Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei).
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Federführung bei der Erstellung des Entwurfs eines Bayer. Personalvertretungsgesetzes. III. Staatsvereinfachung: hier: Die Gesetzgebung und das Vorschriftenwesen (Erster Teil Abschnitt B Ziff. III des Gutachtens der Arbeitsgemeinschaft für Staatsvereinfachung). IV. Grenzlandhilfe. V. Veräußerung eines Grundstücks der Saline Rosenheim durch die BHS. VI. Bayerische Staatszeitung. VII. Personalangelegenheiten. VIII. Verlegung der Regierung von Niederbayern von Regensburg nach Landshut. IX. Verhalten des Landgerichtsdirektors Dr. Schmidt im Verfahren gegen den früheren SS-Oberst Simon in Ansbach. X. Dinkelsbühler Schulfall. XI. Bericht des Herrn Abg. Dr. Lippert über seinen Besuch in den Staatsministerien des Innern und der Finanzen. XII. Öffentliche Verlautbarungen von Angehörigen der Staatsministerien. XIII. Dienst am 31. Oktober 1955.
1.Entwurf eines Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden1
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, die beteiligten Ausschüsse empfählen, dem Gesetzesbeschluß des Bundestags vom 29. September 1955 gemäß Art. 84 Abs. 1, Art. 78 GG zuzustimmen. Diese Empfehlung sei in den Ausschüssen bei Stimmenthaltung der Vertreter Bayerns beschlossen worden.
Ein Antrag, den Vermittlungsausschuß anzurufen, habe keine Aussicht auf Erfolg.
In der Aussprache beanstandet Staatsminister Dr. Baumgartner, daß der Entwurf die gewerbliche Wirtschaft und die Landwirtschaft unterschiedlich behandle. Eigentlich müßten in § 27 Ziff. 2 anstelle der Worte „mit einem Einheitswert bis zu 30 000 DM“ die Worte gesetzt werden: „mit einem Einheitswert bis zu 50 000 DM“. Ob allerdings ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt werden solle, wenn von vornherein feststehe, daß er keine Aussicht auf Erfolg habe, sei fraglich.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths spricht sich für die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf aus, damit die Besatzungsschäden endlich geregelt werden könnten.
Der Ministerrat beschließt daraufhin mit Mehrheit, einen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen und dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Außerdem wird beschlossen, die Empfehlung des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen unter Ziff. II der BR-Drucks. Nr. 331/1/55 zu unterstützen.2
2.Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes3
und
3.Entwurf eines Sechsten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft4
Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG wird nicht gestellt.
Der Ministerrat beschließt, der Empfehlung des Finanz- und des Innenausschusses in der BR-Drucks. Nr. 333/1/55 folgend den Gesetzentwurf abzulehnen.6
5.Entwurf einer Achtzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (18. AbgabenDV-LA – HGA-WAufbDV)7
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
6.Entwurf eines Gesetzes über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung (Landbeschaffungsgesetz)8
Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß in der BR-Drucks. Nr. 330/1/55 etwa 70 bis 80 Empfehlungen enthalten seien.9 Er dürfe wohl die Zustimmung des Ministerrats annehmen, wenn er sich auf die wichtigsten Punkte beschränke.
Nach längerer Aussprache wird beschlossen, die in der BR-Drucks. Nr. 330/1/55 unter B I enthaltenen Empfehlungen zu unterstützen mit Ausnahme der folgenden: Ziff. 2 a, d, e und g; 3 c 2; 5 a ; 6 b ; 9a , 9 b (bezüglich des Satzes 2); 11 b; 12 b; 14 a; 15 b; 29 a; 36.
Weiterhin sollen unterstützt werden die Empfehlungen unter Ziff. II 1 a und 2, dagegen nicht diejenige unter Ziff. II 1 b.10
7.Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Notarrechts11
Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der Koordinierungsausschuß habe sich für die Unterstützung aller in der BR-Drucks. Nr. 290/1/55 enthaltenen Empfehlungen ausgesprochen.12
Der Ministerrat beschließt, diese Empfehlungen zu unterstützen.
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet dann weiter, das Staatsministerium der Justiz habe darüber hinaus folgenden Landesantrag zur Abänderung des Gesetzentwurfs vorgeschlagen:
„1. § 73 erhält folgenden Abs. 2:
‚Werden diese Aufgaben einem Obersten Landesgericht übertragen, so kann die Landesregierung bestimmen, daß als Disziplinargericht für Notare im ersten Rechtszug das Oberlandesgericht zuständig ist.‘
Begründung: Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Bestimmung des Bundesgerichtshofs als letzte Instanz in Disziplinarsachen hat der Rechtsausschuß als Rechtszug statt OLG – BGH – LG – OLG vorgeschlagen.
Da Bayern nach § 73 das Bayerische Oberste Landesgericht als 2. Instanz bestimmen kann, erscheint es sinnvoll, für diesen Fall auch das OLG als 1. Instanz zuzulassen. Der Instanzenzug entspricht dann in Bayern der bisherigen Regelung.
2. § 77 erhält folgenden Satz 2:
‚Im Falle des § 73 Abs. 2 entscheidet es in der Besetzung mit dem Vorsitzenden, einem Beisitzer, der planmäßig angestellter Richter ist, und einem Beisitzer, der Notar ist.‘
Begründung: Da das OLG im Falle des § 73 Abs 2 als l. Instanz entscheidet, soll seine Besetzung der in § 74 für die l. Instanz vorgeschriebenen angeglichen werden.“
Bisher könne lediglich damit gerechnet werden, daß Niedersachsen diesem Antrag zustimmen werde; Nordrhein-Westfalen werde ihn wohl ablehnen, während die Stellungnahme der übrigen Länder noch nicht bekannt sei.
Der Ministerrat beschließt, den vom Staatsministerium der Justiz vorgeschlagenen Antrag zu stellen.13
8.Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes14
Die Empfehlungen unter Ziff. II 1 mit 3 der BR-Drucks. Nr. 316/1/55 werden unterstützt.15
9.Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen16
Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG.17
10.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht18
Von einer Beteiligung wird abgesehen.
11.Entwurf eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika19
Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß Hessen Bedenken hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes bezüglich des Art. XI Ziff. 1 des Vertrages geäußert habe, da die vorgesehene Regelung sich auch auf Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis sowie auf die Festsetzung der Hebesätze beziehe. Es sei zu erwarten, daß Hessen einen entsprechenden Antrag stellen werde.
Der Ministerrat beschließt, einen etwaigen Antrag Hessens zu unterstützen, im übrigen aber keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG zu erheben.20
Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG.
13.Bestimmung von Mitgliedern des Beirates für Stützungsmaßnahmen nach dem Fischgesetz22
Die Empfehlung in der BR-Drucks. Nr. 329/1/55 wird unterstützt.
14.Veränderung bei der Besetzung des Verwaltungsrates der Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette23
Die Empfehlung des Agrarausschusses in der BR-Drucks. Nr. 322/55 wird unterstützt.
15.Wahl des Sekretärs des Rechtsausschusses
Der Ministerrat erklärt sich mit der Bestellung des Regierungsdirektors Dr. Dehm zum neuen Sekretär des Rechtsausschusses einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Note des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge vom 19. September 1955, mit der um einen Beschluß des Ministerrats über die Frage der Federführung bei der Erstellung des Entwurfs eines Bayer. Personalvertretungsgesetzes gebeten werde, da eine Einigung mit dem Staatsministerium der Finanzen nicht zustande gekommen sei.25 Dieses Ministerium nehme seinerseits mit Note vom 29. September 1955 die Federführung in dieser Sache in Anspruch, u.a. mit der Begründung, daß in allen Ländern, ebenso wie beim Bund, die für Beamtenfragen zuständigen Ministerien, nicht aber die Arbeitsministerien, für die Erstellung der entsprechenden Gesetzentwürfe federführend seien.26
Staatsminister Stain führt aus, es treffe zwar zu, daß in anderen Ländern die Federführung bei den sogen. Beamtenministerien liege, trotzdem sei er aber der Meinung, daß es sich hier um eine Angelegenheit der Sozialpolitik handle, die über die Zuständigkeit des Finanzministeriums hinausgehe, weil die zukünftige Regelung auch für die Kommunen und die Staatsbetriebe maßgebend sein würde. Auch die Gewerkschaften, sowohl der DGB wie die DAG, hätten sich dafür eingesetzt. Was die Gründe des Arbeitsministeriums im einzelnen anlange, so dürfe er auf die schon vom Herrn Ministerpräsidenten erwähnte Note vom 19. September 1955 verweisen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt zu bedenken, daß das Personalvertretungsgesetz des Bundes ein Rahmengesetz nach Art. 75 Nr. l GG („Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen“) darstelle und deshalb auch nicht als „Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung“ (Art. 74 Nr. 12 GG)27 behandelt worden sei. Es dränge sich also die Frage auf, ob Bayern tatsächlich im Gegensatz zu allen anderen Ländern hier eigene Wege gehen solle.
Der Ministerrat beschließt daraufhin mit Mehrheit, die Federführung bei der Erstellung des Entwurfs eines Bayer. Personalvertretungsgesetzes dem Staatsministerium der Finanzen zu übertragen.
Staatssekretär Dr. Panholzer fügt hinzu, das Finanzministerium habe bereits einen Referentenentwurf ausgearbeitet und den Staatsministerien sowie der Staatskanzlei zugeleitet; er bitte, zu dem Entwurf bald Stellung zu nehmen.28
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die allen Herren Staatsministern und Staatssekretären zugegangene Denkschrift der Abt. III der Bayer. Staatskanzlei zur Staatsvereinfachung, die den Titel trage „Die Gesetzgebung und das Vorschriftenwesen“.30
Die Denkschrift brauche wohl heute nicht besprochen zu werden, sie könne später im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Ministerien behandelt werden.
Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.31
Staatsminister Bezold regt an, diese Frage heute nicht zu besprechen, nachdem den Herren Kabinettsmitgliedern eben erst seine Vorlage über die Probleme der bayerischen Grenzgebiete zugegangen sei.
Was die Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft Grenzland, deren 1. Vorsitzender Herr Scherbauer sei, betreffe, so mache er darauf aufmerksam, daß gegen die Tätigkeit dieser Gruppe gewisse Bedenken bestünden.
Staatsminister Stain bemerkt, der Arbeitsgemeinschaft komme doch einige Bedeutung zu, seines Erachtens seien ihre Bestrebungen zu begrüßen. Vor allem glaube er, daß sie für den Fremdenverkehr im Bayerischen Wald erhebliches geleistet habe.
In diesem Zusammenhang kommt Staatsminister Bezold auf den Staatsbeauftragten für Grenzlandfragen im Staatsministerium für Wirtschaft, Dipl. Kaufmann Emmert, zu sprechen, dessen Bestallung auf einem Beschluß des früheren Kabinetts beruhe.33 Gleichzeitig sei er Staatskommissar zur Durchführung des Art. 160 BV.34 Diese Arbeit gehe allerdings nicht weiter, da die CSU bisher nicht mitgearbeitet habe.
Herr Emmert erhalte die Bezüge eines Ministerialdirektors, wozu noch die sehr erheblichen Reisespesen kämen, die er infolge seiner häufigen Dienstreisen in den Grenzgebieten zu verrechnen habe.
Staatsminister Stain meint, Herr Emmert habe auch der neuen Regierung gute Dienste geleistet, er halte ihn zumindest für geeignet, Anfragen und wohl auch Angriffe abzufangen. Infolgedessen wäre es wohl nicht ratsam, einen Wechsel eintreten zu lassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet es ebenso wie Staatsminister Bezold als notwendig, Herrn Emmert jetzt wieder neu zu bestallen.
Der Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu.35
Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 15. Oktober 1955, in der sehr ausführlich zu dem Beschluß des Bayer. Landtags vom 5. Oktober 1955 hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücke der BHS in Rosenheim Stellung genommen werde.37 Zum Teil halte er die Gründe des Finanzministeriums für nicht ganz überzeugend, z.B. wenn erklärt werde, die Grundstücke sollten behalten werden, um später bei der Erschließung von Salzvorkommen in Unterfranken Tauschgelände zu haben.
Was die rechtliche Seite anlange, so habe das Staatsministerium der Finanzen sicher recht, es frage sich aber, ob man diesen Standpunkt dem Landtag und der Stadt Rosenheim gegenüber auch durchhalten könne.38
Staatssekretär Weishäupl erklärt, als Rosenheimer kenne er die Verhältnisse sehr genau, er könne es durchaus unterstützen, daß die Stadt Grundstücke erhalte, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie nicht weiter veräußert, sondern nur für den Wohnungsbau verwendet werden dürften. Im Landtag habe Herr Bürgermeister Sebald von Rosenheim auf die Bedürfnisse der Firma Wallner hingewiesen, dabei allerdings nicht angegeben, daß dieser Firma die Generalvertretung der Volkswagenwerke entzogen worden sei.39 Er sei der Auffassung, daß es keinen Zweck habe, die Grundstücke der Stadt zu übergeben, wenn diese dann an die Firma Wallner veräußert würden. Andererseits habe er doch den Eindruck, daß die BHS recht hartnäckig sei und den begründeten Wunsch der Stadt, Gelände für Wohnungen zu erhalten, nicht genügend berücksichtige.
Staatssekretär Dr. Panholzer macht darauf aufmerksam, daß das Staatsministerium der Finanzen durchaus bereit sei, Grundstücke abzutreten, wenn Bürgermeister Sebald ein fertiges Wohnungsprogramm vorlege.
Auf Frage des Herrn Ministerpräsidenten erwidert Staatssekretär Dr. Panholzer, die Aufsichtsratssitzung der BHS habe noch nicht stattgefunden, sie werde aber vorbereitet und könne wohl demnächst stattfinden.
Der Ministerrat beschließt, die Angelegenheit zunächst zurückzustellen und das Ergebnis der Aufsichtsratssitzung der BHS abzuwarten.40
Ministerpräsident Dr. Hoegner unterrichtet das Kabinett über eine Besprechung, die er mit den Vertretern der Süddeutschen Zeitung und des Münchner Merkurs, Herrn Dr. Schöningh und Herrn Dr. Huck, hinsichtlich der Staatszeitung gehabt habe.42 Beide Herren hätten in der Unterredung den Wunsch geäußert, den bisherigen Chefredakteur Mauerer zu behalten. Nach ihrer Darstellung habe Herr Bauer erklärt, es bestehe durchaus die Möglichkeit, daß er die ihm angebotene Stelle des Chefredakteurs nicht übernehme, sondern in Coburg bleibe. Jedenfalls habe er den Eindruck gewonnen, daß die Vertreter der Zeitungen Herrn Mauerer den Vorzug gäben.
Irgendeine Zusage habe er natürlich nicht gemacht, jedoch zugesichert, daß er die Frage dem Ministerrat vorlegen werde. Übrigens hätten sowohl Dr. Schöningh wie Dr. Huck auch geltend gemacht, es sei mißlich, gleichzeitig mit dem Verlagswechsel auch einen Wechsel des Chefredakteurs eintreten zu lassen.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths meint, es wäre doch wohl besser gewesen, wenn man dem Vorschlag des BHE entsprechend die Stelle ausgeschrieben hätte. Im übrigen sei es verständlich, wenn die neue Gesellschaft, die den Chefredakteur bezahle, auch bei der Einstellung mitreden wolle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner räumt ein, daß die früheren Verhandlungen nicht sehr günstig gelaufen seien; er selbst habe sich erst eingeschaltet, als ihm Herr Staatssekretär Dr. Haas bei seiner Abreise die Sache übergeben habe.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths sieht eine Möglichkeit darin, daß Herr Mauerer zurücktrete und dann dem neuen Verlag freie Hand gegeben werde.
Staatsminister Dr. Geislhöringer fügt hinzu, es liege ihm ein günstiges Urteil über Herrn Mauerer vor, auch Herr Staatsminister Zietsch scheine gegen seine Person nichts einzuwenden.
Staatsminister Bezold entgegnet, der Ministerrat habe eine Entscheidung getroffen, die seines Erachtens nicht mehr abgeändert werden solle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt abschließend vor, daß er zunächst mit Herrn Bauer sprechen wolle um festzustellen, ob dieser seine Meinung inzwischen geändert und die ihm angebotene Stelle des Chefredakteurs nun doch nicht annehmen wolle.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.43
Der Ministerrat beschließt, einem Antrag des Staatsministeriums des Innern entsprechend folgende Regierungsdirektoren im Staatsministerium des Innern zu Ministerialräten zu ernennen:
a) Regierungsdirektor Gotthard Brunner,
b) Regierungsdirektor Hans Alfred Degmair,
c) Regierungsdirektor Dr. Adam Deinlein,
d) Regierungsdirektor Dr. Helmut Herzog,
e) Regierungsdirektor Dr. Werner Kanein.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß das Staatsministerium des Innern mit Note vom 17. Oktober 1955 endgültige Vorschläge bezüglich der sogen. kleinen Lösung für die Verlegung der Regierung von Niederbayern von Regensburg nach Landshut vorgelegt habe.45 Danach beliefen sich die einmaligen Ausgaben auf DM 680 000, die laufenden Mehrausgaben auf 187 000 DM im Jahr.
Es sei wohl nicht mehr erforderlich, die Vorschläge im einzelnen zu behandeln, nachdem sie schon im Nachtragshaushalt enthalten seien und dieser die Zustimmung des Ministerrats gefunden habe.
Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung an.46
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Ausführungen, die er im Bayerischen Rundfunk zu dem unglaublichen Urteil des Landgerichtsdirektors Dr. Schmidt in Ansbach im Simon-Prozeß gemacht habe.48 Der Richter habe u.a. in der Begründung für den Freispruch festgestellt, daß die zum Tode verurteilten und hingerichteten Einwohner der Gemeinde Brettheim durch die Entwaffnung der Hitlerjungen Wehrkraftzersetzung begangen hätten. Ferner habe er erklärt, objektiv liege zwar ein Totschlag vor, den Angeklagten habe aber das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gefehlt. Außerdem seien sich die Angeklagten nicht bewußt gewesen, daß ein Verteidiger hätte beigezogen werden müssen.
Er habe es für notwendig gehalten, sich öffentlich zu dieser unmöglichen Begründung zu äußern.
Staatsminister Dr. Koch führt aus, als Justizminister habe er in der gleichen Weise wie der Herr Ministerpräsident Stellung nehmen können. Er habe aber eine Richtertagung in Würzburg dazu benützt, vor allem auf folgendes aufmerksam zu machen:
a) schon die Beweisaufnahme habe gezeigt, daß der Richter an das Verfahren mit einer vorgefaßten Meinung herangegangen sei;
b) das Urteil selbst und seine Begründung seien völlig unverständlich und unhaltbar.
Im übrigen habe der Staatsanwalt schon ohne Weisung des Justizministeriums Revision eingelegt.
Es stehe außer Zweifel, daß schon die Beweisaufnahme des Richters einseitig und geeignet gewesen sei, die öffentliche Meinung zu erregen. Schmidt habe sich den Zeugen gegenüber taktlos und beleidigend benommen und durch die Art und Weise, in der er die Beweisaufnahme durchgeführt habe, auf die Geschworenen beeinflussend hingewirkt. Er habe sich deshalb auch für verpflichtet gehalten, die Angelegenheit dienststrafrechtlich zu würdigen und einen entsprechenden Auftrag an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg zu geben.49 Landgerichtsdirektor Dr. Schmidt, der sich jetzt krank gemeldet habe, gebe selbst zu, daß er die Formulierungen „mitschuldig“ oder „auch schuldig“ gebraucht habe.
Das Urteil selbst sei völlig unverständlich, zumal wenn man bedenke, daß der Angeklagte Simon von dem damaligen Standgericht ein Todesurteil verlangt, Sippenhaftung angedroht habe usw.
Die Stimmung unter den Richtern in Würzburg sei zunächst etwas erregt gewesen, er glaube aber, daß seine Aufklärung beruhigend und überzeugend gewirkt habe. Der Vorstand des dortigen Richtervereins habe schließlich auch erklärt, die Angelegenheit sei aufgeklärt und für den Richterverein bestehe keine Veranlassung, sich weiter zu äußern.
Landgerichtsdirektor Dr. Schmidt sei ein alter Anhänger der Ludendorff-Bewegung, die bekanntlich mit dem Nationalsozialismus in Konflikt gekommen sei;50 aus diesem Gründe sei er offenbar auch von der Spruchkammer entlastet worden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner dankt Staatsminister Dr. Koch für seinen Bericht und bemerkt noch, Herr Weihbischof Neuhäusler habe ihm mündlich für die Erklärung im Rundfunk gedankt.
Staatsminister Dr. Koch berichtet noch, möglicherweise werde es doch noch notwendig werden, Strafverfahren gegen Heimkehrer einzuleiten. Gegen General Schörner sei nämlich wegen eines Falles Anklage erhoben worden;51 es meldeten sich nun aber Zeugen, die behaupteten, die angebliche Weisung Schörners, die zur Anklage geführt habe, sei nicht von ihm, sondern von einem jetzt heimgekehrten Offizier unterzeichnet worden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, die Besprechung dieses Falles müsse heute zurückgestellt werden, weil das Staatsministerium für Unterricht und Kultus nicht vertreten sei.
Staatsminister Dr. Baumgartner ersucht, die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben, solange die Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl im Gange seien.
Staatsminister Bezold erwidert, die Elternvereinigung in Dinkelsbühl habe am 18. Oktober 1955 anders beschlossen, als Herr Staatssekretär Dr. Meinzolt erwartet habe. Sie bitte nämlich die Bayerische Staatsregierung um die Wiederherstellung des früheren Zustandes der gemeinsamen Unterrichtung und Erziehung aller Schulkinder für dieses Schuljahr, Die Staatsregierung könne es sich nicht leisten, gegen den Willen der Eltern zu entscheiden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er habe in dieser Sache den Brief eines Anwaltsassessors erhalten, in dem behauptet werde, die Sitzung der sogen. „Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung des Elternrechts in Dinkelsbühl“ sei völlig anders verlaufen. Bei der Annahme der Entschließung habe ein beträchtlicher Teil der Teilnehmer die Versammlung bereits verlassen gehabt, auch seien sich viele Anwesende über den Wortlaut der Entschließung nicht klar gewesen.53
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, Herr Oberbürgermeister Bornkessel von Fürth habe ihm in einem Brief mitgeteilt, daß er mit allen Beamten und Angestellten der Ministerien in den letzten Jahren die besten Erfahrungen gemacht habe. Dr. Bornkessel stelle anheim, diesen Brief zu veröffentlichen.55
Auch der Verband der Bayerischen Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes wende sich in einem Schreiben vom 18. Oktober 1955 nachdrücklich gegen die Behauptungen Dr. Lipperts und bitte, die Staatsregierung, sie möge die Verunglimpfung der Angehörigen der Ministerien zurückweisen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer fügt hinzu, das Staatsministerium des Innern habe bereits eine entsprechende Antwort erteilt.
Staatssekretär Dr. Panholzer bemerkt, im Finanzministerium habe Abg. Dr. Lippert verlangt, den Ministerialdirektor sprechen zu können, der gerade eine Abteilungsleiter-Besprechung abgehalten habe. Die Sekretärin habe es mit Recht abgelehnt, den Ministerialdirektor aus der Sitzung zu rufen, zumal Dr. Lippert nicht gesagt habe, daß er Mitglied des Landtags sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat am 29. März 1955 einen Beschluß über öffentliche Verlautbarungen von Angehörigen der Staatsministerien gefaßt habe.
Da dieser Beschluß Anlaß zu Mißverständnissen gegeben habe, wurde nun angeregt, ihn wie folgt abzuändern:
„Um alle Mißverständnisse auszuschließen, hat die Staatsregierung in ihrer Sitzung vom . . . Oktober 1955 ihren Beschluß vom 29. März 1955 über die öffentlichen Verlautbarungen von Angehörigen der Staatsministerien in Presse, Vortrag und Rundfunk wie folgt neu gefaßt:
Nach den Bestimmungen der Bayerischen Verfassung trägt jeder Staatsminister gegenüber dem Bayerischen Landtag die volle Verantwortung für seinen Geschäftsbereich.
Um dieser Verpflichtung genügen zu können, dürfen amtliche Stellungnahmen in Angelegenheiten, welche die Zielsetzungen der Staatsregierung berühren, durch Angehörige der Staatsministerien in Presse, Vortrag und Rundfunk nur mit Zustimmung der zuständigen Staatsminister oder ihrer Vertreter abgegeben werden.
Soweit Angehörige der Staatsministerien solche Angelegenheiten in außerdienstlicher Eigenschaft in Presse, Vortrag oder Rundfunk behandeln wollen, haben sie die vorgesehenen Verlautbarungen, damit diese nicht den Anschein einer amtlichen Stellungnahme erwecken, entsprechend deutlich als private Meinungen zu kennzeichnen. Unberührt bleiben diejenigen Pflichten, die sich aus der allgemeinen Rechtsstellung der Angehörigen der Staatsministerien ergeben.
Staatsminister Bezold bezweifelt, ob es richtig sei, diese Sache, die jetzt nicht mehr weiter erörtert werde, nochmals aufzugreifen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, nur einen Beschluß über den innerdienstlichen Gebrauch zu fassen.57
Der Ministerrat faßt folgenden Beschluß:
Es bleibt den einzelnen Staatsministerien überlassen, in welcher Weise der abgeänderte Ministerratsbeschluß innerdienstlich verwendet werden soll.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, es sei angeregt worden, den Dienst am 31. Oktober 1955 ausfallen zu lassen.
Staatssekretär Vetter meint, vielleicht könne der Dienst am 31. Oktober in der Weise entfallen, daß dafür im Monat November kein freier Samstag gegeben werde. Soviel ihm bekannt sei, hätten sich die vereinigten Betriebsräte der Ministerien in diesem Sinne schon an das Staatsministerium der Finanzen gewandt.
Staatssekretär Dr. Panholzer stellt fest, daß ein derartiger Antrag noch nicht vorliege.
Staatsminister Stain empfiehlt, den Vorschlag der Betriebsräte anzunehmen, während sich Staatsminister Dr. Baumgartner dagegen wendet.
Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, die Öffentlichkeit habe kein Verständnis dafür, daß dieser Tag freigegeben werde. Er halte es aber für richtig, es jedem einzelnen Staatsminister zu überlassen, ob er denjenigen Beamten und Angestellten, die Gräber ihrer Angehörigen außerhalb Münchens besuchen wollten, den Tag freigeben wolle. Eine offizielle Bekanntmachung darüber solle aber nicht erscheinen.
Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einstimmig einverstanden.