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Nr. 40MinisterratssitzungDienstag, 26. Juli 1955 in Ansbach Beginn: 17 Uhr Ende: 18 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Justizminister Dr. Koch, Staatssekretär Vetter (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Schulpflichtgesetzes. II. Spielbanken. III. Ergänzungshaushalt 1955: Erstausstattung der Herzog-Max-Burg. IV. Deutsch-Schweizerische Himalaya-Expedition. V. Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München I gegen Janek Engl wegen Verunglimpfung von Staatsorganen. VI. Errichtung eines neuen Senats beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof. VII. Verplanung der zu Arbeitsplatzdarlehen zur Verfügung stehenden Lastenausgleichsmittel für Zwecke des sozialen Wohnungsbaues. VIII. Errichtung einer Abteilung Wehrfragen in der Bayer. Staatskanzlei. IX. Anwerbung von Beamten der Landpolizeien durch das Bundesverteidigungsministerium. X. Sonderleistungsprogramm der Bayerischen Staatsregierung von 500 Mio DM. XI. Stellung Bayerns im Bundesrat. XII. Verwaltungsabkommen zur Durchführung des Art. 6 Teil I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen. XIII. Konkurrenz der japanischen Porzellanindustrie. XIV. Erhöhung der Notenumlaufgrenze (§ 5 des Emissionsgesetzes). XV. Dienststrafverfahren Residenztheater. XVI. Tag der Heimat in Kronach am 6. und 7. August 1955. XVII. Verrechnung von Reisekosten durch die Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung.

I.Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Schulpflichtgesetzes1

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe nunmehr den Gesetzentwurf vorgelegt.2 Nach seiner Auffassung könne das Gesetz allerdings nicht für dringlich erklärt werden, zumal auch keine Aussicht bestehe, daß der Landtag noch vor den Ferien in die Beratung des Gesetzentwurfs eintrete. Im übrigen könne man den Gesetzentwurf wohl in der vorliegenden Fassung verabschieden.

Staatssekretär Eilles weist auf das Fehlen einer Präambel in dem Gesetzentwurf hin. Er schlägt eine entsprechende Ergänzung des Gesetzentwurfs vor. Außerdem empfehle sich in Art. 1 Ziff. 2 Abs. 2 des Gesetzentwurfs ein Hinweis darauf, daß die Veröffentlichung der Verordnung im Staatsanzeiger die Veröffentlichung im GVBl. nicht ausschließe.3

Staatssekretär Dr. Meinzolt sichert zu, bei der endgültigen Fassung der Vorlage diese Vorschläge zu berücksichtigen.

Staatssekretär Weishäupl meint, die Begründung des Gesetzentwurfs sei nicht eindeutig genug, vielmehr habe sich das Kultusministerium darauf beschränkt, die für und gegen den Frühjahrsbeginn sprechenden Gründe zusammenzustellen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ist der Auffassung, daß die Begründung der erforderlichen Klarheit nicht entbehre. Es stimme zwar, daß in der Begründung des Gesetzentwurfs sehr eingehend das Für und Wider des Frühjahrsbeginns dargestellt würde, doch verweise er auf S. 6 der Begründung; hier sei doch eindeutig klargestellt, daß eine zusammenfassende Abwägung des Für und Wider eine Verlegung des Schulbeginns auf das Frühjahr zweckmäßig erscheinen lasse.4

Staatssekretär Dr. Meinzolt weist für den Gesetzentwurf noch auf den in der Begründung nicht enthaltenen Gesichtspunkt hin, daß auch in der Sowjetzone der Schulbeginn nunmehr einheitlich auf das Frühjahr festgelegt worden sei. Dieser Gesichtspunkt sei im Hinblick auf eine künftige Wiedervereinigung auch zu berücksichtigen.

Der Ministerrat stimmt hierauf dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung grundsätzlich zu.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, den Gesetzentwurf dem Senat zur Begutachtung auf jeden Fall zuzuleiten, da, wie er bereits ausgeführt habe, der Landtag vor den Ferien sich mit dem Gesetzentwurf doch nicht mehr befassen werde.

Der Ministerrat beschließt hierauf die gleichzeitige Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Senat und den Landtag.5

Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Schulpflicht vom 15. Juli 1957

II.Spielbanken6

Die Behandlung dieses Punktes wird zurückgestellt.7

III.Ergänzungshaushalt 1955: Erstausstattung der Herzog-Max-Burg8

Dieser Punkt wurde von der Tagesordnung abgesetzt. Er ist durch Einigung zwischen Justiz- und Finanzministerium erledigt.9

IV.Deutsch-Schweizerische Himalaya-Expedition10

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt Kenntnis von dem Schreiben des Auswärtigen Amts.11 Er teilt ergänzend noch mit, daß die Stadtverwaltung München, an die das Auswärtige Amt ebenfalls herangetreten sei, mit Schreiben des Oberbürgermeisters vom 23. Juli 1955 an das Auswärtige Amt die Bewilligung eines weiteren Zuschusses abgelehnt habe.12 Es bestehe wohl keine Veranlassung, seitens der Staatsregierung einen nochmaligen Zuschuß zu bewilligen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt daher vor, dem Auswärtigen Amt mitzuteilen, daß die Bayerische Staatsregierung sich zur Bewilligung eines weiteren Zuschusses nicht in der Lage sehe.

Der Ministerrat billigt den Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten.13

V.Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München I gegen Janek Engl wegen Verunglimpfung von Staatsorganen14

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Staatsanwaltschaft München I habe gegen den Chefredakteur des in München erscheinenden „Bayer. Volks-EchosJanek Engl zwei Ermittlungsverfahren wegen Verunglimpfung von Staatsorganen eingeleitet und bitte nunmehr um Beschlußfassung der Staatsregierung darüber, ob in den beiden Verfahren (Ausgaben des „Bayer. Volks-Echos“ vom 20.8.1954 und 25.4.1955) die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 97 StGB erteilt bzw. ein Strafantrag wegen Beleidigung dor Staatsregierung gestellt werden solle.15

Nach kurzer Erörterung beschließt der Ministerrat, von der Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 97 StGB und von der Stellung eines Strafantrags nach § 185 StGB in beiden Verfahren abzusehen.16

Verunglimpfung ders./Beleidigungsverfahren

VI.Errichtung eines neuen Senats beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof

Dieser Punkt der Tagesordnung wird zurückgestellt.

VII.Verplanung der zu Arbeitsplatzdarlehen zur Verfügung stehenden Lastenausgleichsmittel für Zwecke des sozialen Wohnungsbaues17

Zurückstellung.

VIII.Errichtung einer Abteilung Wehrfragen in der Bayer. Staatskanzlei

Auch dieser Punkt der Tagesordnung wird zurückgestellt.

IX.Anwerbung von Beamten der Landpolizeien durch das Bundesverteidigungsministerium18

Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt auf einen Bericht des Bevollmächtigten in Bonn zu sprechen, aus dem sich ergibt, daß Bestrebungen im Gange seien, Beamte der Bayer. Bereitschaftspolizei in die künftigen deutschen Streitkräfte zu übernehmen. Dadurch werde die Gefahr heraufbeschworen, daß durch das Ausscheiden der fähigsten Beamten der Bereitschaftspolizei deren Wert herabgesetzt werde. Er halte daher eine Absprache der Länder mit dem Bundesverteidigungsministerium für angebracht, daß solche Übertritte nicht gestattet würden. Eine ähnliche Abmachung habe der Bundesgrenzschutz bereits mit dem Bundesverteidigungsministerium getroffen.19

Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, er sei über die Angelegenheit unterrichtet, er bitte, sie durch die Staatskanzlei weiter zu verfolgen.20

X.Sonderleistungsprogramm der Bayerischen Staatsregierung von 500 Mio DM21

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwähnt eine Zeitungsmeldung in den „Nürnberger Nachrichten“, in der von einem geplanten Sonderleistungsprogramm der Bayerischen Staatsregierung von 500 Mio DM die Rede sei.22 Hier sei über die Besprechung im Koalitionsausschuß offensichtlich eine Indiskretion begangen worden.23 Er warne davor, solche Nachrichten in die Presse zu bringen, da hierdurch Hoffnungen erweckt würden, die möglicherweise später nicht in vollem Umfange erfüllt werden könnten.24

XI.Stellung Bayerns im Bundesrat25

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, in letzter Zeit habe Bayern im Bundesrat dreimal eine unfreundliche Behandlung erfahren. Der erste Fall sei die Entschließung des Bundesrats zur Neugliederung des Bundesgebiets,26 der zweite die Ablehnung der von Bayern eingebrachten Entschließung über die landsmannschaftliche Gliederung der Freiwilligen27 und der dritte Fall sei der Verlust des Vorsitzes im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats. Schon zu Beginn des Jahres seien Bestrebungen im Gange gewesen, Bayern den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats wegzunehmen. Er hätte damals den Vorsitz nochmals gerettet mit der Begründung, daß der Zeitpunkt für die Neuverteilung der Ausschüsse des Bundesrats erst nach Abschluß der Sommersitzungsperiode kommen werde. Nunmehr habe man Bayern den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats dadurch genommen, daß man zum neuen Vorsitzenden den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt habe. Dafür habe man Bayern den Vorsitz im Sicherheitsausschuß angeboten. Nach seiner, des Ministerpräsidenten, Auffassung handle es sich hierbei um eine rein politische Angelegenheit. Die Bundesregierung wünsche nicht, daß ein Sozialdemokrat Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrats sei. Der politische Charakter des Vorgangs gehe aus folgendem hervor:

Ministerpräsident Arnold sei bereit gewesen, nachzugeben und den Vorsitz bei Bayern zu belassen, mit der Begründung, die Freundschaft Bayerns sei ihm wertvoller als der Vorsitz in einem Ausschuß des Bundesrats. Dann habe aber eine Besprechung der Ministerpräsidenten der CDU stattgefunden und in dieser sei beschlossen worden, Bayern den Vorsitz zu nehmen, sodaß es auf die Stellungnahme Arnolds überhaupt nicht mehr angekommen sei. Die CSU benutze nunmehr den Verlust des Vorsitzes im Auswärtigen Ausschuß dazu, gegen die Bayerische Regierung zu hetzen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner liest hierauf einen Artikel in der neuesten Ausgabe der CSU-Correspondenz in Auszügen vor.28

Es erhebe sich nun die Frage, ob Bayern den Vorsitz im Sicherheitsausschuß des Bundesrats annehmen solle oder nicht. Er persönlich habe wenig Neigung, den Vorsitz im Sicherheitsauschuß anzunehmen. Seine Stellungnahme beruhe einmal auf den vorgetragenen politischen Erwägungen, zum anderen aber auch darauf, daß der Vorsitz im Sicherheitsausschuß im Hinblick auf die bevorstehende Wehrgesetzgebung mit einer starken Arbeitsbelastung für ihn verbunden sei und seine häufige Anwesenheit in Bonn erfordern werde. Wegen der weiten Entfernung Bonns von München glaube er, daß der Vorsitz im Sicherheitsausschuß schwer mit seinen Pflichten als Bayerischer Ministerpräsident sich vereinbaren lasse. Es sei bezeichnend, daß die anderen Länder wohl aus ähnlichen Erwägungen den Vorsitz im Sicherheitsausschuß abgelehnt hätten, obwohl ihre Regierungssitze räumlich näher bei Bonn lägen. Er bitte nunmehr das Kabinett um Meinungsäußerung.

Staatssekretär Dr. Haas erklärt, die Entscheidung, ob Bayern den Vorsitz im Sicherheitsausschuß annehmen wolle oder nicht, bedürfe sorgfältiger Überlegung. Man könne die Sache wohl auch anders sehen als der Herr Ministerpräsident. Zunächst würden psychologische Gründe dafür sprechen, den Vorsitz im Sicherheitsausschuß anzunehmen. Durch eine Ablehnung des Vorsitzes werde dargelegt, daß die Bayerische Staatsregierung im Verlust des Vorsitzes des Auswärtigen Ausschusses tatsächlich einen Prestigeverlust sehe. Auch entstehe hier der Eindruck, daß Bayern nicht mehr mitspielen wolle, weil es im Bundesrat überstimmt worden sei. Schließlich frage sich, ob man die Lage richtig beurteile, wenn man in der Entwicklung eine Demonstration gegen Bayern sehe. Im Januar habe doch die Bayerische Staatsregierung ausdrücklich erklärt, daß sie den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß nicht weiter beanspruchen werde, wenn der turnusmäßige Wechsel in der Besetzung der Ausschüsse erfolge. Die jetzige Wahl Arnolds zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses sei die natürliche Folge dieser im Januar abgegebenen Erklärung. Verschiedene Ministerpräsidenten hätten ihm darüber hinaus in persönlichen Unterredungen versichert, daß auch Dr. Ehard den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses verloren hätte, wenn er weiterhin Ministerpräsident geblieben wäre. Ferner könne man auch dem Argument wenig entgegenhalten, daß mit Ausnahme des Auswärtigen Ausschusses seit 1949 alle Ausschüsse des Bundesrats den Vorsitz gewechselt hätten. Es habe weder eine offizielle noch eine stillschweigende Abmachung bestanden, daß Bayern stets den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses beanspruchen könne. Ihm sei auch in persönlichen Unterhaltungen in Bonn in durchaus überzeugender Weise dargelegt worden, daß im Bundesrat eine Aktivierung des Auswärtigen Ausschusses gewünscht werde und daß die große Zurückhaltung, die Bayern während seines Vorsitzes im Auswärtigen Ausschuß, insbesondere unter Ministerpräsident Dr. Ehard, geübt habe, eine gewisse Mißstimmung bei den Ländern erzeugt habe, die eine größere Aktivität des Bundesrats in der Außenpolitik wünschten. Ob dieses letzte Argument ehrlich vorgebracht worden sei, lasse sich bezweifeln. Fest stehe aber auf jeden Fall, daß der in Januar ausgesprochene Verzicht Bayerns auf den weiteren Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß und der in allen anderen Ausschüssen übliche Wechsel im Vorsitz die nunmehr gefallene Entscheidung des Bundesrats mindestens nach außen hinreichend29 rechtfertige und ihr objektiv den Charakter einer einseitigen Unfreundlichkeit gegen Bayern nehme. Der Sicherheitsausschuß sei immerhin gegenwärtig der wichtigste Bundesratsausschuß.

Wenn man Bayern demonstrativ hätte benachteiligen wollen, dann hätte man ihm nicht gleichzeitig den Vorsitz in diesem politisch so außerordentlich wichtigen Ausschuß angetragen.

Staatssekretär Dr. Panholzer unterstützt die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Haas mit der Feststellung, daß der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Dr. Zimmer, ihm ausdrücklich erklärt habe, der Auswärtige Ausschuß solle künftig aktiviert werden. Im übrigen hätten die CDU-Ministerpräsidenten eine gewisse Angst gezeigt, den Vorsitz im Sicherheitsausschuß zu übernehmen wegen der politischen Auswirkungen, die damit verbunden seien. Nach seiner Auffassung werde der Herr Ministerpräsident dem Lande einen großen Dienst erweisen, wenn er seine Bedenken zurückstelle und den ihm angetragenen Vorsitz im Sicherheitsausschuß annehme.

Staatssekretär Weishäupl führt aus, nach den von ihm in Bonn gewonnenen Erfahrungen könne er die Ausführungen der Herren Staatssekretäre Dr. Haas und Dr. Panholzer nur unterstützen. Nach seiner Auffassung wäre es ein politischer Fehler, wenn man aus einer augenblicklichen Verärgerung heraus den Vorsitz im Sicherheitsausschuß ablehnen würde.

Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, auch er habe von Anfang an die Auffassung vertreten, daß der Verlust des Vorsitzes im Auswärtigen Ausschuß sich auf die Dauer nicht werde verhindern lassen. Er erinnere in diesem Zusammenhang an ein von ihm der Bayer. Staatszeitung gewährtes Interview, in dem er sich sehr vorsichtig ausgedrückt und besonders darauf hingewiesen habe, daß ein Gewohnheitsrecht, auf Grund dessen Bayern den ständigen Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß beanspruchen könne, nicht bestehe.30 Im übrigen sei auch festzustellen, daß die Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses, an denen er teilgenommen habe, nicht befriedigt und keinerlei politische Bedeutung gehabt hätten. Entweder habe Bundeskanzler Dr. Adenauer eigene Gedankengänge wiedergegeben oder aber es sei dem Ausschuß das gleiche vorgetragen worden, was man schon vorher in der Presse habe lesen können.

Staatssekretär Simmel faßt den von ihm in Bonn gewonnenen Eindruck dahin zusammen, daß eine bewusste Demonstration der Unfreundlichkeit gegen Bayern nicht beabsichtigt gewesen sei.

Staatsminister Bezold meint, der Herr Ministerpräsident könne auf den Vorsitz im Sicherheitsausschuß nicht verzichten.31 Er sei der Meinung, daß man auch in der Öffentlichkeit entsprechend Stellung nehmen solle, insbesondere bestünden s.E. keine Bedenken dagegen, daß man die Erklärung, die die Ministerpräsidenten und die Minister der CDU in Bonn den Vertretern Bayerns gegenüber in vielleicht auch vertraulichen Unterhaltungen abgegeben hätten, entsprechend verwerte, denn der gehässige Ton der CSU-Correspondenz verpflichte gerade dazu.

Staatssekretär Dr. Haas fügt hinzu, wenn der Herr Ministerpräsident wegen der Arbeitsbelastung, die mit dem Sicherheitsausschuß verbunden sei, Bedenken habe, so schlage er als Kompromißlösung vor, daß Bayern erkläre, den Vorsitz im Sicherheitsausschuß nur auf die Dauer eines Jahres zu übernehmen.

Staatsminister Zietsch spricht ebenfalls die Bitte aus, daß der Herr Ministerpräsident den ihm angetragenen Vorsitz im Sicherheitsausschuß annimmt. Er, der Finanzminister, halte auch eine stärkere bayerische Vertretung in Bonn für erforderlich. Wenn der Herr Staatssekretär der Bayer. Staatskanzlei jede Woche sich einmal in Bonn aufhalte, so könne er den Herrn Ministerpräsidenten in der sachlichen Arbeit für den Sicherheitsausschuß wertvoll entlasten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt hierzu, er befasse sich ohnedies schon mit der Frage, ob nicht ein Mitglied des Kabinetts ständig seinen Sitz in Bonn haben soll.

Staatssekretär Dr. Meinzolt meint, der Herr Ministerpräsident habe recht, wenn er den Vorgang in Bonn verletzend empfinde. Man hätte zumindest verlangen können, daß man vorher von der geplanten Abstimmung verständigt werde. Ebenso wirke der CSU-Artikel besonders verletzend und widerlege die Behauptung der anderen Ministerpräsidenten der CDU, daß es sich nicht um eine politische Demonstration gehandelt habe.

Staatsminister Zietsch bittet den Herrn Ministerpräsidenten, wegen des politischen Gewichts Bayerns im Bund sich künftig mehr für eine Anwesenheit im Bundesrat freizumachen. Bei seinen Aufenthalten in Bonn habe er festgestellt, daß der persönliche Kontakt der Ministerpräsidenten untereinander von größer Bedeutung sei. Gerade die Unterhaltungen vor, zwischen und nach den Sitzungen seien geeignet, das persönliche Einvernehmen her­zustellen und manche Entscheidung anders ausfallen zu lassen.

Er halte es für richtig, wenn der Herr Ministerpräsident wenigstens einmal im Monat an einer Sitzung des Bundesrats teilnehme. Auch die Ministerpräsidenten der anderen Länder würden es so handhaben.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt die Aussprache mit der Feststellung, daß eine Annahmeerklärung bezüglich des Vorsitzes im Sicherheitsausschuß von ihm nicht verlangt worden sei, sodaß das Kabinett auch über die Sache heute keinen Beschluß zu fassen brauche. Er nehme zur Kenntnis, daß die Mehrheit des Kabinetts sich für die Annahme des Vorsitzes im Sicherheitsausschuß ausgesprochen habe. Er bitte aber das Kabinett, davon überzeugt zu sein, daß ihn ganz bestimmte Gründe zu seiner bisherigen Zurückhaltung gegenüber Bonn veranlaßt hätten.32

XII.Verwaltungsabkommen zur Durchführung des Art. 6 Teil I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen33

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, daß es sich bei dem fraglichen Abkommen darum handle, die Verpflichtungen gegenüber den sogenannten Kriegsverbrechern in Landsberg auf die Bundesrepublik bzw. auf die Länder überzuleiten. Die Rechtslage sei zweifelhaft, da bekannterweise die in den Kriegsverbrecherprozessen gefällten Urteile von den deutschen Gerichten nicht anerkannt würden. Entweiche nun einer der Insassen der Kriegsverbrechergefängnisse, so sei sehr fraglich, ob im Rahmen der in der Bundesrepublik geltenden Gesetze eine Handhabe zur Wiederergreifung gegeben sei. Er halte es nicht für angängig, daß das Verwaltungsabkommen vom Bund abgeschlossen werde, ohne daß die Verpflichtungen, die hier die Länder treffen, eindeutig klargestellt seien. Er halte es daher für richtig, die Zustimmung der Bayerischen Staatsregierung von einer Klärung der Rechtslage abhängig zu machen.

Staatsminister Zietsch pflichtet dem Herrn Ministerpräsidenten bei und empfiehlt ebenfalls, zunächst eine Klärung der Rechtslage zu fordern; falle das Gutachten befriedigend aus, so könne die Zustimmung erteilt werden; werde dagegen kein entsprechendes Gutachten erstellt, so müsse das Abkommen abgelehnt worden.

Der Ministerrat faßt hierauf in diesem Sinne Beschluß.34

XIII.Konkurrenz der japanischen Porzellanindustrie35

Staatsminister Bezold führt aus, daß die Aufnahme Japans in die internationalen Liberalisierungsabkommen zu einer schweren Beeinträchtigung der bayerischen Porzellanindustrie geführt habe, die mit Japan kaum konkurrieren könne. Die Industrie- und Handelskammer Regensburg bitte daher um ein Telegramm der Bayerischen Staatsregierung an den Herrn Bundeskanzler. Er, Minister Bezold, habe erklärt, er könne ein solches Telegramm an den Herrn Bundeskanzler nicht richten, vielmehr könne das nur der Herr Ministerpräsident; er sei nur in der Lage, bei Wirtschaftsminister Erhard zu intervenieren. Dies habe er bisher bereits vergeblich getan, sodaß die Industrie- und Handelskammer Regensburg sich nur noch von einem Telegramm an den Herrn Bundeskanzler Erfolg verspreche.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bezweifelt, ob ein solches Telegramm den gewünschten Erfolg habe, zumal der Bundeskanzler gegenwärtig in Urlaub sei. Doch sei er bereit, dem Wunsche der Industrie- und Handelskammer zu entsprechen.

Der Ministerrat erklärt sein Einverständnis mit einem entsprechenden Telegramm des Herrn Ministerpräsidenten an den Herrn Bundeskanzler. Der Entwurf des Telegramms soll vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr erstellt werden.

Porzellanindustrie

XIV.Erhöhung der Notenumlaufgrenze (§ 5 des Emissionsgesetzes)36

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß nach einem Schreiben des Herrn Bundesministers für Wirtschaft vom 13. Juni 1955 der Zentralbankrat der Bank Deutscher Länder einstimmig beschlossen habe, die Notenumlaufgrenze um eine weitere Milliarde DM, also von 13 auf 14 Milliarden DM, zu erhöhen.37

Nach § 5 des Emissionsgesetzes sei für die Wirksamkeit des Beschlusses die Zustimmung der Länder erforderlich.38 Der Beschluß des Zentralbankrats werde mit der Erhöhung des Masseneinkommens und der wirtschaftlichen Produktionssteigerung begründet. Die Maßnahme werde zu keiner inflatorischen Tendenz führen. Das Staatsministerium der Finanzen habe mit Schreiben vom 18. Juli 1955 erklärt, daß es keine Bedenken gegen die Erhöhung der Notenumlaufgrenze um eine Milliarde DM habe.39 Er glaube, daß deshalb der Ministerrat unbedenklich zustimmen könne.

Staatsminister Zietsch erwähnt, daß nach seiner Überzeugung die Begründung des Zentralbankrats zutreffend sei und daß durch die Maßnahme keine inflatorische Entwicklung angebahnt werde.

Der Ministerrat stimmt hierauf der Erhöhung der Notenumlaufgrenze auf 14 Milliarden DM zu.40

XV.Dienststrafverfahren Residenztheater41

Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, daß Ministerialrat Berndt gestorben sei und damit das gegen ihn anhängige Dienststrafverfahren nicht mehr weiter geführt worden könne. Es empfehle sich daher, auch die anderen Dienststrafverfahren einzustellen.

Der Ministerrat erklärt hierauf sein Einverständnis mit der Einstellung der weiteren Dienststrafverfahren.

XVI.Tag der Heimat in Kronach am 6. und 7. August 1955

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Bund vertriebener Deutscher, Landesverband Bayern, veranstalte am 6. und 7. August 1955 unter dem Motto „Tag der Heimat“ eine Landeskundgebung zur 10. Wiederkehr der Tage der Vertreibung aus Ostdeutschland. Der Bund sei an ihn mit der Bitte um Teilnahme herangetreten. Er sei aber an den beiden Tagen bereits anderweitig vergeben und bitte daher ein Kabinettsmitglied um Teilnahme.

Bei der Aussprache ergibt sich, daß kein Kabinettsmitglied an diesen beiden Tagen an der Veranstaltung teilnehmen kann.

Es wird hierauf beschlossen, mit der Vertretung der Staatsregierung den Regierungspräsidenten von Oberfranken zu beauftragen.42

XVII.Verrechnung von Reisekosten durch die Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung

Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, er sei darauf angesprochen worden, daß die Herren Kabinettsmitglieder die Verrechnung von Reisekosten für Veranstaltungen, zu denen man eingeladen sei, unterschiedlich gehandhabt hatten. Es frage sich, ob bei solchen Veranstaltungen, bei denen keine eigenlichen Kosten entstünden, Reisekosten liquidiert werden sollten oder nicht. Nach seiner Meinung entfalle das Bedürfnis für die Erstellung einer Reisekostenrechnung etwa bei Staatsbesuchen in anderen Ländern, wenn die Kosten hierfür von den Gastgebern übernommen würden.

Staatsminister Zietsch erklärt hierzu, nach den einschlägigen Vorschriften seien alle Reisen von Kabinettsmitgliedern, die zur Wahrnehmung dienstlicher Obliegenheiten gemacht würden, Dienstreisen, für die Reisekosten zu berechnen seien. Auch wenn im Einzelfall für ein Essen oder dergl. keine Kosten entstünden, ändere dies nichts daran, daß eine Dienstreise vorliege, zumal ja noch andere Kosten wie Trinkgelder usw.43 auch entstünden. Die Erstellung von Reisekostenrechnungen entfalle lediglich dann, wenn ein Kabinettsmitglied an parteipolitischen Veranstaltungen teilnehme. Auch die Kabinettssitzungen an den Sitzen der Regierungen seien Dienstreisen, für die Reisekosten in Rechnung gestellt werden könnten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt den Ministerrat mit der Feststellung, daß am nächsten Dienstag nochmals eine ordentliche Kabinettssitzung abgehalten werde. Während der dann folgenden Urlaubszeit sollten Sitzungen nur von Fall zu Fall aus besonderen Gründen angesetzt werden.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats In Vertretung gez.: Kellner Regierungsdirektor
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär