. Meinzolt gibt zu überlegen, ob man nicht einen inneren und äußeren Kreis der Kommission bilden solle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und meint, man könnte eine wissenschaftliche Unterkommission bilden, dazu weitere für Arbeitsschutz, Gewerbeschutz usw. und für die Anwendung der Isotopen.
Staatsminister Bezold teilt mit, dem Vernehmen nach habe Bundesminister Strauß geäußert, er sei jetzt Atomminister und es sei Sache der Länder, sich mit ihm in Verbindung zu setzen; angeblich habe dies Baden-Württemberg bereits mit Erfolg getan.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß Bayern auf die Zusammenarbeit mit dem Bund angewiesen sei, der die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Schutzes vor den Gefahren der Atomzertrümmerung,5 die Verbindung mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien usw. habe. Er halte es für richtig, über die Staatskanzlei an Bundesminister Strauß heranzutreten, nachdem es eine Verpflichtung der Staatsregierung sei, dafür zu sorgen, daß Bayern bei der Verteilung von Bundesmitteln nicht benachteiligt werde.
Staatssekretär Dr. Meinzolt empfiehlt in diesem Zusammenhang, möglichst bald die Bayerische Kommission in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten zu lassen. Mit Bundesminister Strauß zu verhandeln, sei schon deshalb notwendig, weil dieser bereits Gespräche mit einigen der bayerischen Kommission angehörenden Gelehrten führe. Es müsse verhindert werden, daß Bayern vor vollendete Tatsachen gestellt werde.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, über die Staatskanzlei zur ersten Sitzung der Atom-Kommission für Anfang Dezember einladen zu lassen. Über den Bayer. Bevollmächtigten in Bonn werde er außerdem eine Besprechung mit Bundesminister Strauß herbeiführen.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths berichtet, Bundesminister Strauß sei über die bayerischen Pläne bereits im Bilde.
Was die erste Sitzung der bayerischen Kommission betreffe, so habe er nach Rücksprache mit dem Herrn Ministerpräsidenten versucht, Professor Dr. Maier-Leibnitz, der aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt sei, zu erreichen; dieser werde aber wahrscheinlich erst Ende der Woche wieder zurückkehren. Am kommenden Freitag finde eine Unterredung mit dem britischen Generalkonsul in München und weiteren britischen Herren statt, an der auch Professor Dr. Heisenberg teilnehmen werde. Wenn der Bericht von Professor Dr. Maier-Leibnitz vorliege und das Ergebnis der Aussprache mit den Engländern bekannt sei, könne man vielleicht an Bundesminister Strauß herantreten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden und bittet vorläufig vorzumerken, daß die erste Sitzung der Kommission Anfang Dezember stattfinden werde. In dieser Sitzung werde zunächst Professor Dr. Maier-Leibnitz sprechen, dann müßten Organisationsfragen, z.B. die Unterteilung in Kommissionen, behandelt werden.6
In diesem Zusammenhang gibt Ministerpräsident Dr. Hoegner ein Schreiben des Herrn Staatsministers Zietsch vom 10. November 1955 bekannt, in dem es heiße, Bundesminister Strauß beabsichtige, im Bundesministerium für Atomfragen einen Beirat zu bilden, dem etwa 50 Vertreter der Bundesministerien, der beteiligten Länder, der Industrie und Wissenschaft angehören sollten. Der Herr Finanzminister rege an, die Berufung von Vertretern bayerischer Staatsministerien, vor allem des Finanz- und Wirtschaftsministeriums, vorzuschlagen.
S.E. müsse dazu auch ein Vertreter des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus kommen. Nähere Einzelheiten seien noch nicht bekannt, er selbst spreche sich aber dafür aus, daß sich Bayern an dem Beirat beteilige; weitere Nachrichten blieben noch abzuwarten.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt zum Abschluß noch mit, der ASTA der Universität München habe gegen die Errichtung eines Atom-Meilers auf dem Sportgelände der Universität protestiert.7
Er werde das Schreiben Herrn Staatssekretär Dr. Meinzolt zuleiten und bitte ihn, dem ASTA zu antworten.8
Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt sich dazu bereit.9
Staatsminister Dr. Geislhöringer führt aus, der Lech sei die wichtigste Kraftreserve, die in Bayern zur Verfügung stehe. Infolgedessen sei der Ausbau des Lechs durch die BAWAG für die bayerische Energieversorgung und damit die ganze bayerische Wirtschaft von größter Bedeutung. Die vorhandenen Wasserkräfte müßten im Hinblick auf die steigenden Anforderungen der Wirtschaft so rasch wie möglich ausgebaut werden, am Lech insbesondere die Stufe 6, weil sonst der Roßhauptener Speicher nicht entsprechend ausgenützt werden könne. Die Notwendigkeit des Ausbaues der Stufe 6 werde wohl vom Ministerrat, der sich von den Verhältnissen an Ort und Stelle bei der Besichtigung im September überzeugt habe, ohne weiteres anerkannt werden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, es sei wohl übertrieben, wenn die Vertreter der BAWAG behaupteten, der Roßhauptener Speicher habe ohne die Stufe 6 überhaupt keinen Wert.
Staatsminister Dr. Geislhöringer fährt fort, die zweite Frage sei der Höchststau der Kraftstufe 6. Hier spreche das Gutachten der Obersten Baubehörde vom 31. Oktober 1955 davon, daß diese Stufe mit einem gegenüber dem Projekt der BAWAG um etwa 3 Meter verminderten Höchststau errichtet werden solle.11 Er empfehle, diese Frage heute überhaupt nicht zu entscheiden, sondern sie dem wasserrechtlichen Verfahren vorzubehalten. Was die weiteren Einzelheiten der Ausbaupläne der BAWAG betreffe, so verweise er auf das Gutachten.12
Staatsminister Zietsch ersucht, das Gutachten als ganzes zu betrachten. Darin werde z.B. die Frage offen gelassen, ob die Stufe 6 oder die Stufen 4 und 5 gebaut werden sollten. Hier müsse man s.E. dem Naturschutz und seinen Forderungen nachgeben, die darauf hinausliefen, die Stufe 6 nicht zu errichten.
Außerdem verweise er besonders auf Seite 5 des Gutachtens (zu 2), wo es heiße, daß die baldige Errichtung des Endspeichers der Kraftwerkstreppe Schongau-Augsburg bei Mering (Stufe 23) aus wasserwirtschaftlichen und landeskulturellen Gründen erfolgen müsse, womit gleichzeitig Interessen des Landschafts- und Heimatschutzes gefördert werden könnten. Die BAWAG habe bisher noch nicht erklärt, daß sie dazu bereit sei, man solle deshalb die Gelegenheit benützen, ihr zu erklären, die Staatsregierung lege Wert darauf, daß der gesamte Lech, soweit die BAWAG zuständig sei, ausgebaut werde.
Der Errichtung des Endspeichers scheine ihm größte Bedeutung zuzukommen, hier müsse angefangen werden, weil auf diese Weise die Landschaft vor der Versteppung gerettet werde.13 Wenn die BAWAG eine solche Erklärung nicht abgebe, sei es vielleicht richtig, die Zustimmung nur mit der Bedingung zu erteilen, daß Stufe 23 ausgebaut werde.
Staatsminister Bezold spricht dann über die Bedürfnisse der bayerischen Wirtschaft und betont, daß eine ganz wesentliche Rolle die Beschaffung von Energie spiele, und hier wieder der Umstand, daß der elektrische Strom zumindest nicht teuerer werden dürfe als bisher. Heute schon klage die bayerische Wirtschaft über einen Strompreis, der höher liege als in den anderen Ländern.
Man könne freilich sagen, es sei billiger, elektrischen Strom anderswo zu kaufen, als in Bayern selbst zu erzeugen. Dies würde sich zum Nutzen der Landschaft auswirken, er erinnere aber daran, daß solche Pläne bisher Landtag und Regierung stets abgelehnt und immer die Auffassung vertreten hätten, die bayerischen Wasserkräfte müßten ausgenützt werden und Bayern müßte unabhängig von der Stromeinfuhr aus anderen Ländern werden.
Dazu komme, daß der Strukturwandel unserer Wirtschaft, besonders die Petro-Chemie, dazu zwingen werde, größere Mengen von Elektrizität in die Berechnungen einzustellen. Schon jetzt träten die ersten Stromausfälle auf, jedenfalls sei Bayern in der Energieversorgung nicht allzu günstig daran und die Regierung müsse sich ständig bemühen, die Stromversorgung billiger und ausreichend zu gestalten. Eine wesentliche Rolle dabei spiele der Roßhauptener Speicher, der soweit nur irgend möglich ausgenützt werden müsse. Dies könne aber nur durch den Ausbau von weiteren Stauwerken geschehen.
Vertreter der BAWAG hätten sich von ihrem Standpunkt aus zu Recht für die Interessen ihres Unternehmens eingesetzt. Das gleiche habe der Naturschutz getan, der im übrigen auch auf die öffentliche Meinung eingewirkt habe. Die Erhaltung der Naturschönheit spiele mit Recht eine große Rolle, man dürfe darüber aber den Bedarf der Wirtschaft nicht aus dem Auge verlieren, vor allem im Hinblick darauf, daß der Energiebedarf ständig zunehmen werde. Neue Wirtschaftsbetriebe könne man in Bayern nur ansiedeln, wenn der Strompreis nicht höher als in anderen Ländern sei.
Tatsache sei doch wohl, daß der Ausbau der Stufe 6 billigen Strom schaffe, der anderswo nicht so günstig gewonnen werden könne.
Er verweise dabei auch auf die Haindl’sche Papierfabrik in Schongau, eine der größten Papierfabriken in ganz Süddeutschland, die zahlreiche Arbeitnehmer beschäftige und auf reiche Wasserzufuhr unbedingt angewiesen sei. Ohne den Ausbau der Stufe 6 werde diese Fabrik nicht weiter arbeiten können, Arbeiter entlassen müssen usw. Die Überlegungen des Ministerrats müßten s.E. darauf gerichtet werden, daß Arbeitsplätze unter allen Umständen erhalten oder besser neu geschaffen würden.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, schon im Hinblick auf die anderen Aktionäre der BAWAG, die VIAG und das RWE, müsse heute eine Entscheidung getroffen werden. Nach den von der BAWAG im Jahre 1950 aufgestellten Ausbauplänen sei die Stufe 6 der wertvollste Teil im gesamten Ausbau des Lechs, dazu noch mit 3,5 bis 3,6 Pfg. pro Kilowattstunde der billigste. Ohne die Stufe 6 werde die BAWAG auf ein totes Geleise geschoben werden; allerdings räume er ein, daß im Laufe der Zeit auch der Endspeicher bei Mering gebaut werden müsse.
Was die Firma Haindl betreffe, so habe dieses Unternehmen sehr alte und unwiderrufliche Wasserrechte, die unter allen Umständen beachtet werden müßten. Die Firma sei bereit, auf alle weiteren Rechte zu verziehten, wenn nur die Stufe 6 gebaut werde. Sie müsse aber endgültig wissen, wie sie daran sei.
Was die Bedenken des Naturschutzes betreffe, so stehe doch fest, daß z.B. der Roßhauptener Speicher sich in die Landschaft außerordentlich schön einfüge.
Schließlich weise er noch darauf hin, daß durch den Vertrag vom 26. Januar 1940 zwischen dem Staatsministerium des Innern und der BAWAG dieser die Ausnützung der Wasserkräfte des Lechs zwischen Füssen und Augsburg übertragen worden sei,14 worauf dann im Jahre 1941 das damalige Innenministerium den Generalplan für den Ausbau fertiggestellt habe. Abgesehen von der Rechtsfrage spiele auch die Finanzierungsfrage eine Rolle, die nur zu lösen sei, wenn der Ministerrat seine Entscheidung treffe. Das Interesse des Bayerischen Staates als Aktionär der BAWAG steht auf dem Spiel, nicht das der VIAG. Jährlich müßten 1½–2 Milliarden Kilowattstunden eingeführt werden, der Ausbau der bayerischen Wasserkräfte müsse deshalb rasch erfolgen.
Die Frage des Höchststaues könne – wie er schon erwähnt habe – dem wasserrechtlichen Verfahren überlassen bleiben, ebenso die Entscheidung hinsichtlich der Stufe 5; heute handle es sich nur um die Stufe 6.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, über die Notwendigkeit, die Wasserkräfte auszubauen, bestehe kein Zweifel, beim Lech sei nur die Frage gewesen, ob Stufe 5 oder Stufe 6 der Vorzug gegeben werden solle. Persönlich halte er die Stufe 5 für erhaltungswürdiger als Stufe 6, er glaube, diesen Eindruck habe auch der Ministerrat bei der Besichtigung gewonnen. Für den Ausbau der Stufe 6 spreche sich auch die Oberste Baubehörde in der Begründung zu ihren Ausbauplänen mit guten Gründen aus, abgesehen davon, daß die Papierfabrik Haindl nicht übergangen werden könne.
Die Oberste Baubehörde habe die Verhältnisse sorgfältig geprüft und ihre Bedingungen auf Seite 2 des Gutachtens unter Ziff. IV niedergelegt. U.a. verlange sie einen „etwa 3 Meter verminderten Höchststau“; er schlage hier jedoch vor, das Wort „etwa“ zu streichen. Größte Bedeutung käme auch der Bedingung unter IV Ziff. 2 zu, in der die Errichtung des Endspeichers bei Mering nach Möglichkeit gleichzeitig mit Kraftstufe 6 gefordert werde.
Auch die weiteren Bedingungen habe der Ministerrat bereits als richtig anerkannt.
Staatsminister Zietsch erklärt, auch er stütze sich auf das Gutachten der Obersten Baubehörde und verweise hier besonders auf die Begründung auf Seite 3, in der es heiße, „zur energiewirtschaftlich optimalen Ausnutzung der Lechwasserkräfte kann auf die Errichtung eines Zwischenspeichers in der Flußstrecke Rosshaupten-Schongau … nicht verzichtet werden ... Dieser Zwischenspeicher könnte in die Kraftstufe 4, 5 oder 6 gelegt werden.“ Gleichzeitig verlange aber die Oberste Baubehörde, wie schon gesagt, daß auch der Endspeicher errichtet werden müsse. Er sei der Auffassung, daß der Beschluß des Ministerrats alle Bedingungen enthalten müsse, die die Oberste Baubehörde stelle. Er glaube, daß man heute schon mit berücksichtigen müsse, was in sechs oder zehn Jahren geschehen werde, wenn man sich erinnere, welchen Schaden in den vergangenen Jahrzehnten eine verfehlte Wasserwirtschaft angerichtet habe.
Sehr beachtlich sei auch die Begründung der Obersten Baubehörde auf Seite 5 zu Ziff. III, auf die er besonders aufmerksam machen wolle.15
Was schließlich die Entscheidung über den Bau der Kraftstufe 4, 5 oder 6 betreffe, so gebe er persönlich dem Ausbau der Stufe 4 den Vorzug gegenüber Stufe 6.
Staatssekretär Simmel unterstreicht die Bedeutung, die der Konkurrenzfähigkeit der bayerischen Industrie zukomme und beanstandet, daß vielfach der elektrische Strom zu teuer sei. Er spreche sich für den Ausbau der Stufe 6 aus, die das Landschaftsbild am wenigsten beeinträchtige.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert an Art. 152 Satz 2 der Bayer. Verfassung, der wie folgt lautet:
„Ihm (dem Staat) obliegt die Sicherstellung der Versorgung des Landes mit elektrischer Kraft.“16
Diese Verfassungsbestimmung stelle eine Verpflichtung der Staatsregierung dar.
Staatsminister Dr. Koch meint, der Beschluß der Staatsregierung müsse im Rahmen des Rechts liegen. Wie er erfahren habe, bestehe ein Vertrag zwischen dem bayer. Staat und der BAWAG aus dem Jahre 1940, der der BAWAG das Recht einräume, am Lech zu bauen.17 Dazu käme noch die Berechtigung der Papierfabrik Haindl. Eigentlich hätte wohl die Prüfung dieser Verträge vorangehen müssen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, der Ausbau sei der BAWAG zugestanden worden, die Einzelheiten seien aber wasserpolizeilich zu regeln.
Staatsminister Dr. Koch fährt fort, was den Naturschutz anlange, so höre er, daß gerade das Gebiet der Stufe 6 die Brutstätte zahlreicher Vogelarten sei. Es werde behauptet, daß dieses Vogelparadies durch den Ausbau zerstört werde. Die Entscheidung falle sicher schwer, ausschlaggebend sei aber wohl, daß schon wegen der Papierfabrik Haindl der Lech ausgebaut werden müsse. Allerdings müsse auch er fordern, daß die BAWAG gegen die Versteppung der Lechlandschaft etwas tue,18 in dieser Richtung gehe auch das Gutachten der Obersten Baubehörde.19
Staatssekretär Dr. Haas stimmt gleichfalls dem Gutachten der Obersten Baubehörde zu und verweist auf die Bedingungen auf Ziff. IV, 1 bis 4. S.E. müsse der Ministerrat in seinen Beschluß diese Bedingungen aufnehmen. Die BAWAG könne auch nicht verlangen (vergl. Ziff. 6 des Gutachtens), daß ihr Zugeständnisse gemacht würden, die über den Generalplan vom Jahre 1941 hinausgingen.20 Rechtliche Bedenken, die Bedingungen der Obersten Baubehörde zu übernehmen, sehe er nicht.
Staatsminister Dr. Geislhöringer, von Staatsminister Dr. Baumgartner unterstützt, wendet ein, was geschehe, wenn der Aufsichtsrat der BAWAG erkläre, unter diesen Bedingungen könne er nicht bauen.
Es müsse nun einmal Kapital beschafft werden, wenn aber der Aufsichtsrat die Bedingungen nicht annehme, werde die Finanzierung scheitern. Die Regierung habe auch keine Möglichkeit, die anderen Aktionäre unter Druck zu setzen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, die Bedingungen der Obersten Baubehörde seien klar und eindeutig und durchaus erfüllbar.
Er halte es auch für ausgeschlossen, der BAWAG den Ausbau bedingungslos zu gestatten.
Staatssekretär Dr. Haas empfiehlt noch, den Vorschlag der Obersten Baubehörde unter Ziff. IV Abs. 1 dahin abzuändern, daß statt der Worte „etwa 3 Meter“ die, Worte „2–3 Meter“ eingesetzt werden. Bei der Besichtigung habe sich gezeigt, daß mit dieser Beschränkung wohl auch auszukommen sei.
Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, diesem Vorschlag zuzustimmen.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird dann mit allen gegen zwei Stimmen folgender Beschluß gefaßt:
Die Bayerische Staatsregierung ist mit dem Ausbau der Kraftstufe 6 oberhalb von Schongau gemäß dem Ausbauplan der Obersten Baubehörde im Bayer. Staatsministerium des Innern unter Ziff. IV auf Seite 2/3 des Gutachtens vom 31. Oktober 1955 unter Ersetzung des Wortes „etwa“ in Ziff. IV Abs. 1 durch die Worte „2–3 Meter“ einverstanden.21
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, dieser vom Staatsministerium der Finanzen mit Note vom 12. November 1955 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern vorgelegte Gesetzentwurf sehe vor, daß auch im Rechnungsjahr 1955 mit verhältnismäßig geringen Haushaltsmitteln in Höhe von 29 Mio DM eine Reihe von besonders wichtigen Baumaßnahmen auf dem Gebiet des nichtstaatlichen Wasserbaues usw. durchgeführt werden können.
Sachliche Bedenken gegen den Entwurf bestünden nicht, in formeller Hinsicht weise aber die Bayer. Staatskanzlei darauf hin, daß der Entwurf zugleich mit der Zuleitung an die Herren Kabinettsmitglieder auch dem Landtag zugeleitet worden sei.
Staatsminister Zietsch stellt fest, daß hier ein Versehen vorgekommen sein müsse.
Der Ministerrat beschließt einstimmig, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen und ihn dem Landtag und dem Senat gleichzeitig zuzuleiten, dem letzteren zur etwaigen gutachtlichen Stellungnahme.23
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, auf Grund einer Anregung des Herrn Regierungspräsidenten Dr. Gebhard (Bayreuth) habe auf Ersuchen des Herrn Ministerpräsidenten Regierungspräsident Dr. Mang den Entwurf einer gemeinsamen Entschließung der bayerischen Staatsministerien ausgearbeitet, der die Einführung von Dienstbesprechungen zum Ziele habe.25 Die Staatsministerien hätten sich mit dem Entwurf im großen und ganzen einverstanden erklärt, mit Ausnahme des Staatsministeriums der Justiz, das es weder für notwendig noch für zweckmäßig halte, regelmäßige Dienstbesprechungen einzuführen.26
Staatsminister Dr. Koch erklärt, er sei nicht der Meinung, daß Verwaltungen ohne gegenseitige Fühlungnahme bestehen sollten, er halte es aber nicht für richtig, eine Einrichtung einzuführen, die regelmäßig tage. Viel besser sei es, wenn die Verwaltungen formlos miteinander in Verbindung träten und ihren Meinungsaustausch pflegten.
Die Herren Staatsminister Dr. Baumgartner und Zietsch, sowie Staatssekretär Dr. Meinzolt stimmen der Auffassung des Herrn Staatsministers der Justiz zu, worauf Ministerpräsident Dr. Hoegner feststellt, daß die Mehrheit sich gegen diese Entschließung ausgesprochen habe und die Angelegenheit damit erledigt sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen der höheren Schulen hätten in einer Eingabe vom 19. Oktober 1955 den Bayer. Landtag gebeten zu beschließen, daß die Reifeprüfung für die jetzige 9. Klasse ausnahmsweise schon Ostern 1956 stattfinde. Zur Begründung werde u.a. erklärt, die Absolventen der vergangenen Jahre hätten ihre Reifeprüfung nach einer Schulausbildung von acht Jahren abgelegt, sodaß der jetzige Jahrgang als einziger ein volles Jahr verliere. Dazu komme noch, daß dieser Jahrgang zum großen Teil überaltert sei, ferner, daß sich Lehrer und Schüler schon auf die Reifeprüfung im Frühjahr 1956 vorbereitet und den ganzen Stoff durchgenommen hätten.
Er wolle natürlich der Entscheidung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus nicht vorgreifen, immerhin sei er der Meinung, daß hier entgegengekommen werden solle, falls dies möglich sei.
Staatssekretär Dr. Meinzolt erwidert, der Kulturpolitische Ausschuß habe die Eingabe dem Kultusministerium „zur Würdigung“ weitergegeben.
Die Begründung der Eingabe stimme im übrigen nicht in allen Punkten, vor allem stehe fest, daß auch der Jahrgang 1955 eine Schulzeit von neun Jahren gehabt habe. Es könne auch nicht anerkannt werden, daß bei dem jetzigen Jahrgang eine besondere Überalterung vorliege. Von den Schülern der 250 Oberklassen in Bayern hätten sich nur 30 der Eingabe angeschlossen, davon allein 23 in München. Auch hier seien die Beschlüsse der Klassen zum Teil mit sehr geringer Mehrheit gefaßt worden.
Gegen den Vorschlag sprächen auch eine Reihe von pädagogischen und schulischen Gründen. Er weise vor allem darauf hin, daß bei einer Vorverlegung des Abiturs die Anforderungen heruntergesetzt werden müßten und gerade die 9. Klasse, die doch für das sog. studium-generale bestimmt sei, nicht verkürzt werden solle. Die Eingabe sei ein Zeichen für die Hast, mit der die Jugend in den Beruf dränge. Er halte es nicht für gut, diesem Drängen nachzugeben.
In der Aussprache setzen sich die Herren Staatssekretäre Dr. Haas und Vetter für eine Abkürzung ein.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt dann vor, das Kultusministerium möge prüfen, ob es möglich sei, für diejenigen Schüler der Oberklassen, die sich freiwillig meldeten, die Reifeprüfung im Frühjahr abzuhalten. Könne in diesem Falle derjenige, der nicht bestehe, die Prüfung im Sommer nachholen?
Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zuzustimmen.
Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt sich bereit, den Vorschlag zu prüfen, meint aber, es würden sich wahrscheinlich alle Schüler für die Reifeprüfung im Frühjahr melden, weil sie ja damit keinerlei Risiko eingingen.27
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß in jüngster Zeit in der nördlichen Oberpfalz neue Kaolinvorkommen aufgefunden worden seien, zum Teil mit einer Mächtigkeit von 75 Metern. Er frage den Herrn Staatsminister Bezold, ob sich das Wirtschaftsministerium schon mit der Angelegenheit befaßt habe.
Staatsminister Bezold erwidert, die Eigentümer bereits betriebener Kaolingruben seien bereits bei ihm gewesen und hätten erklärt, die Vorkommen seien schon lange bekannt. Offenbar befürchteten sie, daß der Staat die neuen Vorkommen übernehmen werde.
Anschließend gibt Staatsminister Bezold eine Stellungnahme seines Ministeriums bekannt, in der u.a. ausgeführt wird, für die Ausbeutung der Vorkommen müsse zunächst ein Träger gefunden werden, da etwa 23 Bohrungen mit einem Kostenaufwand von 100 000 DM notwendig seien. Das Oberbergamt sei eingeschaltet und habe das Bergamt Amberg um ein Gutachten ersucht. Nach Abschluß der Erhebungen werde das Wirtschaftsministerium an den Herrn Ministerpräsidenten berichten. Eine Untersuchung des Geologischen Landesamts habe ergeben, daß das Vorkommen von Bedeutung sei, die Feststellung der Mächtigkeit und der Abbauwürdigkeit könne aber erst durch Bohrungen und sonstige Aufschließungsarbeiten erfolgen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, in dem Gebiet gebe es drei Betriebe, deren Vorräte noch lange nicht erschöpft seien. Die Eigentümer dieser Betriebe hätten kein Interesse daran, neue Vorkommen zu erschließen, während die Bevölkerung natürlich Wert darauf lege, daß die Vorkommen ausgebaut und damit Arbeitsplätze geschaffen würden.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths befürchtet, daß der Absatz nicht gesichert sei.
Abschließend stellt Staatsminister Bezold fest, er werde jedenfalls sorgfältige Prüfungen veranlassen; an einen Staatsbetrieb sei natürlich nicht gedacht, sodaß man die Leute beruhigen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner drückt seine Befriedigung darüber aus, daß die Oberpfalz reich an ungehobenen Bodenschätzen sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat am 8. November 1955 ein Gesuch des Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchentags besprochen habe, das dahin gehe, die Länder der Bundesrepublik für den Kirchentag 1956 um einen Zuschuß von insgesamt 500 000 DM zu bitten.
Staatssekretär Dr. Meinzolt schlägt vor, zunächst mit den übrigen Ländern in Verbindung zu treten, um die Höhe des Zuschusses zu klären.
Ministerpräsident Dr. Hoegner übergibt daraufhin Herrn Staatsminister Dr. Meinzolt die Unterlagen.30
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, vom 1. bis 23. September 1956 finde in Essen die Internationale Polizeiausstellung 1956 statt, deren Hauptträger das Land Nordrhein-Westfalen31 sei. Die übrigen Länder der Bundesrepublik seien gebeten worden, sich an der Ausstellung zu beteiligen. Der Herr Staatsminister des Innern habe auch bereits eine entsprechende Zusage gemacht. Erforderlich sei für die Vorbereitung der Ausstellung ein Betrag von mindestens 10 000 DM. Das Innenministerium bitte, daß diese Summe aus allgemeinen Repräsentationsmitteln des bayerischen Staates, also aus Einzelpl. 13 bereitgestellt werde.
Staatsminister Dr. Geislhöringer unterstreicht die Notwendigkeit, daß sich Bayern an der Ausstellung beteiligt.
Staatsminister Zietsch erklärt, eigentlich habe das Finanzministerium gemeint, das zuständige Fachministerium solle diesen Betrag in seinem Etat unterbringen. Wenn aber heute beschlossen werde, 10 000 DM aus Einzelpl. 13 bereitzustellen, werde natürlich das Staatsministerium der Finanzen das Entsprechende veranlassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt mit Zustimmung des Ministerrats daraufhin fest, daß das Staatsministerium der Finanzen aus Einzelpl. 13 DM 10 000 für die Vorbereitung der Ausstellung zugesagt habe.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, der Präsident der Notarkasse München habe den Herrn Staatsminister der Justiz um Äußerung gebeten, ob der nächste Jahrestag (1957 oder 1958) oder der übernächste im Jahre I960 (Feier des 100jährigen Bestehens des Deutschen Juristentags) in München abgehalten werden solle. Herr Staatsminister Dr. Koch habe angeregt, die Frage im Ministerrat zu erörtern, nachdem auch um eine finanzielle Unterstützung durch die Bayer. Staatsregierung gebeten werde.
Staatsminister Zietsch gibt zu bedenken, daß bisher für Tagungen von Standesvertretungen nie Zuschüsse gegeben worden seien.
Staatsminister Dr. Koch stellt fest, daß auf die Abhaltung des Juristentags 1957 oder 1958 in München kein besonderer Wert gelegt werde, wohl aber darauf, daß die Feier des 100jährigen Bestehens in München abgehalten werde. Wenn sich der Ministerrat dieser Auffassung anschließe, brauche man über die Zuschußfrage vorerst nicht zu sprechen.
Der Ministerrat stimmt dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Koch zu.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, er sei als seinerzeitiger Staatsminister des Innern in den Verwaltungsrat der Deutschen Pfandbriefanstalt in Wiesbaden gekommen und gehöre ihm bis jetzt noch an. Er frage nun Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer, ob dieser bereit sei, an seiner Stelle in den Verwaltungsrat einzutreten oder jemand anderen zu beauftragen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer schlägt als Nachfolger des Herrn Ministerpräsidenten im Verwaltungsrat Herrn Staatssekretär Vetter vor.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, er werde die Pfandbriefanstalt entsprechend verständigen.33
Staatsminister Stain führt aus, die termingebundene Räumung des Lagers Föhrenwald scheine dadurch in Gefahr zu kommen, daß die Landeswohnungsfürsorge unmittelbar neben den für die Lagerinsassen von Föhrenwald bestimmten Wohnblöcken in München Wohnungen für die Bereitschaftspolizei gebaut habe. Angeblich dürften die Bereitschaftspolizisten nicht in enger Verbindung mit den Juden aus Föhrenwald wohnen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er erinnere sich nicht daran, als Innenminister eine solche Weisung unterschrieben zu haben. Er könne auch nicht einsehen, warum Schwierigkeiten entstehen könnten, und bitte deshalb das Innenministerium, die Angelegenheit zu überprüfen.
Wenn das Innenministerium früher eine Meinungsäußerung in dem von Herrn Staatsminister Stain mitgeteilten Sinne abgegeben habe, so könne sie nicht aufrecht erhalten bleiben, falls es Schwierigkeiten mit der Auflösung von Föhrenwald gebe.
Staatssekretär Vetter sichert eine sofortige Prüfung zu.35
Staatsminister Zietsch teilt mit, auf der gestrigen Aufsichtsratssitzung der Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG)37 sei auch die Frage Geretsried besprochen worden. Das Finanzministerium sei der Meinung, daß die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung Geretsried global zu übernehmen und sich dann mit den einzelnen Siedlern auseinanderzusetzen habe; allerdings bestehe noch eine erhebliche Meinungsverschiedenheit hinsichtlich des Kaufpreises, nämlich eine Differenz von etwa 6 Mio DM. Anfang Dezember fänden Verhandlungen statt, an denen Vertreter des Finanzministeriums, der Landesanstalt und der IVG teilnehmen würden.
Die Erhöhung der Mieten werde bleiben, die IVG erkläre mit Recht, man könne heute nicht mehr die gleichen Mietvergünstigungen gewähren wie am Anfang. Das Finanzministerium werde aber der Sache nochmals nachgehen, besonders im Hinblick auf die Beschwerde des Herrn Abg. Dr. Wüllner. Es scheine aber, als ob dessen Angaben nicht ganz zutreffend seien.
Staatsminister Stain wendet ein, zwischen der IVG und der Siedlergemeinschaft bestehe ein schlechtes Verhältnis, das darauf zurückzuführen sei, daß die IVG für das Gelände nicht das geringste getan und die Gemeinde aus ihren Kräften Ordnung geschaffen hätte. Erst dadurch sei das Gelände wertvoll geworden. Jetzt behaupte nun die IVG, dieser Wertzuwachs müsse bei der Miete berücksichtigt werden, sie bestrafe also die Siedler für ihre Investitionen. Auch er habe den Eindruck, daß die IVG den Verkauf mit Absicht hinauszögere.
Staatsminister Zietsch verweist auf den gestrigen Beschluß, das ganze Gelände global zu verkaufen. Er gebe zu, daß die Veräußerung etwas verzögert worden sei, das Problem Geretsried werde aber bis Ende des Jahres bereinigt werden.38
Staatsminister Zietsch teilt mit, die Aufsichtsratssitzung der BHS, auf der auch die Frage der Veräußerung von Grundstücken an die Stadt Rosenheim erörtert werden solle, finde am 23. November 1955, also morgen, statt.40
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt in diesem Zusammenhang, die Gewerkschaften beschwerten sich über veraltete Bestimmungen der BHS hinsichtlich der Arbeitsordnung und ähnlicher Dinge.
Staatsminister Zietsch meint, es sei an sich Sache der Gewerkschaften, Veränderungen durchzusetzen, er sei aber gerne bereit, mit ihnen zu sprechen.41
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf eine Note des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10. November 1955, wonach am 23. November in Köln verschiedene Möbel und Kunstgegenstände versteigert werden, die aus dem Prinz-Carl-Palais stammten und zu Anfang des 19. Jahrhunderts für dieses Palais in Paris und Nymphenburg hergestellt worden seien. Das Kultusministerium bitte dringend, diese letzte Gelegenheit zum Rückerwerb des Mobiliars nicht zu versäumen und deshalb Mittel für den Erwerb aus dem Grundstockvermögen oder auf andere Weise rechtzeitig bereitzustellen. Der erforderliche Betrag werde auf 40–50 000 DM geschätzt.
Staatsminister Zietsch erklärt, er habe dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus geantwortet, das Finanzministerium werde 50 000 DM aus dem Grundstockvermögen bereitstellen können, wenn wirklich die Möglichkeit bestehe, die Möbel um diesen Betrag zu ersteigern. Er glaube aber, daß dieser Betrag kaum ausreichen werde.
Der Ministerrat beschließt, für die Ersteigerung für Möbel und Kunstgegenstände aus dem Prinz-Carl-Palais 50 000 DM aus dem Grundstockvermögen bereitzustellen.
Staatsminister Bezold führt aus, Herr Emmert habe zwei Stellen inne, er sei nämlich in erster Linie Staatskommissar für den sog. 160er Ausschuß; auf Grund eines Landtagsbeschlusses sei er vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr mit einem Anstellungsvertrag nach Gruppe B 6 bestellt. Schon bisher sei der Ausschuß kaum in Erscheinung getreten, während seine Tätigkeit bekanntlich jetzt völlig ruhe. Als nun der frühere Ministerrat beschlossen habe, einen Staatsbeauftragten für Grenzlandfragen zu ernennen, habe der damalige Staatsminister Dr. Seidel diese Aufgabe Emmert dazu übertragen.43 In dem Vertrag heiße es aber ausdrücklich, daß Emmert hiefür keine Vergütung erhalte.
Man könne nun den Vertrag mit ihm als Staatskommissar nicht mehr verlängern, dagegen einen neuen Vertrag mit ihm als Grenzlandbeauftragten, natürlich mit einer niedrigeren Einstufung, abschließen.
Nach längerer Aussprache, in der auch die bisherige Tätigkeit des Herrn Emmert als Grenzlandbeauftragter erörtert wird, schlägt Ministerpräsident Dr. Hoegner vor, das Wirtschaftsministerium möge die weitere Verwendung des Herrn Emmert als Grenzlandbeauftragter eingehend prüfen und feststellen, ob mit ihm ein neuer Vertrag ab 1. April 1956 geschlossen werden kann.
Staatsminister Zietsch fügt hinzu, Herr Emmert solle nicht höher als nach TO A III eingestuft werden.44
Staatsminister Bezold erklärt sich bereit, mit Herrn Emmert zu sprechen und ihm diesen Vorschlag zu machen.
Der Ministerrat stimmt zu und beschließt, auf alle Fälle den bestehenden Vertrag zu kündigen.45
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich unter Bezugnahme auf die Besprechung im Ministerrat vom 15. November 1955, ob die Möglichkeiten, Maßnahmen gegen den Stv. Landesvorsitzenden der DRP, Stadtrat Kosche, zu ergreifen, geprüft worden seien.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erwidert, die Prüfung habe stattgefunden, ein Einschreiten sei aber nicht möglich.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß im Ministerrat vom 16. August 1955 beschlossen worden sei, über das Staatsministerium des Innern prüfen zu lassen, ob die völlige Eingliederung der beiden Landesämter in die Oberste Baubehörde erfolgen könne.
Staatssekretär Vetter erwidert, das Gutachten der Obersten Baubehörde werde heute den Herren Kabinettsmitgliedern zugehen.48
Staatsminister Dr. Geislhöringer berichtet, der Bezirkstagspräsident von Mittelfranken befasse sich in einem Schreiben an das Staatsministerium des Innern mit der Auslegung des Art. 31 Bez. O.49 und behaupte, der Bezirkstag habe nach dieser Bestimmung zwar kein ausschlaggebendes Mitwirkungsrecht, eine Anhörung allein genüge aber nicht. Art. 31 sehe vielmehr über eine Anhörung hinaus eine eingehende Fühlungnahme zwischen Regierung und Bezirkstag und damit ein echtes Gespräch vor. Weiter heiße es, die Bezirkstagspräsidenten würden es begrüßen, wenn die Absicht der Staatsregierung, einen Regierungspräsidenten zu ernennen, dem zuständigen Bezirkstagspräsidenten bekanntgegeben würde, ehe die Presse darüber Mitteilung erhalte.
Diese Forderung bedeute s.E. ein echtes Mitwirkungsrecht, also mehr als das, was die Bezirksordnung vorschreibe. Es werde schwer sein, einen vom Bezirkstag vorgeschlagenen Kandidaten abzulehnen. Was den Fall Schwaben betreffe, so habe er vor der Ernennung des jetzigen Regierungspräsidenten wiederholt mit Vertretern des Bezirkstags aus allen Parteien gesprochen. Den jetzigen Vorschlag könne er aber nicht annehmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt, daß ein Vorschlagsrecht des Bezirkstags in der Bezirksordnung nicht vorgesehen sei, Art. 31 bedeute nur, daß sich die Staatsregierung mit dem Bezirkstag in Verbindung setze und die verschiedenen Kandidaten bespreche. Wenn der Ministerrat dann beschließe, werde dies dem Bezirkstag mitgeteilt; am besten sei es natürlich, wenn man sich vorher einigen könne.
Er bedauere, daß Bezirkstagspräsident Poeschke diese Frage zum Anlaß genommen habe, die Staatsregierung anzugreifen und bitte Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer, sich den Wortlaut dieser Ausführungen kommen zu lassen.
Staatsminister Zietsch schlägt vor, der Herr Ministerpräsident möge bei Gelegenheit die Bezirkstagspräsidenten zu sich kommen lassen und zusammen mit dem Herrn Staatsminister des Innern diese Frage besprechen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, mit Bezirkstagspräsidenten Kaifer sei er zu einem Einvernehmen gekommen. Im übrigen habe er schon in der letzten Ministerratssitzung erklärt, es wäre zweckmäßig, daß in Zukunft Besprechungen wegen der Ernennung von Regierungspräsidenten vom Ministerpräsidenten gemeinsam mit dem Herrn Innenminister geführt würden, da für die Ernennung der Ministerrat zuständig sei.
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, der Landtagsabg. Sackmann werde heute eine Anfrage an das Innenministerium richten, die sich damit befasse, daß der Oberbürgermeister von Nürnberg an die von der KPD organisierte Ferien-Aktion einen Zuschuß von 300 DM gegeben habe.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet die Haltung des Oberbürgermeisters als denkbar ungeschickt. Die Bundesregierung und die Landesregierungen hätten sich bemüht, die Verschickung von Kindern in die Sowjetzone zu verhindern und nun fördere der Oberbürgermeister diese Pläne. Da er den Zuschuß aber aus einem privaten Spendenfonds gegeben habe, könne dienstaufsichtlich wohl nicht eingeschritten werden.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, er werde Oberbürgermeister Bärnreuther zur Stellungnahme auffordern.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths erinnert daran, daß schon seit längerer Zeit geplant sei, auf Einladung der Hoechster Farbwerke AG die Anlagen in Gendorf zu besichtigen; vorgeschlagen werde jetzt der 2. Dezember 1955.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, es stehe noch nicht fest, ob nicht am 2. Dezember 1955 eine Plenarsitzung oder Ausschußsitzungen des Bundesrats stattfänden. Vielleicht sei es doch möglich, mit den Hoechster Farbwerken noch andere Termine, z.B. den 10. Dezember 1955, zu vereinbaren.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths sichert zu, sich nochmals mit Professor Dr. Winnacker in Verbindung zu setzen.52
Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß die Tagung dieses Verbandes am 4. Dezember 1955 in Augsburg stattfinden werde. Er bitte den Herrn Staatsminister des Innern, entweder selbst die Staatsregierung zu vertreten oder Herrn Staatssekretär Vetter zu entsenden.
Staatsminister Dr. Baumgartner sichert zu, er werde die Vertretung übernehmen, da die Bayernpartei am 4. Dezember 1955 in Augsburg tage.
Wahrscheinlich werde Herr Staatsminister Dr. Geislhöringer selbst teilnehmen.