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Nr. 47MinisterratssitzungDienstag, 27. September 1955 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatsekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Herr Pfefferkorn (Bayer. Staatskanzlei).

Tagesordnung:

I. Bericht über die Verhandlungen der Auswärtigen Ausschüsse des Bundesrats und des Bundestags am 21. September 1955. II. Bayerische Staatszeitung. III. Tarifverhandlungen. IV. Finanzverfassung. V. Schloßgut Höhenried. VI. Schulfall in Dinkelsbühl. VII. Personalangelegenheiten. VIII. Besprechung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Schulpflichtgesetzes im Bayer. Senat. IX. Behandlung von Anfragen von Abgeordneten des Bayer. Landtags. X. Kohlenversorgung in Bayern. XI. Spielbank in Bad Kissingen. XII. Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats.

Zu Beginn der Sitzung dankt Ministerpräsident Dr. Hoegner den Herren Ministern und Staatssekretären für die Glückwünsche zu seinem Geburtstag.

I.Bericht über die Verhandlungen der Auswärtigen Ausschüsse des Bundesrats und des Bundestags am 21. September 1955

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dann einen eingehenden Bericht über den Verlauf der gemeinsamen Sitzung der auswärtigen Ausschüsse des Bundesrats und Bundestags vom 21. September 1955, auf der Bundeskanzler Dr. Adenauer die Mitglieder der Ausschüsse über den Verlauf der Moskauer Besprechungen unterrichtete.1

Der Bericht wird zur Kenntnis genommen.

II.Bayerische Staatszeitung2

Staatssekretär Dr. Haas führt aus, im Termin vom 20. September 1955 vor dem Schiedsgericht habe der Vertreter des Pflaum-Verlags einen neuen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der dahin gehe, daß das Vertragsverhältnis am 31. Dezember 1955 ende, der Verlag aber eine Abfindung von 25 000 DM erhalte.3 Dafür sei der Pflaum-Verlag bereit, auf die Urheberrechte an den Beilagen der Staatszeitung „Unser Bayern“ und „Der Staatsbürger“ zu verzichten und außerdem die Abonnentenkartei rechtzeitig auszuhändigen. Eine Aussicht, den geforderten Betrag von 25 000 DM zu verringern, bestehe nicht mehr.

Am Donnerstag, den 22. September 1955 habe er eine Besprechung mit den Vertretern der „Süddeutschen Zeitung“ und des „Münchner Merkur“ gehabt.4 Beide Zeitungen, die zur Herausgabe der Staatszeitung eine GmbH gründen wollten, seien bereit, den geforderten Betrag von 25 000 DM unter der Bedingung zu übernehmen, daß die vorgesehene Vertragszeit um ein Jahr verlängert werde. Die GmbH werde in die Staatszeitung erheblich investieren müssen, wenn sie ihre Absicht, den Bezieherkreis zu erhöhen, verwirklichen wolle. Ein weiterer Wunsch gehe dahin, daß die Zustimmung des Herrn Ministerpräsidenten nur für die Anstellung und Entlassung des Chefredakteurs, nicht aber auch der übrigen Redakteure vorbehalten bleibe. Er habe keine Bedenken, auf diesen Vorschlag der Zeitungen einzugehen.

Die bisherigen Beilagen werde die GmbH weiterhin herausbringen; außerdem lege sie Wert auf die Räume der Staatszeitung in der Reitmorstraße. Beabsichtigt sei, in Zukunft die Staatszeitung im Süddeutschen Verlag drucken zu lassen, den Vertrieb, die Werbung und die Buchhaltung dagegen dem Verlag des Münchner Merkur zu übertragen. Das künftige Format werde in der Höhe dem der „Süddeutschen Zeitung“ gleich sein, während die Breite der des „Münchner Merkur“ entspreche.

Eine gewisse Schwierigkeit bestehe noch hinsichtlich der Beilagen „Unser Bayern“ und „Der Staatsbürger“. Nachdem die Beilagen auch als Unterrichtsmaterial usw. gedacht seien, habe er bei den Verhandlungen mit den Zeitungen den Wunsch ausgesprochen, daß besseres Papier und der sogenannte Illustrationsdruck verwendet werde. Da dies aber eine erhebliche Verteuerung bedeute, erklärten die Vertreter der Zeitungsverlage, unter diesen Umständen könnten im Jahr nur 1 DM pro Abonnement abgeliefert werden, also bei einer Abonnentenzahl von 23 000 rund 23 000 DM im Jahr. Ursprünglich habe die vom Pflaum-Verlag verlangte Ablieferung etwa 69 000 DM betragen, sie habe sich dann infolge der Beilagen auf etwa 45 000 DM verringert. Da aber ständig Nachlässe usw. gewährt worden seien, habe auch der Pflaum-Verlag praktisch nur zwischen 31–35000 DM abgeliefert. Er sei der Auffassung, daß die neue GmbH eine mindestens ebenso hohe Ablieferung tätigen müsse, zumal sie beabsichtige, den monatlichen Bezugspreis von 4,20 DM auf 4,80 DM zu erhöhen. Er halte es für durchaus tragbar, wenn pro Abonnement im Jahr 1,80 DM abgeliefert würden.

Er bitte nun den Ministerrat ihn zu beauftragen, die Verhandlungen im einzelnen weiter zu führen. Der Vertrag könne in den nächsten Tagen abgeschlossen werden und zwar – wie schon gesagt – auf der Grundlage von 1,80 DM pro Abonnement, was im Jahr etwa 41 400 DM ausmache.5

Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, keine geringere Ablieferung im Haushalt erscheinen zu lassen als bisher. Notfalls könne man auf eine bessere Ausstattung der Beilagen verzichten.

Staatsminister Zietsch meint, in erster Linie komme es darauf an, die Auflage der Staatszeitung zu erhöhen. S.E. reiche auch eine Ablieferung von 30 000 DM im Jahr aus. Allerdings wäre es sehr wertvoll, wenn die Beilagen besser ausgestattet werden könnten. Auf alle Fälle müsse die Ablieferung feststehen, es gehe nicht an, daß wie bisher Nachlässe gewährt würden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner betont nochmals, ihm liege besonders viel daran, daß der Ablieferungsbetrag die gleiche Höhe wie bisher habe. Damit dürfte der Ministerrat wohl einverstanden sein.

Der Ministerrat beschließt einstimmig seine Zustimmung.

Staatssekretär Dr. Haas fügt noch hinzu, der vorgeschlagene Vergleich mit dem Pflaum-Verlag werde also heute nachmittag abgeschlossen werden.6

Anschließend gibt Staatssekretär Dr. Haas einen Bericht über die bisherigen Verhandlungen zur Berufung des neuen Chefredakteurs. Bisher habe sich nur Herr Helmut Bauer, der Redakteur an der Neuen Presse in Coburg sei, beworben. Die über ihn eingeholten Auskünfte lauteten sehr günstig. Herr Bauer habe auch schon einige Male in der Bayer. Staatszeitung geschrieben.

Nach längerer Aussprache wird folgender Beschluß gefaßt:

Die Bayer. Staatskanzlei übermittelt noch heute einen Lebenslauf des Herrn Bauer und die über diesen eingeholten Erkundigungen an die Fraktionen der Koalitionsparteien. Wenn seitens der Fraktionen keine Bedenken erhoben werden, wird die Staatskanzlei ermächtigt, Herrn Helmut Bauer als neuen Chefredakteur zu berufen.

Anschließend wird noch vereinbart, daß die Unterlagen dem Herrn Ministerpräsidenten, Herrn Staatssekretär Eilles, Herrn Staatssekretär Dr. Haas und Herrn Staatssekretär Simmel zur Unterrichtung der Fraktionen übergeben werden.7

Bayerische Staatszeitung

III.Tarifverhandlungen

Staatsminister Zietsch gibt einen Überblick über die derzeitigen Verhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder einerseits und der Gewerkschaft ÖTV, sowie der Deutschen Angestelltengewerkschaft andererseits. Die Lage sei sehr unübersichtlich, zumal die Forderungen der Gewerkschaften erheblich voneinander abwichen. Im einzelnen handle es sich jetzt sowohl um die Waldarbeiterlöhne, wie um die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst. Gefordert werde eine Erhöhung der Stundenlöhne um 18 Pfg. sowie Gehaltserhöhungen bei den Angestellten zwischen 10 und 17%, Verkürzung der Arbeitszeit usw.

Es herrscht – wie gesagt – noch große Unsicherheit über den weiteren Ablauf der Dinge, es sei aber zu hoffen, daß sich bis 15. Dezember 1955 eine Lösung finden lasse. Auf alle Fälle müsse mit höheren Personalkosten gerechnet werden, schätzungsweise 30–40 Mio DM.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.

IV.Finanzverfassung

Staatsminister Zietsch fährt fort, die in der Süddeutschen Zeitung wiedergegebenen Bemerkungen des Bundesfinanzministers über die Verhandlungen hinsichtlich der Finanzverfassung müßten mißverstanden worden sein, da das Einverständnis der Länder in der Tat nicht vorliege.8 In der zweiten Oktoberhälfte werde nochmals versucht werden, eine Lösung zu finden. Er bitte aber zu beachten, daß von Seiten des Bundestags die Neigung, auf die berechtigten Forderungen der Länder einzugehen, immer geringer werde. Es sei deshalb notwendig, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern immer enger zu gestalten und ständig in Fühlung zu bleiben. Er warne dringend davor, irgendetwas ohne zwingende Gründe aufzugeben.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt daraufhin fest, daß es fast unmöglich sei, aus den finanziellen Schwierigkeiten herauszukommen. Jedesmal, wenn man vor der Aussicht stehe, den Staatshaushalt abzugleichen, kämen wieder neue Forderungen. Was die Bemerkungen des Bundesfinanzministers betreffe, so habe er den Eindruck, daß dieser sich über die Tragweite seiner Ausführungen nicht im klaren gewesen sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner erkundigt sich dann, wie es mit der Vermögensteuer und mit dem Bundesanteil von 33 ⅓% an der Einkommen- und Körperschaftsteuer stehe. Außerdem bitte er um Auskunft, ob das Finanzanpassungsgesetz bereits in Kraft sei oder nicht und wie es sich mit den Vorschlägen, die Einkommensteuer zwischen Bund und Ländern zu teilen, verhalte.

Staatsminister Zietsch erwidert, die Frage der Vermögenssteuer sei durch die Änderung des Lastenausgleichsgesetzes geklärt. Bekanntlich hätten die Länder eine Garantie bis zum Jahre 1959 für das Aufkommen aus dem Lastenausgleich übernommen unter der Bedingung, daß die Vermögenssteuer, die ihnen jetzt wieder zurückgegeben sei, höchstens bis zu 90% für die Garantiesumme verwendet werden dürfe. Diese Regelung sei für die Länder zweifellos günstig, zumal die Vermögenssteuer vorläufig noch im Ansteigen sei.

Was den Bundesanteil betreffe, so hielten die Länder auch für das Haushaltsjahr 1955 daran fest, daß der Anteil 33 ⅓ % zu betragen habe, damit werde man wohl durchkommen, nachdem sich auch die Bundessteuern günstig entwickelten.

Das Finanzanpassungsgesetz sei am 1. April 1955 in Kraft getreten, Wenn man mit der Finanzanpassung nicht zurecht komme, werde wohl die in Art. 107 GG gesetzte Frist verstreichen, so daß es in Zukunft bei der Regelung des Art. 106 Abs. 3 GG verbleibe. In diesem Falle beabsichtigten die Länder, auf dieser Grundlage den Bundesanteil auf 2–3 Jahre mit einer sogenannten Katastrophenklausel festzulegen; auf diese Weise wüssten dann jedenfalls Bund und Länder, wie sie daran seien.

Auf Frage von Staatssekretär Weishäupl erwidert Staatsminister Zietsch, die Verhandlungen hinsichtlich der Tarife im öffentlichen Dienst seien noch im Gange, die Tarifpartner seien vorläufig noch sehr weit auseinander.

V.Schloßgut Höhenried9

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Präsident des Bayer. Senats, Herr Dr. Singer, habe ihm erklärt, es sei durchaus möglich, das Schloßgut Höhenried rentabel zu machen, deshalb solle sich der bayerische Staat das Gut nicht entgehen lassen.

Staatsminister Dr. Baumgartner stellt sich auf den Standpunkt, es sei nicht angebracht, ein solches Luxusschloß zu erwerben; abgesehen davon, daß schon andere Interessenten für das Gut aufgetreten seien; er jedenfalls könne nicht vorschlagen, den Besitz für den Staat zu erwerben.

Staatssekretär Dr. Panholzer fügt hinzu, der Schloßpark und der Uferstreifen seien nicht gefährdet, da dieses Gelände unter Landschaftsschutz gestellt werden könne. Auch er sei der Auffassung, daß der Aufwand für das Schloß heute viel zu groß sein werde, nachdem z.B. allein für die Unterhaltung der Gärten bisher 18 Gärtner beschäftigt gewesen seien.

Staatsminister Zietsch empfiehlt, die Entwicklung abzuwarten, nachdem noch nicht übersehen werden könne, welche Pläne die Erben eigentlich hätten. Möglicherweise werde zum Schluß ein Teil des Besitzes übrig bleiben, der dann für den Staat von Wert werden könne. Er halte es aber nicht für zweckmäßig, bereits jetzt als Interessent aufzutreten. Er empfehle aber, daß sich die für den Landschaftsschutz zuständige Stelle einschalte.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwähnt noch, daß die Bayer. Landessiedlung bei dem landwirtschaftlich genutzten Teil des Gutes das Vorkaufsrecht habe, während Staatssekretär Dr. Meinzolt darauf aufmerksam macht, daß bereits zwei Verbände als ernsthafte Bewerber aufgetreten seien.

Ministerpräsident Dr. Hoegner betont abschließend, die Angelegenheit müsse im Auge behalten werden um zu verhindern, daß das Gut zertrümmert werde und die Allgemeinheit das Nachsehen habe.10

VI.Schulfall in Dinkelsbühl11

Staatssekretär Dr. Meinzolt führt aus, bekanntlich seien im Jahre 1938 von den Nationalsozialisten alle evangelischen und katholischen Bekenntnisschulen beseitigt und in Gemeinschaftsschulen umgewandelt worden. Im Juli 1945 habe das Kultusministerium dann einen Erlaß herausgegeben, diese Gemeinschaftsschulen wieder in Bekenntnisschulen zurückzuverwandeln. Da eine solche Maßnahme in Dinkelsbühl eine große Härte bedeutet hätte, habe man dort davon abgesehen, gestützt auf das sogenannte Stillhalteabkommen, das zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten12 und den bayerischen Bischöfen im Dezember 1946 abgeschlossen worden sei.

Heuer sei nun in Dinkelsbühl der Gedanke aufgetaucht, ein neues Schulhaus zu bauen. Dies habe das Ordinariat in Augsburg veranlaßt zu erklären, die Notzeit der ersten Nachkriegsjahre sei vergangen und jetzt müsse das vollzogen werden, was 1945/46 unterblieben sei. Die örtliche Schulbehörde habe versucht, einen Ausgleich zu finden und zwar in der Weise, daß sowohl eine katholische als auch eine evangelische Bekenntnisschule für die unteren fünf Klassen, dagegen für die oberen drei Klassen ( 6.–8. Klasse ) eine christliche Gemeinschaftsschule errichtet werden solle.13

Dieser Plan sei der Regierung in Ansbach vorgelegt worden, die damit einverstanden gewesen sei. Der Landeskirchenrat habe zugestimmt, schließlich auch das Ordinariat in Augsburg, freilich erst drei Tage vor Schulbeginn. Da die endgültige Entscheidung der Regierung in Ansbach noch gefehlt habe, habe das Bezirksschulamt in Dinkelsbühl von sich aus gehandelt und den Eltern bei Schulbeginn die neuen Schulverhältnisse mitgeteilt. Da daraufhin bei den Eltern große Erregung entstanden sei, hätten sich der Bürgermeister von Dinkelsbühl und der zuständige Landrat eingeschaltet mit dem Erfolg, daß der neue Plan durchgeführt worden sei. Schwierig sei allerdings, daß in den drei oberen Klassen die Schülerzahl zu groß sei. Die Regierung in Ansbach, welche die Organisationsverfügung noch nicht erlassen hatte, habe davon erfahren und sie werde jetzt die Verfügung nachholen.

Zweifellos sei es ein Fehler der örtlichen Schulbehörde gewesen, ohne Entschließung der Regierung die Neuordnung einzuführen, ebenso sei es nicht richtig gewesen, daß die Regierung die Entscheidung so lange hinausgezogen habe. Der jetzige Zustand, der dem von 1945 entspreche, sollte aber belassen werden. Den Eltern sei es unbenommen, im neuen Schuljahr Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu stellen.

Staatssekretär Dr. Haas bezeichnet den ohne Genehmigung des Regierungsschulamts geschaffenen Schulstand als außerordentlich bedauerlich und formell ungesetzlich.14 Nachdem das Ordinariat in Augsburg seine Zustimmung verzögert habe, hätte der bisherige Zustand für das Schuljahr 1955/56 beibehalten werden müssen.

Staatssekretär Dr. Meinzolt wiederholt, daß er das Verhalten des Bezirksschulamts und des Regierungsschulamts nicht für richtig halte. Immerhin komme man nicht daran vorbei, daß jetzt ein Zustand hergestellt sei, der rechtens sei. Ein Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule könne nur drei Monate vor Schuljahrsbeginn gestellt werden.

Staatssekretär Dr. Haas erwidert, der jetzige Zustand sei nicht rechtens, weil eine Organisationsverfügung gefehlt habe. Den Eltern hätte rechtzeitig die Möglichkeit gegeben werden müssen, sich zu entscheiden. Er spreche sich dafür aus, den Bezirksschulrat, der fehlerhaft gehandelt habe, zu versetzen.

Staatsminister Stain fügt hinzu, auch er sei der Auffassung, es seien hier Verhältnisse geschaffen worden, die nicht durch das Schulorganisationsgesetz ihre rechtliche Grundlage erhalten hätten. Infolgedessen halte er es für notwendig, nachträglich noch eine Abstimmung der Eltern zuzulassen. Was in Dinkelsbühl geschehen sei, verletze das Elternrecht.

Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt, er sei bereit, ein Dienststrafverfahren gegen den Dinkelsbühler Bezirksschulrat durchzuführen; den größeren Fehler habe aber sicherlich die Regierung in Ansbach gemacht. Er rate ab, heute eine Entscheidung zu treffen, er sei aber bereit, den Sachverhalt nochmals aufzuklären.

Auf Vorschlag von Staatsminister Dr. Baumgartner (der in zeitweiliger Abwesenheit des Herrn Ministerpräsidenten den Vorsitz führt) wird folgender Beschluß gefaßt;

Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus wird gebeten, in der nächsten Sitzung über den weiteren Verlauf der Angelegenheit zu berichten.

Staatssekretär Dr. Haas ersucht, auch über die anderen Schulfälle zu berichten, auf die Frau Abg. Dr. Brücher in einem Schreiben an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus aufmerksam gemacht habe. U.a. handle es sich darum, daß eine Beamtin des Kultusministeriums eine konfessionelle Landfrauenschule in Schwaben zugelassen habe.

Staatsminister Rucker sichert zu, diesen Fall zu überprüfen.15

Bekenntnisschule

VII.Personalangelegenheiten

1. Der Ministerrat beschließt, den Ministerialdirigenten Dr. Helmut Bachl im Staatsministerium der Finanzen zum Ministerialdirektor im Staatsministerium für Unterricht und Kultus zu ernennen.

2. Regierungsvizepräsident Frhr. von Teuchert

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß im Ministerrat vereinbart worden sei, den Vizepräsidenten an der Regierung von Oberbayern, Freiherrn von Teuchert, als Regierungspräsident in Augsburg vorzusehen. Freiherr von Teuchert habe ihm nun erklärt, er habe sich bereits vor etwa einem Jahr gebunden, als Nachfolger des derzeitigen Generaldirektors in die Verwaltung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds einzutreten und könne deshalb die Berufung als Regierungspräsident in Augsburg nicht annehmen.

Er bitte deshalb den Herrn Staatsminister des Innern, nach Schluß der Sitzung zu einer Besprechung mit ihm zu kommen, damit dem Ministerrat neue Vorschläge für Augsburg vorgelegt werden könnten.16

VIII.Besprechung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Schulpflichtgesetzes im Bayer. Senat17

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Landtagsdienst Nr. 17 vom 22. September 1955 enthalte einen Bericht über die Besprechung dieses Gesetzentwurfs im Senat. Dem Bericht zufolge habe Senator Vogel die Vorschläge der Regierung als unsinnig, und die für die Änderung des Schuljahrsbeginns angegebenen Gründe als „teilweise direkt als blöd“ bezeichnet.

Er habe nun einen Brief an den Präsidenten des Bayer. Senats entworfen, in dem er gegen diesen Plan schärfste Verwahrung einlege.18 Er bitte aber die Herren Kabinettsmitglieder um Äußerung, ob man auf diese Angelegenheit überhaupt eingehen solle.

Nach kurzer Aussprache wird vereinbart, daß Herr Staatssekretär Dr. Meinzolt bei der nächsten Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses des Senats gegen die Äußerungen des Senators Vogel entsprechend auftrete.19

Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Schulpflicht vom 15. Juli 1957

IX.Behandlung von Anfragen von Abgeordneten des Bayer. Landtags

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, ein Abgeordneter der Opposition habe ein Ministerium um eine Auskunft ersucht.

Er habe daraufhin die Antwort erhalten, die betreffende Angelegenheit sei am soundsovielten der Öffentlichkeit mitgeteilt worden.

Über diese Antwort beschwere sich der Abgeordnete mit vollem Recht. Er bitte dringend, in Zukunft darauf zu achten, daß Abgeordnete stets höflich behandelt und ihnen auch dann schriftliche Auskünfte erteilt würden, wenn die betreffenden Dinge bereits in der Presse bekannt gegeben worden seien.

X.Kohlenversorgung in Bayern

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt an Staatsminister Bezold die Frage, ob er in der nächsten Kabinettssitzung einen Bericht über die Kohlenversorgung der bayerischen Wirtschaft und der bayerischen Haushaltungen abgeben könne.

Staatsminister Bezold sichert zu, über diese Frage in der nächsten Sitzung zu berichten.20

XI.Spielbank in Bad Kissingen21

Staatsminister Dr. Geislhöringer verliest ein Schreiben des Kurvereins Bad Kissingen, in dem ausgeführt werde, daß die Abgaben für die Spielbank in Bad Kissingen viel zu hoch seien.22 Der Konzessionsinhaber, Gembicki, habe sich bereits an das Finanzministerium gewandt.23

Staatsminister Dr. Baumgartner fügt hinzu, es werde behauptet, daß die Abgaben sich auf nicht weniger als 97% beliefen.

Wenn das zutreffe, so könne dies nicht aufrecht erhalten bleiben, er bitte jedoch um baldige Nachprüfung des Sachverhalts.

Staatssekretär Dr. Panholzer bestreitet entschieden die Höhe der Abgaben.

Der Ministerrat faßt folgenden Beschluß:

Die Staatsministerien des Innern und der Finanzen werden beauftragt, die Verhältnisse bei der Spielbank in Bad Kissingen nachzuprüfen.24

Spielbanken

XII.Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats25

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, er habe vom Bayer. Bevollmächtigten in Bonn erfahren, daß die Frage des Wechsels des Vorsitzes im Auswärtigen Ausschuß unter Ministerpräsident Dr. Ehard eine Rolle gespielt habe. Damals bereits hatte Herr Leusser Herrn Ministerpräsidenten Ehard mitgeteilt, daß eine Änderung im Vorsitz beabsichtigt sei.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.

Abschließend wird vereinbart, die Besprechung der Note des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge vom 19. September 1955 betreffend Federführung beim Personalvertretungsgesetz zurückzustellen.26

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär