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Nr. 42MinisterratssitzungDienstag, 16. August 1955 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 12 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium).

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Bemerkungen des Ministerpräsidenten zur politischen Lage. II. Durchführung der im Rahmen des deutschen Verteidigungsbeitrags anfallenden Bauangelegenheiten durch die Landesvermögens- und Bauabteilungen der Oberfinanzdirektionen. III. Armeemuseum, Kriegerdenkmal und ehemaliges Preysing-Palais in München. IV. Neubau der Universitätskliniken in München. V. Entwurf eines Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz LStVG). VI. Personalangelegenheiten. VII. Errichtung eines Atom-Meilers in München. VIII. Vorschläge für die Standorte deutscher Garnisonen. IX. Übertragung der Ausübung des Begnadigungsrechts bezüglich der Strafurteile, die von alliierten Gerichten verhängt sind. X. Abtretung von Grundstücken der Saline Rosenheim. XI. Vollzug der Preisüberwachung (Einsatz der Landpolizei). XII. Sonderleistungsprogramm der Koalitionsregierung; hier: Bau von 8000 Wohnungen für Evakuierte, Kinderreiche usw. XIII. Wiedererrichtung der Oberpostdirektion Augsburg. XIV. Herausgabe der Ministerratsprotokolle von 1918–1933 durch die Kommission für bayerische Landesgeschichte. XV. 400-Jahrfeier des Augsburger Religionsfriedens 22.–25. September 1955 in Augsburg. XVI. Ernennung eines Generalmusikdirektors für die Staatsoper in München. XVII. Bundesmietengesetz. XVIII. Landeskundgebung der Vertriebenen in Kronach am 6. und 7. August 1955. XIX. Ehemaliges Konzentrationslager Dachau.

I.Bemerkungen des Ministerpräsidenten zur politischen Lage

1.Feierlichkeiten zum Tod von Kronprinz Rupprecht1

Die Feierlichkeiten beim Tod und beim Begräbnis des Kronprinzen Rupprecht seien sehr würdig und eindrucksvoll verlaufen, dabei sei keinerlei Mißton festzustellen gewesen.2 Am Sonntag darauf sei dann in Bad Tölz eine Feier zur Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1705 abgehalten worden,3 bei der der Abt von St. Bonifaz in München, P. Hugo Lang, während einer Feldmesse gesprochen habe.4 Unmittelbar vor Beginn der Feier habe der Abt den Sohn des Prinzen Albrecht auf einen besonderen Betstuhl geholt und ihn begrüßt. Die Predigt selbst habe zum größten Teil eine Propaganda für das Haus Wittelsbach dargestellt.5

Diese Ausführungen habe er als Ministerpräsident nicht einfach hinnehmen können und deshalb in seiner Ansprache darauf hingewiesen, daß sich die Zeiten geändert hätten, die Monarchie im Jahre 1918 von ihren eigenen Anhängern im Stich gelassen worden sei und sich im Jahre 1946 dreiviertel der bayerischen Bevölkerung für die neue Verfassung und damit für die Republik entschieden hätten. Staatsoberhaupt sei jetzt der Bayerische Ministerpräsident.

Erbprinz Albrecht selbst, der sich übrigens jetzt Herzog Albrecht von Bayern nenne, stehe auf dem Standpunkt, daß die Ansprache des Abtes Hugo Lang sehr unglücklich gewesen sei.6

2.Landratswahl in Mindelheim

Die Niederlage des Kandidaten der Bayernpartei, Herrn Abg. Nerlinger bei der Landratswahl in Mindelheim sei sicher zum Teil auf die schwache Wahlbeteiligung zurückzuführen. In den größeren Orten sei viel weniger als auf dem flachen Lande gewählt worden, was bedeute, daß offenbar die Anhänger7 der übrigen Koalitionspartner den Kandidaten der Bayernpartei nicht genügend unterstützt hätten. Dazu komme, daß Abg. Haisch (CSU) ein sachlicher, ruhiger und beliebter Mann sei, der in dem vorwiegend landwirtschaftlichen Landkreis Mindelheim als Vertreter des Bauernverbandes zweifellos einen Vorteil gehabt habe.

Die Sache sei jedenfalls nicht angenehm, zumal die CSU den Ausgang der Wahl als Sieg auslege. Er halte es für notwendig, die Angelegenheit im nächsten Koalitionsausschuß zu besprechen.8

3.Artikel Hanns Seidels in der Süddeutschen Zeitung9

In der letzten Sonntagsnummer der Süddeutschen Zeitung sei ein Aufsatz des Führers der Opposition, Abg. Dr. Seidel, erschienen, der eine Reihe von unbegründeten Vorwürfen, insbesondere was den Atom-Meiler anlange, enthalte.10 Er habe es für notwendig gehalten, eine Antwort zu verfassen und an die Süddeutsche Zeitung zu schicken.

II.Durchführung der im Rahmen des deutschen Verteidigungsbeitrags anfallenden Bauangelegenheiten durch die Landesvermögens- und Bauabteilungen der Oberfinanzdirektionen11

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert an die Besprechung dieses Punktes im Ministerrat vom 1. August 1955 und erklärt, aus einem Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen gehe hervor, daß über diese Bauangelegenheiten bereits ein Abkommen zwischen dem Bund und Bayern abgeschlossen worden sei. Es werde deshalb vorgeschlagen, das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 18. Juli 1955 als gegenstandslos zu betrachten.

Außerdem weise das Staatsministerium der Finanzen darauf hin, daß die Staatskanzlei in einigen Fällen unmittelbare Weisungen an die Oberfinanzdirektionen erteilt habe. Er selbst habe ebenso wenig wie Herr Staatssekretär Dr. Haas davon Kenntnis gehabt, offenbar habe Herr Penzel hier selbständig gehandelt.

Staatssekretär Dr. Panholzer fügt hinzu, es gehe nicht an, daß die Staatskanzlei ohne Verständigung des Finanzministeriums Weisungen erteile.

Was die Bauangelegenheiten angehe, so besage das vom Herrn Ministerpräsidenten erwähnte Abkommen, daß alle Bauaufträge von den Ländern als Auftragsverwaltung durchgeführt werden müßten. Das Bundesfinanzministerium habe dieses Abkommen zwar anerkannt, aber gewisse Bedingungen daran geknüpft. Auf alle Fälle müsse das Bayer. Staatsministerium der Finanzen verständigt werden, wenn diese Aufträge einliefen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß also in dieser Sache folgendes geschehen müsse:

1. An das Bundesfinanzministerium wird ein Schreiben im Sinne der Stellungnahme des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen gerichtet.

2. Herr Penzel erhält die Weisung, daß er künftig keine Weisungen an Behörden zu erteilen hat, die dem Staatsministerium der Finanzen nachgeordnet sind.

In diesem Zusammenhang bemerkt Staatssekretär Dr. Guthsmuths, in der vergangenen Woche sei in der Presse ein Bericht über die zukünftigen Garnisonen veröffentlicht worden, der auf Herrn v. Wolff zurückgehe. Obwohl die Angelegenheit noch völlig offen sei, enthalte der Bericht schon eine Reihe von Einzelheiten.

Staatssekretär Dr. Haas erklärt, Herr v. Wolff habe sich nach seiner Darstellung nur ganz unverbindlich mit Pressevertretern unterhalten; selbstverständlich sei er dazu nicht berechtigt gewesen, er habe ihm auch sehr deutlich die Meinung über sein selbständiges Vorgehen gesagt.

III.Armeemuseum, Kriegerdenkmal und ehemaliges Preysing-Palais in München12

Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 26. Juli 1955, in der ausgeführt werde, der Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, das Kriegerdenkmal in den Bereich des Hofgartens zu verlegen, sei nicht durchführbar.13 Das Finanzministerium halte nach wie vor daran fest, daß das Denkmal aus dem Hofgarten entfernt und in die Feldherrnhalle überführt werden solle.

An der ganzen Frage sei in erster Linie die Stadt München beteiligt, die nicht übergangen werden könne. Die Staatsregierung dürfe es der Stadt auch nicht ersparen, verbindlich Stellung zu nehmen. Er schlage deshalb vor, heute einen Beschluß zu fassen, wonach die Stadt München aufgefordert werde mitzuteilen, welchen Standpunkt sie hinsichtlich der Verlegung einnehme.

Staatsminister Rucker stellt fest, daß der Rundfunk offiziell sich zu dem Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus noch nicht geäußert habe. Er habe den Eindruck, daß der Rundfunk tatsächlich gar nicht mehr beabsichtige, das Armeemuseum umzubauen.

Was nun die Verlegung betreffe, so sei er ursprünglich auch für diesen Plan gewesen, habe aber inzwischen seine Meinung geändert. Das Kriegerdenkmal im Hofgarten bestehe bekanntlich aus zwei Teilen, nämlich aus der eigentlichen Denkmalsanlage und der Figur des gefallenen Soldaten. Wenn nun diese Figur verlegt werde, so werde damit das ganze Denkmal zerstört. Er sei überzeugt, daß sich dagegen überall Widerspruch erheben werde. Auf alle Fälle müsse sich mit den Plänen noch der Koordinierungsausschuß befassen.

Staatssekretär Weishäupl bestätigt, daß die Münchner Bevölkerung ganz überwiegend gegen die Verlegung sei.

Dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten entsprechend beschließt der Ministerrat, die Stadt München offiziell zu einer Stellungnahme aufzufordern.14

Armeemuseum

IV.Neubau der Universitätskliniken in München15

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, mit Schreiben vom 28. Juli 1955 bitte der Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus um einen Beschluß des Ministerrats über die Frage, ob der Neubau der Universitätskliniken auf dem bisherigen Gelände oder am südwestlichen Stadtrand Münchens errichtet werden solle.16 Es handle sich hier um eine sehr bedeutsame Entscheidung, da der Wiederaufbau der Kliniken am alten Platz Kosten in Höhe von etwa 100 Mio DM erfordere, während sich bei einer Verlegung diese Kosten auf 165 Mio DM erhöhen würden. Natürlich müsse man bei der Entscheidung an die Zukunft denken, da die Stadt München zweifellos weiter wachsen werde und die Kliniken nicht mehr erweitert werden könnten, wenn man sie im Stadtinneren neu errichte.

Staatsminister Rucker bestätigt, daß eine andere Lösung als die Verlegung an den Stadtrand nicht in Frage komme. Schwierig zu entscheiden sei aber, auf welchem Gelände die Kliniken errichtet werden sollten. Zunächst habe man Grundstücke hinter Großhadern ausgewählt, deren Ankauf etwa 3 Mio DM erfordern werde. Dieses Gelände habe allerdings den Nachteil, daß es keine Verbindung mit der Stadt München habe. In dieser Hinsicht sei ein weiteres Gelände in Nymphenburg besser geeignet. Die medizinische Fakultät gebe den Vorzug einem Gelände in Harlaching, südlich des Sanatoriums, das in nächster Nähe des Verkehrsnetzes liege. Allerdings sei dagegen eingewendet worden, die Grundstücke seien zu nahe vom Flugplatz Neubiberg gelegen. Ob allerdings dieses Bedenken durchschlage, stehe dahin, zumal die Vorzüge dieses Platzes zweifellos sehr groß seien. Allerdings müsse die Bayer. Staatsforstverwaltung den dort stehenden Wald abgeben. Zu erwähnen sei noch, daß das Gelände in Harlaching beliebig erweiterungsfähig sei.

Über die Finanzierung des Planes könne noch nichts Endgültiges gesagt werden. Er bitte, ihn aber unabhängig davon heute schon zu ermächtigen, die Verhandlungen wegen der Bauplatzfrage abzuschließen.

Bei den Kosten von 165 Mio DM handle es sich natürlich vorläufig nur um eine Schätzung. Keinesfalls ließen sich im Jahr mehr als 8–10 Mio DM verbauen, sodaß die gesamte Bauzeit etwa 20 Jahre dauern werde.

Ministerpräsident Dr. Hoegner betont, daß sich alle Sachverständigen für die Verlegung der Kliniken an den Stadtrand ausgesprochen hätten, die Staatsregierung müsse sich diesen Gutachten wohl anschließen, auch wenn damit erheblich höhere Kosten entstünden. Er stelle nun die Frage, ob heute schon die Entscheidung getroffen werden könne.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Koch erwidert Staatsminister Rucker, sämtliche Universitätskliniken müßten hinaus verlegt werden. Was die Stadt München beabsichtige, sei noch abzuwarten. Er hoffe aber jetzt zu einer Lösung mit der Stadt zu komme.

Staatssekretär Dr. Panholzer erkundigt sich, ob nicht die Chirurgische Klinik im Zentrum belassen werden könne?

Staatsminister Rucker antwortet, die Universitätskliniken könnten nicht auseinander gerissen werden, das bisherige Gelände werde sicher verkauft werden können.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird daraufhin folgender Beschluß gefaßt:

1. Der Ministerrat entscheidet sich für den Neubau der Münchner Universitätskliniken auf einem Gelände außerhalb der Stadt.

2. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus wird beauftragt, Vorverhandlungen wegen des Geländes, auf dem die Kliniken errichtet werden sollen, zu führen. Die endgültige Entscheidung obliegt jedoch dem Ministerrat.17

Universitätskliniken

V.Entwurf eines Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz LStVG)18

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, die Staatsministerien des Innern und der Justiz hätten diesen Gesetzentwurf mit Note vom 27. Juli 1955 vorgelegt und bäten um Beratung im Ministerrat und Zuleitung an den Landtag.19 Ein Gutachten des Bayerischen Senats vom 11. Februar 1955 sei weitgehend berücksichtigt,20 auch die Ministerratsbeschlüsse vom 19. und 26. April 1955 seien in den Beschluß eingearbeitet worden. Nachdem von keiner Seite Bedenken erhoben worden seien, könne die Sache heute abgeschlossen werden.

Der Ministerrat beschließt, den Gesetzentwurf dem Landtag und gleichzeitig dem Senat vorzulegen.21

Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) vom 17. November 1956

VI.Personalangelegenheiten

1. Besetzung der Stelle des Präsidenten des Landesamts für Wasserversorgung22

Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf Art. 55 Ziff. 4 BV,23 wonach die Staatsregierung die leitenden Beamten der Staatsministerien und die Vorstände der den Ministerien unmittelbar untergeordneten Behörden ernenne. Bei den Beamten vom Ministerialrat aufwärts habe nie ein Zweifel darüber bestanden, daß die Ernennung durch den Ministerrat zu erfolgen habe. Dagegen sei am 15. Dezember 1948 eine Entschließung der Bayer. Staatskanzlei ergangen, durch welche der Kreis der Vorstände der den Ministerien unmittelbar untergeordneten Behörden dahin festgelegt worden sei, daß hierunter nur die Leiter der Behörden der Mittelstufe oder von solchen Behörden fielen, deren Arbeitsbereich sich auf ganz Bayern erstrecke. In der Entschließung sei dann festgelegt worden, daß Behördenleiter nur unter Art. 55 Ziff. 4 der Bayer. Verfassung fielen, soweit ihre Stellung mindestens der Besoldungsgruppe A l a angehörten.

Der frühere Ministerrat habe sich wiederholt mit diesen Fragen befaßt, u.a. am 22. April 1952; damals habe Herr Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es finde keine Unterstützung in der Verfassung, wenn dem Ministerrat nur die Ernennung von Beamten und Vorständen von der Besoldungsgruppe A 1 a aufwärts vorbehalten bleibe, zumal sicher ein Interesse des Kabinetts bei Behördenvorständen bestehe, die nicht in Besoldungsgruppe A l a fielen.24

Zweifellos sei nun das Landesamt für Wasserversorgung von besonderer Bedeutung, sodaß bei der Ernennung eines neuen Vorstands der Ministerrat zustimmen müsse.25

Staatsminister Dr. Geislhöringer stellt fest, der bisherige Vorstand sei vom zuständigen Innenminister bestellt worden, erst jetzt werde plötzlich erklärt, die Zustimmung des Ministerrats sei erforderlich. Er weise noch darauf hin, daß der Posten bisher mit einem Regierungsdirektor unterbesetzt gewesen sei und es auch in Zukunft so bleiben solle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, es komme auf die Stelle im Haushaltsplan, nicht auf die Unterbesetzung an.

Staatssekretär Vetter versichert, die Frage der Neubesetzung des Landesamts für Wasserversorgung sei rein sachlich betrachtet worden. Es habe nun einmal Unzuträglichkeiten zwischen dem Landesamt, das sich nicht an die Haushaltsvorschriften gehalten habe, und der Obersten Baubehörde gegeben. Er persönlich sei überhaupt der Meinung, daß die Leitung dieser Landesämter außenstehenden Beamten übertragen werden solle. Der von Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer in Aussicht genommene Herr Stimmelmayr sei in der Tat nur Maschinenbauer, während der von der Obersten Baubehörde vorgeschlagene Oberbaurat Völk26 alle Voraussetzungen mit sich bringe. Es handle sich aber – wie gesagt – nicht um die Person, an Stelle des Herrn Völk könne jederzeit auch ein anderer Beamter ernannt werden.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths betont, das Wirtschaftsministerium und die Landesplanung hätten schlechte Erfahrungen mit den Wasserbehörden gemacht; es sei sehr mißlich, daß vier verschiedene Stellen tätig seien. Vielleicht könne einmal überlegt werden, ob das Landesamt für Wasserversorgung nicht unmittelbar der Obersten Baubehörde unterstellt werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner greift diesen Vorschlag auf und unterstreicht die Notwendigkeit, die Aufgaben auf dem Gebiet des Wasserbaues, der Wasserversorgung usw. zusammenzufassen.

Auf Frage von Staatsminister Bezold erwidert Ministerpräsident Dr. Hoegner, er glaube nicht, daß sich die Opposition dagegen wenden könne, ganz abgesehen davon, daß die Organisation der Behörden der Staatsregierung zustehe.

Staatssekretär Simmel regt an, auch die Landesstelle für Gewässerkunde27 der Obersten Baubehörde einzugliedern, während

Staatssekretär Vetter bittet, noch keinen endgültigen Beschluß zu fassen.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten faßt der Ministerrat einstimmig folgenden Beschluß:

Das Staatsministerium des Innern wird beauftragt, die völlige Eingliederung des Landesamts für Wasserversorgung in die Oberste Baubehörde zu prüfen und dem Ministerrat Bericht zu erstatten.

In gleicher Weise ist zu prüfen, ob die Landesstelle für Gewässerkunde28 in die Oberste Baubehörde eingegliedert werden kann.29

2. Verlängerung der Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten Wilhelm Walther in Nürnberg

Staatsminister Dr. Koch begründet den Antrag des Staatsministeriums der Justiz damit, daß Oberlandesgerichtspräsident Wilhelm Walther als Präsident des Verfassungsgerichtshofs vorerst nicht zu entbehren sei.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, die Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten Walther über den 30. September 1955 hinaus auf die Dauer eines weiteren Jahres zu verlängern.

3. Gesundheitsschädigung des Staatssekretärs a.D. Dr. Nerreter

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der frühere Staatssekretär im Staatsministerium des Innern, Herr Abg. Dr. Paul Nerreter, habe den Antrag auf dauerndes Ruhegehalt gestellt, da er sich während seiner Tätigkeit als Mitglied der Staatsregierung eine Zuckerkrankheit zugezogen habe. Das Staatsministerium der Finanzen habe nun ein amtliches Gutachten eingeholt.

Staatssekretär Dr. Panholzer berichtet über die Einzelheiten des Gutachtens, das sich zugunsten des Herrn Dr. Nerreter ausspreche, Er halte es für wenig aussichtsreich, in einem Rechtsstreit die Ansprüche zu bestreiten. Falls der Ministerrat zustimme, werde Herr Dr. Nerreter 35% + 12% = 47% der Grundbezüge erhalten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt gleichfalls, keinen Prozeß zu führen und betont, daß Herrn Dr. Nerreter nur einige Monate bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres gefehlt hätten.

Nach längerer Aussprache stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner abschließend folgendes fest:

Der Fall sei zwar nicht zweifelsfrei, nachdem aber auch ein Obergutachten kaum das jetzt vorliegende Gutachten aufheben werde, empfehle er einen Ministerratsbeschluß zu fassen, wonach dem Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen entsprechend 47% der Grundbezüge zu gewähren seien; dabei könnten Billigkeitsgründe berücksichtigt werden.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, diesem Vorschlag entsprechend zu verfahren.

4. Mitglieder des Personalgutachter-Ausschusses30

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, dem Personalgutachter-Ausschuß gehören zwei aktive bayerische Beamte an, nämlich Ministerialrat Bögl vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus und Polizeirat Pöschl.31 Er bitte nun den Ministerrat einen Beschluß zu fassen, wonach die Mitglieder des Personalgutachter-Ausschusses, die bayerische Beamte seien, für die Sitzungstage vom Dienst befreit würden.

Der Ministerrat beschließt diesem Vorschlag entsprechend.

VII.Errichtung eines Atom-Meilers in München32

Staatsminister Rucker und Staatssekretär Dr. Guthsmuths unterrichten den Ministerrat über den weiteren Verlauf der Verhandlungen und bemerken, die Dinge hätten sich in den letzten Tagen günstig für die Aussichten Münchens entwickelt.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er habe kürzlich eine Unterredung mit mehreren Hochschulprofessoren gehabt und gemeinsam mit Herrn Staatsminister Rucker die Zusicherung gegeben, daß die Bayerische Staatsregierung alles tun werde, um die wissenschaftliche Atomforschung an den Münchner Hochschulen weiter zu fördern. Er bitte um die Zustimmung des Ministerrats zu dieser Zusicherung.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, die Zustimmung zu erteilen.

In diesem Zusammenhang teilt Ministerpräsident Dr. Hoegner noch mit, der frühere Staatssekretär im Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, Hugo Geiger, habe in einem Brief vom 30. Juli 1955 seine Mitarbeit in der Bayer. Atom-Kommission angeboten.33 Herr Geiger sei selbst Mathematiker und werde außerdem als Mitglied des Bundestags an der Atomkonferenz in Genf teilnehmen. Soviel ihm bekannt sei, habe er sich auch in Bonn für die bayerischen Interessen auf dem Gebiet der Atomforschung eingesetzt. Eine endgültige Entscheidung könne heute wohl noch nicht getroffen werden, zumal die Kommission aus höchstens 15 Mitgliedern bestehen solle. Er werde das Angebot des Herrn Bundestagsabgeordneten Geiger dem Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus zuleiten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner und Staatsminister Rucker unterrichten dann den Ministerrat weiter über die Besprechungen mit Münchner Hochschulprofessoren für Physik.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft dann auch noch die Frage auf, ob für die Atomkommission ein Sekretär ernannt werden solle.

Staatssekretär Dr. Haas meint, dafür käme vielleicht Herr Dr. Schindler in der Staatskanzlei in Betracht.

Abschließend schlägt Ministerpräsident Dr. Hoegner vor, folgenden Beschluß zu fassen:

Die Federführung für alle Fragen der wissenschaftlichen Atomforschung liegt beim Bayerischen Ministerpräsidenten. Die Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Wirtschaft und Verkehr werden ersucht, Vorschläge für die Zusammensetzung der Bayerischen Atomkommission zu machen.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, diesem Vorschlag entsprechend zu verfahren.34

Atomenergie

VIII.Vorschläge für die Standorte deutscher Garnisonen35

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, mit Schreiben vom 14. Juni 1955 habe der Bundesminister für Verteidigung der Bayer. Staatskanzlei eine Liste von 15 Städten und Gemeinden, die sich in Bonn um eine Garnison beworben haben, mit der Bitte um Überprüfung übersandt. Darunter seien eine Reihe von kleineren Gemeinden, hauptsächlich in der Oberpfalz und in Niederbayern, die für eine Garnison wohl kaum in Frage kämen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths empfiehlt, diese Liste an den Kasernenausschuß und an die Landesplanungsstelle zu schicken, damit sie dort geprüft werden könne. Zwischen den Staatsministerien der Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr seien bestimmte Voraussetzungen genau festgelegt worden, die beachtet werden müssen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt, daß die Prüfung der Vorschläge nicht im Ministerrat erfolgen könne und sichert zu, zu veranlassen, daß die Liste dem Kasernenausschuß zur Prüfung zugeleitet wird.36

IX.Übertragung der Ausübung des Begnadigungsrechts bezüglich der Strafurteile, die von alliierten Gerichten verhängt sind37

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, nach dem 1. Teil, Art. 7 Abs. 6 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (BGBl. 1955 II S. 405 ff.) habe die Bundesrepublik hinsichtlich von Deutschen, die auf Grund einer Verurteilung durch alliierte Gerichte in deutschen Haftanstalten unter deutscher Kontrolle in Haft gehalten werden, das ausschließliche Recht, in allen Angelegenheiten der Beendigung oder Herabsetzung der Strafe, der Entlassung auf Ehrenwort, der Begnadigung und sonstiger Gnadenmaßnahmen endgültig zu entscheiden.38 Nach allgemeiner Auffassung gehört die Ausübung dieses Gnadenrechts zur Zuständigkeit der Länder, in deren Vollzugsanstalten die Verurteilten festgehalten würden. Das Staatsministerium der Justiz bitte nun den Herrn Ministerpräsidenten, ihm die Ausübung des Begnadigungsrechts bezüglich der Fälle nach Art. 7 Abs. 6 a.a.O. zu übertragen.

Herr Staatssekretär Dr. Haas habe dagegen Bedenken, da es sich s.E.39 überwiegend um politische Entscheidungen handle, für die in erster Linie die Zuständigkeit des Ministerpräsidenten gegeben sei.40 Er könne diese Bedenken nicht teilen, zumal gerade dann die Entscheidungen angegriffen würden, wenn sie nicht vom zuständigen Ressortminister, sondern vom Ministerpräsidenten getroffen würden. Er halte es für zweckmäßig, in diesen Fällen keine Ausnahme zu machen, sondern die Ausübung des Begnadigungsrechts wie in allen anderen Fällen auch hier dem Justizministerium zu übertragen.

Staatssekretär Dr. Haas entgegnet, die Entscheidungen würden immer angegriffen werden. Er sei überzeugt, daß gerade die politischen Gesichtspunkte hier eine besondere Rolle spielen würden. Unter diesen Umständen glaube er, die Fälle sollten vor den Herrn Ministerpräsidenten und den Ministerrat kommen.

Staatsminister Dr. Koch meint, an sich könne er es nur begrüßen, wenn der Herr Ministerpräsident das Begnadigungsrecht in diesen schwierigen Fällen übernehme. Er sehe aber keine Notwendigkeit, hier von der Regel abzuweichen. Selbstverständlich könnten besonders wichtige oder schwierige Fälle vorher im Ministerrat besprochen werden.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß die Ausübung des Begnadigungsrechts bezüglich der Strafurteile, die von alliierten Gerichten verhängt worden sind, dem Bayer. Staatsministerium der Justiz übertragen wird.41

Bekanntmachung des Bayerischen Ministerpräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts nach Art. 7 Abs. 6 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (BGBl. 1955 II S. 405) vom 18. August 1955

X.Abtretung von Grundstücken der Saline Rosenheim42

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erinnert daran, daß sich der Ministerrat schon wiederholt mit dieser Frage beschäftigt und festgestellt habe, es sei unmöglich, Grundstücke der Saline abzutreten, damit dort eine Großgarage errichtet werde. Neuerdings erkläre nun die Stadt Rosenheim, sie wolle auf diesen Grundstücken Wohnungen errichten.43 Die BHS habe des öfteren versichert, auch in Aufsichtsratssitzungen, sie sei bereit, in die Parzellierung von Grundstücken einzuwilligen, wenn es der Stadt an Baugrund mangle. Für gewerbliche Zwecke könne sie andere Grundstücke am Bahnhof anbieten.44

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, ihm liege ein Schreiben der Firma Wallner, Rosenheim, vor, daß 60 Beschäftigten gekündigt werden müßte, nachdem die Firma keine Ausdehnungsmöglichkeit mehr habe.45

Staatssekretär Dr. Panholzer wirft ein, die Vertreter der Firma seien schon bei ihm gewesen, er habe erklärt, die BHS sei zu Verhandlungen bereit.

Auch Staatsminister Zietsch bestätigt, daß die Firma Wallner bauen könne, wenn sie auf das Angebot des Finanzministeriums und der BHS eingehe. Ein weiteres Entgegenkommen sei nicht möglich, da noch nicht endgültig feststehe, was mit der Saline in Rosenheim geschehe.

Staatssekretär Weishäupl entgegnet, Herr Bürgermeister Sebald habe ihm ausdrücklich versichert, die Stadt sei an den Plänen der Firma Wallner nicht interessiert, sie wolle vielmehr die Grundstücke an der Enzenspergerstraße erwerben, die sie unbedingt für den sozialen Wohnungsbau benötige. Es treffe zu, daß die Stadt über keine anderen Baugrundstücke verfüge.

Staatsminister Zietsch verliest dagegen Auszüge aus einer Vormerkung, in der es u.a. heiße, daß sich die Zukunft der Saline Rosenheim noch nicht übersehen lasse und deshalb aus deren Grundstücken keine Teilfläche herausgeschnitten werden könne. Ferner werde behauptet, die Stadt Rosenheim besitze innerhalb des Stadtgebiets noch 8 ha unbebaute Fläche, die im Wirtschaftsplan zur Erschließung als Wohngelände vorgesehen seien.46

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt zu bedenken, daß dem Landtag bereits ein Antrag der Abg. Sebald, Hundhammer, Lipp und Utz auf Abtretung der Grundstücke vorliege.47 Was solle geschehen, wenn dieser Antrag angenommen werde?

Staatsminister Bezold hält diesen Antrag nicht für zulässig, es handle sich doch um Eigentum des Staates und nur ein Richter könne über die Abtretung von Eigentum befinden.

Staatsminister Zietsch weist darauf hin, daß der Firma Wallner Grundstücke etwa 200 m entfernt von dem Betrieb zum Ankauf angeboten worden seien.

Staatssekretär Dr. Panholzer fügt hinzu, damit habe sie sich auch zufrieden erklärt.

Staatssekretär Weishäupl fährt fort, wenn es sich nur darum handle, Grundstücke für die Firma Wallner zu erhalten, gehe ihn die Angelegenheit weiter nichts an. Für ihn aber sei der Wunsch des Stadtrats und des Bürgermeisters Sebald maßgebend, die Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau benötigten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, ihm liege vor allem daran, daß die Arbeitnehmer der Firma Wallner nicht entlassen werden müßten. Wenn die Firma mit anderen Grundstücken zufrieden sei, könne die Sache als erledigt betrachtet werden.

Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß:

Das Finanzministerium wird beauftragt, die Verhandlungen hinsichtlich des bisher angebotenen Grundstücks fortzusetzen.48

XI.Vollzug der Preisüberwachung (Einsatz der Landpolizei)

Staatsminister Bezold führt aus, zwischen den Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft und Verkehr sei ein Schriftwechsel über die Frage im Gange, ob die Preisüberwachung durch Polizeiorgane vorgenommen werden solle; bisher habe sie bekanntlich bei den Landratsämtern gelegen. Das Innenministerium habe einer Anregung des Landkreisverbands folgend bereits eine entsprechende Entschließung ausgearbeitet.

Das Wirtschaftsministerium dagegen sei der Meinung, es sei nicht zweckmäßig, die Preisüberwachung uniformierten Polizeiorganen zu übertragen. Es sei freilich verständlich, daß ein Landrat keine Freude daran habe, wirtschaftliche Übertretungen durch seine Organe verfolgen zu lassen und es vorziehe, wenn die Landpolizei eingeschaltet werde. Das Wirtschaftsministerium betrachte aber die bisherige Regelung als zweckmäßig und befürchte unangenehme Rückwirkungen bei einer Änderung. Grundsätzlich halte er es nicht für gut, Dinge, die mit der Wirtschaft zusammenhingen und bisher durch zivile Beamte der Landratsämter erledigt worden seien, auf die uniformierte Polizei zu übertragen und damit die Landratsämter zu entlasten. Die erhoffte Verwaltungsvereinfachung werde damit sicher auch nicht erreicht.

Staatssekretär Vetter erwidert, man müsse zwischen der Lebensmittelüberwachung und der Preisüberwachung unterscheiden.

Der Vorschlag des Landkreisverbandes sei dahin gegangen, diese beiden Dinge miteinander zu verbinden und zwar in der Weise, daß die Organe der Landpolizei, die bisher die Lebensmittelüberwachung besorgt hätten, in Zukunft gleichzeitig auch bei der Preisüberwachung eingreifen sollten. Der Entwurf einer entsprechenden Entschließung sei dann an das Wirtschaftsministerium gegangen, dieses habe aber bisher noch nicht Stellung genommen. Selbstverständlich könne dasWirtschaftsministerium diesen Vorschlag auch ablehnen; der Schriftwechsel sei dadurch entstanden, daß das Wirtschaftsministerium den Gegenvorschlag gemacht habe, die Lebensmittelüberwachung auf die Preisüberwachungsstellen zu übertragen. Da es sich hier um eine Gemeindeangelegenheit handle, sei dieser Vorschlag aber nicht durchführbar.

Vor allem bitte er aber zunächst Herrn Staatsminister Bezold, auf die Anfrage des Staatsministeriums des Innern zu antworten.

Staatsminister Bezold erklärt sich damit einverstanden

XII.Sonderleistungsprogramm der Koalitionsregierung; hier: Bau von 8000 Wohnungen für Evakuierte, Kinderreiche usw.49

Staatssekretär Vetter verweist auf die Note des Staatsministeriums des Innern vom 12. August 1955 und meint, vielleicht könne heute diese Angelegenheit schon vorbesprochen werden.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, vielleicht könne das Programm angekündigt und dann mit den Vorarbeiten begonnen werden. Die Frage der Finanzierung sei allerdings noch nicht zu beantworten, weil dazu ein Beschluß des Landtags, der noch keine Kreditermächtigung gegeben habe, erforderlich sei.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird folgender Beschluß gefaßt:

Die Staatsministerien des Innern und der Finanzen werden beauftragt, einen Vorschlag für den Ministerrat auszuarbeiten. Das Sonderleistungsprogramm wird auf die Tagesordnung des Ministerrats vom 30. August 1955 gesetzt.50

XIII.Wiedererrichtung der Oberpostdirektion Augsburg51

Staatsminister Bezold teilt mit, die Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Augsburg,52 der Handwerkskammer für Schwaben53 sowie die Vorsitzenden der Bezirksverbände Schwaben des Landkreis- und Landgemeindeverbands54 und schließlich der Oberbürgermeister der Stadt Augsburg hätten in einem eingehenden Schreiben vom 16. Juli 1955 an den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Gründe zusammengestellt, die für die Wiedererrichtung der Oberpostdirektion Augsburg sprächen.55 Die interessierten Kreise erwarten nun auch ein Eingreifen des Ministerrats.

Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, vielleicht könne er ein Schreiben an den Bundesminister Dr. Balke richten und ihn bitten, die Gründe in der Denkschrift vom 16. Juli 1955 zu würdigen.

Darüber hinaus könne der Ministerrat wohl keine weiteren Schritte unternehmen.

Der Ministerrat faßt folgenden Beschluß:

Der Bayerische Ministerrat bittet den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Gründe, die in dem Schreiben vom 16. Juli 1955 für die Wiedererrichtung der Oberpostdirektion Augsburg vorgetragen werden, wohlwollend zu würdigen.56

XIV.Herausgabe der Ministerratsprotokolle von 1918–1933 durch die Kommission für bayerische Landesgeschichte

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, die Kommission für bayerische Landesgeschichte beabsichtige, die Ministerratsprotokolle von 1918–1933 herauszubringen und bitte hiezu um die Genehmigung der Bayerischen Staatsregierung. Es handle sich hier um eine Frage von weittragender Bedeutung. Er selbst sei der Auffassung, daß die Zeit von 1918–1933 noch nicht weit genug zurückliege, um jetzt schon die Genehmigung zu erteilen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, selbstverständlich könnten die Protokolle der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt werden, nur die wörtliche Herausgabe sei noch nicht möglich. Er bitte, den Beschluß noch durch folgende Punkte zu ergänzen:

Der wissenschaftlichen Forschung können die Akten mit Zustimmung des Herrn Ministerpräsidenten von Fall zu Fall zur Verfügung gestellt werden.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.57

XV.400-Jahrfeier des Augsburger Religionsfriedens 22.–25. September 1955 in Augsburg

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest eine Einladung des Evang.-Luth. Landeskirchenrats vom 1. August 1955 zur 400-Jahr-Feier des Augsburger Religionsfriedens. Gleichzeitig werde gebeten, daß ein Vertreter der Bayerischen Staatsregierung die Teilnehmer an dem Empfang des Landeskirchenrats am 24. September 1955, abends 21 Uhr, begrüßen möge.

Es wird vereinbart, daß Herr Staatsminister Dr. Koch die Begrüßung im Namen der Staatsregierung übernimmt. Außerdem werden der Einladung Herr Staatsminister Zietsch und die Herren Staatssekretäre Dr. Meinzolt und Simmel Folge leisten.

XVI.Ernennung eines Generalmusikdirektors für die Staatsoper in München58

Staatsminister Rucker teilt mit, daß er zur Zeit in aussichtsreichen Verhandlungen mit einer für den Posten des Generalmusikdirektors in München geeigneten Persönlichkeit stehe.59 Wahrscheinlich werde es notwendig werden, die bisherigen Bezüge des Generalmusikdirektors, die sich auf 30 000 DM belaufen hätten, zunächst um 10 000 DM auf 40 000 DM zu erhöhen.

Staatsminister Zietsch erklärt sich mit der Erhöhung einverstanden.60

XVII.Bundesmietengesetz61

Staatsminister Bezold berichtet, die Bayerische Staatsregierung werde sowohl in der „Hausbesitzer Zeitung“ wie in der Zeitschrift „Deutsche Wohnungswirtschaft“ heftig und unsachlich angegriffen, weil sie sich im Bundesrat gegen das Bundesmietengesetz ausgesprochen habe.62 Bei verschiedenen Anlässen habe er die Gründe für den Beschluß der Staatsregierung bereits angedeutet. Er halte es aber für notwendig, in Zukunft eingehender darüber zu sprechen, um die unbegründeten Angriffe abwehren zu können.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, etwa folgendes zu sagen:

Der Ministerrat war im großen und ganzen der Meinung, daß eine Angleichung der Altmieten an die veränderten Verhältnisse grundsätzlich nicht zu umgehen ist. Der Ministerrat war sich jedoch einstimmig darüber einig, daß die Einführung der Kostenmiete durch das Bundesmietengesetz wegen der in ihrem Gefolge entstehenden zahllosen Streitigkeiten63 nicht zweckmäßig ist.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

XVIII.Landeskundgebung der Vertriebenen in Kronach am 6. und 7. August 195564

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben des Regierungspräsidenten von Oberfranken,65 der den Auftrag erhalten habe, bei der Vertriebenenkundgebung in Kronach die Grüße der Staatsregierung zu überbringen, nachdem im Ministerrat festgestellt worden sei, daß kein Mitglied der Staatsregierung an der Veranstaltung teilnehmen könne. Herr Regierungspräsident Dr. Gebhard berichte nun, es habe sich eine etwas schwierige Lage dadurch ergeben, daß im letzten Augenblick Herr Staatssekretär Dr. Guthsmuths erschienen sei.

Er bitte, in Zukunft in allen Fällen die Bayer. Staatskanzlei zu verständigen, wenn ein Mitglied der Staatsregierung wider Erwarten doch an einer Veranstaltung teilnehmen könne, zu der der Regierungspräsident abgeordnet worden sei.

Der Ministerrat nimmt dies zur Kenntnis.

XIX.Ehemaliges Konzentrationslager Dachau

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Landrat von Dachau, Herr Abg. Junker, den Antrag gestellt habe, das Krematorium in Dachau zu schließen.66 Nach einer Besprechung im Ministerrat, bei der sich das ganze Kabinett einig gewesen sei,67 habe er ebenso wie Herr Staatsminister Zietsch in einer Pressekonferenz gegen diesen Antrag Stellung genommen. Einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 11. August 1955 zufolge habe aber nun leider Herr Staatsminister Dr. Baumgartner auf einer Bauernversammlung in Dachau gleichfalls erklärt, das Krematorium müsse verschwinden und mit der Diffamierung des Dachauer Landes und seiner Bevölkerung müsse endlich Schluß gemacht werden.68

Er werde über diese Angelegenheit mit Herrn Staatsminister Dr. Baumgartner noch sprechen, da die Staatsregierung unter allen Umständen eine einmütige Haltung einnehmen müsse, wenn der Antrag Junker im Landtag behandelt wird.

Dieser Punkt wird vorläufig zurückgestellt.69

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär