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Nr. 24MinisterratssitzungDienstag, 19. April 1955 Beginn: 8 Uhr Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Bezold.

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Bayer. Landesstraf- und Verordnungsgesetzes; hier: Vorabentscheidung über drei grundsätzliche Fragen. II. Entwurf eines Ersten Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts. III. Ankauf des Hotels Axelmannstein in Bad Reichenhall durch den Freistaat Bayern. IV. Verlegung des Max-Planck-Instituts für Physik von Göttingen nach München und Bau eines Reaktors in München. V. Erklärung der Staatsregierung über die Verhandlungen mit dem Beauftragten des Bundeskanzlers für Sicherheitsfragen vom 23. März 1955 in München. VI. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung. VII. Darlehensgewährung durch die Bayer. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung. VIII. Personalangelegenheiten. IX. Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts in Amberg gegen den Chefredakteur der „Amberger Nachrichten“, Anton Reiter, wegen Beleidigung der Staatsregierung; hier: Beschlußfassung der Staatsregierung über Stellung eines Strafantrags. X. Auszeichnung des Handwerks durch Verleihung von Goldmedaillen. XI. Besprechung mit dem Beauftragten des Bundeskanzlers für Sicherheitsfragen. XII. Landespersonalamt und Lehrerbildungsgesetz. XIII. Entwurf eines Gesetzes über den Schulbeginn in Bayern. XIV. Tombola für den Wiederaufbau des Aschaffenburger Schlosses. XV. Erweiterung der Jugendherberge auf der Kaiserburg in Nürnberg. XVI. Kurze Anfragen im Bayer. Landtag. XVII. Geheimhaltung von Ministerratssitzungen. XVIII. Konferenz der Innenminister der Länder. XIX. Verlegung der Regierung von Niederbayern nach Landshut. XX. Veranstaltungen usw..

I.Entwurf eines Bayer. Landesstraf- und Verordnungsgesetzes; hier: Vorabentscheidung über drei grundsätzliche Fragen1

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß dieser Gesetzentwurf von den Staatsministerien des Innern und der Justiz mit Note vom 23. Juli 1954 vorgelegt, vom Ministerrat am 21. August 1954 verabschiedet und am l. September 1954 dem Bayerischen Landtag und dem Bayerischen Senat zugeleitet worden sei.2 Der Senat habe dann in einem Gutachten vom 11. Februar 1955 eingehend Stellung genommen.3

Da dieses Gesetz in der vergangenen Landtagsperiode noch nicht verabschiedet worden sei, müsse der Entwurf von der jetzigen Staatsregierung neu vorgelegt werden. Mit Schreiben vom 6. April und 14. April 1955 bäten nun die Staatsministerien des Innern und der Justiz, der Ministerrat wolle zunächst eine Entscheidung über folgende Punkte treffen:4

1. Art. 48 (Erlaß von Verordnungen auf Kreisebene),

2. Art. 27 (Wahrsagen),

3. Art. 28 (Konkubinat)

Zu 1:

Der Entwurf sehe als Art. 48 folgende Bestimmung über die Verordnungen der Landratsämter und Regierungen vor:

„Für die Landratsämter und die Regierungen ist der Erlaß von Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes staatliche Aufgabe. Verordnungen der Landratsämter sind als Kreisverordnungen, Verordnungen der Regierungen als Bezirksverordnungen zu bezeichnen.“

Demgegenüber schlage der Senat in seinem Gutachten vor, Art. 48 folgende Fassung zu geben:

„Verordnungen, für deren Erlaß nach diesem Gesetz die Landkreise zuständig sind, werden vom Kreistag erlassen und sind als Kreisverordnungen zu bezeichnen.“

Entsprechend wäre dann in den Ermächtigungsnormen der Art. 12, 13, 15, 19, 30, 31, 33, 35 und 63 des Entwurfs das Wort „Landratsämter“ durch „Landkreise“ zu ersetzen. Zur Begründung werde angeführt, es werde sonst zweierlei Recht für die Gemeinderäte einerseits und die Kreistage andererseits geschaffen.

Das Staatsministerium des Innern bitte dagegen an der ursprünglichen Fassung des Art. 48 festzuhalten.

Es handle sich also darum, festzulegen, wer „Gesetzgeber“ für diese Verordnung sein solle, das Landratsamt als staatliche Behörde oder der Kreistag bezw. der Bezirkstag als parlamentarische Körperschaft. Er sei der Meinung, Gesetzgeber solle immer die parlamentarische Körperschaft sein, zumal ja mehr und mehr den Kreistagen und Bezirkstagen Aufgaben zugeteilt werden sollten.

Staatsminister Dr. Geislhöringer ersucht, die Behandlung dieses Punktes heute noch zurückzustellen, da er im Innenministerium selbst noch nicht genügend geklärt sei.

Staatssekretär Dr. Haas empfiehlt, sich für die Fassung des Senats zu entscheiden, jedoch nach dem Wort „Kreistag“ noch folgende Worte anzufügen;

„in dringenden Fällen durch den Kreis- (bezw. Bezirks-)ausschuß,“

Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, er halte es für besser, die entsprechende Bestimmung der Bayer. Verfassung anzuwenden, wonach das Gesetzgebungsrecht der Volksvertretung keinem Ausschuß zugewiesen werden dürfe.5

Staatssekretär Vetter fügt hinzu, die Einschaltung des Kreisausschusses sei nicht erforderlich, nachdem die Bestimmungen der Landkreisordnung durchaus ausreichten.

Der Ministerrat beschließt, die Behandlung des Art. 48 des Entwurfs heute zurückzustellen.

Zu 2:

Staatsminister Dr. Koch führt aus, das geltende Recht enthalte in Art. 54 des Bayerischen Polizeistrafgesetzbuches eine Strafnorm gegen die „Gaukelei“.6 Im ersten Entwurf des LStVG sei diese Bestimmung den heutigen Verhältnissen angepasst worden.7 Trotzdem bleibe die Tatsache bestehen, daß sie in die Nähe der Betrugsbestimmung des Strafgesetzbuches gerate und damit in Widerspruch zum Bundesrecht, nachdem die Materie des Betrugs im StGB erschöpfend geregelt sei.8

Abgesehen davon, bestünden aber überhaupt ernste Bedenken gegen die Aufnahme des Art. 27, vor allem in der Hinsicht, daß es schwer gelingen werde, die strafbare Wahrsagerei gegenüber dem weiten wissenschaftlich noch nicht erforschten Gebiet der Parapsychologie abzugenzen. Dieser Meinung sei auch das Bundesinnenministerium in seiner Stellungnahme vom 21. Juli l953, auch das Bundesjustizministerium habe sich am 24. Februar 1954 ähnlich geäußert.

Die Bestimmung sei so allgemein, daß es praktisch nur dem Richter überlassen werden könnte, den wirklichen Sachverhalt festzustellen; es werde sich aber kaum jemals eine Grenze zwischen Wahrsagerei und Betrug finden lassen. Er glaube nicht, daß durch den Wegfall einer Strafbestimmung gegen das Wahrsagen eine ernste Lücke entstehen werde, zumal – wie gesagt – in den meisten Fällen eine Bestrafung wegen Betrug möglich sei. Praktisch habe schon bisher die Gaukeleibestimmung nur eine sehr geringe Rolle gespielt, so seien bei der Staatsanwaltschaft München I im vergangenen halben Jahr fünf Verfahren anhängig geworden.

Staatssekretär Dr. Haas teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Herrn Staatsministers Dr. Koch nicht und bemerkt, die Gaukelei unterscheide sich vom Betrug dadurch, daß eine subjektive Betrugsabsicht gar nicht notwendig sei. Die Astrologie stehe nicht im Rang einer Wissenschaft, sie werde diesen Rang auch nie erreichen. Bei dem allgemeinen Hang zum Aberglauben müsse man sich doch überlegen, ob die Strafbarkeit des Wahrsagens nicht belassen werden solle.

Staatsminister Dr. Koch betont nochmals die Schwierigkeit, in solchen Fällen den Sachverhalt klar festzustellen. Es widerstrebe ihm, Gesetze zu machen, durch welche die Schuldigen kaum erfaßt werden könnten.

Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten, die Bestimmung gegen das Wahrsagen, Art. 27 des Entwurfs, zu streichen.

Zu 3:

Staatsminister Dr. Koch fährt fort, Art. 50 a des Bayer. Polizeistrafgesetzbuches stellt das Konkubinat unter Strafe.9 Diese Vorschrift werde aber seit Jahren nur mehr sehr selten angewendet. In Art. 28 des Entwurfs werde Art. 50 a des Bayer. Polizeistrafgesetzbuches dahin eingeschränkt, daß nur Personen bestraft werden können, die durch fortgesetztes häusliches Zusammenleben in außerehelicher Geschlechtsverbindung erhebliches öffentliches Ärgernis erregen.10

Aus dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. l EG StGB bestünden starke Bedenken gegen die Gültigkeit landesrechtlicher Konkubinatsbestimmungen,11 auch wenn das Reichsgericht in einer alten Entscheidung in Band 33 ihre Zulässigkeit bejaht habe.12

Was nun die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit betreffe, so hätten zweifellos unter dem Einfluß der Nachkriegsverhältnisse die Konkubinatsverhältnisse gegenüber früher erheblich zugenommen. Trotzdem komme es nur sehr selten zur Strafverfolgung und noch seltener zu einer Verurteilung, da die Tatbestandsmerkmale schwer nachzuweisen seien. Eine solche Bestimmung lasse sich auch nicht gleichmäßig in Stadt und Land durchführen.

Außer in Bayern sei das Konkubinat in Baden-Württemberg, in der Rheinpfalz und in dem ehemals braunschweigischen Landesteil von Niedersachsen strafbar; Hessen habe eine derartige Bestimmung mit Wirkung vom 1. Januar 1954 aufgehoben.

Er neige zu der Auffassung, Art. 28 in den neuen Entwurf nicht mehr zu übernehmen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, es treffe zwar zu, daß die Nachkriegsverhältnisse vielfach an Konkubinatsverhältnissen schuld seien, nicht zuletzt die Furcht vor dem Verlust einer Rente. Man müsse aber doch zwei Punkte sorgfältig überlegen, nämlich

1. die verfassungsrechtliche Seite:

Die Bayer. Verfassung gewährleiste ebenso wie das Grundgesetz den besonderen Schutz des Staates für Ehe und Familie. Es sei unbedingt notwendig, die Ehe als Einrichtung zu schützen.13

2. Auch den politischen Gesichtspunkt bitte er zu beachten; es sei nicht unbedenklich, die Koalitionsregierung hier Angriffen der Opposition auszusetzen.

Im übrigen werde ja ein erhebliches öffentliches Ärgernis verlangt, das zweifellos auf dem Land bei Konkubinatsverhältnissen erregt werde. Er empfehle dringend, die Strafbarkeit des Konkubinats dem Landtag vorzuschlagen, der ja dann zu entscheiden habe.

Staatsminister Dr. Baumgartner schließt sich Ministerpräsident Dr. Hoegner an und warnt davor, die Bestimmung zu streichen.

Der Herr Ministerpräsident habe vollkommen recht, wenn er auf den verfassungsmäßig garantierten Schutz der Ehe und der Familie hinweise. Auch der politische Gesichtspunkt sei seiner Meinung nach sehr wesentlich.

Staatssekretär Dr. Meinzolt führt aus, man könne sicherlich nicht durch Gesetze die Schäden der Zeit heilen. Hier aber, wo es sich um die Aufrechterhaltung sittlicher Werte handle, stimme er dem Herrn Ministerpräsidenten und Herrn Staatsminister Dr. Baumgartner durchaus zu; im Gegensatz zu Herrn Staatsminister Dr. Koch habe er auch keine rechtlichen Bedenken gegen Art. 28.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert nochmals daran, daß der frühere Ministerrat, zusammengesetzt aus Vertretern der CSU, der SPD und des BHE, eine Bestimmung gegen das Konkubinat aufgenommen habe. Es werde also kaum verstanden werden, wenn die neue Regierung einen anderen Standpunkt einnehme. Die Verfassung habe zur Richtschnur zu dienen, ganz abgesehen davon, daß nun einmal auch auf die ländlichen Verhältnisse in Bayern Rücksicht genommen werden müsse.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, die Bestimmung gegen das Konkubinat in Art. 28 des Entwurfs beizubehalten.14

Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) vom 17. November 1956

II.Entwurf eines Ersten Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts15

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, die Bundesregierung habe am 30. März 1955 den Entwurf eines Ersten Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts beschlossen und dem Bundesrat vorgelegt. Nachdem noch in dieser Woche zwei Unterausschüsse und ein Ausschuß des Bundesrats sich mit diesem Entwurf befaßten,16 sei eine Besprechung durch den Ministerrat, zumindest über einige grundsätzliche Fragen, erforderlich.

In einer interministeriellen Sitzung hätten sich die Vertreter der Ministerien teilweise auf den Standpunkt gestellt, daß auch der neue Entwurf über ein Rahmengesetz hinausgehe.17

Es werde deshalb empfohlen, sich von Bayern aus etwaigen Bedenken anderer Länder in dieser Richtung anzuschließen oder wenigstens nicht entgegenzutreten. Das Finanzministerium schlage dagegen in seiner Note vom 15. April 1955 vor, gegen den nunmehrigen – gegenüber den früheren Entwürfen stark gemäßigten – Entwurf Einwendungen aus dem Gesichtspunkt mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht zu erheben. Zur Begründung werde u.a. ausgeführt, an einer möglichst weitgehenden Rechtseinheit auf dem Gebiete des Beamtenrechts bestehe das größte Interesse.18

Staatsminister Zietsch erklärt, er befinde sich nicht völlig in Übereinstimmung mit der Auffassung, die in der erwähnten Note vom 15. April 1955 vertreten werde. Vielmehr sei er der Meinung, daß sich dieser Entwurf wirklich nur auf Rahmengrundsätze beschränken müsse, das bedeute also, daß alles, was in Landesgesetzen wirksam geregelt werden könne, auch den Ländern überlassen werden müsse. In dem vorliegenden Entwurf seien viel zuviel Einzelheiten behandelt, sogar die Regelung des Urlaubs usw. Er halte es für durchaus möglich, Unnötiges wieder auszumerzen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß sich schon die Konferenz der Innenminister im Jahre 1954 in Trier mit diesem Entwurf befaßt und den Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Dr. Meyers, beauftragt habe, beim Bundesinnenministerium eine grundsätzliche Klärung über die Frage der Rahmenbestimmungen herbeizuführen.19 Der damalige Entwurf habe keinesfalls den Anforderungen entsprochen, die an ein Rahmengesetz zu stellen seien. Inzwischen sei bekanntlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergangen, das der föderalistischen Auffassung der Länder weitgehend Rechnung getragen habe.20 Wie Herr Dr. Gerner mitteile, berücksichtige aber auch der vorliegende Entwurf dieses Urteil in verschiedenen wichtigen Punkten nicht.

Ministerialrat Dr. Gerner bestätigt, daß zwar Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf vorgenommen worden seien, der Entwurf aber immer noch zu weit gehe. So enthalte er u.a. eine abschließende Aufzählung sämtlicher Gründe über die Berufung und Entlassung von Beamten, die Versetzung in den Ruhestand usw. Es sei zumindest sehr zweifelhaft, ob der Entwurf dem vom Bundesverfassungsgericht u.a. aufgestellten Erfordernis genüge, daß das, was den Ländern zu regeln bleibe, von substanziellem Gewicht sein müsse. Außerdem verweise er auf die Bestimmungen der §§ 104 bis 112 über die Hochschullehrer.21 Hier sei das Kultusministerium der Auffassung, diese Paragraphen sollten gestrichen und durch eine Bestimmung ersetzt werden, wonach das Recht der Hochschullehrer durch Landesgesetz zu regeln sei.22

Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt diesem Vorschlag zu, gegen den Staatsminister Zietsch allerdings Bedenken erhebt.

Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten mit Mehrheit, für die Streichung der §§ 104 bis 112 einzutreten.

Ministerialrat Dr. Gerner kommt dann als weiteres Beispiel auf § 126 zu sprechen, der besage, daß für alle Klagen der Beamten usw. aus dem Beamtenverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei, soweit nicht bundesgesetzlich ein anderer Rechtsweg vorgeschrieben sei.23 Dies stehe im Gegensatz zu der Bestimmung der Bayer. Verfassung, wonach für diese Klagen die ordentlichen Gerichte zuständig seien.24

Staatssekretär Dr. Meinzolt empfiehlt, die bayerische Regelung der Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte beizubehalten.

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, auch § 121 könne wohl in der vorliegenden Form nicht bestehen bleiben; ursprünglich habe man an eine völlige Streichung gedacht, man werde aber wohl mit einer Änderung in Verbindung mit Streichung des § 1 Satz 2 auch zurecht kommen.25

In der weiteren Aussprache stellt Ministerialrat Dr. Gerner die Frage, ob die Behauptung berechtigt sei, dieses Rahmengesetz sei notwendig, um das Berufsbeamtentum institutionell zu schützen bezw. zu sichern.

Staatsminister Zietsch erklärt, der Schutz des Berufsbeamten sei ohne weiteres auch dann gewährleistet, wenn im Rahmengesetz nicht alle möglichen Einzelheiten geregelt würden.

Zusammenfassend stellt Staatsminister Zietsch fest, daß neben anderen als Rahmenvorschrift nicht zu erachtenden Regelungen vor allem von Bayern aus auf die Abänderung folgender Bestimmungen Wert gelegt werden müsse:

1. Streichung des Satzes 2 des § 1,

2. Abänderung des § 121,

3. Streichung der §§ 104 bis 112,

4. Streichung der §§ 126 bis 128.26

Ministerialrat Dr. Gerner weist noch ausdrücklich darauf hin, daß es sich hierbei nur um Beispiele handle und außer diesen Punkten noch eine Reihe von Bestimmungen in dem Entwurf enthalten seien, die einer Abänderung bedürften. Er glaube aber nicht, daß sich der Ministerrat mit weiteren Einzelheiten noch befassen müsse.

Der Ministerrat beschließt, die Auffassung zu vertreten, wie sie in der Zusammenfassung durch Herrn Staatsminister Zietsch enthalten ist.27

Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz – BRRG) vom 1. Juli 1957

III.Ankauf des Hotels Axelmannstein in Bad Reichenhall durch den Freistaat Bayern28

Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Besichtigung des Hotels Axelmannstein durch einen Teil des Ministerrats am 12. April 1955 und erklärt, die Eindrücke, die er dabei gewonnen habe, seien sehr günstig gewesen. Man habe das Hotel eingehend besichtigt und festgestellt, daß es größtenteils völlig neu eingerichtet, mit modernen Badeeinrichtungen versehen sei usw. Außerdem sei zu beachten, daß es sich hier um ein sehr großes Grundstück handle und in das Gebäude zahlreiche Läden und ein Kino eingebaut seien. Er habe sich davon überzeugt, daß es für den Staat einen Vorteil bedeute, wenn das Hotel erworben werde.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, das Hotel werde zum Staatsbad Reichenhall gehören und der Förderung des Fremdenverkehrs im allgemeinen dienen. Wenn der Landtag den Ankauf ablehne, so könne die Regierung nichts dagegen unternehmen, das Hotel werde aber dann in andere Hände kommen und es habe infolgedessen keinen Sinn mehr, die übrigen Einrichtungen des Staatsbades aufrecht zu erhalten.

Staatssekretär Dr. Panholzer bemerkt, das Hotel Axelmannstein sei am 1. Februar 1955 in staatliche Regie übernommen worden.29

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erinnert daran, daß dies auf einen Vorschlag des ehemaligen Herrn Staatssekretärs Dr. Ringelmann zurückgehe, der zu einem Ministerratsbeschluß Anfang November 1954 geführt habe.30

Staatssekretär Dr. Panholzer fährt fort, durch die Übernahme der Regie, die auf Wunsch des Eigentümers erfolgt sei, habe man feststellen können, daß in den vergangenen Monaten, die für den Fremdenverkehr keineswegs günstig gewesen seien, Verluste nicht eingetreten seien.

Staatssekretär Dr. Haas stellt fest, daß die Fraktion der FDP, mit Ausnahme des Herrn Staatsministers Bezold, sich gegen den Ankauf aussprechen werde.

Staatsminister Zietsch verweist auf die Möglichkeit, daß in Bad Reichenhall eine Spielbank errichtet werde. Die Spielbankgesellschaft werde sich – ähnlich wie in anderen Bäder – dazu verpflichten müssen, die Badeeinrichtungen und das Kurhotel mitzuunterhalten.

Staatssekretär Dr. Haas macht auf die ungünstigen Erfahrungen, die man mit anderen Staatsbädern – besonders Bad Brückenau – gemacht habe, aufmerksam und befürchtet, daß der bisherige jährliche Fehlbetrag von 100 000 DM im Hotel Axelmannstein sich noch erhöhen werde, da verschiedenes noch modernisiert werden müsse.

Staatsminister Zietsch bezweifelt dies und betont die günstigen Erfahrungen, die man mit einem neuen Vertrag in Bad Steben gemacht habe. Der Verkauf des Hotels an einen privaten Käufer komme nicht in Betracht, da ein enger Zusammenhang mit dem Staatsbad und dem Fremdenverkehr bestehe.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths ersucht darum, daß das Finanzministerium noch weitere Unterlagen, insbesondere Bilanzen, vorlege. Auch über die Regieabsprache müsse das Kabinett wohl noch unterrichtet werden.31

Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, wegen der bevorstehenden Besichtigung des Hotels durch einen Landtagsausschuß die Entscheidung heute zurückzustellen.32

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.33

IV.Verlegung des Max-Planck-Instituts für Physik von Göttingen nach München und Bau eines Reaktors in München34

Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Besprechung dieser Angelegenheit im Ministerrat vom 5. April 1955 und erkundigt sich, ob das Staatsministerium der Finanzen zu dem Antrag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, in den nächsten Haushaltsjahren Mittel in Höhe von insgesamt 9 Mio DM bereitzustellen, Stellung genommen habe.

Staatsminister Zietsch erwidert, die Stellungnahme des Staatsministeriums der Finanzen habe noch nicht erfolgen können.

Staatsminister Rucker teilt dann mit, das erwähnte Schreiben seines Ministeriums sei zum Teil wörtlich im Informationdienst der Bayerischen Wirtschaft erschienen, ohne daß es möglich gewesen sei, herauszubringen, auf wen diese Indiskretion zurückzuführen sei.35

Staatsminister Dr. Baumgartner führt aus, der Ministerrat habe noch keine Klarheit, welche Pläne Professor Heisenberg eigentlich verfolge und ob die nach München zu verlegenden Einrichtungen wirklich nur Forschungszwecken dienten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, man müsse zwischen dem Max-Planck-Institut, das nach München kommen solle, und dem Atomkraftwerk, das bei Karlsruhe errichtet werden solle, unterscheiden.

Staatsminister Rucker fügt hinzu, zu dem Institut der Max-Planck-Gesellschaft gehöre ein kleiner Reaktor, der aber nur für die wissenschaftlichen Arbeiten bestimmt sei. Davon sei das bei Karlsruhe geplante Atomkraftwerk völlig unabhängig. Wahrscheinlich werde dieses überhaupt erst mit der Arbeit beginnen können, wenn im Münchner Institut eine Reihe von Fragen geklärt sei.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert Staatsminister Rucker, Professor Heisenberg stehe natürlich, wie alle übrigen Atomforscher auch, mit amerikanischen Stellen in Verbindung. Außer jedem Zweifel sei aber, daß das Münchner Institut mit Atomrüstung oder irgendwelchen militärischen Einrichtungen nicht das geringste zu tun habe.

Staatssekretär Dr. Meinzolt empfiehlt, dem Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus folgend, heute einen Beschluß zu fassen, daß für das Max-Planck-Institut die beantragten Zuschüsse aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt werden.

Staatsminister Rucker fährt fort, was die Befürchtungen anlange, daß durch das Institut und den Reaktor Schäden bei der Wasserversorgung usw. eintreten könnten, so seien diese nicht begründet. Es sei gerade der Vorteil des Instituts gegenüber dem Atomkraftwerk, daß die Abfallmengen so gering seien, daß sie überhaupt nicht ins Gewicht fielen.

Staatsminister Zietsch kommt dann auf die Finanzierung zu sprechen und bemerkt, wenn der Ministerrat sich für die Unterstützung des Instituts entscheide, müsse das Kultusministerium innerhalb seines Haushalts eine Möglichkeit finden, die notwendigen Mittel bereitzustellen. Das Finanzministerium werde sich natürlich auch bemühen, ein gewisses Risiko müsse er aber dem Kultusministerium zumuten.

Staatsminister Rucker entgegnet, die Baumittel seines Ministeriums beliefen sich auf 33 Mio DM, die in Höhe von 19 Mio DM zweckgebunden seien. Die restlichen 14 Mio DM seien für die Universitäten, Technische Hochschule, Kliniken und alle höheren Schulen bestimmt, es scheide also vollkommen aus, davon noch 6 Mio DM für das Max-Planck-Institut abzuzweigen. Sei es nicht möglich, den Weg der Sonderfinanzierung zu gehen?

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt dann vor, folgenden Beschluß zu fassen:

Der Ministerrat spricht sich für die Verlegung des Max-Planck-Instituts nach München unter der Voraussetzung aus, daß die erforderlichen Mittel aufgebracht werden.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt mit Zustimmung des Ministerrats, der Beschluß gelte doch wohl nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, daß das Institut nicht für Rüstungszwecke arbeite.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, durch Verhandlungen müsse nun die notwendige Deckung für den in den nächsten Jahren benötigten Betrag von insgesamt 9 Mio DM gesucht werden. Er bitte, sobald dies geschehen sei, den Ministerrat wieder zu unterrichten.

Auf Frage von Staatsminister Dr. Baumgartner antwortet Staatsminister Rucker, die in den Haushaltsjahren 1956 bis 1958 benötigten 3 Mio DM für den Reaktor seien nur ein Zuschuß zu den Gesamtkosten.36

Atomenergie

V.Erklärung der Staatsregierung über die Verhandlungen mit dem Beauftragten des Bundeskanzlers für Sicherheitsfragen vom 23. März 1955 in München37

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest den Wortlaut der Erklärung, die er einem Wunsch des Sicherheitsausschusses folgend in der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Woche abgeben wolle.

Der Ministerrat erklärt sich einstimmig mit dem Wortlaut der Erklärung einverstanden.38

VI.Landesanstalt für Aufbaufinanzierung39

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat in der Sitzung vom 5. April 1955 folgenden Beschluß gefaßt habe:

„Die Staatsministerien für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge werden beauftragt, das Einvernehmen über die Weiterverwendung des Direktors Götz mit dem Staatsministerium der Finanzen herzustellen.“

Sei dieses Einvernehmen inzwischen zustande gekommen?

Staatsminister Zietsch erwidert, er habe diese Angelegenheit für erledigt gehalten, da Direktor Götz ein Angebot des Westdeutschen Bankvereins bereits angenommen habe.

Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, Direktor Götz, mit dem er selbst gesprochen habe, verlasse ungern München und werde gerne hier bleiben, wenn ihm gewisse Zusicherungen gemacht würden. Er habe erklärt, wenn der Ministerpräsident an den Westdeutschen Bankverein schreibe, lasse sich seine Verpflichtung sicher rückgängig machen.

Staatsminister Zietsch führt aus, nach den Unterredungen, die er mit Direktor Götz gehabt habe, könne er dessen Äußerungen nicht verstehen. Abgesehen davon, daß es schwer sei, einen Mann zu halten, der ein so günstiges Angebot habe, trage sich Herr Götz auch mit Vorstellungen über den Ausbau der Landesanstalt, die zweifellos auf Widerstand stoßen würden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wendet ein, daß der Ministerrat zu der Auffassung gelangt sei, Direktor Götz sei kaum zu ersetzen und in der Tat für die Landesanstalt unentbehrlich.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths weist darauf hin, daß er sich über diese Frage im Februar mit dem Herrn Finanzminister unterhalten und daraufhin eine außerordentliche Sitzung des Verwaltungsrats der Landesanstalt einberufen habe. Dieser habe einen Beschluß gefaßt und dem Finanzministerium zugeleitet, wonach das Einvernehmen zwischen den beteiligten drei Ressortministern über die künftige Besetzung der Anstalt hergestellt werden solle. Leider habe er noch keine Antwort des Herrn Finanzministers bekommen.

Staatsminister Stain und Staatssekretär Vetter setzen sich gleichfalls dafür ein, alles zu tun, um Direktor Götz zu halten, während Staatsminister Zietsch meint, er könne die Verantwortung dafür nicht übernehmen, daß man Herrn Götz hindere, ein so günstiges Angebot anzunehmen. Wie gesagt, könne auch der Ausbau der Landesanstalt kaum in der Form vorgenommen werden, wie sich das Herr Götz denke, abgesehen davon, daß auch ein Gehalt von 50–60 000 DM nicht in Betracht komme.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths betont, Bayern könne ohne ein Institut, das Finanzierungen eigener Art mache, nicht auskommen. Er verweise nur auf den heute besprochenen Vorschlag, den Ausbau der Atomkräfte durch eine Sonderfinanzierung zu ermöglichen, ferner an die Finanzierung der Bundesbahn-Aufträge an die bayerische Wirtschaft, die auf der heutigen Tagesordnung stehe.

Staatsminister Dr. Baumgartner empfiehlt, den Ministerratsbeschluß vom 5. April 1955 durchzuführen.

Der Ministerrat beschließt, an diesem Beschluß festzuhalten und die beteiligten Ministerien nochmals zu beauftragen, das Einvernehmen über die Weiterverwendung des Direktors Götz mit dem Staatsministerium der Finanzen herzustellen.

Landesanstalt für Aufbaufinanzierung

VII.Darlehensgewährung durch die Bayer. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung

Staatsminister Zietsch verweist auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 14. April 1955 in dieser Angelegenheit und erläutert sie im einzelnen. Die bayerische Staatsregierung stehe tatsächlich unter einem gewissen Druck, da die Bundesbahn ihre Aufträge an bayerische Unternehmen in Höhe von rund 41,7 Mio DM nur erteilen wolle, wenn ihr ein mit 5% verzinsliches und nach fünf Jahren rückzahlbares Darlehen in gleicher Höhe gewährt wird. Im Interesse der bayerischen Wirtschaft bestehe keine andere Möglichkeit, als über die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung dieses Darlehen zu gewähren.

Der Ministerrat beschließt, den Vorschlägen des Staatsministeriums der Finanzen in der Note vom 14. April 1955 zu entsprechen.

VIII.Personalangelegenheiten

Verlängerung der Dienstzeit des Regierungspräsidenten Dr. Schregle

Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, Regierungspräsident Dr. Schregle (Ansbach) müsse an sich ab l. Mai 1955 in den Ruhestand treten. Es liege zwar ein Antrag des Bezirksausschusses von Mittelfranken vor, die Dienstzeit zu verlängern, er habe dagegen aber erhebliche Bedenken und warne davor, Ausnahmen zuzulassen, die dann zu Berufungen führen könnten. Herr Dr. Schregle könne auch nicht als politisch Verfolgter betrachtet werden, da er in seiner Laufbahn als Studienrat während des 3. Reiches nicht behindert worden sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, nach der Bezirksordnung habe der Bezirkstag das Recht, den Regierungspräsidenten vorzuschlagen, er könne deshalb auch wohl eine Äußerung wegen der Dienstzeitverlängerung abgeben.

Staatssekretär Vetter führt aus, er selbst schließe sich dem Antrag des Bezirksausschusses an, der zweifellos auch vom Bezirkstag einstimmig übernommen werde. Dr. Schregle sei 1933 mehrere Tage verhaftet gewesen und dann in der Zeit von 1933 bis 1945 nicht mehr befördert worden. Seiner Meinung nach sei dies genau so zu berücksichtigen wie bei einer Reihe von anderen Beamten, die auch keinen formellen Wiedergutmachungsantrag gestellt hätten.

Im übrigen handle es sich bei ihm um den einzigen Regierungspräsidenten, der seit 1945 ohne jede Beanstandung sein Amt geführt und niemals Schwierigkeiten bereitet habe. Darüber hinaus gelte Dr. Schregle als Exponent Frankens und erfreue sich dort größter Beliebtheit ohne Rücksicht auf parteipolitische Gesichtspunkte. Da der Bezirkstag Mittelfranken erst Anfang Mai zusammentrete, könne dessen Beschluß nicht mehr abgewartet worden.

Er bitte dringend, der Verlängerung, die Herr Dr. Schregle wirklich verdient habe, zuzustimmen.

Staatsminister Dr. Geislhöringer verweist nochmals auf die Gefahr, daß hier ein Präzedenzfall geschaffen werde und bemerkt zur Wiedergutmachungsfrage, Herr Dr. Schregle wäre unter normalen Verhältnissen niemals Regierungspräsident geworden.

Staatssekretär Dr. Haas meint dagegen, einem einstimmigen Wunsch des Bezirksausschusses müsse doch Rechnung getragen werden, zumal dieser Beschluß sicher vom Bezirkstag bestätigt werde; er spreche sich deshalb für die Verlängerung aus.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird daraufhin mit Mehrheit folgender Beschluß gefaßt:40

Die Dienstzeit des Regierungspräsidenten von Mittelfranken Dr. Schregle wird bis zur Entscheidung des Bezirkstags, äußerstenfalls bis 30. Juni 1955, verlängert.41

IX.Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts in Amberg gegen den Chefredakteur der „Amberger Nachrichten“, Anton Reiter, wegen Beleidigung der Staatsregierung; hier: Beschlußfassung der Staatsregierung über Stellung eines Strafantrags42

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Chefredakteur des „Regensburger Anzeigers“ habe in einem in der Ausgabe vom 12./13.Januar 1955 veröffentlichten und von ihm gezeichneten Leitartikel u.a. die Bayerische Staatsregierung als eine „volksfremde Staatsstreichregierung“ bezeichnet.43 Da die Zeitung unter einem anderen Kopf auch in Amberg erscheint, habe die dortige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Amberg stelle der Artikel eine Verächtlichmachung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung dar. Die Voraussetzungen des § 187 a StGB in Verbindung mit § 186 StGB oder § 187 StGB seien gegeben.44 Über das Staatsministerium der Justiz werde nun um einen Beschluß der Staatsregierung gebeten, ob Strafantrag nach § 194 StGB gestellt werden solle.45

Nach seinen bisherigen Erfahrungen lehne er es für seine Person ab, Strafantrag zu stellen.

Staatsminister Dr. Koch führt aus, der von dem Chefredakteur gebrauchte Ausdruck sei unsinnig, er könne die Koalitionsregierung überhaupt nicht treffen; übrigens stimme der Artikel auch nicht mit der Überschrift überein. Wahrscheinlich werde bei einem Strafverfahren nicht allzuviel herauskommen,

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt nochmals vor, keinen Strafantrag zu stellen.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit,46 diesem Vorschlag entsprechend zu verfahren.

Verunglimpfung ders./Beleidigungsverfahren

X.Auszeichnung des Handwerks durch Verleihung von Goldmedaillen47

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 12. April 1955 bekannt, in dem angefragt werde, ob – wie bisher – neben den Goldmedaillen für die Aussteller auf der Deutschen Handwerksmesse auch Anerkennungsurkunden verliehen werden sollten.

Bisher sei das vorwiegend für Sammelausstellungen von Innungen, Handwerksverbänden usw. der Fall gewesen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erklärt, das Wirtschaftsministerium sei der Auffassung, daß im Hinblick auf die Erhöhung der Zahl der Goldmedaillen von 20 auf 30, die der Ministerrat am 15. März 1955 beschlossen habe, von Anerkennungsurkunden abgesehen werden könne.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.48

XI.Besprechung mit dem Beauftragten des Bundeskanzlers für Sicherheitsfragen49

Ministerpräsident Dr. Hoegner betont, daß das Material der Besprechung am 23. März 1955 streng geheim behandelt worden sei. Nun seien in verschiedenen Zeitungen, u.a. auch in einer Stuttgarter Zeitung und in der Staatszeitung ausführliche Darstellungen über diese Besprechung erschienen, u.a. von einem Herrn Joedecke.50

Staatssekretär Dr. Guthsmuths stellt fest, daß es sich nur um den Oberregierungsrat Joedecke vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr handeln könne, der in der Landesplanung arbeite. Herr Staatsminister Bezold habe aber diesen Artikel vorher gesehen. Er hätte schon vor vielen Wochen erscheinen sollen.51

Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt mit Nachdruck fest, es gehe nicht an, daß über Dinge, die von der Staatsregierung geheim gehalten würden, ausführliche Berichte in Zeitungen veröffentlicht würden.

XII.Landespersonalamt und Lehrerbildungsgesetz52

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Landespersonalamts bekannt, in dem Beschwerde geführt werde, daß es bei der Vorbereitung des Lehrerbildungsgesetzes nicht zugezogen würde. An sich stoße diese Beschwerde ins Leere, weil es sich hier bekanntlich um einen Initiativgesetzentwurf handle. Er werde aber das Schreiben zur wohlwollenden Prüfung Herrn Staatsminister Rucker übergeben.53

XIII.Entwurf eines Gesetzes über den Schulbeginn in Bayern

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, wann dieser Gesetzentwurf vom Kultusministerium vorgelegt werde? Nachdem er bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Düsseldorf eine entsprechende Vereinbarung unterschrieben habe,54 bitte er, die Sache nicht mehr allzulange zu verzögern.

Staatsminister Rucker erwidert, der Entwurf werde vorbereitet und könne bald dem Ministerrat vorgelegt werden.55

Ministerpräsident Dr. Hoegner übergibt in diesem Zusammenhang Herrn Staatsminister Rucker noch ein Schreiben der Stadt Nürnberg, das sich mit der Wirtschaftsoberrealschule Nürnberg befaßt.

XIV.Tombola für den Wiederaufbau des Aschaffenburger Schlosses56

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert Herrn Staatsminister Zietsch daran, daß die Stadt Aschaffenburg am 14. Februar 1955 den Antrag gestellt habe, eine Tombola für den Wiederaufbau des Aschaffenburger Schlosses zu genehmigen.57 Er bitte, die Sache zu beschleunigen, nachdem die Genehmigung bisher noch nicht erteilt worden sei.58

XV.Erweiterung der Jugendherberge auf der Kaiserburg in Nürnberg59

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, Herr Stadtrat Marx von Nürnberg habe ihm bei einem Besuch mitgeteilt, daß die Kosten für den von der Stadt Nürnberg mit großen Opfern durchgeführten Erweiterungsbau zum Teil noch nicht gedeckt werden konnten. Er bitte deshalb um einen Zuschuß des Bayerischen Staates in Höhe von etwa 15 000 DM, Vielleicht sei es möglich, 10 000 DM aus Mitteln der Jugendfürsorge aufzubringen, die restlichen 5000 DM könnten dann in der Weise gefunden werden, daß er selbst aus Tit. 300 2500 DM übernehme, während der Herr Finanzminister ebenfalls 2500 DM aus dem Titel für besondere Angelegenheiten der Staatsregierung beisteuere.

Staatssekretär Vetter erklärt, das Staatsministerium des Innern könne ohne weiteres noch 10 000 DM aus Mitteln der Jugendfürsorge zur Verfügung stellen.

Staatsminister Zietsch erklärt sich einverstanden, einen Betrag von 2500 DM zu übernehmen.

XVI.Kurze Anfragen im Bayer. Landtag

Anschließend werden eine Reihe von kurzen Anfragen, die in der nächsten Fragestunde des Landtags gestellt werden, behandelt.60

XVII.Geheimhaltung von Ministerratssitzungen

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest eine Vormerkung des Leiters des Informations- und Presseamts, Dr. Baumgärtner, wonach der Leiter eines Nachrichtenbüros kurze Zeit nach Schluß einer Ministerratssitzung über den Verlauf der Besprechungen sehr genau informiert gewesen sei. Er halte dieses Vorkommnis für höchst unerfreulich und bitte dringend, sich über das Ergebnis von Ministerratssitzungen möglichste Zurückhaltung aufzuerlegen.

XVIII.Konferenz der Innenminister der Länder

Staatsminister Dr. Geislhöringer gibt das Ergebnis der letzten Innenministerkonferenz bekannt, in der u.a. über die Spielbankfrage, das Technische Hilfswerk und die Polizeischule Hannover61 verhandelt worden sei. Die Konferenz sei einstimmig der Meinung gewesen, daß die Errichtung von Spielbanken ausschließlich Ländersache sei.

XIX.Verlegung der Regierung von Niederbayern nach Landshut62

Staatsminister Dr. Geislhöringer gibt bekannt, der Bezirkstag Niederbayern habe mit allen gegen eine Stimme beschlossen, für die Verlegung der Regierung nach Landshut einzutreten.

Es werde wohl kaum etwas anderes übrig bleiben, als die Verlegung jetzt durchzuführen. Er schlage jedoch vor, diese Angelegenheit nochmals im Ministerrat zu behandeln.

Staatssekretär Dr. Haas verweist demgegenüber auf einen Beschluß des Kreistags Vilshofen, in dem mit durchschlagenden Gründen die Unzweckmäßigkeit der Verlegung dargelegt werde.63

XX.Veranstaltungen usw.

a) 100-Jahrfeier der Diakonissenanstalt Augsburg am 12. Juni 195564

Es wird vereinbart, daß an dieser Veranstaltung Herr Staatsminister Dr. Koch und Herr Staatssekretär Dr. Meinzolt teilnehmen.

b) 250-Jahrfeier der Sendlinger Bauernschlacht65

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, die Staatsregierung könne an diesem Ereignis nicht vorüber gehen, er halte es für zweckmäßig, sich daran zu beteiligen, um die Sache etwas in die Hand zu bekommen.66 Er sei auch bereit, aus Tit. 300 einen Zuschuß zu gewähren. Wenn schon der Sendlinger Bauernschlacht gedacht werde, müsse eigentlich auch der Jahrestag der Aidenbacher Bauernschlacht67 gefeiert werden. Er empfehle, daß sich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit der Stadt München und wegen Aidenbachs mit dem Landrat von Vilshofen in Verbindung setze.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß die Staatsregierung sich an den Feiern beteiligt. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus wird mit den notwendigen Vorarbeiten beauftragt.68

c) Feier der Erweiterung des Krankenhauses des Roten Kreuzes am 22. April 195569

Ministerpräsident Dr. Hoegner übergibt Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer eine Einladung der Schwesternschaft München des Bayer. Roten Kreuzes zur Feier der Erweiterung des Krankenhauses am 22. April 1955 und bittet, in Vertretung der Staatsregierung daran teilzunehmen.

Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt sich dazu bereit.

d) Einführung des neuen Landesbischofs der Evang.-Luth. Kirche am 8. Mai 1955 in Nürnberg70

Staatssekretär Dr. Meinzolt teilt mit, der Termin für die Einführung stehe im Hinblick auf die Erkrankung des Herrn Landesbischofs Meiser noch nicht mit Sicherheit fest; die Vorbereitungen seien im übrigen noch im Gang, weshalb dem Herrn Ministerpräsidenten noch keine Einladung zugegangen sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet den Termin vorzumerken und sich möglichst zahlreich zu beteiligen.71

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär