Ministerpräsident Dr. Hoegner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner.
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Versorgung der älteren Kraftfahrer der Ministerien. III. Verwendung von Dienstkraftwagen. IV. Richtlinien für die Teilnahme der Mitglieder der Staatsregierung an öffentlichen Veranstaltungen. V. Kohlenversorgung in Bayern. VI. Bayerische Staatszeitung. VII. Dinkelsbühler Schulfall. VIII. Anleihe der Lastenausgleichsbank in Höhe von 100 Mio DM zur Umschuldung von hochverzinslichen und kurzfristigen Vertriebenenkrediten.
1.Wahl des Präsidenten und von vier Richtern des Bundesverfassungsgerichts
Staatsminister Dr. Koch erklärt, die Einigung über die Wahl des Präsidenten und der vier Richter des Bundesverfassungsgerichts sei sehr rasch zustande gekommen. Sowohl bei dem Präsidenten Herrn Dr. Wintrich wie bei drei anderen Herren handle es sich um ihre Wiederwahl auf die Dauer eines Jahres; als neuer Richter sei der Sekretär des Rechtsausschusses des Bundesrats, Herr Dr. Kutscher, gewählt worden. Irgendwelche Bedenken gegen die Zustimmung im Bundesrat bestünden nicht.
Der Ministerrat beschließt, der Wahl des Präsidenten und der vier Richter des Bundesverfassungsgerichts zuzustimmen.
2.Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung1
Ministerialrat Dr. Gerner erinnert daran, daß der Ministerrat am 16. Dezember 1952 beschlossen habe, der Änderung des hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung nicht zuzustimmen.2 Infolgedessen empfehle der Koordinierungsausschuß, sich bei der Abstimmung über den vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme zu enthalten.3
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.4
und
Ein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG wird nicht gestellt.
5.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht7
Der Ministerrat beschließt, sich an den Verfahren nicht zu beteiligen.
6.Entwurf einer Dritten Verordnung zur Auszahlung der Entschädigung an Berechtigte nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (3. AuszahlungsVO – KgfEG)8
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
7.Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Zolltarif-Novelle)9
8.Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Vanadium-Titan-Roheisen, Stromschienen)10
Keine Einwendungen, gemäß Art. 76 Abs. 2 GG.
Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 78 GG.12
10.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete der Abgaben auf Mineralöl13
Kein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG.
11.Entwurf eines Sechsten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft14
Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß dieser Gesetzentwurf von der Tagesordnung abgesetzt werde, da noch kein Beschluß des Bundestags vorliege.15
12.Entwurf einer Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung 195516
Ministerialrat Dr. Gerner führt zunächst aus, der Koordinierungsausschuß schlage vor, den in Ziff. 2 der BR-Drucks. Nr. 254/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschlag des Finanzausschusses, der nur redaktioneller Natur sei, zu unterstützen.
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.
Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, hinsichtlich der Empfehlung des Agrarausschusses unter Ziff. 3 der BR-Drucks. Nr. 254/1/55 sei im Koordinierungsausschuß keine Einigung zustande gekommen.17 Der Vertreter des Finanzministeriums18 habe erklärt, der vom Agrarausschuß vorgeschlagene neue § 1 a schaffe einen Steuerbefreiungstatbestand, während die Ermächtigung des § 35 c des Gewerbesteuergesetzes i.d.F. vom 21. Dezember 1954 lediglich zur Regelung von Abgrenzungen ausreiche.19
Staatssekretär Simmel entgegnet, die Empfehlung des Agrarausschusses habe gewichtige Gründe für sich, da sie davon ausgehe, daß die Landwirtschaft mehr und mehr auf Maschinenbetrieb umgestellt werden müsse. Es handelt sich darum, daß z.B. ein kleinerer Landwirt, der sich eine Maschine anschaffe, die Möglichkeit habe, sie an Nachbarn gegen Entgelt auszuleihen, ohne dafür Gewerbesteuer zahlen zu müssen. Man müsse bedenken, daß gerade auf dem Lande und in der Landwirtschaft die nachbarliche Hilfe eine besondere Bedeutung besitze.
Staatsminister Bezold entgegnet, ähnliche Gründe ließen sich ohne weiteres auch für kleinere und mittlere Gewerbebetriebe in den Städten anführen. Er habe deshalb Bedenken, eine Sonderregelung für die Landwirtschaft zu schaffen.
In der Aussprache empfiehlt Ministerpräsident Dr. Hoegner, jedenfalls dem Vorschlag zu § 1 a zuzustimmen, dagegen den zu § 1 b nicht zu übernehmen.
Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, diesem Vorschlag zu folgen.20
13.Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer)21
und
14.Entwurf einer Dritten Verordnung zur Durchführung des Altsparergesetzes (3. ASpG-DV)22
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.23
15.Entwurf einer Siebzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (17. AbgabenDV-LA – HGA-ErlDV)24
Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf nach Maßgabe der in Ziff. 1 und 2 der BR-Drucks. Nr. 282/1/55 enthaltenen Vorschläge der beteiligten Ausschüsse gemäß Art. 80 Abs. 2 GG zuzustimmen.25
16.Entwurf einer Verwaltungsanordnung der Bundesregierung über die besondere Anerkennung steuerbegünstigter Zwecke26
Zustimmung gemäß Art. 108 Abs. 6 GG unter Berücksichtigung des in Ziff. 11 der BR-Drucks. Nr. 251/1/55 enthaltenen Ergänzungsvorschlags des Finanzausschusses.
17.Entwurf einer Zweiundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Stärke und Stärkemehl)27
Es wird beschlossen, der in Ziff. 2 der BR-Drucks. Nr. 280/1/55 enthaltenen Empfehlung des Agrarausschusses zuzustimmen, die dahin geht, von der vorgesehenen Zollherabsetzung im gegenwärtigen Zeitpunkt abzusehen.28
18.Entwurf einer Vierundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Zitronen)29
Bedenken werden nicht erhoben.
19.Ernennung des Oberfinanzrats Dr. Eugen Saalfrank zum Staatsfinanzrat und Mitglied des Kollegiums der Bundesschuldenverwaltung30
Der vorgeschlagenen Ernennung wird zugestimmt.
20.Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau AG Groß-Berlin (Gewobag)31
Zustimmung gemäß § 47 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung.
Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß damit die Empfehlung des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen unter Ziff. 1 der BR-Drucks. Nr. 291/1/55 entfalle.
21.Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Pionierübungsplatzes auf der Teerhofinsel in Lübeck32
Zustimmung gemäß § 47 der Reichshaushaltsordnung in Verbindung mit den §§ 3 und 5 der Anlage 3 zu § 57 der Reichswirtschaftsbestimmungen.
22.Entwurf eines Gesetzes betreffend das deutsch-isländische Protokoll vom 19. Dezember 1950 über den Schutz von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten33
23.Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Brüsseler Protokoll vom 30. Juli 1936 über die Immunitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich34
24.Entwurf eines Gesetzes zu der Erklärung vom 10. März 1955 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT)35
und
25.Entwurf eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 25. März 1955 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden36
Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG.
26.Entwurf eines Gesetzes über die Sechste Änderung des Gaststättengesetzes37
Nach Vortrag von Ministerialrat Dr. Gerner wird beschlossen, Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG nicht zu erheben, falls die in Ziff. II 1 a, b, 2, 3, 4 b, 5, 6, 7, 8, 9, 10,11, 12 a, 13, 14 a, b, c, 15,16 und 17 enthaltenen Abänderungsvorschläge berücksichtigt werden.38
Damit entfallen die Empfehlungen unter Ziff. II 4 a und 12 b dieser Drucksache.39
27.Benennung von zwei Vertretern der Länder in den Verwaltungsrat der Deutschen Pfandbriefanstalt, Wiesbaden40
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, aus dem Verwaltungsrat der Deutschen Pfandbriefanstalt seien durch Los der hessische Finanzminister Troeger und Staatssekretär Franken (Nordrhein-Westfalen) ausgeschieden. Herr Minister Troeger solle wieder gewählt werden, während der Wirtschaftsausschuß anstelle des Herrn Staatssekretärs Franken Staatssekretär Ebers von Nordrhein-Westfalen vorschlage, damit dem Verwaltungsrat in Zukunft auch ein Vertreter angehöre, der aus dem Wirtschaftsressort stamme.
Nach kurzer Aussprache wird auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten beschlossen, die Entscheidung Nordrhein-Westfalen zu überlassen.41
28.Vorschläge zur Ernennung von vier ständigen Mitgliedern des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen42
Bedenken werden nicht erhoben.
29.Entwurf einer Verordnung zur Durchführung einer Luftfahrtstatistik43
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
30.Entwurf einer Verordnung über die Prüfung von Luftfahrtgerät44
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Nr. l des Luftverkehrsgesetzes.
31.Jahresabschluß der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 195445
Von dem Jahresabschluß der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1954 wird Kenntnis genommen.
32.Bestimmung von drei Vertretern des Bundesrates für den Verwaltungsbeirat der Bundesanstalt für Flugsicherung46
Keine Bedenken.
33.Vorschlag für die Ernennung von vier Vertretern der obersten Landesverkehrsbehörden im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr47
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, nach dem Vorschlag des Ausschusses für Verkehr und Post (BR-Drucks. Nr. 299/1/55) solle aus dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr Ministerialdirigent Brunner vom Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr ausscheiden und durch Ministerialdirigent Dr. Bierwirth aus Niedersachsen ersetzt werden. Bayern werde dann im Verwaltungsrat nicht mehr vertreten sein, wohl aber nach wie vor in der Tarifkommission der Bundesanstalt durch Regierungsrat Schricker vom Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr.
Die Herren Staatsminister Bezold und Zietsch sprechen sich entschieden gegen einen Verzicht Bayerns auf einen Sitz im Verwaltungsrat der Bundesanstalt aus.
Es wird beschlossen, in der Vorbesprechung der Bundesratssitzung die bayerische Auffassung geltend zu machen und um Absetzung zu ersuchen. Wenn den bayerischen Wünschen nicht Rechnung getragen wird, soll von Bayern aus dem Vorschlag nicht zugestimmt werden.
34.Entwurf eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Rentenbank und über weitere Maßnahmen zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung48
Keine Einwendungen nach Art. 76 Abs. 2 GG.49
35.Entwurf einer Verordnung Z Nr. 3/55 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 195550
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
36.Entwurf einer Verordnung über Beiträge zur Marktstützung auf dem Gebiet der Fischwirtschaft51
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der in Ziff. 1, 2 und 3 der BR-Drucks. Nr. 307/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Agrarausschusses.
Hinsichtlich des Vorschlags in Ziff. 4 dieser Drucksache wird beschlossen, Stimmenthaltung zu üben.52
37.Entwurf einer Verordnung über die Gleichstellung von ausländischen Prüfungsbescheinigungen bei der Zulassung von Importsaatgut53
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
38.Entwurf einer Fünften Durchführungsverordnung zum Tierzuchtgesetz über die Körung von Schafböcken54
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der in Ziff. 1 und 2 der BR-Drucks. Nr. 210/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschlage des Agrarausschusses.55
Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG. 57
40.Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Arbeitslosenversicherung58
Ein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG wird nicht gestellt.
41.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes59
Staatssekretär Weishäupl führt aus, zunächst hätten gegen diesen Gesetzentwurf keine Bedenken bestanden, auf Antrag eines Bundestagsabgeordneten der CDU seien dann aber in Art. 1 Nr. 2, 3 a und 3 b die Worte „der selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung“ hineingekommen.60 Das bedeute, daß der Kreis der Tarifpartner um konfessionelle Arbeitnehmerverbände erweitert werde. Gleichzeitig bestehe aber dadurch die Gefahr, daß auch andere Verbände mit „sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung“ Nutzen aus der Gesetzesänderung zögen, z.B. auch linksradikale Vereinigungen, Kriegsopferverbände usw. Das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge müsse deshalb vorschlagen, gemäß Art. 77 Abs. 2 GG im Wege eines Landesantrags den Vermittlungsausschuß anzurufen mit dem Ziel einer Änderung des Gesetzesbeschlusses in folgenden Punkten:
„1. In Artikel I Nr. 2 werden in § 20 Abs. 1 Satz 2 die Worte ‚Selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial oder berufspolitischer Zwecksetzung‘ gestrichen,
2. In Artikel I Nr. 3 a werden in § 23 Abs. 2 die Worte ‚von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial oder berufspolitischer Zwecksetzung‘ gestrichen,
3. In Artikel I Nr. 3 b werden in § 25 Abs. 2 Satz 2 die Worte ‚der selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial - oder berufspolitischer Zwecksetzung‘ gestrichen.“
Wahrscheinlich werde Bayern für diesen Antrag, der wohl von Hessen und Bremen unterstützt werde, keine Mehrheit finden. Trotzdem halte er es aber für notwendig, diesen Antrag zu stellen.
Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, den von Herrn Staatssekretär Weishäupl vorgeschlagenen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen.61
Staatssekretär Weishäupl fährt fort, für den Fall, daß der Antrag keine Mehrheit finde, könnte folgender Eventualantrag gestellt werden:
„In den Artikeln I Nr. 2 und 3 a werden in den §§ 20 Abs. 1 Satz 2 und 23 Abs. 2 jeweils nach den Worten ‚selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung‘ die Worte ‚soweit letztere für das Arbeitsleben im Landesgebiet wesentliche Bedeutung haben,‘ eingefügt. In § 20 Abs. l Satz 2 ist zusätzlich nach dem folgenden Wörtchen ‚und‘ das Wort ‚von‘ einzufügen.“
Der Ministerrat beschließt, gleichfalls mit Mehrheit, gegebenenfalls diesen Eventualantrag zu stellen.62
42.Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes63
Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 78 GG.
43.Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des § 14 des Mutterschutzgesetzes64
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der in Ziff. I 1 mit 8 der BR-Drucks. Nr. 230/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschläge. Die Entschließung in Ziff. II dieser Drucksache wird gleichfalls unterstützt.65
44.Entwurf einer Ersten Verordnung zur Durchführung des Kindergeldgesetzes66
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung der in Ziff. 1 mit 5 der BR-Drucks. Nr. 285/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschläge.67
45.Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Durchführung des Kindergeldgesetzes (Niederlande)68
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung der in der BR-Drucks. Nr. 286/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschläge.69
46.Entwurf einer Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung für Versorgungsberechtigte im Ausland (Auslandszuständigkeits-VO)70
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung der in der BR-Drucks. Nr. 289/1/55 unter Ziff. 1 und 2 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik.
47.Entwurf einer Verordnung über die Vergütung der Krankenkassen für die Einziehung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung71
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung der in der BR-Drucks. Nr. 308/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik.72
48.Entwurf eines Gesetzes über das Europäische Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 und das Zusatzprotokoll zu dem Europäischen Fürsorgeabkommen73
Der Abänderungsvorschlag in Ziff. II der BR-Drucks. Nr. 305/1/55 wird unterstützt, im übrigen aber keine Einwendungen nach Art. 76 Abs. 2 GG erhoben.
49.Entwurf einer Verordnung über die Gebühren für die ärztliche Vorprüfung und die ärztliche Prüfung74
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der in BR-Drucks. Nr. 293/1/55 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Ausschusses für Innere Angelegenheiten.75
Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht den Herrn Staatsminister der Finanzen, einen Vorschlag zu machen, wie die Versorgung der älteren Kraftfahrer, die nicht mehr in ihrem bisherigen Beruf Dienst tun könnten, geregelt werden könne. Er halte es für möglich, sie z.B. im Innendienst zu beschäftigen. Auf alle Fälle sei die Versorgung in späteren Jahren eine Pflicht der Dankbarkeit gegenüber den Kraftfahrern, von deren Zuverlässigkeit soviel abhänge.
Staatsminister Zietsch erklärt sich bereit, Vorschläge zu machen und weist darauf hin, daß ohnehin in nächster Zeit eine Besprechung von Vertretern sämtlicher Ressorts wegen der Kraftfahrzeuge der Ministerien stattfinden müsse. Bei dieser Gelegenheit könnten auch Pläne hinsichtlich der Altersversorgung erörtert werden.
Der Ministerrat faßt daraufhin einstimmig folgenden Beschluß:
Das Finanzministerium wird ersucht, dem Ministerrat über die Versorgung der älteren Kraftfahrer, die für den Fahrdienst nicht mehr geeignet sind, Vorschläge zu unterbreiten.
Staatsminister Zietsch fügt noch hinzu, die älteren Kraftfahrer fielen unter die Zusatzversorgung. Unter Umständen sei er auch bereit, einem Wunsch der Gewerkschaften folgend sie nach 15 Jahren Dienst unkündbar zu machen.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths empfiehlt, dabei auch grundsätzlich die Frage der Einstellungsbedingungen zu klären, die sehr verschiedenartig seien.
Staatsminister Zietsch sichert zu, auch diesem Punkt seine Aufmerksamkeit zu widmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß die Staatsregierung durch einen Beschluß des Ausschusses für Staatsvereinfachung ersucht worden sei, in der Sitzung des Ausschusses am 10. Oktober 1955 mitzuteilen, welche Maßnahmen hinsichtlich der Dienstkraftwagen getroffen worden seien.
Staatsminister Zietsch bemerkt, wie schon erwähnt, sei dies der Anlaß für eine gemeinsame Sitzung von Vertretern aller Ministerien. Ein Entwurf werde vorbereitet, zumindest könne im Ausschuß am 10. Oktober mitgeteilt werden, daß in Kürze eine Entscheidung getroffen werde.
Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß die Bayer. Staatskanzlei diese Richtlinien ausgearbeitet habe, deren Zweck es sei, die Teilnahme von Mitgliedern der Staatsregierung an Veranstaltungen auf das unbedingt notwendige Maß einzuschränken,
U.a. werde vorgeschlagen, bei Veranstaltungen auf internationaler und gesamtdeutscher Ebene die Staatsregierung durch den Ministerpräsidenten vertreten zu lassen, bei Veranstaltungen auf gesamtbayerischer Ebene in der Regel durch den zuständigen Fachminister oder Staatssekretär. Dagegen solle bei Veranstaltungen, denen nur Bedeutung für einen Regierungsbezirk oder gar nur für eine einzelne Stadt zukomme, grundsätzlich eine Vertretung der Staatsregierung entfallen.
In der Theorie seien die Richtlinien ausgezeichnet, er könne nur hoffen, daß sie dann auch in der Praxis befolgt würden. Immerhin werde es schon nützlich sein, sie bekanntzugeben, da sich dann die Mitglieder der Staatsregierung darauf berufen könnten, wenn sie Einladungen ablehnten.
In der Sitzung des Landtagsausschusses für Staatsvereinfachung genüge es wohl, wenn bekanntgegeben werde, daß diese Richtlinien vorbereitet würden.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten faßt der Ministerrat daraufhin einstimmig folgenden Beschluß:
Die von der Bayer. Staatskanzlei ausgearbeiteten Richtlinien für die Teilnahme der Mitglieder der Staatsregierung an öffentlichen Veranstaltungen werden den Staatsministerien zur alsbaldigen Stellungnahme zugeleitet.77
Staatsminister Bezold führt aus, er könne in der heutigen Sitzung noch keinen endgültigen Bericht geben, da heute noch eine bedeutsame Sitzung in Bonn wegen der Kohlenversorgung stattfinde, deren Egebnis wohl abgewartet werden müsse.
Dagegen sei er in der Lage, das Kabinett über eine Sitzung zu unterichten, die vor kurzem bei Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard abgehalten worden sei.79 Dabei seien vor allem folgende Punkte behandelt worden:80
1. In der Sitzung habe man vereinbart, daß die auf dem Baumarkt notwendigen Drosselungsmaßnahmen nicht für den sozialen Wohnungsbau und den Straßenbau, wohl aber für den staatlichen und gemeindlichen Hochbau gelten sollten. Übereinstimmend sei die Meinung vertreten worden, daß auf diesem Gebiet äußerste Zurückhaltung geübt und nach Möglichkeit Bauvorhaben zurückgestellt werden sollten.
2. Großes Gewicht sei auf die Verbilligung der Energieversorgung gelegt worden und
3. sei eine Erörterung in den einzelnen Ländern mit den für die Forsten zuständigen Ministerien in der Frage der Verbilligung der Holzpreise angeregt worden. Diese spiele gerade in Bayern eine besondere Rolle, zumal auch zu ihm als Wirtschaftsminister immer wieder Klagen kämen, daß der Staat an den überhöhten Holzpreisen festhalte.81
Staatsminister Zietsch wendet ein, bis 1953 habe die Staatsforstverwaltung den gebundenen Holzpreis gehabt, während der Preis sonst längst freigegeben worden sei. Es gehe nicht mehr an, daß der Staat bei den Holzpreisen allein an niedrigere Preise gebunden werde.
Staatsminister Bezold fährt fort, auf alle Fälle müßten die drei Punkte auch innerhalb der Bayerischen Staatsregierung besprochen werden, da zu den Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums Stellung zu nehmen sei.
Er empfehle dringend, daß sich die einzelnen Ressorts möglichst bald in Verbindung setzen und die aufgeworfenen Probleme besprechen, zumal sich die Presse auch schon nach den bayerischen Absichten erkundigt habe.
Auf der erwähnten Sitzung sei dann auch die Frage der Kohlenversorgung angeschnitten worden, die sich vor allem hinsichtlich des Hausbrandes zuspitze. Ohne Zweifel werde es möglich sein, genügend Kohle für den Hausbrand aus den Vereinigten Staaten zu erhalten. Der Kohlenhandel beziffere den bisherigen Ausfall auf 25%, während das Bundeswirtschaftsministerium lediglich 14% errechnet habe. Auf alle Fälle werde aber dadurch eine Verteuerung eintreten. Übrigens sei auch von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums zugegeben worden, daß Bayern am schlechtesten dran sei und mit Recht seine Wünsche vorgebracht habe; es sei deshalb auch beabsichtigt, die Transporte in nächster Zeit hauptsächlich nach Bayern zu leiten. Allerdings sei es sehr fraglich, ob es gelingen werde, für den Hausbrand soviel Inlandskohle beizubringen, daß Preiserhöhungen vermieden würden.
Eine Schwierigkeit bestehe darin, daß der Kohlenhandel natürlich geneigt sein werde, mittleren Industriebetrieben auch in Zukunft billige Kohle zu liefern, das werde sich aber möglicherweise zu Ungunsten der Haushalte auswirken, Leider stehe es – wie gesagt – noch dahin, ob der gesamte Hausbrand mit Inlandskohle versorgt werden könne.
Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr habe dem Bundeswirtschaftsministerium bereits vor einem Monat einen Entwurf zugeleitet, der sich mit den Möglichkeiten beschäftige, auf den Kohlenpreis einzuwirken. In erster Linie sei dabei an billiges Heizöl gedacht, wenn auch wegen der hohen Frachtkosten für Bayern Schwierigkeiten entstehen könnten. Das Wirtschaftsministerium habe aber Zoll- und Frachterleichterungen gefordert. Staatssekretär Westrick stehe dieser Anregung zwar aufgeschlossen gegenüber, erkläre aber, die Umstellung auf Heizöl habe schon so große Fortschritte gemacht, daß die Firmen, die die entsprechenden Anlagen lieferten, nicht mehr nachkämen und möglicherweise Preiserhöhungen zu erwarten seien.
Zusammenfassend könne er sagen, daß seitens des Bayer. Wirtschaftsministeriums alles nur irgendmögliche getan worden sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner dankt Herrn Staatsminister Bezold für diesen Bericht und bemerkt, eine weitere Aussprache sei heute wohl überflüssig, da zunächst das Ergebnis der Verhandlungen in Bonn abgewartet werden müsse. Er bitte aber, das Kabinett laufend zu verständigen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer betont, der Strompreis hänge aufs engste mit dem Kohlenpreis zusammen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, einer heute veröffentlichten Meldung zufolge habe das RWE den Strompreis bereits verbilligt.
Staatsminister Zietsch hält es für richtig, auch in Bayern Schritte zur Verbilligung des Stromes zu unternehmen, dies hänge aber in erster Linie von den Überlandwerken ab, die ja die Stromverteiler seien, während das Bayernwerk Stromerzeuger sei.
Staatsminister Bezold bemerkt, das Kabinett müsse wohl überlegen, was hinsichtlich der drei von Bundeswirtschaftsminister Erhard aufgeworfenen Fragen geschehen könne. Er schlage vor, daß sich zunächst die zuständigen Ministerien untereinander besprächen, bevor sich der Ministerrat damit befasse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt diesem Vorschlag zu und stellt fest, daß die Verbilligung des elektrischen Stromes von den zuständigen Staatsministerien der Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr geprüft werden müsse.
Für den Holzpreis sei dagegen das Finanzministerium und das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuständig.
Staatsminister Zietsch fügt hinzu, was den staatlichen Hochbau anlange, so bitte er um Vorschläge des Staatsministeriums des Innern, das sich ja auf Vorarbeiten der Obersten Baubehörde stützen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht abschließend alle beteiligten Ministerien, diesen Punkt so rasch als möglich zur Beratung im Ministerrat vorzubereiten.
Das Kabinett beschließt, die Angelegenheit auf die Tagesordnung der Sitzung vom 11. Oktober zu setzen.82
Staatssekretär Dr. Haas berichtet, die Gespräche mit den Vertretern der „Süddeutschen Zeitung“ und des „Münchner Merkur“ seien inzwischen weiter geführt worden.84 Die für die Herausgabe der bayerischen Staatszeitung zu gründende Gesellschaft werde den Namen führen:
„Verlag Bayerische Staatszeitung GmbH“
Die bisher noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten seien inzwischen beigelegt worden; die Zeitungen hätten jetzt auch die Zustimmung des Herrn Ministerpräsidenten zur Berufung und Entlassung nicht nur des Chefredakteurs, sondern aller Redakteure zugestanden. Ferner sei vereinbart worden, daß die GmbH für das erste Jahr ab 1. Januar 1956 pro Abonnement 1,50 DM abführe, in den nächsten Jahren dann 1,80 DM, was insgesamt 37 500 DM bezw. 45 000 DM bei einer angenommenen Abonnentenzahl von 25 000 ausmache. Von diesen Beträgen wäre allerdings die Vergütung für Herrn König abzuziehen, für den noch eine TOA III Stelle geschaffen werden müsse.
Die bessere Ausstattung der beiden Beilagen der Staatszeitung werde ab 1. April 1956 beginnen. Es sei daran gedacht, die Beilagen ein Jahr später im Tiefdruck herauszubringen. Schließlich weise er noch darauf hin, daß der Vertrag auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und vorher unkündbar sein solle.
Was nun den neuen Chefredakteur anlange, so sei von den Vertretern der Zeitungen angeregt worden, Herrn Mauerer entweder zu behalten oder wenigstens für eine Übergangszeit von ½ Jahr weiter zu beschäftigen. Er habe daraufhin erwidert, der Ministerrat habe die Kündigung des Herrn Mauerer beschlossen, er werde aber wohl nichts dagegen einzuwenden haben, wenn dieser noch ¼ Jahr lang den neuen Chefredakteur bei seiner Tätigkeit unterstütze. Weiter sei vorgeschlagen worden, Herrn Bauer zunächst nicht als Chefredakteur anzustellen, sondern nur mit der Leitung der Redaktion zu beauftragen.
Der vorgesehenen Anstellung des Herrn Bauer habe der Koalitionsausschuß im großen und ganzen zugestimmt.85 Gewisse Vorbehalte seien natürlich noch vorhanden, persönlich kenne er Herrn Bauer nicht näher und habe nur einmal mit ihm gesprochen. Man könne aber die Kündigungsfristen sehr kurz halten, vielleicht sechs Wochen vor Quartalsende. Die von ihm eingeholten Auskünfte über Herrn Bauer lauteten sehr günstig.86
Die Ministerratssitzung wird daraufhin auf eine Stunde unterbrochen und als vertrauliche Sitzung weitergeführt.
Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wird folgender Ministerratsbeschluß mitgeteilt:
Eine Ausschreibung der durch Kündigung freigewordenen Stelle des Chefredakteurs der Bayerischen Staatszeitung findet nicht statt. Mit Wirkung vom l. Januar 1956 an wird Herr Helmut Bauer, Coburg, als Chefredakteur der Bayerischen Staatszeitung angestellt. Im übrigen werden die von Herrn Staatssekretär Dr. Haas vorgetragenen Grundlagen für einen Vertrag mit der Bayerischen Staatszeitung GmbH genehmigt.87
Staatssekretär Dr. Meinzolt nimmt Bezug auf seine Ausführungen im Ministerrat vom 27. September zum Dinkelsbühler Schulfall und führt aus, daß die dortige katholische Bekenntnisschule ebenso wie die evangelische im Jahre 1938 in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt worden sei. Eine im Juli 1945 ergangene Ministerialentschließung habe festgestellt, daß solche Umwandlungen rechtswidrig gewesen seien und deshalb der Zustand vor 1933 wieder hergestellt werden müsse. Im Dezember 1945 sei dann das bekannte Stillhalteabkommen zwischen dem Bayerischen Ministerpräsidenten und den obersten Kirchenbehörden abgeschlossen worden, das auch in Dinkelsbühl Anwendung gefunden habe. Dort habe danach eine evangelische Bekenntnisschule mit katholischem Einschlag bestanden. 1953 sei dann bekanntgeworden, daß der frühere Zustand der Bekenntnisschule in Dinkelsbühl wieder hergestellt werden sollte, es sei aber kein Beschluß gefaßt und auch kein Antrag auf Einführung einer Gemeinschaftsschule gestellt worden. Als die Stadt dann einen Schulhausneubau geplant habe, sei diese Frage wieder aufgetaucht, im April 1955 habe dann ein Gespräch zwischen dem Landrat, dem Bezirksschulrat, dem Bürgermeister und den beiden örtlichen Vertretern der Religionsgesellschaften stattgefunden, in der folgender Beschluß zustande gekommen sei:
Aus der evangelischen Bekenntnisschule89 werden die katholischen Schüler ausgegliedert, so daß also für die 1. mit 5. Klasse je eine katholische und eine evangelische Bekenntnisschule entstehen sollten, während die 6. mit 8. Klasse weiterhin als evangelische Bekenntnisschule, aber auch mit katholischen Schülern verbleiben soll.
Diese Vereinbarung habe noch den Zusatz getragen, daß die Regelung erst verbindlich sei, wenn die kirchlichen Oberbehörden zugestimmt hätten.
Dieser Beschluß sei nicht veröffentlicht worden, die Schulpflegschaft und der Stadtrat hätten ihn aber gebilligt, er sei auch, in Dinkelsbühl bekanntgeworden, nachdem die Stadtrats- und Schulpflegschaftssitzungen öffentlich seien.
Staatssekretär Dr. Haas wirft ein, daß seinen Informationen nach die Sitzungen vertraulich gewesen seien und die Öffentlichkeit in keiner Weise unterrichtet worden sei.
Staatssekretär Dr. Meinzolt fährt fort, der Vorschlag vom April 1955 sei vom Bezirksschulamt der Regierung in Ansbach vorgelegt worden, die ihn an das Kultusministerium weitergeleitet habe.
Das Kultusministerium seinerseits habe in einer Entschließung vom Juli 1955 dazu Stellung genommen und erklärt, keine Einwendungen erheben zu wollen, gleichzeitig aber festgestellt, daß die Zustimmung der kirchlichen Oberbehörden erforderlich sei. Der evangelische Landeskirchenrat habe umgehend sein Einverständnis erklärt, das Bischöfliche Ordinariat in Augsburg dagegen erst unmittelbar vor Schulbeginn, nämlich am 5. September 1955.
In Dinkelsbühl selbst sei nach Schulbeginn die Diskussion über die geplante Regelung fortgegangen, ohne daß allerdings nach dem ersten Sturm später noch besondere Erregung entstanden sei.90
Am 6. September 1955 sei der Bezirksschulrat von Dinkelsbühl nach Ansbach gefahren und habe vorgeschlagen, die geplante Regelung vorläufig durchzuführen, also – wie schon erwähnt – in der Weise, daß zwei Bekenntnisschulen errichtet würden, nämlich eine fünfklassige katholische und eine achtklassige evangelische, wobei in den Klassen 6 mit 8 der evangelischen Bekenntnisschule die katholischen Schüler als Gastschüler zugelassen würden. Der Schulrat in Ansbach habe mündlich zugestimmt und einen Organisationsakt in Aussicht gestellt. Daraufhin habe der Bezirksschulrat am nächsten Tag in Dinkelsbühl sämtliche Erziehungsberechtigte eingeladen mit dem Hinweis, die neue Organisation werde mitgeteilt werden. Die Eltern hätten größtenteils dagegen protestiert und sich dann zu einer Beratung in ein Schulzimmer begeben; in der Aussprache, an der der Landrat, der Bezirksschulrat, die Bürgermeister und die beiden Geistlichen teilgenommen hätten, sei es gelungen, die Eltern zu beruhigen.91
Die Lage in Dinkelsbühl sei demnach so, daß dort jetzt eine achtklassige evangelische Bekenntnisschule und eine fünfklassige katholische Bekenntnisschule, bestünden. Eine Gemeinschaftsschule sei in Dinkelsbühl seit 1945 niemals errichtet worden. Allerdings sei es von der Regierung in Ansbach versäumt worden, die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig durchzuführen und bekanntzugeben und vor allem habe sie es unterlassen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, mindestens drei Monate vor Schulbeginn einen Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu stellen. Dieses Versäumnis sei um so schwerer zu werten, als das Kultusministerium im Jahre 1952 die Regierungen angewiesen habe, Organisationsverfügungen rechtzeitig zu erlassen, damit die Dreimonatsfrist eingehalten werden könne. Zumindest müsse man in diesem Falle also von Fahrlässigkeit sprechen.
Andererseits stehe fest, daß das, was in Dinkelsbühl eingeführt worden sei, nicht contra legem sei, wenn man es auch zu spät bekanntgemacht habe; der jetzige Zustand sei zweifellos rechtens.
Es erhebe sich deshalb die Frage, ob man neue Unruhe hineinbringen wolle; er selbst glaube, davon abraten zu müssen und schlage vor, die Regierung in Ansbach in geeigneter Form zu tadeln und außerdem jetzt schon für das neue Schuljahr bekanntzugeben, daß eine Abstimmung für die Einführung der Gemeinschaftsschule freigegeben werde.
Er widerrate, im gegenwärtigen Zeitpunkt mehr zu tun, weil – wie gesagt – der jetzige Zustand rechtens sei. Wenn man nachträglich eine Abstimmung hinsichtlich der Gemeinschaftsschule herbeiführen würde, könnte gesagt werden, das richte sich gegen die Bekenntnisschule. Eine solche Maßnahme würde s.E. die Unruhe unter den Eltern vermehren.
Staatssekretär Dr. Haas erklärt, der Dinkelsbühler Fall sei besonders deshalb mißlich, weil in Mittelfranken zwei Fälle vorgekommen seien, nämlich in Windsheim und Treuchtlingen, wo man auf die Dreimonatsfrist Rücksicht genommen habe mit dem Ergebnis, daß sich die überwiegende Mehrheit der Eitern für die Gemeinschaftsschule ausgesprochen habe. Er empfehle, auch in Dinkelsbühl jetzt noch die Eltern abstimmen zu lassen. Dort habe man es von vornherein unmöglich gemacht, daß die Dreimonatsfrist eingehalten werde. Geheime Sitzungen hätten stattgefunden, zumindest sei der Öffentlichkeit nichts bekanntgegeben worden. Erst am Tag vor dem Schulbeginn habe man sich entschlossen, den Erziehungsberechtigten mitzuteilen, was eigentlich geschehen sei. Vor allem falle die fehlende Verwaltungsverfügung schwer ins Gewicht.
Nachdem die Frist nicht eingehalten und damit den Eltern die Möglichkeit genommen worden sei, ihr Elternrecht auszuüben, könne man sich auf den Standpunkt stellen, daß der frühere Zustand auf ein Jahr verbleibe, so daß dann die Eltern Gelegenheit hätten, einen Antrag zu stellen.
Staatssekretär Dr. Meinzolt wendet sich mit Nachdruck gegen diesen Vorschlag.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, diese Frage könne heute nicht entschieden werden, deshalb empfehle er, auf die Anfrage der Abg. Dr. Brücher in der heutigen Fragestunde zu antworten:
Es werde erwogen, ob nicht wegen Verletzung der Rechte der Erziehungsberechtigten eine Abstimmung stattzufinden habe.92
Wenn die Staatsregierung der Schulbehörde vorwerfe, sie habe das Elternrecht verletzt, sei es Sache eben dieser Regierung die Eltern zu befragen, ob der frühere Zustand wieder hergestellt werden solle oder nicht.
Staatssekretär Dr. Haas wiederholt seine Auffassung, daß die Dreimonatsfrist hätte eingehalten werden müssen, die Eltern also nicht darüber zu entscheiden brauchten, ob der Status quo wiederherzustellen sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner betont, es handle sich jetzt nicht darum, eine Entscheidung des Ministerrats zu treffen, sondern festzulegen, welche Antwort Herr Staatssekretär Dr. Meinzolt heute im Landtag geben könne.
Staatssekretär Dr. Meinzolt schlägt vor, daß er ungefähr folgendes erkläre:
Die Neuordnung in Dinkelsbühl ist ohne rechtzeitige Verständigung der Erziehungsberechtigten geschehen, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus prüft, in welcher Weise dem Willen der Erziehungsberechtigten Rechnung getragen werden kann.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.93
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, sämtliche Länder hätten bereits der vorgesehenen Umschuldung von hochverzinslichen und kurzfristigen Vertriebenenkrediten durch eine Anleihe der Lastenausgleichsbank in Höhe von 100 Mio DM zugestimmt. Er halte es nicht für richtig, wenn Bayern allein seine Einwilligung versage.
Staatsekretär Dr. Guthsmuths erklärt, das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr habe zu den letzten Noten des Finanz- und des Arbeitsministeriums noch nicht Stellung nehmen können; er glaube aber, daß eine Einigung unter den beteiligten Ministerien möglich sei, so daß die Angelegenheit nicht mehr im Ministerrat besprochen werden müsse.
Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:
Der Ministerrat stimmt dem Vorschlag des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, eine Anleihe der Lastenausgleichsbank in Höhe von 100 Mio DM zur Umschuldung von hochverzinslichen und kurzfristigen Vertriebenenkrediten aufzulegen unter der Voraussetzung zu, daß sich die beteiligten Staatsministerien der Finanzen, für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge einigen.95