Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium).
I. Berliner Zahlenlotto. II. Beschluß des Bundesrats zu Art. 29 GG. III. Hilfsmaßnahmen für die bayerischen Notstandsgebiete. IV. Neufassung der Verwaltungsvereinbarung über die Errichtung einer Filmbewertungsstelle der Länder in Wiesbaden. V. Inanspruchnahme von Grundstücken für Verteidigungszwecke. VI. Bierpreisfrage. VII. Errichtung eines Kernreaktors in München. VIII. Personalangelegenheiten. IX. Interpellation betr. Förderung der innerbayerischen Umsiedlung (Beilage 529). X. Benennung eines Vertreters der Bayerischen Staatsregierung für die Verhandlungen mit dem Päpstlichen Stuhl. XI. Besichtigung des Naturschutzgebietes bei Schongau. XII. Kinder-Ferienerholung 1955. XIII. Zuschuß des Bayerischen Staates zur Durchführung des Deutschen Turnfestes 1958 in München. XIV. Schenkung eines Gobelins an die Stadt Coburg. XV. Sonderzulage für Beamte des Verfassungsschutzes. XVI. Pupplinger Au. XVII. Schreiben des Deutschen Alpenvereins.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Düsseldorf versucht worden sei, den Bürgermeister von Berlin zu bewegen, das sogenannte Berliner Zahlenlotto aufzugeben.2 Da die Bemühungen nicht zum Erfolg geführt hätten, habe die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen am 3. Mai 1955 beschlossen, das Zahlenlotto in Nordrhein-Westfalen zuzulassen, gleichzeitig aber vereinbart, daß mit Berlin Verhandlungen über ein gemeinsames Zahlenlotto geführt werden.3
Das Staatsministerium der Finanzen habe sich dem Vorschlag der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Schleswig-Holstein, in den westdeutschen Ländern ein eigenes Zahlenlotto einzuführen, angeschlossen und schlage vor, ein entsprechendes Schreiben an den Präsidenten des Bundesrats zu richten.
Staatsminister Zietsch führt aus, die Bedenken gegen ein Zahlenlotto nach Berliner Muster seien an sich nach wie vor erheblich, die anderen Länder hätten aber alle schon Vorbereitungen getroffen, um es einzuführen. Unter diesen Umständen bleibe Bayern wohl nichts anderes übrig, als sich anzuschließen.
Staatssekretär Dr. Haas fügt hinzu, der Bürgermeister von Berlin habe sich zwar in Düsseldorf dazu bereit erklärt, die Agenturen in den anderen Ländern abzubauen, jedoch nicht die Werbung zu verhindern.4 Auf alle Fälle empfehle er, in Bayern nicht ein eigenes Zahlenlotto zu errichten, sondern sich höchstens an einem gemeinsamen Lotto in allen westdeutschen Ländern zu beteiligen.
Der Ministerrat faßt daraufhin den Beschluß, in Bayern kein eigenes Zahlenlotto zu errichten, sondern sich nur an einer Vereinbarung zwischen den Ländern über die Einführung eines gemeinsamen Zahlenlottos zu beteiligen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, er werde in diesem Sinne ein Schreiben an den Herrn Präsidenten des Bundesrats richten.5
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, auf Vorschlag Hamburgs habe der Bundesrat am 24. Juni 1955 beschlossen, der Bundesregierung und dem Bundestag zu empfehlen, die Neugliederung des Bundesgebiets gemäß Art. 29 GG bis zur Wiedervereinigung aufzuschieben.7 Die Vertreter Bayerns im Bundesrat hätten natürlich gegen diesen Beschluß gestimmt und eine entsprechende Erklärung abgegeben.8 Der Beschluß wirke eindeutig zu Gunsten von Rheinland-Pfalz und stelle eine unfreundliche Handlung9 gegenüber Bayern dar. Er habe deshalb die Frage gestellt, ob es nicht unter diesen Umständen angebracht10 sei, den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß niederzulegen; vorher wolle er aber die Meinung des Ministerrats hören.
Staatssekretär Simmel meint, es habe sich nur um eine Empfehlung des Bundesrats, nicht um einen eigenen Beschluß gehandelt. Die Entscheidung liege auch bei der Bundesregierung.
Staatssekretär Dr. Haas bemerkt, der Gesetzentwurf gehe mit dieser Empfehlung an den Bundesrat zurück. Er glaube, daß diese Entschließung höchstens mittelbar eine Unfreundlichkeit gegenüber Bayern bedeute. An der Neugliederung seien außer Rheinland-Pfalz auch eine Reihe von anderen Bundesländern, insbesondere Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen desinteressiert, ebenso Baden-Württemberg, das sich jedoch bei der Abstimmung der Stimme enthalten habe. Durch diese Stimmenthaltung sei im Bundesrat keine ⅔ Mehrheit erreicht worden.11 Ob eine solche Mehrheit im Bundestag zustande komme, erscheine ihm zumindest fraglich. Staatssekretär Lex habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß selbstverständlich eine Verfassungsänderung notwendig sei, wenn Art. 29 GG nicht fristgemäß durchgeführt werde.12
Den Beschluß zum Anlaß zu nehmen, den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß niederzulegen, würde er für zu weitgehend halten.
Staatsminister Zietsch erklärt, wenn der Beschluß die Aufschiebung bis zur Wiedervereinigung empfehle, so habe das mit Rücksicht auf Schleswig-Holstein, das mit Mecklenburg zusammenhänge, schon etwas für sich. Er glaube auch, daß man von einem unmittelbar gegen Bayern gerichteten unfreundlichen Akt nicht sprechen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, jedenfalls sei aber Bayern am meisten betroffen, es werde auch unmittelbar durch den Beschluß gemeint. Er werde deshalb auch eine Erklärung im Landtag abgeben, die Koalitionsparteien würden dann den Antrag stellen, die Haltung der Bayerischen Staatsregierung zu billigen.
Der Ministerrat stellt daraufhin fest, daß weitergehende Folgerungen nicht gezogen werden sollen, insbesondere also der Vorsitz im Bundesratsausschuß für Auswärtige Angelegenheiten nicht niedergelegt werden soll.13
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß im Ministerrat vom 21. Juni 1955 bereits kurz die Rundfunkrede des Herrn Staatsministers der Finanzen vom 14. Juni 1955 erörtert worden sei, die sich mit den Hilfsmaßnahmen für die bayerischen Notstandsgebiete befaßt habe. Seines Erachtens sei die Frage jedoch noch nicht reif zur Behandlung im Ministerrat. Er empfehle, daß zunächst die beteiligten Staatsministerien der Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr Verhandlungen führten, damit sich dann der Ministerrat damit befassen könne.
Es wird beschlossen, diesen Punkt bis auf weiteres zurückzustellen.15
Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, die im Jahre 1951 abgeschlossene Verwaltungvereinbarung über die Errichtung einer Filmbewertungsstelle der Länder in Wiesbaden sei in Verhandlungen zwischen den Innen-, Finanz- und Kultusministerien der Länder neu gefaßt worden. Nach der Unterzeichnung solle sie an die Stelle der bisherigen Vereinbarung treten. Bedenken seien von keiner Seite erhoben worden, so daß der Ministerrat wohl zustimmen und das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zur Unterzeichnung ermächtigen könne.17
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.
Staatsminister Rucker fügt hinzu, in den letzten Tagen seien noch einige Schwierigkeiten aufgetreten, es handle sich aber um Punkte, die in der Vereinbarung selbst nicht enthalten seien.18
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Vollzug der Inanspruchnahme von Grundstücken für Verteidigungszwecke stoße in letzter Zeit auf steigenden Widerstand der betroffenen Grundeigentümer. Es werde behauptet, daß diese in ihrem Widerstand vom Bayer. Bauernverband gestärkt und unterstützt würden, weshalb eine Besprechung mit dem Präsidenten des Bauernverbands angeregt worden sei. Er glaube allerdings, daß diese Rücksprache von keinem besonderen Wert sei.
Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, der Widerstand der Bauern gehe vor allem darauf zurück, daß auf ihren Grundstücken mit den verschiedensten Arbeiten begonnen werde, bevor die Höhe der Entschädigung feststehe. Seiner Meinung nach hätten die Grundeigentümer auch das Recht, zu wissen, was sie für die Grundstücke erhalten könnten. Über diese Frage gehe seit Monaten ein Streit mit den Bonner Regierungsstellen; bisher hätte man aber noch nicht erreichen können, daß der Preis festgelegt werde. In letzter Zeit seien nun einstweilige Verfügungen beantragt und erwirkt oder durch die Bürgermeister der Gemeinden der Beginn der Bauarbeiten untersagt worden. Der Bauernverband habe sich natürlich dieser Sache angenommen; daher komme es auch, daß z.B. in der letzten Nummer des Landwirtschaftlichen Wochenblattes auf der ersten Seite ein Artikel mit der Überschrift erschienen sei: „Dem Freistaat Bayern ist verboten“.20
Staatssekretär Eilles führt aus, er habe diese Sache gestern nachprüfen lassen, dabei habe es sich herausgestellt, daß in der Tat eine einstweilige Verfügung beantragt und erreicht worden sei, die gegen den Freistaat Bayern und die beteiligten Baufirmen laute. Wegen der Dringlichkeit sei sie ohne mündliche Verhandlung21 erlassen worden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, eine derartige einstweilige Verfügung könne sich doch nicht gegen den bayerischen Staat richten.
Staatssekretär Eilles fährt fort, in einem anderen Falle sei neuerdings eine einstweilige Verfügung beantragt worden, über die Näheres noch nicht bekannt sei. Herr Staatsminister Dr. Koch habe angeordnet, alle derartigen Fälle festzustellen.
Es sei richtig, daß das Landwirtschaftliche Wochenblatt die ganze Angelegenheit in großer Aufmachung gebracht habe, worin man eine gewisse Aufforderung erblicken könne, sich in solchen Fällen an den Bauernverband und seinen Rechtsanwalt zu wenden.
Staatssekretär Simmel berichtet, es handle sich hier um Maßnahmen der Besatzungsmacht, die vor dem 5. Mai 1955 angeordnet worden seien und deren Durchführung durch die staatlichen Behörden erfolge. Der Widerspruch gegen die einstweiligen Verfügungen werde offenbar durch das Staatsministerium der Finanzen angeregt, es frage sich, ob das zweckmäßig sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Bayerische Staatsregierung nicht passiv legitimiert sei. Der Bayerische Staat könne doch nicht für Dinge in Anspruch genommen werden, für die er keinerlei Verantwortung trage. Durch die Beschlagnahme habe seines Erachtens die Besatzungsmacht die Grundstücke in ihre Verfügungsgewalt bekommen.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths bemerkt, durch jahrelange Verhandlungen habe man erreicht, daß die Amerikaner sich auf die alten Flugplätze beschränkten, bei denen allerdings Erweiterungen vorgenommen werden müßten; diese Erweiterungen kämen nun auf die Staatsregierung zu. Grundlage seien die Zusatzprotokolle zum Truppenvertrag.
Staatssekretär Dr. Panholzer meint, die Passiv-Legitimation des Bayerischen Staates sei sehr fraglich, Widerspruch müsse aber eingelegt werden, damit die ordentlichen Gerichte entscheiden könnten.
Staatsminister Dr. Baumgartner wiederholt, daß die Bauern darüber sehr erbittert seien, daß sie noch keine Entschädigung bekommen hätten. Sei es nicht möglich, irgendeine Erklärung in das Communique des Ministerrats aufzunehmen?
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, etwa folgendes bekanntzugeben:
Der Ministerrat stellt fest, daß die Beschlagnahmen von Grundstücken nicht von der Bayerischen Staatsregierung, sondern von der Besatzungsmacht vor dem 5. Mai 1955 vorgenommen worden seien. Die Staatsregierung werde aber beim Bundesfinanzministerium die erforderlichen Schritte unternehmen, um die Grundstückseigentümer so rasch wie möglich in den Besitz der Entschädigung zu bringen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Staatsminister Stain schlägt vor, Herr Staatsminister Dr. Baumgartner möge im Mitteilungsblatt der Bayernpartei eine Erklärung abgeben, in der nachgewiesen werde, daß die Vorwürfe sich nicht gegen die Staatsregierung, sondern gegen die Bundesregierung richteten; damit könne auch dem Bauernverband entgegengetreten werden,
Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt sich damit einverstanden.
Staatsminister Zietsch stellt in diesem Zusammenhang fest, daß in allen Fragen, die mit Liegenschaften zusammenhingen, das Staatsministerium der Finanzen die Federführung haben müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, dies könne heute nicht entschieden werden, da damit im Zusammenhang die Frage stehe, wie die Staatskanzlei in Zukunft ausgestaltet werden müsse, mit der neuen Wehrmacht zu verhandeln. Dies müsse aber in allen Einzelheiten noch überlegt werden.22
Staatsminister Bezold teilt mit, die Wirte und Hoteliers seien für die Freigabe des Bierpreises und hätten schon wiederholt entsprechende Anträge an das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr gerichtet. Die gegenteilige Auffassung werde von den Brauereien vertreten.
Am letzten Deutschen Brauertag in München habe Herr Staatsminister Dr. Baumgartner in seiner Rede auch diese Frage aufgeworfen, so daß neuerdings eine Flut von Zuschriften und Anträgen gekommen sei. Er habe sich daraufhin auf den Standpunkt gestellt, daß die Entscheidung dem Ministerrat obliege. Er bitte deshalb ihm vom Kabinett aus ausdrücklich zu bestätigen, daß er ohne den Ministerrat nicht entscheiden könne.
Die ganze Frage sei dadurch so schwierig, daß immer nur Behauptungen aufgestellt und Reden gehalten würden, aber nicht einwandfreies statistisches Material vorgelegt werde. Er habe deshalb vor allem den Wirten gesagt, sie sollten die Unterlagen zusammenstellen und einen eingehenden Bericht vorlegen.
In allen übrigen Ländern sei übrigens der Bierpreis freigegeben, mit Ausnahme von Baden-Württemberg, wo angeblich aber auch schon Besprechungen im Gang seien.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest daraufhin ein Telegramm des Bayer. Gastwirteverbandes e.V. München, in dem gegen den Antrag des Landesverbands des Bayer. Hotel- und Gaststättengewerbes auf Aufhebung der Bierpreishöchstbindung Einspruch eingelegt werde. Demnach sei also auch bei den Wirten die Auffassung in keiner Weise einheitlich.
Staatsminister Dr. Baumgartner empfiehlt, einen Beschluß, wie ihn Herr Staatsminister Bezold wünscht, zu fassen. Persönlich glaube er auch, daß die Freigabe des Bierpreises bedenklich sei, zumal sich ja der bayerische Staat schon seit 468 Jahren in den Bierpreis einmische.
Staatsminister Bezold bittet nochmals, zu erklären, daß die Entscheidung dem Ministerrat vorbehalten bleibe. Inzwischen könnten dann die Wirte einen begründeten Antrag einreichen, was sie, wie gesagt, bisher noch nicht getan hätten.
Der Ministerrat faßt daraufhin folgenden Beschluß, der aber nicht bekanntgegeben werden soll:
Die Entscheidung über die Bierpreisfrage obliegt dem Ministerrat.24
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Herr Bundeskanzler zu einer Besprechung des Kernreaktors am 29. Juni 195526 eingeladen habe. Herr Staatsminister Rucker, der an der Sitzung teilnehmen werde, bitte nun mit Schreiben vom 22. Juni 1955 um die Zustimmung des Ministerrats, von Bayern aus Zuschüsse von insgesamt 9 Mio DM anbieten zu können.27 Es handle sich dabei um 6 Mio DM für die Verlegung des Max-Planck-Instituts für Physik von Göttingen nach München und um 3 Mio DM für die Physikalische Studiengesellschaft für den Reaktorbau. Der Ministerrat habe zwar über diese Zuschüsse schon in der Sitzung vom 5. April 1955 gesprochen, jedoch noch keinen endgültigen Beschluß gefaßt. Wie das Staatsministerium für Unterricht und Kultus mitteile, stimme zwar das Staatsministerium der Finanzen einem Angebot auf Zuschüsse von 9 Mio DM zu, jedoch nur unter der Bedingung, daß das Kultusministerium jeweils für Teilbeträge der erforderlichen Summen im eigenen Haushalt Deckung anbiete. Demgegenüber stelle Herr Staatsminister Rucker fest, daß er sich zu einer solchen Einsparung in seinem Haushalt nicht in der Lage sehe.
Er empfehle, den Beschluß vom 5. April 1955, Zuschüsse von 6 und 3 Mio DM anzubieten, heute nochmals ausdrücklich zu bestätigen und die Beträge im Nachtragshaushalt unterzubringen.
Staatsminister Zietsch betont, die Beträge kämen in den Nachtragshaushalt hinein, soweit dies heuer noch notwendig sei.
Im übrigen habe er den Beschluß vom 5. April 1955 bereits als endgültig betrachtet. Er sei der Auffassung gewesen, daß die Entscheidung des Ministerrats von Kultus- und Finanzministerium vollzogen werden müsse.
Der Ministerrat beschließt daraufhin, Herrn Staatsminister Rucker zu ermächtigen, bei der Sitzung am 29. Juni 1955 ein Angebot auf insgesamt 9 Mio DM Zuschüsse zu machen.
Staatsminister Rucker führt dann aus, heute tage noch die Physikalische Studiengesellschaft, wobei noch nicht bekannt sei, was diese vorschlagen werde. Das Max-Planck-Institut für Physik müsse von der Gesellschaft verlegt werden. Es sei durchaus möglich, daß Bayern das Institut selbst errichte und nicht nur Zuschüsse gebe. Eine Errichtung aus eigenen Mitteln hätte sehr vieles für sich. Das Institut gehöre dann tatsächlich dem bayerischen Staat, der auch die Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft finden und Zuschüsse der USA erhalten könne; alle diese Fragen seien aber noch nicht endgültig geklärt. Wie sich die morgigen Verhandlungen abspielten, sei noch offen. Er bitte, ihn zu ermächtigen, den bayerischen Standpunkt je nach dem Verlauf darzulegen. Auf alle Fälle werde aber ein Betrag von 9 Mio DM ausreichen, der sich übrigens auf 3–4 Jahre verteilen werde.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.28
Verlängerung der Dienstzeit des Herrn Professors Dr. Dr. Hans Krieg, Erster Direktor der Staatlichen Sammlungen für Naturkunde in München29
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, das Staatsministerium für Unterricht und Kultus beantrage, die Dienstzeit des Herrn Professors Dr. Dr. Krieg bis 30. Juni 1956 zu verlängern, da er zur Zeit noch nicht ersetzt werden könne.
Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, die Dienstzeit bis auf weiteres, längstens auf ein Jahr, zu verlängern.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, er habe Abschriften dieser Interpellation bereits den zuständigen Staatsministerien für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge zugeleitet. Er bitte die Herren Staatsminister Bezold und Stain, sich über die Beantwortung zu verständigen.31
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, er habe am vergangenen Samstag mit Herrn Professor Dr. Nawiasky gesprochen, der in der Frage der Lehrerbildung den Standpunkt der Bayerischen Staatsregierung teile und die gegenteilige Meinung der Opposition für aussichtslos halte, die bekanntlich erkläre, der Begriff „Einrichtungen im Bayer. Konkordat“ bedeute soviel wie konfessionelle Lehrerbildungsanstalten.33 Professor Dr. Nawiasky sei auch bereit, den Standpunkt der Staatsregierung mit Nachdruck zu vertreten. Bekanntlich sei er ein höchst angesehener Staatsrechtler, der politisch sonst wohl auf dem Boden der CSU stehe.
Professor Dr. Nawiasky sei ab 18. August 1955 frei für Verhandlungen mit dem Päpstlichen Stuhl, er wünsche aber, daß ihm ein Politiker aus den Reihen der Koalitionsparteien zur Seite gestellt werde; offenbar denke er dabei an Herrn Abg. von Knoeringen. Von der Zusage habe er den Koalitionsausschuß verständigt, der die Nachricht von der Bereitschaft Professors Dr. Nawiasky mit großer Befriedigung aufgenommen habe.34
Staatsminister Rucker fügt hinzu, letzthin sei auch ein guter Artikel von Professor Forsthoff erschienen, der die Vorgeschichte des Bayerischen Konkordats behandle.35 Danach habe der Vatikan ursprünglich konfessionelle Lehrerbildungsanstalten angestrebt, er sei aber dann auf Grund des Widerstands der damaligen Bayerischen Regierung davon abgegangen.
Der Ministerrat erklärt sich dann durch Beschluß damit einverstanden, daß die Verhandlungen mit dem Päpstlichen Stuhl durch Universitätsprofessor Dr. Nawiasky als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung geführt werden.
Staatsminister Dr. Baumgartner empfiehlt, diesen Beschluß des Ministerrats sofort bekanntzugeben.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt demgegenüber vor, den Beschluß zunächst Herrn Professor Dr. Nawiasky mitzuteilen und ihn zu fragen, ob er mit der Bekanntgabe einverstanden sei.
Für die evangelische Kirche werde Professor Dr. Liermann vorgeschlagen, den Herr Staatssekretär Dr. Haas kenne; vielleicht könne dieser mit ihm sprechen.
Staatssekretär Dr. Haas erklärt sich damit einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, als politische Berater könnten die Vorsitzenden der Koalitionsparteien wirken. Allerdings müsse für die Verhandlungen in Rom eine bestimmte Persönlichkeit ausgewählt werden.
Außerdem sei angeregt worden, nach dem Abschluß der Ausschußberatung einen Beschluß des Plenums herbeizuführen, mit welchem die Staatsregierung aufgefordert werde, nun die Verhandlungen mit den Kirchen zu beginnen.
Der Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu.
Staatsminister Dr. Baumgartner bittet dann, der Ministerrat möge überlegen, in welcher Weise im Volk aufklärend gewirkt werden könne. In einer Reihe von Versammlungen habe er feststellen können, daß die bisherige Tätigkeit der Regierung gute Aufnahme finde. Der einzige Punkt aber, der vor allem bei der bäuerlichen Bevölkerung nicht auf Verständnis stoße, sei die akademische Lehrerbildung. Eine Aufklärung gerade im Zeitpunkt der Verhandlungen mit dem Vatikan halte er für dringend notwendig. Dabei könnte z.B. darauf hingewiesen werden, daß die akademische Lehrerbildung bereits in allen anderen Ländern bestehe.
Ministerpräsident Dr. Hoegner regt mit Zustimmung des Ministerrats an, den Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Baumgartner in der nächsten Koalitionssitzung zu besprechen.36
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, Herr Dr. Krauss von der Obersten Baubehörde habe vorgeschlagen, der Ministerrat möge das Naturschutzgebiet am oberen Lech besichtigen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer begrüßt diese Anregung, da seines Erachtens am oberen Lech gebaut werden müsse. Wenn dies nicht geschehe, seien alle anderen Kraftwerkbauten der BAWAG mehr oder weniger wertlos und der ganze weitere Ausbau sei in Frage gestellt.
Staatsminister Rucker entgegnet, unterhalb Schongaus sei der Lech schon größtenteils ausgebaut. Das Vorhaben am oberen Lech werde höchstens zu einem Tagesspeicher führen, der seiner Auffassung nach keine große Bedeutung habe.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths bemerkt, leider habe man bei den Planungen das Geologische Landesamt überhaupt nicht beigezogen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt abschließend nochmals vor, das Gebiet an einem Nachmittag in der nächsten Zeit zu besichtigen; am besten wohl in einer Woche, in der keine Landtagssitzung stattfinde.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.38
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat schon am 21. Juni 1955 kurz beraten habe, ob es möglich sei, einem Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege entsprechend, die für Kinder- und Jugenderholung im Jahre 1955 vorgesehenen Mittel von 120 000 DM auf 750 000 DM zu erhöhen. Dieser Antrag werde jetzt auch nachdrücklich durch den Verband der Landsmannschaften unterstützt, der ihm deshalb am 22. Juni 1955 geschrieben habe.40 Er richte nun die Frage an den Herrn Staatsminister der Finanzen, ob die vorgesehenen Mittel erhöht werden könnten.
Staatsminister Rucker meint, die größte Schwierigkeit bestehe darin, daß die notwendigen Unterkünfte nicht beschafft werden könnten.
Staatsminister Stain bezweifelt dies und spricht sich dafür aus, die Kindererholung in Bayern möglichst zu verstärken, da sonst die Verschickung in die Sowjetzone nicht verhindert werden könne. Er glaube, daß schon mit einigen hunderttausend Mark viel zu erreichen sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß sich das Kabinett schon seit einem Jahr mit der Frage der Ferienerholung befasse; er befürchte nur, daß es jetzt schon für wirksame Maßnahmen zu spät sei. Vielleicht könne aber doch zusätzlich ein Betrag von 300 000 DM bereitgestellt werden.
Staatsminister Zietsch schlägt vor, die Entscheidung dem Landtag zu überlassen. Es gehe allerdings nicht, daß dieser fortwährend Anträge stelle und annehme, die zusätzliche Mittel erforderten.
Staatssekretär Vetter führt aus, der Senat habe bereits einen gleichen Antrag der Arbeitsgemeinschaft behandelt, ihn jedoch abgelehnt.41Im übrigen habe ja vor etwa ½ Jahr eine Organisation begonnen, die Mittel mit Hilfe der Bundesregierung und mit Beteiligung der Wohlfahrtsverbände aufzubringen. Davon solle auch Bayern etwas erhalten. Die beantragte Erhöhung der Mittel scheine ihm aber zu spät zu kommen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner betont, daß auch aus dem Hochwasserfonds für die Kindererholung der Hochwassergeschädigten den Wohlfahrtsverbänden ein Betrag von 140 000 DM gegeben worden sei. Auf alle Fälle bitte er aber die Staatsministerien des Innern und für Unterricht und Kultus, sich wegen der von Herrn Staatssekretär Vetter erwähnten Bundesaktion in Verbindung zu setzen. Ein eigener Beschluß über den Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände brauche wohl nicht gefaßt werden. Es genüge, festzustellen, daß auf die Anregung nicht eingegangen werden könne.
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.42
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Oberbürgermeister Wimmer bitte in einem Schreiben vom 22. Juni 1955 um eine Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung über den von der Stadt beantragten Zuschuß von 300 000 DM zur Durchführung des Deutschen Turnfestes.44 Die Entscheidung sei eilig, da offenbar schon am 28. Juni 1955 in Frankfurt endgültig mitgeteilt werden müsse, was die Stadt München mit Hilfe des bayerischen Staates von den Kosten übernehmen könne.
Staatsminister Zietsch führt aus, der Ministerrat habe sich mit dieser Frage bereits früher beschäftigt, in der Zwischenzeit sei dann wiederholt mit der Stadt verhandelt worden.
Die beteiligten Staatsministerien der Finanzen und für Unterricht und Kultus hätten dabei erklärt, der Staat sei durchaus bereit, einen Zuschuß zu gewähren, über die Höhe könne jedoch erst entschieden worden, wenn die Gesamtkosten feststünden und die Stadt München eine entsprechende Aufstellung liefere.
Aus der jetzt vorliegenden Aufstellung sei zu ersehen, daß die Stadt ihren Anteil von 760 000 DM sehr großzügig auf eigene Leistungen abgestellt habe.45 Wegen des Staatszuschusses sei das Staatsministerium für Unterricht und Kultus um Stellungnahme gebeten worden, die er heute früh von Herrn Staatsminister Rucker erhalten habe.46 Darin werde vorgeschlagen, die Kostenfrage noch genauer nachzuprüfen und sich nochmals mit der Stadt und den Vertretern des Deutschen Turnerbundes in Verbindung zu setzen.47 Er glaube nicht, daß die Entscheidung heute schon getroffen werden müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, er habe bereits zusammen mit Herrn Statsminister Zietsch Herrn Oberbürgermeister Wimmer ermächtigt, einen Zuschuß des Bayerischen Staates in Höhe von 300 000 DM bei den Verhandlungen in Frankfurt in Aussicht zu stellen. Er bitte um nachträgliche Genehmigung dieser Zusage durch den Ministerrat. Da die Sache eilbedürftig gewesen sei, habe er sich Herrn Oberbürgermeister Wimmer gegenüber bereits verpflichtet, allerdings unter Zuziehung des Herrn Finanzministers. An dieser Zusage müsse festgehalten werden, wenn natürlich auch versucht werden könne, die Höhe des Zuschusses noch etwas zu ermäßigen.
Der Ministerrat beschließt einstimmig, der von Herrn Ministerpräsidenten und vom Herrn Staatsminister der Finanzen gemachten Zusage zuzustimmen.48
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß sich der Ministerrat im Jahre 1954 verschiedentlich mit dem Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus beschäftigt habe, der Stadt Coburg zum 900-jährigen Bestehen im Jahre 1956 einen Zuschuß zur Herstellung eines Gobelins zu geben.
Die Gesamtkosten beliefen sich auf 18 500 DM. Es sei dabei daran gedacht gewesen, 15 000 DM auf den Staat zu übernehmen, während der Rest von der Stadt Coburg selbst bestritten werden soll.
Im Ministerrat vom 5. Oktober 1954 sei daraufhin auch beschlossen worden, zunächst für den Haushalt 1954/55 aus Einzelpl. XIII Kap. 1302 Tit. 302 5000 DM zur Verfügung zu stellen.
Herr Regierungspräsident Dr. Gebhard habe nun in einem Brief vom 7. Juni 1955 die Auffassung vertreten, daß ein Zuschuß die gewünschte Wirkung nicht erreichen könne, während die Schenkung des ganzen Wandteppichs in Coburg als freundliche und großzügige Geste des Bayerischen Staates anerkannt werden wird.50
Auch er sei nun der Meinung, daß es keinen großen Zweck habe, sich in die Kosten des Gobelins zu teilen, sondern daß es zweckmäßig sei, wenn der Bayerische Staat die Gesamtkosten in Höhe von 18 500 DM übernehme.
Staatsminister Zietsch stimmt diesem Vorschlag zu, worauf sich der Ministerrat damit einverstanden erklärt, daß die Gesamtkosten vom bayerischen Staat übernommen werden.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, dem Staatsministerium der Finanzen liege schon seit längerer Zeit ein Antrag vor, ebenso wie in den anderen Ländern, den Beamten des Verfassungsschutzes eine Sonderzulage zu gewähren.52 Bisher sei aber eine Entscheidung des Finanzministeriums noch nicht zu erreichen gewesen.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, den Beamten des Bayer. Verfassungsschutzes eine Sonderzulage zu gewähren und dafür pro Jahr zusätzlich 30 000 DM bereitzustellen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf einen im Münchner Merkur vom 24. Juni 1955 erschienenen Aufsatz, in dem die Gefährdung des Naturschutzgebietes Pupplinger Au aufgezeigt werde.54 Eine Erkundigung in der Ministerialforstabteilung habe ergeben, daß dieses Gebiet größtenteils Eigentum des Bayerischen Staates sei und damit in der Verwaltung der Ministerialforstabteilung stehe. Das Gebiet sei aufgeteilt in ein größeres Landschaftsschutzgebiet und in kleineres Naturschutzgebiet.
Es treffe tatsächlich zu, daß Ausflügler usw. auf das Naturschutzgebiet keinerlei Rücksicht nehmen, so daß tatsächlich die Pflanzen- und Tierwelt sehr gefährdet sei. Die Ministerialforstabteilung könne aber den Schutz des Gebiets nicht übernehmen, sie sei der Meinung, daß dies in erster Linie Sache der Polizei sei. Außerdem scheine es dringend notwendig zu sein, daß von dem zuständigen Amtsgericht Wolfratshausen bei Übertretungen der Naturschutzvorschriften strengere Strafen ausgesprochen würden.
Ein Beschluß wird nicht gefaßt.55
Abschließend verliest Ministerpräsident Dr. Hoegner ein Schreiben des Deutschen Alpenvereins, in dem der Dank des Vereins für den von der Bayerischen Staatsregierung gegebenen Empfang ausgedrückt werde.