PDF
Nr. 56MinisterratssitzungDienstag, 15. November 1955 Beginn: 8 Uhr Ende: 9 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Kultusminister Rucker, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über die Weihnachtszuwendung 1955 sowie über die Gewährung einer einmaligen Zahlung an die Beamten und Versorgungsempfänger des Bayerischen Staates. II. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindewahlgesetzes und des Landkreiswahlgesetzes. III. Personalangelegenheiten. IV. Finanzierung der Ausgrabungen bei Manching. V. Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München I gegen Janek Engl wegen Verunglimpfung von Staatsorganen u.a.. VI. Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge. VII. Kundgebung des Verbands der Heimkehrer. VIII. Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe. IX. Bayerische Atom-Kommission. X. Ausführungen auf einer Versammlung der Deutschen Reichspartei (DRP). XI. Haus der Bayerischen Vertretung in Bonn.

Zu Beginn der Sitzung beglückwünscht Ministerpräsident Dr. Hoegner im Namen des Kabinetts Herrn Staatsminister Dr. Baumgartner und Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths zum Geburtstag.

I.Entwurf eines Gesetzes über die Weihnachtszuwendung 1955 sowie über die Gewährung einer einmaligen Zahlung an die Beamten und Versorgungsempfänger des Bayerischen Staates1

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, dieser vom Staatsministerium der Finanzen vorgelegte Gesetzentwurf sehe in § 1 vor, daß den Beamten usw. und den Versorgungsempfängern des bayerischen Staates für 1955 Weihnachtszuwendungen gewährt würden.2 Das Gesetz über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen vom 6. Dezember 1952 (GVBl. S. 307)3 gelte mit einer Ausnahme entsprechend. In § 2 werde ferner geregelt, daß den Beamten und Versorgungsempfängern im Vorgriff auf die bevorstehende Besoldungsneuregelung eine weitere einmalige Zahlung gewährt werde.

Das Gesetz werde Mehrausgaben in Höhe von etwa 23,5 Mio DM zur Folge haben.

Staatsminister Zietsch bemerkt, daß diese Mehrausgaben im ordentlichen Haushalt eingeplant seien.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und ihn4 dem Landtag und dem Senat, letzterem zur etwaigen gutachtlichen Stellungnahme, zuzuleiten.5

Gesetz über die Weihnachtszuwendung 1955 sowie über die Gewährung einer einmaligen Zahlung an die Beamten und Versorgungsempfänger des Bayerischen Staates vom 19. Dezember 1955

II.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindewahlgesetzes und des Landkreiswahlgesetzes

Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß die Änderung der Wahlgesetze durch das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Mai 1955 erforderlich geworden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, daß die Wahlordnung für die Gemeinden und Landkreise (GWO) vom 29. Oktober 19546 Rechts- und Verwaltungsvorschriften enthalte, die im Gesetz selbst geregelt werden müßten. Es sei daher notwendig geworden, Bestimmungen der GWO in die Wahlgesetze zu übernehmen.7

Bedenken gegen den Gesetzentwurf bestünden nicht, abgesehen allerdings von § 1 Ziff. 1. Im Koalitionsausschuß sei nämlich darüber gesprochen worden, ob die Ausnahmebestimmung über die Wählbarkeit früherer Minister der NSDAP wegfallen solle oder nicht.8 Das Bayer. Gemeindewahl- und Landkreiswahlgesetz sehe nämlich im Gegensatz zur Bundesregelung vor, daß diesem Personenkreis das passive Wahlrecht bis zum Jahre 1957 abgesprochen werde.

Staatsminister Zietsch und Staatssekretär Vetter sprechen sich dafür aus, diese Ausnahmebestimmung9 bis zum Ablauf der Frist aufrecht zu erhalten.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, § 1 Abs. 1 des Entwurfs zu streichen.

Im übrigen wird beschlossen, den Gesetzentwurf dem Landtag und dem Senat, letzterem zur etwaigen gutachtlichen Äußerung, zuzuleiten,

In diesem Zusammenhang kommt Ministerpräsident Dr. Hoegner auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zu sprechen, das im letzten Ministerrat bereits erörtert worden sei. Bekanntlich habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, daß die Verlängerung der Dienstzeit von Beamten nur dem Landespersonalamt zustehe.10

Staatsminister Zietsch erklärt, ein Entwurf werde vorbereitet und werde in den nächsten Tagen dem Ministerrat zugehen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft dann die Frage auf, wie es sich mit den Verlängerungen der Dienstzeit verhalte, die bisher vom Ministerrat beschlossen worden seien. Das Urteil lege – wie gesagt – ganz klar dar, daß Verlängerungen nur durch das Landespersonalamt ausgesprochen werden dürfen und die Verordnung vom Jahre 1948 infolgedessen nichtig sei.11 Möglicherweise könne nun erklärt werden, Gerichte, bei deren Urteilen Richter mitgewirkt haben, deren Dienstzeit nur durch den Ministerrat verlängert worden sei, seien nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Daraus könnten dann alle möglichen Folgen entstehen.12

Staatsminister Zietsch sichert zu, auch diese Frage nachprüfen zu lassen.

Ministerialrat Dr. Gerner erinnert daran, daß bei einem früheren Anlaß in eine Verordnung der Satz aufgenommen worden sei, daß es bei den bisherigen Organisationsveränderungen sein Bewenden habe.

Der Ministerrat beschließt, diese Angelegenheit in der Kabinettssitzung vom 22. November 1955 zu behandeln, falls der Entwurf des Staatsministeriums der Finanzen bis dahin vorliege.13

Gesetz zur Änderung des Gemeindewahlgesetzes und des Landkreiswahlgesetzes vom 19. Dezember 1955

III.Personalangelegenheiten

Ernennung 1. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, der Bezirkstag von Schwaben habe einstimmig beschlossen, sich mit der Ernennung des Ministerialrats Dr. Fellner zum Regierungspräsidenten von Schwaben einverstanden zu erklären.14

Staatsminister Dr. Baumgartner weist darauf hin, daß seitens der Opposition behauptet werde, die Sachbehandlung in diesem Falle sei unrichtig gewesen.

Staatsminister Dr. Geislhöringer stellt fest, er habe selbst schon Wochen vorher mit dem Bezirksvorsitzenden des Bezirkstags Schwaben gesprochen und ihm den Plan, Ministerialrat Dr. Fellner zu ernennen, mitgeteilt.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, er habe den Bezirkstagspräsidenten, Herrn Landrat Kaifer, nach dem Protest des Bezirkstags kommen lassen und den Fall beigelegt. Der Bezirkstag sei nicht ohne Grund über eine vorzeitige Pressemitteilung, die jedoch der Herr Innenminister nicht zu vertreten habe, erregt gewesen. Im übrigen sei es Sache des Kabinetts, die Regierungspräsidenten zu ernennen. Er werde deshalb künftig selbst die Vorbesprechungen mit den Bezirkstagen führen.15

Der Ministerrat beschließt einstimmig, Ministerialrat Dr. Fellner zum Regierungspräsidenten von Schwaben zu ernennen.

Ernennung

Versorgung ehem. Mitglieder 2. Versorgung der Mitglieder der Staatsregierung; hier: Versorgungsbezüge des Staatsministers a.D. Dr. Rudolf Zorn

Staatsminister Zietsch nimmt Bezug auf seine Note vom 10. November 1955, in der dargelegt werde, daß Versorgungsbezüge auf Grund des Gesetzes Nr. 5216 beim Ausscheiden des Herrn Staatsministers Dr. Zorn aus der Staatsregierung nicht festgesetzt worden seien. Herr Dr. Zorn habe nun die Festsetzung beantragt.

Die Berechnung im einzelnen bitte er aus der angeführten Note zu entnehmen. Er bitte demnach

1. gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zu beschließen, daß die von Herrn Dr. Zorn im öffentlichen Dienst außerhalb der Bayer. Staatsverwaltung als Erster Bürgermeister der Stadt Oppau verbrachte Dienstzeit der im Bayer. Staatsdienst zurückgelegten Dienstzeit gleichgestellt werde und

2. gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zu beschließen, daß das Ruhegehalt für Herrn Dr. Zorn in Höhe von 38 v.H. des Amtsgehalts festzusetzen sei.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, gemäß dem Vorschlag des Herrn Staatsministers der Finanzen zu verfahren.

Staatsminister Zietsch macht darauf aufmerksam, daß die ganze Versorgung des Herrn Dr. Zorn vom Sparkassen- und Giroverband übernommen werde, für die Berechnung der Versorgungsbezüge sei aber ein Beschluß der Staatsregierung erforderlich gewesen.

Versorgung ehem. Mitglieder

IV.Finanzierung der Ausgrabungen bei Manching17

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, bekanntlich habe die amerikanische Luftwaffe für diese Ausgrabungen 70 000 DM zur Verfügung gestellt, sie werde aber die für den Abschluß der Arbeiten noch erforderliche Summe von 16 600 DM nicht übernehmen. Das Landesamt für Denkmalpflege18 bitte deshalb, daß dieser Betrag dem Landesamt überplanmäßig bei Kap. 0578 Tit. 301 zugewiesen und bei Einzelpl. 13 des Staatsministeriums der Finanzen eingespart werde.

Staatssekretär Dr. Panholzer erklärt, das Finanzministerium sei bereit, diese Mittel zur Verfügung zu stellen, er bitte aber, daß das Staatsministerium für Unterricht und Kultus entweder Deckung anbiete oder schriftlich mitteile, ein Deckungsvorschlag könne nicht gemacht werden; das Finanzministerium könne dann wohl diese 16 600 DM aus Einzelpl.13 nehmen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt stellt fest, der Haushaltsansatz betrage 25 000 DM, wovon bereits 15 000 DM für Manching ausgegeben worden seien. Das Landesamt für Denkmalpflege habe deshalb den vom Herrn Ministerpräsidenten erwähnten Vorschlag gemacht.

Nachdem auch Staatsminister Zietsch sein Einverständnis erklärt, wird beschlossen, den Betrag von 16 600 DM überplanmäßig aus Einzelpl. 13 anzuweisen

V.Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München I gegen Janek Engl wegen Verunglimpfung von Staatsorganen u.a.19

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, die Staatsanwaltschaft München I habe gegen den Redakteur des kommunistischen „Bayer. Volks-Echos“ in München, Janek Engl, ein neues Ermittlungsverfahren wegen verschiedener Veröffentlichungen in dieser Zeitung eingeleitet, die u.a. den Tatbestand dreier Vergehen der Verunglimpfung von Staatsorganen in Tatmehrheit bezw. Tateinheit mit je einer Beleidigung bezw. Verleumdung einer im politischen Leben des Volkes stehenden Person erfüllten.20

Im einzelnen brauche er die Tatbestände wohl nicht näher wiederzugeben. Er selbst sei im übrigen der Meinung, daß die Strafverfolgungsermächtigung nicht erteilt und auch kein Strafantrag gestellt werden solle. Alle diese Verfahren könnten ohne weiteres erledigt werden, wenn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der KPD falle.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten einverstanden.21

Verunglimpfung ders./Beleidigungsverfahren

VI.Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge22

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert an den Beschluß des Ministerrats vom 20. September 1955, der folgendermaßen gelautet habe:

„Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr wird ersucht, die vom Bundesministerium für Verkehr gerügten Mängel im bayerischen Vorschlag vom 13. September 1951 abzustellen und dem Ministerrat einen endgültigen Vorschlag zu unterbreiten, der gegenüber dem Bundesverkehrsministerium zu vertreten ist. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr wird ferner beauftragt, die Kosten für ein Kennzeichen nach Schweizer Muster zu ermitteln.“

Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr teilt nun mit, daß in einer Besprechung im Bundesverkehrsministerium der bayerische Vorschlag einmütig abgelehnt worden sei. Das Ministerium empfehle daher, den bisherigen Standpunkt aufzugeben und sich dem Vorschlag des Ausschusses für Wirtschaftsverwaltung anzuschließen.23 Demgegenüber vertrete die Bayer. Staatskanzlei die Auffassung, daß keine Veranlassung bestehe, sich schon jetzt auf die Unterstützung eines anderen als des bayerischen Vorschlags festzulegen. Auch er halte es für zweckmäßig, sich jetzt nicht zu binden, sondern das Verfahren vor dem Bundesrat abzuwarten.

Im Bundesrat könne man dann nochmals den bayerischen Standpunkt vertreten, auch wenn er keine Aussicht auf die Unterstützung durch die Mehrheit habe.

Die Mehrkosten für ein Kennzeichen nach Schweizer Muster beliefen sich auf etwa 0,20 DM je Kennzeichenschild.

Der Ministerrat faßt einstimmig folgenden Beschluß:

Die Bayerische Staatsregierung hält in der Frage der Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge ihren Standpunkt aufrecht und wird diesen im Bundesrat nachdrücklich vertreten.24

KfZ-Kennzeichen

VII.Kundgebung des Verbands der Heimkehrer

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Verband der Heimkehrer führe auch in diesem Jahr am 26./27. November 1955 einen Kriegsgefangenengedenktag durch und zwar heuer unter dem Motto „Tag der Treue“. Der Verband bitte, daß in der Veranstaltung am Sonntag, den 27. November 1955, 10 Uhr 50 im Residenztheater ein Mitglied der Bayerischen Staatsregierung sprechen möge.

Er selbst könne nicht teilnehmen, da am gleichen Tag die Einweihung der Matthäuskirche25 stattfinde. Er bitte übrigens die Herren Minister und Staatssekretäre, möglichst vollzählig an der Einweihungsfeier teilzunehmen.

Es wird festgestellt, daß der größte Teil der Kabinettsmitglieder teilnehmen wird.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Verband der Heimkehrer bitte wie im vergangenen Jahr um einen Zuschuß des Bayerischen Staates zu der Kundgebung. Im vergangenen Jahr sei aus Kap. 1302 Tit. 302 b ein Betrag von 1500 DM zur Verfügung gestellt worden.

Der Ministerrat beschließt, auch 1955 einen Zuschuß in gleicher Höhe aus dem erwähnten Titel zu bewilligen.

Außerdem wird vereinbart, daß bei der Feier im Residenztheater am 27. November 1955 entweder Herr Staatsminister Stain oder Herr Staatssekretär Weishäupl die Bayer. Staatsregierung vertreten soll.

Heimkehrer

VIII.Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe26

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, im Koalitionsausschuß sei der am letzten Sonntag verlesene Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe erörtert und daraufhin beschlossen worden, daß die Staatsregierung, soweit sie dadurch betroffen werde, eine Antwort erteilen solle.27

Er habe das Hirtenwort sorgfältig durchgelesen und festgestellt, daß die Staatsregierung mit keinem Wort erwähnt werde. Offenbar seien von den Bischöfen die im Landtag gehaltenen Ausführungen mißverstanden worden, unter diesen Umständen sei er der Auffassung, daß die Staatsregierung keine Veranlassung habe, Stellung zu nehmen. Im übrigen verweise er auf den in der heutigen Nummer der „Süddeutschen Zeitung“ erschienenen Aufsatz, der sich mit dem Hirtenbrief beschäftige.28

Nachdem also – wie gesagt – die Staatsregierung überhaupt nicht angesprochen werde, könne sie sich nicht äußern. Natürlich sei es Sache derjenigen Koalitionsparteien, deren Abgeordnete im Landtag gesprochen hätten, zu antworten.

Staatsminister Dr. Baumgartner macht darauf aufmerksam, daß in dem Hirtenbrief auch vom „Bayerischen Staat“ die Rede sei, den der Herr Ministerpräsident vertrete.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt daraufhin, er werde den Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe, der ihm im Wortlaut vorliege, abschreiben und den Herren Kabinettsmitgliedern zustellen lassen. Die endgültige Stellungnahme könne dann im nächsten Ministerrat erfolgen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

In diesem Zusammenhang wirft Ministerpräsident Dr. Hoegner die Frage auf, ob das Gutachten des Herrn Professors Dr. Nawiasky, das sich mit der Vereinbarkeit des Entwurfs eines Lehrerbildungsgesetzes mit dem Konkordat befasse, der Nuntiatur in Bad Godesberg übermittelt werden solle.29

Nach kurzer Aussprache wird vereinbart, zunächst eine Antwort der Päpstl. Kurie bezw. der Nuntiatur auf die letzte Note der Bayerischen Staatsregierung abzuwarten.30

IX.Bayerische Atom-Kommission31

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, er habe die Anregung erhalten, das frühere Mitglied des Bayer. Landtags, Herrn Prof. Dr. Franke, noch in die Atom-Kommission zu berufen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt ersucht, zunächst Herrn Staatsminister Rucker, der die Vorschläge für die wissenschaftlichen Mitglieder der Kommission eingereicht habe, befragen zu können.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.

Er fährt dann fort, in Baden-Württemberg werden in die Staatl. Atom-Kommission im Gegensatz zu Bayern auch Politiker aufgenommen. Er bitte um Äußerung, ob dies in Bayern auch geschehen solle.

Der Ministerrat lehnt das nach kurzer Erörterung ab.32

Bayer. staatliche Kommission zur friedlichen Nutzung der Atomkräfte

X.Ausführungen auf einer Versammlung der Deutschen Reichspartei (DRP)33

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dann bekannt, in einer öffentlichen Versammlung der DRP in Bamberg am vergangenen Wochenende habe der stellv. Landesvorsitzende, Stadtrat Kosche, erklärt, er achte jedes Opfer, das ein Mensch für seine Überzeugung bringe, aber wer nach den gültigen bestehenden Kriegsgesetzen Landes- und Hochverrat getrieben habe, gehöre an den Galgen. Jedes Volk habe mit Verbrechern kurzen Prozess gemacht, in der Bundesrepublik bekämen sie dagegen das Bundesverdienstkreuz. Auch Canaris sei wegen erwiesenen Verrats militärischer Geheimnisse in fünf Fällen hingerichtet worden.

Diese Ausführungen seien so unerhört, daß überlegt werden müsse, was dagegen getan werden könne. Er bitte den Herrn Innenminister sofort prüfen zu lassen, ob eine Möglichkeit des Einschreitens bestehe; er empfehle dabei, sich mit dem Staatsministerium der Justiz in Verbindung zu setzen.

In diesem Zusammenhang bitte er Herrn Staatsminister Dr. Baumgartner, sein Augenmerk darauf zu richten, daß der neu gegründete landwirtschaftliche Verein angeblich34 von Leuten gefördert werde, die früher in der NSDAP eine maßgebende Rolle gespielt hätten.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, er werde die Vorgänge um den landwirtschaftlichen Verein genau beobachten. Er bemerke aber jetzt schon, daß an der Gründung auch Persönlichkeiten beteiligt seien, die Verfolgte des Dritten Reiches seien.35

XI.Haus der Bayerischen Vertretung in Bonn36

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht, heute die Frage zu entscheiden, ob die Übernachtung in dem neuen Haus der Bayer. Vertretung in Bonn unentgeltlich sein oder ein Übernachtungsgeld verlangt werden solle.

Staatsminister Zietsch spricht sich mit Nachdruck dafür aus, ein Übernachtungsgeld zu verlangen, und betont, die Abrechnung könne doch nicht allzu schwierig sein.

Der Ministerrat faßt nach kurzer Aussprache folgenden Beschluß:

1. Für die Übernachtung im Haus der Bayerischen Vertretung in Bonn ist eine Vergütung zu bezahlen, deren Höhe durch das Staatsministerium der Finanzen festgesetzt wird.

2. Bei gleichzeitiger Anmeldung zur Übernachtung hat ein dienstälteres Mitglied der Bayerischen Staatsregierung den Vorrang, im übrigen gilt der Zeitpunkt der Anmeldung.

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt dem Ministerrat mit, daß er den Senatssyndikus von Hamburg, Dr. Wagenhöfer, zum neuen Präsidenten der Landeszentralbank ernennen werde.

Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.

Die Behandlung des Punktes III der Tagesordnung „Ausbau des oberen Lechs bei Schongau“ wird wegen Eintreffens des Bundesministers Blank37 bis zur Kabinettssitzung vom 22. November 1955 zurückgestellt.38

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei verreist gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär