Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft uud Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialdirigent Dr. Freudling (Finanzministerium) zu Punkt I.
Justizminister Dr. Koch.
I. Kriegsfolgenschlußgesetz. II. Neubesetzung der Bundesratsausschüsse. III. Errichtung von Spielbanken in Bayern. IV. Verordnung zur Änderung der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes. V. Veräußerung des Schloßgutes Höhenried (Gemeinde Bernried). VI. Errichtung eines Atom-Reaktors in München. VII. Attentat auf den früheren slowakischen Minister Professor Matúš Černák. VIII. Institut für Zeitgeschichte. IX. Aufsatz in der Bayerischen Staatszeitung Nr. 26 „Der Landesschulbeirat“. X. Vorschlag der Stadtverwaltung Rothenburg ob der Tauber zur Neugliederung des Bundesgebiets. XI. Ostdeutscher Kulturrat. XII. Verkehrsstille am 18. Juli 1955. XIII. Erklärung zur Pfalzfrage. XIV. Antrag des Bundes Bayerischer Beamtenverbände e.V. auf Gewährung einer zweiten Ausgleichszahlung an die Beamten und Versorgungsempfänger des Bayerischen Staates. XV. Einladungen und Veranstaltungen usw..
Zu Beginn der Sitzung spricht Ministerpräsident Dr. Hoegner Herrn Staatssekretär Vetter seine und des Ministerrats Glückwünsche zum 49. Geburtstag aus.
Ministerialdirigent Dr. Freudling führt aus, Gegenstand des Gesetzes sei die Bereinigung von Verbindlichkeiten des Reiches, der Reichsbahn und der Reichspost, des früheren Landes Preußen und des Unternehmens Reichsautobahnen. Nur diejenigen Verbindlichkeiten sollen danach erfüllt und die Schäden ersetzt werden, die nach dem Entwurf zu erfüllen oder abzulösen seien; es werde also eine sogenannte Negativ-Klausel eingeführt. Alle anderen Ansprüche dagegen sollen erlöschen, um eine gar nicht übersehbare Belastung des Bundes zu vermeiden.2
Der Entwurf unterscheide zwei große Komplexe von Verbindlichkeiten, nämlich die zu erfüllenden Ansprüche, d.h. alte Ansprüche außer den sogenannten verbrieften Verbindlichkeiten. Den anderen Komplex stellten die abzulösenden und zu verzinsenden Ansprüche dar. Insgesamt beliefen sich die zu regelnden Verbindlichkeiten des Reiches auf rund 800 Milliarden RM, die finanzielle Belastung des Bundes werde sich auf jährlich rund 200 Mio DM für die Dauer von mindestens 25 Jahren belaufen.
Das Gesetz behalte in § 5 bestimmte Fälle einer gesonderten gesetzlichen Regelung vor, insbesondere Besatzungsschäden, rückerstattungsrechtliche Verbindlichkeiten, Reparations- und Restitutionsschäden.3
Von besonderer Bedeutung sei die sogenannte Kommunal-Klausel. Die oben erwähnte Negativ-Klausel schließe nur weitere Ansprüche gegen Reich, Preußen usw. aus, nicht aber gleichgeartete Ansprüche gegen die übrigen Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die gegen diese aus der Erfüllung von Kriegsaufgaben oder im Zusammenhang mit dem Krieg und seine Folgen entstanden seien, z.B. Ansprüche aus der Belegung von Wohnungen und Hotels für Flüchtlinge, aus Beschlagnahmen, aus Luftschutzbauten, Behelfsbahnen, Waldeinschlägen usw. Der Unterausschuß habe sich eingehend damit beschäftigt,4 eine befriedigende Lösung sei jedoch nicht gefunden worden. Er selbst habe vorgeschlagen, § 1 durch folgenden Abs. 2 zu ergänzen:
„Das Gleiche gilt für Ansprüche gegen Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die aus der Wahrnehmung unabweislicher Aufgaben erwachsen sind, die Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände nach dem Zusammenbruch des Reiches bis 31.7.1945 zur Beseitigung von Kriegsfolgen anstelle an sich zuständiger Reichsbehörden erfüllt haben.“
Der Unterausschuß habe sich auch bereit gefunden, diesen Vorschlag zu übernehmen in der Meinung, daß das Gesetz auch solche Ansprüche von der Erfüllung ausschließen sollte, mindestens und soweit sie bis zum 31. Juli 1945 entstanden seien.
Zu § 5 Nr. 3 rege der Unterausschuß an, auch die Fälle einer Sonderregelung vorzubehalten, in denen Vermögenswerte auf Grund von Vereinbarungen entzogen worden seien, die von deutschen Gebietskörperschaften auf Veranlassung der Besatzungsmächte abgeschlossen werden mußten; hier handle es sich besonders um die sogenannten E-Hiebe in der französisch-besetzten Zone.
Weiter mache der Unterausschuß darauf aufmerksam, daß die Regelung der Reichsverbindlichkeiten absichtlich unabhängig von der Regelung des aktiven Reichsvermögens erfolgen solle. Deshalb erscheine es zweckmäßig, auch die Regelung des ehemaligen preußischen Vermögens nicht mit der Regelung der entsprechendenVerbindlichkeiten in Zusammenhang zu bringen. Der Unterausschuß rege an, im Bundesrat durch eine Erklärung der Bundesregierung klarzustellen, daß auch bei der künftigen gesetzgeberischen Behandlung des ehemaligen preußischen Vermögens die Regelung der Verbindlichkeiten nicht der Regelung des Eigentums zu folgen habe, in gleicher Weise, wie dies jetzt beim Reichsvermögen unterbleibe.
Der Zweite Teil behandle die sogenannten zu erfüllenden Ansprüche, die einen Betrag von etwa 400 Milliarden RM ausmachten. Selbstverständlich sei es unmöglich, sämtliche nicht verbriefte Ansprüche gegen Reich, Preußen usw. zu befriedigen. Die Frage sei jedoch, ob die im Entwurf gewählten sachlichen Ausscheidungsmerkmale, wie soziale Gesichtspunkte (§ 6), Erfüllung von Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, aus denen der Bund Rechte geltend mache, Erfüllung von Verbindlichkeiten, die nach dem 31. Juli 1945 entstanden seien usw., dem grundgesetzlichen Erfordernis gleichmäßiger Behandlung (Art. 3 GG)5 entsprechen oder ob rechtlich bessere Ausscheidungsmerkmale zu finden seien. Der Unterausschuß schlage u.a. zum Zweiten Teil vor, daß Ansprüche gegen das Reich auf Rückgabe von Grundstücken bei Entbehrlichkeit für Reichszwecke (Heimfall-Ansprüche) erfüllt werden müssen, ebenso wie der Entwurf die Erfüllung dinglicher Ansprüche bereits vorsehe.
Der Dritte Teil habe die abzulösenden Ansprüche zum Gegenstand. Diese sollten mit 6,5% des Nennwerts abgelöst, mit 4% verzinst und in 40 möglichst gleichen Teilbeträgen getilgt werden. Der Unterausschuß habe sich zwar für eine Ablösung im Verhältnis 10:1 ausgesprochen, das Bundesfinanzministerium erkläre jedoch, nicht mehr als 6,5% leisten zu können.
Nach dem Entwurf entfielen auch die Bürgschaftsverpflichtungen des Reiches und zwar auch in den Fällen, in denen das Reich zusammen mit Ländern und anderen Rechtsträgern eine Bürgschaft gesamtschuldnerisch übernommen habe oder in denen die Bürschaft des Reichs gesetzliche Voraussetzung für die Ausgabe von Wertpapieren von Kreditinstituten gewesen sei. Es bestehe die Gefahr, daß die Länder zum Ausgleich Ausgleichsverbindlichkeiten gewähren müßten; für Bayern würde das etwa 50 Millionen DM ausmachen. Der Unterausschuß stelle deshalb zur Überlegung, wie solche Ausfälle von Bürgschaften zu ersetzen wären, z.B. dadurch, daß der Bund die Bürgschaften seinerseits selbständig übernehme. Vielleicht sei es möglich, daß der Bundesrat eine Empfehlung in diesem Sinne beschließe.
Zu § 27 Abs. 1 Nr. 5 habe der Sozialpolitische Ausschuß des Bundesrats angeregt, die Ansprüche der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht von der Ablösung auszuschließen.6 Der Unterausschuß glaube aber, daß den Bedürfnissen der Rentenversicherung in anderer Weise Rechnung getragen werden könne. Das Bundesfinanzministerium erkläre sich vorläufig nicht in der Lage, entgegenkommen zu können.
Der Vierte Teil regle die sogenannten Härtefälle. Vorgesehen seien in Fällen von besonderer Notlage Härtebeihilfen, die Voraussetzungen sollen gemäß § 61 Abs. 3 des Entwurfs durch eine Rechtsverordnung bestimmt werden. Der Unterausschuß sei nun der Auffassung, daß diese Verordnung mindestens gleichzeitig mit dem Kriegsfolgenschlußgesetz herauskommen müsse.
Das Bundesfinanzministerium rechne damit, daß es zur Erfüllung der Ansprüche jährlich etwa 200 Mio DM in den Bundeshaushalt einstellen müsse, wovon rund 150 Mio DM für Härtebeihilfen vorgesehen seien, übrigens fielen unter die Härtefälle auch Fälle, die bereits den Landtag beschäftigt hätten, z.B. besondere Härten, die sich beim Rückerstattungsgesetz ergeben hätten.
Der Bericht des Unterausschusses bringe dann in der Zusammenfassung unter F) eine Reihe von Vorschlägen. Nach den bisherigen Verhandlungen sei anzunehmen, daß sie vom Bundesfinanzministerium gebilligt würden. Dieses rechne damit, daß der Entwurf im Oktober an den Bundestag komme, der Vollzug aber kaum vor Frühjahr 1956 möglich sein werde.
Ministerialrat Dr. Gerner fügt hinzu, der Entwurf werde am 22. Juli 1955 im Bundesrat behandelt werden.
Die Kommunal-Klausel sei natürlich von größter Bedeutung. Der Unterausschuß des Rechtsausschusses habe aber Bedenken hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit und befürchte, daß diese für die Forderungen, die der Unterausschuß des Finanzausschusses erfüllt sehen wolle, fehle.
Die zweite Frage sei die des Gleichheitsgrundsatzes; eine ganz befriedigende Lösung könne wohl nicht erzielt werden, man müsse sich damit begnügen, das mögliche zu erreichen. Insoweit habe aber der Rechtsausschuß keine grundsätzlichen Bedenken. Schwieriger sei die Frage der Enteignung, wie komme man insoweit über Art. 14 Grundgesetz hinweg?7 Vielleicht könne man so vorgehen, daß man sage, die Art. 1348 und 135 Grundgesetz9 seien Sonderregelungen, so daß Art. 14 GG überhaupt nicht in Betracht komme.
Der Unterausschuß des Rechtsausschusses habe bisher eine Frage noch nicht erörtert, nämlich die des Art. 120 GG.10 Vielleicht bestehe eine Möglichkeit, einen Teil der Probleme unter den Gesichtspunkt der Kriegsfolgelasten zu bringen. Freilich sei bei der Ausarbeitung des Art. 120 daran wohl nicht gedacht gewesen.
Für den Bundesrat stehe im ganzen gesehen folgender Weg offen: Der Entwurf sei zweifellos ein Zustimmungsgesetz; wenn nun die Länder einhellig erklärten, sie könnten nicht zustimmen, bevor der Bund nicht wenigstens einen Teil ihrer Ansprüche befriedigt habe, könne das Gesetz nicht in Kraft treten. Hier handle es sich allerdings um eine politische Entscheidung.
Ministerialdirigent Dr. Freudling entgegnet, Art. 120 GG sei erörtert worden, man habe sich aber auf den Standpunkt gestellt, diese Bestimmung betreffe nur den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, könne aber nicht auf das Verhältnis mit Gläubigern angewendet werden.
Ministerialrat Dr. Gerner meint, bevor die Gläubiger an die Länder heranträten, müßte man versuchen, zu erreichen, daß der Bund die notwendigen Aufwendungen ersetze.
Ministerialdirigent Dr. Freudling fährt fort, der Unterausschuß des Finanzausschusses habe auch die Frage der Gesetzgebungszuständigkeit behandelt und deren Vorliegen aus einer Reihe von Gründen bejaht. Insbesondere habe man erklärt, bei den Verbindlichkeiten handle es sich um solche aus einer Geschäftsführung für das Reich, also in der Tat um Verbindlichkeiten wirtschaftlicher und verwaltungsrechtlicher Natur des Reiches.
Auf diese Weise könne man vielleicht die Kommunal-Klausel retten,
Staatssekretär Vetter erklärt, für das Innenministerium seien die Luftschutzbauten von besonderer Bedeutung, die in großer Zahl im Auftrag des Reiches errichtet worden seien. Zu seiner Überraschung entnehme er dem Bericht, daß die Negativ-Klausel die Ansprüche aus Luftschutzbauten der Länder und Gemeinden nicht ausschließe.
Ministerialdirigent Dr. Freudling erwidert, die Tatbestände seien hier sehr verschieden. Am besten wäre es, wenn die Regelung so ausfalle, daß Verbindlichkeiten des Reiches so wie vorgesehen behandelt würden, während bei solchen der Länder oder der Gemeinden die Ergänzung der Kommunal-Klausel so erfolge, wie er das auf S. 7 des Berichts vorgeschlagen habe. Es komme vor allem darauf an, die Kommunal-Klausel vorsichtig und zweckmäßig zu fassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß sich die Gläubiger an die Gemeinden halten werden, die ihrerseits auf das frühere Reich verweisen. Wenn nun die Gemeinden von ihren Verbindlichkeiten befreit würden, sei zwar eine Regelung getroffen, die sich aber zu Ungunsten der Gläubiger auswirke,
Ministerialdirigent Dr. Freudling bemerkt, es müsse noch mit dem Staatsministerium des Innern geklärt werden, ob die für die Kommunal-Klauscl vorgeschlagene Fassung ausreiche.
Staatssekretär Weishäupl betont vor allem die Notwendigkeit, für die Ansprüche der Rentenversicherung einen befriedigenden Ausweg zu finden.
Ministerialdirigent Dr. Freudling antwortet, wie schon ausgeführt, habe der Sozialpolitische Ausschuß angeregt, die Ansprüche der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht von der Ablösung auszuschließen. Das Bundesfinanzministerium glaube aber, der Anregung nicht Rechnung tragen zu können und erkläre, es müsse ohnehin eingreifen, wenn die Träger nicht mehr leistungsfähig seien.
Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht Staatsminister Zietsch zu beschließen, daß sich der Ministerrat auf den Boden des Berichts des Unterausschusses stelle.
Der Ministerrat beschließt, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen und sich grundsätzlich damit einverstanden zu erklären.11
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Bundesratspräsidenten, Herrn Ministerpräsidenten Altmeier, bekannt, in dem die Frage nach dem Vorsitz in den Bundesratsausschüssen aufgeworfen werde. Der Präsident würde es begrüßen, wenn ein einheitlicher Vorschlag zustande kommen könne.
Bekanntlich sei die Wahl des Bayerischen Ministerpräsidenten zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses mit der Maßgabe erfolgt, daß sie bis zum Ende der Wahlperiode des Bundesratspräsidenten, also bis Dezember 1955 gelten solle.12 Die Frage sei nun, welche Ausschüsse Bayern beanspruchen wolle. Solle weiterhin an dem Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß festgehalten werden?
Staatsminister Stain bemerkt, wie er erfahren habe, werde sich tatsächlich an dem Vorsitz in den Ausschüssen wenig ändern.
Staatssekretär Dr. Haas führt aus, der Sozialpolitische Ausschuß sei im Hinblick auf die kommende Sozialreform im nächsten Jahr sehr arbeitsreich, ebenso der Vorsitz im Sicherheitsausschuß, den bisher niemand habe übernehmen wollen.13 Vielleicht solle von Bayern aus der Versuch gemacht werden, den Vorsitz im Finanzausschuß zu erhalten; wenn das nicht möglich sei, müsse der Herr Ministerpräsident wohl die Belastung, die der Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß darstelle, auch weiterhin übernehmen.
Staatsminister Zietsch meint, es sei ihm nicht angenehm, wenn er Herrn Minister Tröger im Vorsitz des Finanzausschusses ablösen solle, der sein Amt schon seit 3 Jahren mit Erfolg ausübe. Auch er sei der Meinung, daß der Herr Ministerpräsident den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß nicht abgeben solle.
Staatsminister Stain regt an, Bayern soll erklären, die Verteilung der Ausschüsse solle wie bisher verbleiben, wem das nicht möglich sei, müsse eine Besprechung über die völlige Neuverteilung erfolgen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.
Staatssekretär Dr. Haas meint, vielleicht überlasse Hessen Bayern den Vorsitz im Finanzausschuß, wenn es den Sozialpolitischen Ausschuß erhalte.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, er werde Herrn Bundesratspräsidenten Altmeier mitteilen, wem Bayern den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß nicht beibehalten könne, müßte auch der Vorsitz in allen anderen Ausschüssen wechseln. Er nehme an, daß daraufhin Herr Altmeier am 22. Juli nicht endgültig beschließen lassen werde.14
Staatsminister Zietsch gibt zu überlegen, ob Herr Staatssekretär Dr. Haas nicht in dieser Woche hinauffahren solle, um mit dem Bundesratspräsidenten unmittelbar zu verhandeln.
Abschließend wird vereinbart, in dem vom Herrn Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Sinne an Herrn Bundesratspräsidenten Altmeier zu schreiben.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest den Abdruck eines Schreibens des Herrn Staatsministers Zietsch vom 29. Juni 1955 an das Staatsministrium des Innern, in dem folgendes ausgeführt wird:
„In dem von den Bayer. Staatsministerien des Innern und der Finanzen in den Besprechungen vom 7. und 8. Juni 1955 gemeinsam aufgestellten Entwurf einer Zulassungsurkunde für die Spielbankunternehmer war neben anderen Widerrufsgründen vorgesehen, daß ein entschädigungsloser Widerruf der Zulassung ausgesprochen werden kann,
a) wenn ein Gesetz des Bundes oder des Freistaates Bayern allgemein den Betrieb von Spielbanken verbietet,
b) wenn wichtige öffentliche Interessen den Widerruf erforderlich machen.
Diese Bestimmungen hat das Staatsministerium des Innern ohne Beteiligung des Staatsministeriums der Finanzen gestrichen. Ich mache darauf aufmerksam, daß diese Änderung unter Umständen Entschädigungsansprüche der Spielbankunternehmer an den Bayer. Staat zur Folge haben kann. Ich wäre dankbar, wenn Entscheidungen auf dem Gebiet der Spielbanken im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen getroffen würden, da sie regelmäßig erhebliche finanzielle Auswirkungen haben können.“
Vielleicht könne der Herr Staatsminister des Innern diese Angelegenheit aufklären.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, dieser Brief sei ihm noch nicht vorgelegt worden. Was die Errichtung von Spielbanken betreffe, so liege die Entscheidung beim Staatsministerium des Innern, während das Finanzministerium nur fiskalische Interessen zu wahren habe.
Staatsminister Zietsch erwidert, es sei sehr bedauerlich, daß in der Zulassungsurkunde die wichtigsten Bedingungen gestrichen worden seien und zwar ohne Verständigung des Staatsministeriums der Finanzen. Er befürchte, daß der Bayerische Staat unter Umständen eines Tages erhebliche Entschädigungsansprüche befriedigen müsse.
Dazu komme, daß im Ministerrat doch beschlossen worden sei, die Zulassung von Spielbanken gemeinsam durch Innen- und Finanzministerium erledigen zu lassen.
Staatsminister Dr. Baumgartner wirft ein, die gestrichenen Widerrufsgründe seien von gewisser Seite in die Zulassungsurkunde hineingebracht worden, um damit später die Spielbanken zu Fall zu bringen. Gerade um eine spätere Haftung zu vermeiden, habe der Herr Innenminister diese Bedingungen herausgenommen.
Staatsminister Bezold erklärt, er schließe sich der Auffassung des Herrn Finanzministers völlig an. Er halte es für unmöglich, einen künftigen Landtag in irgendeiner Form zu binden, ganz abgesehen davon, daß auch der jetzige Landtag seine Entscheidung wieder abändern könne. Deshalb habe er es für selbstverständlich gehalten, eine Möglichkeit zu suchen, derartige Folgen für den Staat auszuschließen. In jedem ziviIrechtlichen Vertrag seien ähnliche Klauseln enthalten und er bedauere, daß sie hier gestrichen worden seien.
Staatsminister Dr. Baumgartner entgegnet, es soll doch verhindert werden, daß die Zulassung vom Landtag wieder aufgehoben werden könne, nachdem ein zehnjähriger Vertrag abgeschlossen worden sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt die Frage, warum denn nicht wenigstens vorher die Verbindung mit dem Finanzministerium aufgenommen worden sei.
Staatsminister Bezold widerspricht der Auffassung des Herrn Staatsministers Dr. Baumgartner und führt aus, man müsse von dem Gesetz über die Spielbanken und dem Vertrag ausgehen. Juristisch sei es völlig falsch, beide Dinge miteinander zu vermischen. Man könne nicht behaupten, der Vertrag werde gebrochen, wenn ein anderes Gesetz herauskomme. Der Landtag habe nun einmal die Möglichkeit, das Gesetz abzuändern und der Bayerische Staat komme dann in eine schwerwiegende Haftung hinein, weil in der Zulassungsurkunde die Klauseln, die in jeden Vertrag gehörten, nicht enthalten seien.
Staatssekretär Simmel meint, deshalb könne der Landtag eben ein solches Gesetz nicht beschließen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner betont nochmals, das Innenministerium hätte sich eben mit dem Finanzministerium in Verbindung setzen sollen, nachdem in den Besprechungen vom 7. und 8. Juni 1955 der Entwurf der Zulassungsurkunde gemeinsam aufgestellt worden sei.
Staatsminister Zietsch fügt hinzu, nachdem alle Einzelheiten abgesprochen gewesen seien, hatte unbedingt zurückgefragt werden müssen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer stellt fest, er könne sich die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen lassen, während
Staatsminister Bezold bemerkt, er lehne es ab, eine Verantwortung in dieser Sache zu tragen.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird die Aussprache abgebrochen, da Herr Staatsminister Dr. Geislhöringer die Sitzung verlassen muß.
In diesem Zusammenhang kommt Ministerpräsident Dr. Hoegner dann auf die Rundfunkrede des Herrn Staatsministers des Innern zu sprechen, die leider schwere Vorwürfe gegen den Senat enthalten habe.16 Obwohl er sich selbst eingeschaltet habe, sei es bedauerlicherweise nicht gelungen, zu einem Ausgleich mit dem Senat zu kommen. Praktisch sei die ganze Angelegenheit bereits in Ordnung gebracht gewesen, als die unglückliche Rede des Herrn Staatsministers Dr. Geislhöringer über den Rundfunk gekommen sei, der noch dazu erklärt habe, er werde nicht nachgeben. Die Folge sei, daß nun ein völlig überflüssiger Streit mit dem Senat verewigt werde, der bekanntlich in einer Entschließung vom 8. Juli 1955 die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in aller Form zurückweise.17 Er als Ministerpräsident komme in eine äußerst schwierige Lage, zumal – wie gesagt – die Auseinandersetzung ohne weiteres hätte beigelegt werden können.
Er müsse darauf hinweisen, daß Herr Staatsminister Dr. Geislhöringer als Minister in einer anderen Art und Weise sprechen müsse wie früher als Abgeordneter der Opposition.
Staatsminister Dr. Baumgartner bemerkt, er habe selbst einen Vermittlungsvorschlag gemacht, nämlich in der Weise, daß der Senat erkläre, er habe nicht beabsichtigt, dem Innenminister Verfassungsbruch vorzuwerfen. Leider habe aber Herr Staatsminister Dr. Geislhöringer nicht nachgegeben.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet es als unnötig, daß die Haltung des Innenministers von der Fraktion der Bayernpartei gedeckt worden sei.
Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, er habe Herrn Dr. Geislhöringer dringend gebeten, in Zukunft bei seinen Reden Mäßigung zu bewahren, da auch er die Rundfunkrede gegen den Senat für unrichtig gehalten habe.18
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Note des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge vom 4. Juli 1955, mit der dieser Verordnungsentwurf vorgelegt worden sei. Es handle sich darum, § 6 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes in der Weise abzuändern, daß künftig die Kreisverwaltungsbehörde Ausweise einziehe oder für ungültig erkläre, die den Ausweis ausgestellt habe, während bisher die Kreisverwaltungsbehörde des Wohnsitzes zuständig gewesen sei.
Bedenken gegen den Entwurf seien von keiner Seite erhoben worden; als Zeitpunkt des Inkrafttretens werde der 1. August 1955 vorgeschlagen.
Der Ministerrat beschließt, der Verordnung in der vorliegenden Form zuzustimmen und sie am 1. August 1955 in Kraft treten zu lassen.19
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Gemeinde Bernried, unterstützt vom Landratsamt Weilheim, wende sich in einer Denkschrift gegen den angblich geplanten Verkauf des Gutes Höhenried an das Kloster St. Ottilien und bitte die Bayerische Staatsregierung um ihr Eingreifen.21
Diese Angelegenheit brauche nicht mehr erörtert zu werden; die Abtei St. Ottilien habe nämlich dem Herrn Landrat Konrad von Weilheim einen Brief geschrieben, in dem ausdrücklich erklärt werde, sie beabsichtige weder das Gut zu kaufen noch als Geschenk anzunehmen. Abschrift davon habe Landrat Konrad dem Regierungspräsidenten von Oberbayern übersandt.22
Der Ministerrat nimmt davon Kenntnis.23
Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, bei den Veranstaltungen des Arbeitskreises sozialdemokratischer Akademiker habe sich gezeigt, welchen Anteil die Bevölkerung in allen mit dem Atom-Problem zusammenhängenden Fragen nehme. Er erinnere außerdem daran, daß erst in den letzten Tagen eine Warnung veröffentlicht worden sei, die Einstein vor einem neuen Krieg ausgesprochen habe.25
Unter diesen Umständen schlage er vor, daß die Bayerische Staatsregierung einen außerordentlichen Schritt tue, nämlich eine Staatliche Kommission zum Studium der Nutzung der Atom-Energie für friedliche Zwecke zu gründen. Er habe darüber schon mit Herrn Staatsminister Rucker gesprochen, der sich seinerseits mit Herrn Professor Dr. Gerlach in Verbindung gesetzt habe.
Staatsminister Rucker teilt dazu mit, Professor Gerlach sei über den Plan begeistert, der auch die volle Zustimmung Professor Dr. Heisenbergs finde. Dieser sei ebenfalls bereit, in der Kommission mitzuarbeiten, sobald die Frage der Verlegung seines Instituts nach München geklärt sei. Außerdem habe er sich auch an den Präsidenten der Bayer. Akademie der Wissenschaften, Professor Dr. Wagner, gewandt, der ebenfalls mitmachen wolle.
Eine endgültige Liste der Mitglieder der Kommission könne natürlich noch nicht aufgestellt werden, er denke aber an die Professoren Gerlach, Heisenberg, Wagner, Demoll, Trendelenburg. Ferner an einen Chemiker, einen Mediziner, einen Juristen und an Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, es müsse eine Staatliche Kommission errichtet werden, die später der Akademie der Wissenschaften angegliedert werden könne. Wenn die Vorarbeiten beendet seien, also in etwa 14 Tagen, werde er im Bayer. Rundfunk darüber sprechen.26
Staatsminister Dr. Baumgartner begrüßt den Vorschlag, ersucht aber, sich hinsichtlich der Zusammensetzung der Mitglieder noch nicht endgültig festzulegen und besonders die Wirtschaft einzuschalten.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths verweist auf die Vorarbeiten für ein Atom-Gesetz der Bundesregierung,27 während Staatsminister Rucker betont, es sei durchaus möglich, davon unabhängig eine eigene Bayerische Kommission zu bilden.
Als weitere Mitglieder schlägt Staatssekretär Dr. Guthsmuths Direktor Beckenbauer von der Maxhütte AG und Stadtrat Helmut Fischer, München, vor.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, über die Zusammensetzung brauche noch nicht endgültig entschieden werden. Heute drehe es sich vor allem darum, die Kommission zu gründen.
Staatsminister Rucker ergänzt seinen Vorschlag noch dahin, einen Meteorologen mitzuberufen; eine geeignete Persönlichkeit sei jedoch noch nicht gefunden.
Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärt, das Schwergewicht müsse auf dem Wissenschaftlichen, nicht auf dem Wirtschaftlichen liegen.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird dann folgender Beschluß gefaßt:
Die Bayerische Staatsregierung gründet eine Bayerische Staatliche Kommission zur friedlichen Nutzung der Atomkräfte.
Staatsminister Dr. Baumgartner bittet, den Ministerrat laufend über die Gründung und dann über die Tätigkeit der Kommission zu unterrichten.
Abschließend setzt sich Staatssekretär Dr. Guthsmuths noch mit den Bedenken der Firma Perutz gegen die Errichtung eines Atom-Reaktors auseinander28 und stellt fest, daß die Denkschrift der Firma von völlig falschen und längst überholten Voraussetzungen ausgehe.29
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, er könne noch nichts wesentlich Neues berichten, vorläufig bemühe man sich festzustellen, wo die Bombe herstamme; vom Täter habe man bis jetzt noch keine Spur.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf sein Rundfunkinterview, in dem er besonderen Wert auf schärfste Überwachung der Emigranten-Organisationen gelegt habe. Es bestehe die große Gefahr, daß sich Agenten des Ostens in diese Organisationen einschlichen, was schließlich dann zu solchen Vorfällen führe wie dem Attentat gegen Černák, das ja bekanntlich auch einer völlig unbeteiligten deutschen Frau das Leben gekostet habe. Scharfe Überwachung sei also notwendig, außerdem müsse die Möglichkeit geprüft werden, die Gesetzgebung zu ergänzen. Er erinnere daran, daß die Schweiz zwar jedem Emigranten Asyl gewähre, jedoch eine schriftliche Erklärung verlange, daß der betreffende keinerlei politische Tätigkeit ausübe. Ausländer dürften z.B. in der Schweiz keine Vereine bilden usw.
Staatsminister Stain schildert dann die Entstehung des neuen Staates Slowakei nach dem Zusammenbruch des tschechoslowakischen Staates im Jahre 1939 und betont, Černák sei nicht der politische Führer der Slowaken gewesen, sondern habe vor allem die soziale Betreuung der Flüchtlinge durchgeführt. Er habe aber den Eindruck, als ob der Kommunismus gerade solche Leute für besonders gefährlich halte.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt abschließend, aus dem Vorfall müsse jedenfalls die Folgerung gezogen werden, daß alle Maßnahmen getroffen werden müßten, um die deutsche Bevölkerung vor den Folgen innerer Auseinandersetzungen unter den ausländischen Flüchtlingen zu schützen. Voraussetzung dafür sei eine schärfere Überwachung der Organisationen und unter Umständen eine Änderung der Gesetzgebung. Er ersuche das Staatsministerium des Innern, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der frühere Staatssekretär in Hessen, Herr Professor Brill, habe bei einem Besuch erwähnt, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe zur Satzung des Instituts Änderungsvorschläge eingebracht.32 Professor Brill habe nun den Wunsch, daß diese Vorschläge zurückgezogen würden und bitte außerdem über den Bayer. Bevollmächtigten in Bonn, Herrn Ministerialdirektor Leusser, zu veranlassen, daß das Stiftungsreferat des Bundesinnenministeriums keine Einwendungen gegen die Satzung erhebe.
Staatssekretär Dr. Meinzolt berichtet, bisher entbehre das Institut noch der Rechtspersönlichkeit, das Kuratorium habe deshalb beschlossen, eine Stiftung zu errichten und eine Satzung entworfen.33 Daraufhin habe das Stiftungsreferat des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus noch zusätzliche Bestimmungen für notwendig gehalten. Die Angelegenheit sei noch nicht völlig geklärt.34
Staatsminister Zietsch fügt hinzu, auch das Staatsministerium der Finanzen werde die Vorschläge noch prüfen.
Staatssekretär Dr. Meinzolt bittet den Herrn Ministerpräsidenten, ihm kurz mitzuteilen, welche Wünsche Herr Professor Brill geäußert habe.
Dieser übergibt eine diesbezügliche Vormerkung.35
Abschließend weist Staatsminister Rucker darauf hin, daß die Aufnahme des Instituts in das Königsteiner Abkommen36 noch nicht sicher sei, sie hänge wesentlich von einer ordnungsgemäßen Satzung ab.37
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, Herr Staatssekretär Weishäupl habe sich über diesen Aufsatz in der Staatszeitung beschwert, in dem es u.a. heiße, unter der Fiktion der Demokratie seien Schulfragen nach mechanischen Zufallsmehrheiten, nach Partei- und Interessenmajoritäten, nach Gruppeninteressen und den von ihren Organisationen erregten öffentlichen Meinungen angenommen oder verworfen worden. Außerdem werde gesagt, nie habe wahrscheinlich eine Ministerialbürokratie unter schwierigeren Verhältnissen gearbeitet und es sei nur ihrer alten Tradition und Disziplin zu danken, daß sie als praktische Trägerin des Staatsbaues in keiner Richtung versagt habe.39
Staatssekretär Weishäupl fügt hinzu, es werde heftige Kritik an der Gesetzgebung und der politischen Seite der Angelegenheit geübt.
Staatssekretär. Dr. Meinzolt entgegnet, er habe den Aufsatz ebenfalls gelesen und könne nichts dagegen einwenden. Es sei in der Tat richtig, daß in den vergangenen Jahren die Beamtenschaft unter sehr schwierigen Umständen habe arbeiten müssen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt die Angelegenheit damit für erledigt und stellt fest, daß der Ministerrat davon Kenntnis genommen habe.
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Stadtverwaltung Rothenburg ob der Tauber schlage mit Schreiben vom 7. Juli 1955 vor, die früheren Verhandlungen wegen eines Gebietstausches von Neu-Ulm gegen das ehemalige Rothenburger Reichsstadtgebiet im jetzigen Württemberg zu berücksichtigen.
Er halte diesen Vorschlag für völlig undurchführbar und empfehle, in diesem Sinne dem Bürgermeister der Stadt Rothenburg zu antworten.
Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung einstimmig an.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der neue Vorsitzende des Ostdeutschen Kulturrats, Bundestagsabg. Dr. Graf Henckel, habe ihn bei einem Besuch gebeten, die Schirmherrschaft über die Jahrestagung des Ostdeutschen Kulturrats, die am 30. Oktober 1955 in Nürnberg stattfinde, zu übernehmen und gleichzeitig um einen Zuschuß ersucht. Er habe sich zur Übernahme der Schirmherrschaft bereit erklärt und bezüglich des Zuschusses gesagt, er werde sehen, was getan werden könne.
Der Kulturrat bitte nun um einen Zuschuß von 10 000 DM. Er sei der Meinung, daß ein Betrag von 6000 DM auch genüge, von dem er aus den dem Ministerpräsidenten zur Verfügung stehenden Mitteln die Hälfte übernehmen könne.
Staatsminister Stain erklärt sich bereit, aus seinen Mitteln ebenfalls einen Betrag von 3000 DM bereitzustellen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt abschließend jedoch, er könne die Zusage nur einhalten, wenn tatsächlich Tit. 300 der Bayer. Staatskanzlei im Nachtragshaushalt um 100 000 DM erhöht werde, wie dies der Herr Staatsminister der Finanzen in Aussicht gestellt habe.40
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, einem Auftrag des Ministerrats vom 5. Juli 1955 entsprechend habe er sich erkundigt, ob die anderen Länder bereit seien, am 18. Juli 1955 eine Verkehrsstille von zwei Minuten anzuordnen. Übereinstimmend sei die Meinung vertreten worden, das Kuratorium Unteilbares Deutschland solle sich zunächst wegen der Verkehrsstille bei Bundesbahn und Bundespost an die Bundesregierung wenden.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, zunächst keine Entscheidung zu treffen, sondern die Stellungnahme der Bundesregierung abzuwarten.
Staatsminister Dr. Baumgartner macht darauf aufmerksam, daß der Herr Ministerpräsident bereits in der Koalitionssitzung den Wortlaut seiner Erklärung zur Pfalzfrage bekanntgegeben habe,43 sodaß sie heute wohl nicht mehr erörtert werden müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, Herr Abg. Dr. Lacherbauer werde wegen dieser Erklärung auch mit der CSU verhandeln. Es sei anzunehmen, daß, sie die einstimmige Billigung des Landtags finden werde.44
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf ein Schreiben des Herrn Staatsministers der Finanzen vom 5. Juli 1955, in dem ausgeführt werde, daß die Beratung dieses Antrags im Ministerrat nicht mehr notwendig sei, da dem Bayerischen Landtag inzwischen ein entsprechender Antrag der Fraktionen zugegangen sei.46 Herr Staatsminister Zietsch beabsichtige aber, wegen der Deckungsfrage dem Ministerrat zu berichten.
Staatsminister Zietsch führt aus, das Finanzministerium nehme an, die erforderlichen 17 Mio DM auffangen zu können und zwar zum Teil mit Hilfe des Art. 5 des Haushaltsgesetzes; das weitere Drittel zu leisten, werde aber sehr schwierig sein.
Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, zu seiner Überraschung habe er feststellen müssen, daß die Steuereinnahmen im Monat Mai zurückgegangen seien.
Staatsminister Zietsch bestätigt das und stellt fest, auch im Monat Juni seien die Steuern weiter rückläufig gewesen. Er habe also mit Recht davor gewarnt, die Entwicklung zu optimistisch zu betrachten.
Bei einer Besprechung in Bonn am vergangenen Freitag sei vereinbart worden, daß sich die Länder bei der Besoldungsneuregelung an die oberste Grenze der Regelung in Nordrhein-Westfalen halten wollten, was 150 % gegenüber bisher 140 % bedeute. Ein weiteres Drittel des Grundgehalts in Höhe von insgesamt 17 Mio DM müsse für die Zeit zwischen dem 1. Oktober 1954 und dem 31. März 1955 gezahlt werden.
Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.47
a) Einladung des Bayer. Landessportverbands zur Besichtigung der Sportschule Grünwald am 20. Juli 195548
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, er werde der Einladung Folge leisten.49
Es wird vereinbart, daß an der Besichtigung außerdem noch die Herren Staatsminister Rucker und Stain, sowie die Herren Staatssekretäre Dr. Guthsmuths, Simmel und Weishäupl teilnehmen.
b) 800-Jahrfeier von Wartenberg am 14. August 195550
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt sich bereit, die Staatsregierung bei dieser Veranstaltung zu vertreten.
c) Staatsempfang in Bayreuth am 22. Juli 195551
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Vizepräsident Bantele habe ihn im Namen von angesehenen Bürgern der Stadt Bayreuth gebeten, Frau Winifred Wagner zu dem Staatsempfang am 22. Juli 1955 einzuladen.52 Er habe an sich keine besonderen Bedenken, diesem Wunsch zu entsprechen, werde aber seine Entscheidung von einer Rückfrage bei Herrn Oberbürgermeister Rollwagen abhängig machen.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.
d) Besuch des abessinischen Landwirtschaftsministers in München am 18./19. Juli 1955
Staatsminister Dr. Baumgartner teilt mit, der Landwirtschaftsminister von Abessinien beabsichtige, am 18. und 19. Juli 1955 Bayern zu besuchen, dabei wolle er u.a. Weihenstephan und Triesdorf besichtigen. Er bitte den Herrn Ministerpräsidenten, den Gast vielleicht zu einem Essen einzuladen.53
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich dazu bereit, ein Mittagessen zu geben.