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Nr. 29MinisterratssitzungMittwoch, 18. Mai 1955 Beginn: 11 Uhr Ende: 11 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Finanzminister Zietsch, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

I. Mitteilung der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland. II. Bundesratsangelegenheiten.

I.Mitteilung der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland, in dem mitgeteilt wird, daß Seine Heiligkeit Papst Pius XII. den Hochschulprofessor Dr. Josef Schneider zum Erzbischof von Bamberg ernannt habe.

Die Mitteilung wird zur Kenntnis genommen.1

II.Bundesratsangelegenheiten

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, Herr Staatsminister Dr. Baumgartner habe den Wunsch geäußert, daß die Punkte 15 und 17 der Tagesordnung des Bundesrats vom 20. Mai 1955 nochmals im Ministerrat behandelt würden.

15.Entwurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1955/56 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1955/56)2

Staatsminister Dr. Baumgartner dankt, daß ihm Gelegenheit gegeben werde, seine Auffassung zu diesen Punkten darzulegen, nachdem er leider an der gestrigen Sitzung nicht habe teilnehmen können.

Bei der in diesem Entwurf vorgesehenen Lieferprämie handle es sich darum, daß diejenigen Roggenbauern zusätzlich pro to DM 20,– erhielten, die ihr Getreide frühzeitig ablieferten. Die Bundesregierung habe sich dafür entschieden, die Prämien in Höhe von 35 Mio DM weiter zu zahlen, da die Bauern, welche Roggen anbauten, gerade aus den landwirtschaftlich wenig begünstigten Gebieten stammten, z.B. in Bayern aus dem Bayer. Wald, der Oberpfalz, Oberfranken usw. Mit dem Vorschlag, der gestern im Kabinett gemacht worden sei, diesen Betrag für die sonstige Förderung der Landwirtschaft zu verwenden, wäre der angestrebte Zweck, nämlich den kleinen Landwirten zu helfen, nicht erreicht.

Die Staatsregierung habe in ihrer Regierungserklärung besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die Ostgebiete gefördert und das mittlere und kleinere Bauerntum unterstützt werden. Wenn man nun den Betrag von 35 Mio DM für andere Zwecke verwende, werde sich ein Sturm der Entrüstung erheben. Er bitte deshalb, den gestrigen Beschluß abzuändern und der Empfehlung des Agrarausschusses zuzustimmen.3

Staatssekretär Dr. Panholzer bezweifelt, ob der Antrag des Agrarauschusses, die Lieferprämie weiter zu bezahlen, angenommen werde.

Staatsminister Dr. Baumgartner entgegnet, zumindest dürfe sich aber Bayern nicht dagegen aussprechen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, auf Grund der Ausführungen des Herrn Staatsministers Dr. Baumgartner, den gestrigen Beschluß aufzuheben und der Empfehlung des Agrarausschusses zuzustimmen.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, so zu verfahren.

Ministerialrat Dr. Gerner macht noch darauf aufmerksam, daß die Regierungsvorlage etwas anderes vorsehe als die Vorschläge des Agrarausschusses.

Staatsminister Dr. Baumgartner antwortet, von bayerischer Seite aus solle man sich den Empfehlungen des Agrarausschusses anschließen.4

17.Entwurf einer Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für frisches Obst und Gemüse5

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, der Wirtschaftsausschuß halte die Einführung von Handelsklassen, wie sie in dieser Verordnung vorgesehen sei, für überflüssig. Es sei jedoch unbedingt notwendig, diese Handelsklassen einzuführen, um dem Ausland gegenüber bei Obst und Gemüse konkurrieren zu können. Der gesamte Obst- und Gemüsebau fordere diese Verordnung, die man in der Tat brauche, da nun einmal gerade bei Obst und Gemüse die sogen. „Aufmachung“ eine besondere Rolle spiele. Man brauche Gütemaßstäbe, die allgemein international eingeführt seien. Er bitte, auch nicht an Kleinigkeiten, wie der verlangten Durchschnittsgröße von einzelnen Erzeugnissen usw., Anstoß zu nehmen, auch hier handle es sich um internationale Maße.

Er bitte, dem Entwurf zuzustimmen, da eine Ablehnung in der Landwirtschaft nicht verstanden werde. Noch dazu habe er keinen Zweifel, daß der Entwurf im Bundesrat ohne Schwierigkeiten angenommen werde.

Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß ein Gesetz über Handelsklassen auf verschiedenen Gebieten schon bestehe; diese Verordnung betreffe nur die Anwendung auf Obst und Gemüse. Er glaube, daß man der Auffassung des Herrn Staatsministers Dr. Baumgartner zustimmen könne.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt nochmals, die bayerischen Vertreter könnten unmöglich gegen eine Verordnung stimmen, die zum Ziel habe, gerade den deutschen Obst- und Gemüsebau, dessen Lage sehr schwierig sei, zu unterstützen.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, den Beschluß vom 17. Mai 1955 aufzuheben und der Verordnung zuzustimmen.

Abschließend erklärt Staatsminister Dr. Baumgartner, der Ministerrat habe damit erhebliche Schwierigkeiten, die für die Staatsregierung hätten entstehen können, aus dem Wege geräumt.6

VO über gesetzliche Handelsklassen für frisches Obst und Gemüse vom 3. Juli 1955
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär