Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Staatssekretär Dr. Meinzolt ( Kultusministerium).
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Bayerische Staatszeitung. III. Personalangelegenheiten. IV. Veranstaltungen des Deutschen Handwerks in Augsburg. V. Bayerische Saalforsten. VI. Errichtung eines Atom-Reaktors. VII. Hilfsmaßnahmen für die Notstandsgebiete. VIII. Bierpreisfrage. IX. Zuschuß des bayerischen Staates an die Wohlfahrtsverbände im Jahre 1948. X. Dankschreiben des Herrn Weihbischofs Dr. Neuhäusler. XI. Einladung der Firma Hutschenreuther.
1.Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (4. ÄndG LAG)1
Ministerialratat Dr. Gerner führt aus, Nordrhein-Westfalen beabsichtige, dem Gesetz in der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen und erneut den Vermittlungsausschuß anzurufen.2 Die Bedenken Nordrhein-Westfalens richteten sich im wesentlichen gegen § 6.3 Es schlage deshalb vor, in Abs. 1 dieser Bestimmung einzufügen, daß der Unterschiedsbetrag für das Rechnungsjahr 1955 zu ⅖ und der Unterschiedsbetrag für das Rechnungsjahr 1956 zu ⅕ als Darlehen gegen Zuteilung von 5%igen Schatzanweisungen des Ausgleichsfonds geleistet werde. Der Ausgleichsfonds wiederum solle verpflichtet werden, die Schatzanweisungen jeweils am 1. Oktober der Jahre 1959, 1960 und 1961 zu gleichen Teilen zum Nennwert zurückzuerwerben.
Nach diesen Vorschlägen müßte Bayern im Rechnungsjahr 1955 an verlorenen Zuschüssen im Sinne des Vermittlungsausschusses 59,4 Mio DM, das sind 26,6 Mio DM mehr als im Rechnungsjahr 1954 und 29,15 Mio DM mehr als nach den Vorschlägen des Bundesrats vom 18. März 1955 abführen.
Staatsminister Zietsch erklärt, die Vorschläge Nordrhein-Westfalens könnten nicht unterstützt werden. Über die Aufbringungsseite sei bereits monatelang verhandelt worden, wenn jetzt ein neuer Vorschlag komme, so wäre dies ausschließlich zum Nutzen4 Nordrhein-Westfalens, das an der Vermögenssteuer mit 43% beteiligt sei.
Daß es über den Vermittlungsausschuß gelungen sei, die Vermögenssteuer wieder zu erlangen, sei ein Vorteil, den man jetzt nicht durch neue Anträge aufs Spiel setzen dürfe. Die im Unterausschuß und im Vermittlungsausschuß ausgearbeitete Lösung sei klar und habe auch die Zustimmung der Bundestagsabgeordneten gefunden. Er schlage deshalb vor, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen, ganz abgesehen davon, daß es zweifelhaft sei, ob der Vermittlungsausschuß nochmals angerufen werden könne.
Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und die Anträge des Landes Nordrhein-Westfalen nicht zu unterstützen.5
Es wird beschlossen, die Empfehlungen in der BR-Drucks.Nr. 177/1/55 unter Ziff. II 1; 2a mit c; 3a mit c; III 1; 2, 3, 4, 5, 6, 8 b (hilfsweise 8 a), 9 mit 15 und 17, IV 1 a und b, 2 zu unterstützen. Dabei wird festgestellt, daß die Empfehlungen unter Ziff. III 7 und 16 entfallen, falls die ersten angenommen werden.7
3.Entwurf eines Personalvertretungsgesetzes8
Nach längerer Aussprache wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen und dabei die in BR-Drucks. Nr. 85/l/55 enthaltenen Empfehlungen unter Ziff. l, 7a, c, 9a, b, 10, 11, 12, 13a, b, 14, 16, 17, 18, 20, 21 und 22 zu unterstützen.9
Dagegen werden die Empfehlungen unter Ziff. 2, 3, 4, 5, 6, 7 b, 8a, b, 15 und 19a nicht unterstützt.
Ferner wird beschlossen, einen Landesantrag auf Streichung des § 90 zu stellen;10 falls dieser Antrag keine Mehrheit findet, wird die Empfehlung unter Ziff. 19b unterstützt.11
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet dann, zu § 81 des Gesetzesbeschlusses lägen verschiedene Eingaben öffentlich-rechtlicher Anstalten und Körperschaften vor, von der Einbeziehung in dieses Gesetz ausgenommen und statt dessen dem Betriebsverfassungsgesetz unterstellt zu werden.12 Es frage sich nun, ob ein entsprechender Landesantrag gestellt werden solle.
Der Ministerrat beschließt, einen diesbezüglichen Landesantrag zu stellen.13
Kein Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG.
5.Entwurf eines Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebiets nach Artikel 29 Abs. 2 bis 6 des Grundgesetzes15
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, im Innenausschuß habe der bayerische Vertreter beantragt, als § 36 a folgende Bestimmung einzufügen:
„Die Ausübung von staatsbürgerlichen Rechten gemäß Abschnitt I und II stellt in keinem Falle einen Verstoß gegen rechtliche oder Loyalitätsverpflichtungen dar, die sich aus öffentlich-rechtlichen oder privat-rechtlichen Dienstverhältnissen ergeben.“16
Nachdem dieser Antrag keine Mehrheit gefunden habe, empfehle der Koordinierungsausschuß, im Bundesrat selbst keinen Antrag zu stellen.17 Auch ein Antrag, im Gesetz festzulegen, daß auch bei Nichtzustandekommen eines Gesetzesbeschlusses des Bundestags ein Volksentscheid nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 GG18 stattfinden müsse, scheine nicht aussichtsreich zu sein.
Staatssekretär Dr. Haas bestätigt, daß Bayern mit diesem Antrag völlig allein bleiben werde und schlägt vor, davon abzusehen.
Der Ministerrat beschließt daraufhin, zu Punkt 5) keine Anträge zu stellen, im übrigen aber sämtliche Empfehlungen der BR-Drucks. Nr. 156/1/55 mit Ausnahme derjenigen unter 6a zu unterstützen.19
6.Entwurf eines Bundesleistungsgesetzes20
Der Ministerrat beschließt nach eingehender Erörterung, gemäß Art. 76 Abs. 2 GG Stellung zu nehmen und die Empfehlungen unter Ziff. 1 a, b, 2 a, c, f, 3a, b, c, d, 4a, b, c, e, f, g, i, 5 a, c, 7, 8, 9 a, b, 11 a, b, c, 12, 13 a, b, 14, 15 a, 16, 19 a, c, 20 a, b, c, 21 a, b, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28 e, f, h, 29 b, 30, 31 a, b, c, 32, 33 a, b, 34 a, b, c, 35, 36 a, b, d, 37, 38 a, 39, 40, 41, 42 a, c, 43, 44 und 45 a, b der BR-Drucks. Nr. 179/1/55 zu unterstützen.
Hilfsweise sollen unterstützt werden die Empfehlungen unter Ziff. 1 c, d, 2 b, e, 5 d, e, f, g, h, i, 6 b, 10,18, 28 a, b bezw. c, d, 28 g, 38 b bezw. c.
Dagegen werden nicht unterstützt die Empfehlungen unter Ziff. 2 &, 3 e, 4 d, h, 5 b, 6 a, 15 b, 17 a, b, 19 b, 21 c, d, 29 a, 36 c, 42 b.21
7.Entwurf eines Gesetzes über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Körperbehinderung bedrohte Personen22
Sämtliche Empfehlungen in der BR-Drucks. Nr. 148/1/55 werden unterstützt, diejenigen unter Ziff. 7 c allerdings nur hilfsweise, falls 7 a und 7 b keine Mehrheit finden.23
8.Benennung von Beisitzern für die Anerkennungsausschüsse im Sammellager für Ausländer in Nürnberg24
Die Empfehlung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten in BR-Drucks. Nr. 131/1/55 wird unterstützt.
9.Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Erstes Bundesmietengesetz)25
Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner antwortet Ministerialrat Dr. Gerner, die Kostenvergleichsmiete werde wegfallen, wenn die Empfehlung unter Ziff.1 der BR-Drucks.Nr. 193/1/55 angenommen werde, was an sich zu erwarten sei.
Staatsminister Bezold äußert erhebliche Bedenken gegen verschiedene Bestimmungen des Gesetzentwurfs, insbesondere die §§ 6, 8 und 9.
Nach längerer Aussprache wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen und dabei die Empfehlungen unter Ziff. I 1, 3, 4 b, 5, 6, 7, 8 und III der BR-Drucks. Nr. 193/1/55 zu unterstützen. Dagegen werden die Empfehlungen unter Ziff. I 2, 4 a und II nicht unterstützt.26
10.Entwurf einer Verordnung über die Förderung von Gemeinschaftsanlagen, Folgeeinrichtungen und Aufschließungsmaßnahmen im Bergarbeiterwohnungsbau27
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
11.Entwurf einer 3. Ergänzung (gemäß § 11 RWB) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 195528
Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG mit Unterstützung der Empfehlung des Finanzausschusses in BR-Drucks. Nr. 176/1/55.29
und
Zustimmung gemäß Art. 78 und Art.105 Abs. 3 GG.
14.Entwurf einer Vierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Zollkontingente für Elektrobleche und Wälzlagerstahl)32
Bedenken werden nicht erhoben.
15.Entwurf einer Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an das Zwischenstaatliche Komitee für europäische Auswanderung33
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.34
16.Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht35
Die in der BR-Drucks. Nr. 178/1/55 enthaltenen Empfehlungen des Rechtsausschusses unter B I, II und III werden unterstützt.36
17.Allgemeine Vorschriften über die Erteilung und die Entnahme von Abschriften oder Auszügen aus den Schuldnerverzeichnissen37
Ministerialrat Dr. Gerner weist daraufhin, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werde.38
18.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht39
Von einer Äußerung und einem Beitritt zu den Verfahren wird abgesehen.
19.Entwurf eines Gesetzes über das deutsch-schweizerische Protokoll vom 16. November 1954 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Gießereierzeugnisse40
Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG.
20.Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost über das Rechnungsjahr 195341
Von dem Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost wird gemäß § 19 Abs. 6 des Postverwaltungsgesetzes42 Kenntnis genommen.
21.Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes43
Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG; die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik in BR-Drucks. Nr. 175/1/55 wird unterstützt.44
Zustimmung gemäß Art. 78 GG.46
23.Entwurf einer Verordnung M Nr. 2/55 über Preise für Vorzugsmilch47
Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG.
24.Entwurf einer Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für frisches Obst und Gemüse48
Gegen die Empfehlung des Agrarausschusses in BR-Drucks. Nr. 128/55 werden keine Bedenken erhoben.
25.Abberufung und Neubenennung eines stellvertretenden Mitglieds des Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung49
Der Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen in BR-Drucks. Nr.183/55 wird unterstützt.
26. Gemeinsame Tagung von Vertretern der Parlamente der NATO-Staaten in Paris in der Zeit vom 18. bis 22. Juli 1955
Staatssekretär Dr. Haas teilt mit, zu dieser Tagung habe der Präsident des kanadischen Parlaments am 10. Mai 1955 auch den Bundesrat eingeladen. Beabsichtigt sei, daß etwa 15 Mitglieder des Bundestags und fünf Mitglieder des Bundesrats teilnehmen sollten. Was den Bundesrat anlange, so kämen in erster Linie wohl die Mitglieder des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit in Betracht. Bundesratspräsident50 Altmeier habe die Entscheidung bis zur Sitzung am kommenden Freitag zurückgestellt, damit die Länder entsprechende Vorschläge machen könnten.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten beschließt der Ministerrat, als bayerischen Vertreter Herrn Staatssekretär Dr. Haas vorzuschlagen.
Staatssekretär Dr. Haas führt aus, in letzter Zeit sei erörtert worden, ob der Vertrag über die Staatszeitung, der im April 1950 zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten Dr. Ehard und dem Richard Pflaum-Verlag abgeschlossen worden sei, jetzt gekündigt werden solle.52 Da halbjährige Kündigung vereinbart worden sei, müsse sofort gekündigt werden, wenn der Ministerrat dies beschließen sollte.
Es sei daran gedacht, einen neuen Vertrag mit dem Verlag des Münchner Merkur abzuschließen, der leistungsfähiger sei und die Staatszeitung in gefälliger Form herausbringen könne, auch sei dieser Verlag besser geeignet, eine wirksame Werbung durchzuführen. Auch auf den Inseratenteil müsse größeres Gewicht gelegt werden.53
Bisher habe er nur unverbindliche Vorbesprechungen mit den maßgebenden Herren des Verlags des Münchner Merkur geführt. Sie hätten sich grundsätzlich bereit erklärt, die Staatszeitung zu übernehmen.
ln diesem Zusammenhang spiele auch die Frage eine Rolle, ob Veränderungen in der Redaktion der Staatszeitung eintreten sollten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, wesentlich sei die Entscheidung über den Wechsel des Verlags, die Gründe, die Herr Staatssekretär Dr. Haas dargelegt habe, halte er für durchschlagend.
Auch Staatsminister Dr. Koch meint, daß die Hilfsquellen, die einem Zeitungsverlag zur Verfügung stünden, weit größer seien als die eines gewöhnlichen Verlags.
Der Ministerrat beschließt einstimmig, den Vertrag mit dem Richard Pflaum-Verlag zu kündigen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, für die Verhandlungen mit anderen Verlagen habe man dann noch bis Ende des Jahres Zeit, da ja die Kündigung zum 31. Dezember 1955 erfolge.
Staatssekretär Dr. Haas fügt hinzu, die Redakteure seien Angestellte des Pflaum-Verlags, der ihnen kündigen müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Staatsregierung dann freie Hand haben werde; es sei allerdings äußerst schwierig, einen guten Redakteur für die Staatszeitung zu finden. Wenn nicht zwingende Gründe vorlägen, spreche er sich dafür aus, den bisherigen Chefredakteur beizubehalten.54
Verlängerung der Amtszeit des Ministerialdirigenten im Staatsministerium für Unterricht und Kultus Adolf Weiß
Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, die Amtszeit des Ministerialdirigenten Adolf Weiß bis 30. September 1955 zu verlängern.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, er habe sich bereit erklärt, am Donnerstag, den 23. Juni 1955 in Augsburg einen Empfang für die Teilnehmer am Deutschen Handwerkstag zu geben. Die Veranstaltungen fänden am Sonntag, den 26. Juni 1955 ihren Abschluß mit einem Festakt.55
In dem offiziellen Programm, das jetzt vorliege, sei als Redner bei diesem Festakt lediglich der Bundeskanzler, nicht aber der Bayerische Ministerpräsident erwähnt, obwohl die Staatskanzlei wiederholt mit den Vertretern des Handwerks verhandelt habe. Er werde nun weder an dem Festakt teilnehmen, noch persönlich den Empfang am 23. Juni geben. Er bitte Herrn Staatsminister Bezold, ihn bei beiden Veranstaltungen zu vertreten.
Auf Frage von Staatsminister Bezold erwidert Ministerpräsident Dr. Hoegner, am besten sei es, zunächst das Fernbleiben des Ministerpräsidenten gar nicht zu erwähnen, dem Bundeskanzler gegenüber aber notfalls die Gründe mitzuteilen, die eine Teilnahme unmöglich gemacht hätten.
Es wird vereinbart, daß Herr Staatsminister Bezold in Vertretung des Herrn Ministerpräsidenten den Empfang am 23. Juni 1955 gibt, während am Festakt am 26. Juni 1955 die Herren Staatsminister Dr. Geislhöringer und Bezold teilnehmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner unterrichtet den Ministerrat über die Vorschläge des österreichischen Bundesministers der Finanzen in der Frage der bayerischen Saalforsten.57
Auf alle Fälle müsse sich die Bayerische Staatsregierung auf den Standpunkt stellen, daß es sich bei der Salinen-Konvention vom Jahre 1829 um einen Staatsvertrag zwischen Österreich und Bayern handle, der auch heute noch ausschließlich Bayern angehe und nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung falle.
Staatsminister Bezold teilt mit, Herr Landrat Jacob von Berchtesgaden habe ihn auch auf die Saalforsten angesprochen und ihn über eine gewisse Unruhe in der Berchtesgadener Bevölkerung unterrichtet.58 Er habe den Landrat dringend gebeten, keinerlei Veröffentlichung darüber herauszugeben, um die schwebenden Verhandlungen nicht zu gefährden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner betont nochmals, daß Aussicht auf Erfolg nur bestehe, wenn die Frage der Saalforsten von Bayern aus unmittelbar mit der österreichischen Bundesregierung erörtert werde. Leider sei bisher der Bund bereits bei Besprechungen beteiligt worden.59
Staatssekretär Dr. Guthsmuths bemerkt, es habe sich nicht vermeiden lassen, daß die Saalforsten bei Handelsvertragsbesprechungen zwischen Österreich und der Bundesrepublik eine gewisse Rolle gespielt hätten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, der Sondervertrag vom Jahre 1829 habe an sich mit einem allgemeinen Handelsvertrag nichts zu tun. Im übrigen könne natürlich die Salinen-Konvention abgeändert und den veränderten Zeitverhältnissen angepasst werden. Jedenfalls bitte er um die Zustimmung des Ministerrats, wenn er im Namen der Bayerischen Staatsregierung den Standpunkt vertrete, daß Verhandlungen über den Vertrag vom Jahre 1829 ausschließlich eine bayerische Angelegenheit seien.
Der Ministerrat erklärt sich einstimmig60 damit einverstanden.61
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer für den 29. Juni 1955 zu einer Besprechung über die Frage eingeladen habe, wo der geplante Atom-Reaktor errichtet werden solle.63 Er selbst könne der Einladung nicht Folge leisten und bitte Herrn Staatsminister Rucker und Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths, als Vertretung der Bayerischen Staatsregierung teilzunehmen.
Staatsminister Rucker bemerkt, die Einladung des Herrn Bundeskanzlers komme insofern im richtigen Augenblick, als die Max-Planck-Gesellschaft jetzt selbst auch die Initiative ergreifen wolle.
Staatsminister Dr. Baumgartner bittet, bei den Verhandlungen sehr vorsichtig zu sein, damit später der Bayerischen Staatsregierung kein Vorwurf gemacht werden könne.
Der Ministerrat vereinbart, daß dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten entsprechend Herr Staatsminister Rucker und Herr Staatssekretär Dr. Guthsmuths an der Sitzung vom 29. Juni 1955 teilnehmen.64
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Rundfunkrede des Herrn Staatsministers Zietsch vom 14. Juni 1955 über die Hilfsmaßnahmen für die Notstandsgebiete und dessen Schreiben vom gleichen Tag.66 Er glaube allerdings nicht, daß man die Vorschläge des Herrn Finanzministers heute schon behandeln könne.
Staatsminister Bezold äußert Bedenken gegen die Rede, die ohne vorherige Absprache mit dem zuständigen Wirtschaftsminister gehalten worden sei. Er sei in einer etwas unangenehmen Lage, da er schon zur Stellungnahme aufgefordert worden sei, in der Öffentlichkeit aber nicht gegen den Herrn Finanzminister sprechen könne und wolle. Er halte es aber doch für zweckmäßig, wenn die Herren Staatsminister bei Vorträgen über Gebiete, die nicht zu ihrem Geschäftsbereich gehörten, sich zunächst mit dem zuständigen Ministerium in Verbindung setzten,
Staatsminister Zietsch erklärt, er habe deshalb auch dem Herrn Ministerpräsidenten in seinem Brief vom 14. Juni 1955 vorgeschlagen, den Fragenkomplex auf die Tagesordnung einer der nächsten Ministerratssitzungen setzen zu lassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt unter Zustimmung des Ministerrats vor, die Angelegenheit in der Ministerratssitzung vom 28. Juni 1955 in Bayreuth zu behandeln.67
Staatsminister Bezold teilt mit, auf die Dauer werde wohl nichts anderes übrig bleiben, als den Bierpreis freizugeben.
Die Entscheidung in dieser Sache, die auch große politische Bedeutung habe, könne aber nicht der Wirtschaftsminister allein treffen. Bekanntlich sei die Bierpreisfrage von der früheren Regierung wiederholt erörtert, aber immer wieder hinausgeschoben worden. Persönlich sei er der Meinung, daß der Bierpreis nicht freigegeben werden sollte, er glaube allerdings, daß sich diese Auffassung nicht durchhalten lasse.
Es wird vereinbart, auch diesen Punkt in der Ministerratssitzung vom 28. Juni 1955 zu behandeln.69
Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt nochmals auf diese Angelegenheit, die er bereits im Ministerrat vom 7. Juni 1955 angeschnitten habe, zu sprechen und betont, im Jahre 1948 habe der damalige Herr Finanzminister Dr. Kraus den Wohlfahrtsverbänden einen Zuschuß von 100 Mio RM gegeben, der nach der Währungsreform dann immerhin einen Wert von 6,5 Mio DM dargestellt habe. Wie er höre, verlange nun das Finanzministerium diesen Betrag von den Verbänden zurück. Da Staatsminister Dr. Kraus zweifellos nicht die Absicht gehabt habe, die Währungsgesetze zu umgehen, könne es sich seiner Meinung nach nur um einen freiwilligen Zuschuß an die Wohlfahrtsverbände gehandelt haben, nicht aber um ein Darlehen, das jetzt zurückgezahlt werden müsse.
Staatsminister Zietsch erwidert, so einfach liege die Angelegenheit wohl nicht, Herr Staatssekretär Dr. Panholzer werde die Sache aber nochmals überprüfen,
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt in diesem Zusammenhang mit, die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der freien Wohlfahrtspflege hätte übrigens eine Entschließung gefaßt, in der gebeten werde, die Zuschüsse aus Einzelpl. 03 von 120 000 DM auf 750 000 DM zu erhöhen. Die Absicht der Verbände sei, mit diesen Mitteln möglichst vielen Kindern und Jugendlichem Erholungsfreiplätze in den Sommerferien zu verschaffen, um damit der kommunistischen Aktion entgegenzuwirken, die die Verschickung von Kindern in die Sowjetzone zum Ziele habe.71 Er bitte die beteiligten Ministerien, möglichst bald zu prüfen, ob diesem Antrag der Wohlfahrtsverbände entsprochen werden könne.72
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest dann ein Dankschreiben des Herrn Weihbischofs Dr. Neuhäusler, dem er zu seiner Ernennung zum Domprobst die Glückwünsche der Staatsgierung ausgesprochen habe.
Der Ministerrat nimmt die Antwort zur Kenntnis.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, die Firma Hutschenreuther lade die Staatsregierung zu einem Besuch ihres Werkes in Hohenberg ein, das unmittelbar an der tschechischen Grenze liege. An sich wäre es gut, wenn der Einladung Folge geleistet werden könne. Zeitlich sei es aber nicht möglich, diesen Besuch mit der Ministerratssitzung in Bayreuth zu verbinden.
Es wird vereinbart, daß zunächst Herr Staatsminister Bezold gelegentlich73 nach Hohenberg fährt.