Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Wirtschaftsminister Bezold, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium).
I. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung. II. Finanzverfassungsgesetz. III. Verwaltungsvereinfachung – Aufgabenabbau in den Staatsministerien (vergl. Note des Staatsministeriums des Innern vom 26. März 1955). IV. Hotel Axelmannstein in Bad Reichenhall. V. Verlegung des Max-Planck-Instituts für Physik von Göttingen nach München und Bau eines Reaktors in München. VI. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Steuergutscheine (3. Steuergutscheinänderungsgesetz). VII. Verwaltungsabkommen über das Besoldungswesen. VIII. Abgeordneter Dr. Lacherbauer. IX. Gemeinde Geretsried. X. Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover; hier: Ernennung eines stellv. Mitglieds des Kuratoriums. XI. Erklärung der Staatsregierung. XII. Deutsches Landwirtschaftsfest in München.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, er habe vor einigen Tagen Herrn Direktor Götz von der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung zu sich kommen lassen, da ihm von verschiedenen Seiten mitgeteilt worden sei, Herr Götz beabsichtige, das Angebot einer Düsseldorfer Bank anzunehmen und aus der Landesanstalt auszuscheiden. Da Direktor Götz offenbar ein besonders befähigter Mann sei, würde dies einen schweren Verlust bedeuten.
In der Unterredung habe ihm Direktor Götz bestätigt, daß er der Düsseldorfer Bank bereits eine Zusage gegeben habe, er könne aber diese Zusage wieder rückgängig machen, falls der Ministerpräsident ein Schreiben an diese Bank richten wird.
Er richte nun die Frage an Herrn Staatssekretär Dr. Panholzer, ob tatsächlich zu befürchten sei, daß für die Landesanstalt ernste Nachteile entstünden, wenn Direktor Götz ausscheide.
Dieser habe angeblich schon früher eine Zusicherung des Herrn Finanzministers erhalten, er werde Nachfolger des in etwa einem Jahr in den Ruhestand tretenden Präsidenten der Landesanstalt, Dr. Gebhardt, werden und dann Bezüge zwischen 50–60 000 DM erhalten.
Staatssekretär Dr. Panholzer erwidert, Herr Götz habe frühzeitig von dem Angebot aus Düsseldorf gesprochen, das Finanzministerium habe auch versucht, ihn zum Präsidenten zu ernennen, dies sei aber daran gescheitert, daß Herr Gebhardt zwar zurücktreten wolle, sich im entscheidenden Augenblick aber immer wieder auf den Vertrag stütze, der noch dieses Jahr laufe. Herr Götz wolle nun eine verbindliche Zusage haben, daß er Präsident der Anstalt werden könne. Herr Staatsminister Zietsch habe aber Bedenken getragen, eine Zusicherung auf so lange Zeit hinaus zu geben. Gewisse Schwierigkeiten bestünden auch in der Person des Herrn Götz, der zwar sehr aktiv und tüchtig sei, jedoch eine gewisse Tendenz erkennen lasse, aus der Landesanstalt eine Bank zu machen, was wiederum auf Widerstand der privaten Bankkreise sowie der Staatsbank stoße. Man müsse natürlich vermeiden, eine Konkurrenz zur Staatsbank zu errichten, wie weit könne man aber Herrn Götz von solchen Bestrebungen abhalten? Es sei zweifellos richtig, daß Herr Götz für die Landesanstalt äußerst wertvoll sei, zumal der jetzige Präsident, Herr Dr. Gebhardt, sich mehr und mehr zurückziehe, an wichtigen Sitzungen nicht teilnehme usw.
Staatsminister Bezold betont, daß die Landesanstalt, die sicherlich auch auf Widerspruch stoße, heute nicht mehr entbehrt werden könne. Herr Götz sei der beste Mann, den man sich denken könne, wenn er bereit sei, im Rahmen seiner Aufgaben weiter zu arbeiten und nicht zu versuchen, diesen Bereich auszudehnen. Man könne ihm zwar die Zusicherung als Nachfolger Dr. Gebhardts geben, solche Verpflichtungen seien aber immer etwas mißlich, abgesehen davon, daß Dr. Gebhardt noch bis Ende des Jahres im Amt bleibe.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, wenn ein Vertrag mit Direktor Götz geschlossen werde, so sei daran auch ein anderes Kabinett gebunden. Eine bloße Zusicherung genüge aber nicht, es müsse schon ein Beschluß gefaßt und ihm übergeben werden.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths führt dann im einzelnen aus, welche Bedeutung der Landesanstalt zukomme und zwar nicht nur für die Heimatvertriebenen, sondern für die gesamte bayerische Wirtschaft.
Er erinnere nur an die Fälle Aschzell, Münchberg, das Bundesbahnprogramm usw. Gerade Herrn Direktor Götz kommen hier besondere Verdienste zu, er verfüge über ausgezeichnte Beziehungen, die bestimmt abreißen würden, wenn er ausscheide.
Der Widerstand der privaten Banken sei nicht berechtigt, da ja nichts ohne die Hausbank des betreffenden Kreditnehmers geschehen könne.
Herr Götz, um den sich andere Institute seit Jahren bewürben, hänge sehr an seiner hiesigen Aufgabe und würde gerne in München bleiben, er lege aber Wert auf die Gewissheit, eines Tages Nachfolger von Dr. Gebhardt werden zu können. Er, Guthsmuths, habe wiederholt mit dem Herrn Finanzminister gesprochen und vorgeschlagen, über diese Frage das gesetzlich vorgesehene Einvernehmen zwischen den drei beteiligten Ministerien – der Finanzen, für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge – herzustellen und dieses dann Herrn Götz mitzuteilen. Herr Staatsminister Zietsch habe sich aber nicht entschließen können, eine bindende Zusage zu geben.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bedauert, daß der Herr Finanzminister, mit dem er sich auch schon über diese Frage unterhalten habe, heute nicht anwesend sein könne. Aus einer Reihe von Äußerungen, die ihm zugegangen seien, habe er die Verpflichtung empfunden, die Sache nicht allein dem Finanzministerium zu überlassen, da es sich doch um eine Sache handle, die die ganze Staatsregierung angehe; übrigens habe auch Herr Minister Stain das gleiche günstige Urteil über Herrn Götz wie Herr Staatssekretär Dr. Guthsmuths abgegeben.
Staatssekretär Simmel bestätigt, daß Direktor Götz die treibende Kraft in der Landesanstalt sei; auch er befürchte, daß die Anstalt ernsten Schaden erleiden werde, wenn Götz ausscheide. Er glaube nicht, daß man die Entscheidung vertagen könne und empfehle deshalb, schon heute einen Beschluß zu fassen.
Auf Frage von Staatsminister Dr. Koch erwidert Staatssekretär Dr. Panholzer, es sei ihm nicht genau bekannt, warum der Herr Finanzminister zögere, eine endgültige Zusage zu geben, offenbar habe er aber Bedenken gehabt, sich so lange vor dem Ausscheiden Dr. Gebhardts Ende 1955 zu verpflichten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt nochmals, es sei nicht zu verantworten, einen so tüchtigen und bewährten Mann ausscheiden zu lassen, noch dazu, wenn fast mit Sicherheit feststehe, daß dann die Landesanstalt überhaupt jeder Leitung entbehre.
Staatsminister Bezold meint, es sei mißlich, in Abwesenheit des Herrn Finanzministers einen Beschluß zu fassen. Vielleicht empfehle es sich überhaupt, in einer Sondersitzung alle mit der Landesanstalt zusammenhängenden Fragen zu erörtern und dann im Falle Götz vom Sachlichen her die Entscheidung zu treffen.
Er gebe aber zu, daß es keinesfalls leicht sein werde, einen geeigneten Ersatz zu finden.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird daraufhin folgender Beschluß gefaßt:
Die Staatsministerien für Wirtschaft und Verkehr und für Arbeit und soziale Fürsorge werden beauftragt, das Einvernehmen über die Weiterverwendung des Direktors Götz1 mit dem Staatsministerium der Finanzen herzustellen;
Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, dieser Beschluß gehe von folgenden zwei Voraussetzungen aus:
1. Herrn Direktor Götz wird zugesichert, daß er die Nachfolge des derzeitigen Präsidenten Dr. Gebhardt antreten kann.
2. Der Vertrag wird auf der Grundlage abgeschlossen, daß seine Bezüge zwischen 50 und 60 000 DM betragen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt dann, eine Sondersitzung über die Landesanstalt sei wohl zunächst nicht mehr notwendig, da versucht werden solle, schon vorher das Einvernehmen herzustellen.2
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, seit längerer Zeit werde behauptet, der Bundesfinanzminister verfüge über eine Reserve von 5 Milliarden DM aus nicht abgerufenen Besatzungskosten.4
Staatssekretär Dr. Guthsmuths stellt fest, daß der Bundesfinanzminister über diesen Betrag nicht verfügen könne, der als Anfangskapital für den Aufbau der neuen Wehrmacht bestimmt sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, seiner Meinung nach solle die Auseinandersetzung mit Herrn Bundesminister Schäffer nicht auf die Spitze getrieben werden, insbesondere solle Bayern nicht in diesem Kampf vorangehen. Es sei zweckmäßiger, wenn sich Herr Staatsminister Zietsch zurückhalte und Nordrhein-Westfalen in dieser Frage den Vorrang lasse. Er habe den Wunsch, daß der Ministerrat darin mit ihm übereinstimme, dann werde er dem Herrn Finanzminister empfehlen, sich vorerst etwas zu mäßigen. Er befürchte nämlich, daß Bayern durch allzu scharfes Vorgehen nicht nur den Bundesfinanzminister, sonder auch den Bundestag gegen sich aufbringe. Die mit den bayerischen Stimmen getroffene Entscheidung sei zweifellos richtig, Bayern solle sich aber nicht stärker machen, als es tatsächlich sei.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths bemerkt, möglicherweise werde Bayern in Kürze vor einer ähnlichen Situation stehen wie vor zwei Jahren, wo es sich um die Bundeszuschüsse von 29,5 Mio DM für das Grenzlandprogramm gehandelt habe.5 Auch er sei der Überzeugung, Bayern müsse sehr vorsichtig vorgehen und die erheblichen freiwilligen Leistungen des Bundes bedenken; abgesehen davon mache es einen sehr schlechten Eindruck, wenn sich ein Bundesminister und die Länderminister in einer solchen Weise wie bisher bekämpften.
Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich nochmals gegen eine Verschärfung der Lage aus, wenn man auch in der Sache zweifellos recht gehabt habe.
Er richte nochmals die Frage an den Ministerrat, ob dieser mit ihm übereinstimme, daß unnötige Verschärfungen vermieden werden sollten.
Der Ministerrat erklärt sich einstimmig mit diesem Vorschlag einverstanden.
Staatssekretär Dr. Haas führt dazu noch aus, der Ministerrat müsse s.E. nochmals überlegen, ob Bayern wirklich in Zukunft nur 32,5% der Einkommen- und Körperschaftsteuer abführen solle, eine Maßnahme, die zweifellos auf einen Finanzkrieg mit dem Bund hinauslaufe. Neuesten Nachrichten zufolge scheine Nordrhein-Westfalen nun doch 38% überweisen zu wollen; zumindest müßten alle Länder einheitlich vorgehen.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths stimmt zu und ersucht Herrn Staatssekretär Dr. Panholzer, im Finanzministerium nochmals genau durchrechnen zu lassen, wieviel die Leistungen des Bundes an Bayern ausmachten. Herr Bundesminister Schäffer behaupte bekanntlich, Bayern werde nach seinen Vorschlägen günstiger abschneiden als zuvor.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, dieser Vorschlag sei sicher zweckmäßig, allerdings könne man dem Bundesfinanzminister nicht zustimmen, wenn er behaupte, die Kraftfahrzeugsteuer habe für die Länder keinen besonderen Wert, da sie eine „sterbende Steuer“ sei. Als Innenminister habe er im Gegenteil die Beobachtung gemacht, daß das Aufkommen aus dieser Steuer stets höher gewesen sei, als das Finanzministerium errechnet habe.6
Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Note des Staatsministeriums des Innern vom 26. März 1955, mit der der Entwurf eines Erlasses über die Staatsvereinfachung begründet sei.8 Der Vorschlag des Staatsministeriums des Innern sei äußerst dankenswert, Bedenken gegen ihn bestünden sicher nicht. Die Staatskanzlei schlage allerdings noch einige Änderungen vor und zwar folgende:
1. In formeller Hinsicht werde empfohlen, einen „Erlaß der Staatsregierung“ als der obersten leitenden und vollziehenden Behörde des Staates zu beschließen, der dann den Behörden mit einer Entschließung des Ministerpräsidenten zugehe; in dieser Weise sei auch früher verfahren worden.
2. Außerdem werde in materieller Hinsicht angeregt:
a) Das Recht des Staatsbürgers aus Art. 115 BVerf.9 17 GG10 nach dem Wortlaut der Verfassung zu zitieren;
b) das Erholen von Berichten auf Fälle zu beschränken, „in denen nicht offensichtlich unbegründete Beschwerden gerade gegen die Sachbehandlung durch eine Regierung erhoben werden“; im darauffolgenden Satz würden die Worte „in der Regel an die Regierungen“ wohl am besten durch die Worte „an die zuständigen Behörden“ ersetzt;
c) den 2. Satz des 3. Absatzes zu streichen, nachdem diese Gedankengänge in den folgenden Sätzen hinreichend Ausdruck finden.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt sich mit diesen Änderungen einverstanden.
Der Ministerrat beschließt, dem Erlaß in der jetzt abgeänderten Form zuzustimmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt noch, das Innenministerium rege noch an, einen Weg zu suchen, die Mitglieder des Landtags zu veranlassen, sich in Einzelangelegenheiten nicht mehr unmittelbar an die Ministerien, sondern an die zunächst zuständigen Behörden zu wenden. Am besten sei es wohl, wenn er als Ministerpräsident einen Abdruck des Erlasses mit einem entsprechenden Schreiben an die Herren Präsidenten des Bayer. Landtags und des Bayer. Senats übersende.
Der Ministerrat erklärt sich auch damit einverstanden.
Staatssekretär Dr. Haas führt aus, die Anregung des Innenministeriums über die Verwaltungsvereinfachung sei zweifellos zu begrüßen, besonders wichtig sei es aber, daß dieser Erlaß nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch wirklich befolgt werde. Eine Entlastung sei nur möglich, wenn die Ministerien sich in der Tat aller verwaltungsmäßigen Entscheidungen enthielten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, gestern habe sich Herr Oberfinanzpräsident Prugger bei ihm verabschiedet und dabei als einzigen Weg für die Verwaltungsvereinfachung die Dezentralisierung empfohlen, die noch dazu den Vorteil habe, das demokratische Empfinden zu stärken und die Verantwortungsfreudigkeit der Beamten zu heben. Herr Prugger meine, daß von den Ministerien viel zu viel Berichte angefordert würden, da man der Verantwortung der Außenstellen mißraue. Mit Recht weise das Innenministerium übrigens in seiner Note vom 26. März 1955 auf § 20 der Formationsverordnung vom 9. Dezember 1825 hin. Damals schon habe man bestimmt, daß sich die Ministerien „in der Regel nur mit der obersten Aufsicht und Leitung der zu ihrem Ressort gehörigen Geschäftszweige befassen, das Detail der Verwaltung aber den ihnen untergeordneten Stellen und Behörden überlassen sollen.“
Staatssekretär Dr. Meinzolt begrüßt den Erlaß, meint jedoch, daß die Außenstellen nicht immer mit geeigneten Kräften besetzt seien.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwähnt noch, er werde auch mit dem Herrn Landtagspräsidenten darüber sprechen müssen, daß sich der Eingaben- und Beschwerdeausschuß nicht mit Dingen befasse, die zur Entscheidung noch nicht reif seien.
In diesem Zusammenhang verweist Staatsminister Dr. Geislhöringer auf Ziff. III der Note vom 26. März 1955.11
Der Ministerrat bcschließt, daß die zuständigen Ressortministerien die Durchführung des Erlasses über die Staatsvereinfachung überwachen sollen.12
Staatssekretär Dr. Panholzer führt aus, dieses im Jahre 1908 errichtete Hotel werde von seinem jetzigen Eigentümer zum Kauf angeboten. Ein Privatkäufer für dieses Objekt sei nicht zu finden, der Staat habe aber ein Interesse daran, den Fremdenverkehr im Reichenhaller Gebiet zu fördern, nur aus diesem Grunde trage sich jetzt das Finanzministerium mit dem Gedanken, das Hotel zu erwerben.14 Da es nur für eine ganz bestimmte Art von Gästen geeignet sei, werde anderen Fremdenverkehrsbetrieben keine Konkurrenz entstehen.
Der Kaufpreis betrage etwa 1,9 Mio DM, wozu noch eine jährliche Rente von 30 000 DM für den Eigentümer trete, die kapitalisiert einen Wert von 390 000 DM darstelle.
Die Kaufverhandlungen seien zwar im Gange, die Entscheidung liege aber beim Ministerrat.
Staatsminister Bezold erklärt, er kenne die Verhältnisse in Bad Reichenhall aus eigener Anschauung sehr genau. Es handle sich hier um ein Bad ganz besonderer Art, das aber zweifellos veraltet sei. Es bestehe nun die Frage, ob die bisherige Anziehungskraft auf zahlungskräftige Gäste aufrecht erhalten werden könne. Bekanntlich habe sich die Struktur einer Reihe von früher sehr eleganten Bädern in den letzten Jahren völlig geändert, so z.B. in Bad Ems und zum Teil auch in Bad Kissingen. Dies habe die Wirkung gehabt, daß der Betrieb das ganze Jahr hindurch aufrecht erhalten werden könne, was bis jetzt in Reichenhall nicht der Fall sei. Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt hätten den verständlichen Wunsch, die bisherige Atmosphäre wenigstens einigermaßen beizubehalten.
Die Frage, ob das Hotel Axelmannstein tatsächlich gekauft werden solle, sei für die Fraktionen im Landtag schwer zu entscheiden, zumal nach der Regierungserklärung der Staat keine weiteren wirtschaftlichen Betriebe übernehmen solle.
Er müsse aber feststellen, wenn Reichenhall als das, was es bisher war, erhalten bleiben solle, so sei der Kauf des Hotels nicht allein von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten, sondern aus dem Bestreben, den Fremdenverkehr zu unterstützen, ähnlich wie für Festspiele usw. Zuschüsse gegeben würden. Mittelbar kämen die aufgewendeten Gelder sicher wieder herein. Allerdings sei zu bedenken, daß der ursprüngliche Plan dahin gegangen sei, außer dem Axelmannstein auch die gegenüberliegende Villa Burkart zu erwerben, um einen großen eleganten Kurpark zu schaffen. Inzwischen sei nun diese Villa anderweitig verkauft worden, sodaß der Plan insoweit hinfällig geworden sei.
Bei dem Hotel Axelmannstein handle es sich um das einzige große internationale Hotel in den bayerischen Bergen. Wenn man es so wie bisher erhalten wolle, werde es voraussichtlich immer ein Zuschußbetrieb sein, da es altmodisch gebaut sei und zahlreiches Personal erfordere. Wie gesagt, bedeuteten die Zuschüsse aber nichts anderes als Zuwendungen für andere Zwecke, die direkt oder indirekt dem Fremdenverkehr dienten. Er bitte zu berücksichtigen, daß sich ganz in der Nähe Salzburg und das Salzkammergut befinden, übrigens auch eine Spielbank, so daß Bayern hier mit einer sehr scharfen Konkurrenz im Fremdenverkehr zu rechnen habe. Wenn der Staat das Hotel Axelmannstein nicht kaufe, werde es mit Sicherheit von einer Gewerkschaft, einem Sozialversicherungsträger usw. gekauft, umgebaut, vereinfacht werden usw. und für den internationalen Fremdenbetrieb verloren sein. Damit ändere man aber die Struktur des wirtschaftlichen Lebens in Bad Reichenhall von Grund auf, auch die auf zahlungskräftige Gäste angewiesenen Geschäftsleute verlören ihre Existenz oder müßten sich völlig umstellen. Dann habe es aber auch keinen Sinn mehr, weiter Gelder in den Kurbetrieb hineinzustecken. Vielmehr sei es dann auch möglich, anderweitig einzusparen und Reichenhall zu einem Sozialbad werden zu lassen; damit habe aber auch eine Spielbank in Bad Reichenhall keinen Sinn mehr.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß der Ministerrat eine sehr ernste Verantwortung zu tragen habe. Er schlage deshalb vor, die Verhältnisse an Ort und Stelle zu prüfen, bevor noch der Haushaltsausschuß seine beabsichtigte Reise durchführe.
Staatssekretär Dr. Haas erklärt, er könne den Gründen des Herrn Staatsministers Bezold nicht zustimmen. Es handle sich seiner Meinung nach um die grundsätzliche Frage, ob es Aufgabe des Staates sei, in dieser Weise zugunsten des Fremdenverkehrs einzugreifen. Die Erfahrungen mit den staatlichen Kurhotels in Bad Brückenau z.B.,15 die dauernde Zuschüsse benötigten, seien nicht gerade günstig, sie ermunterten nicht dazu, einen neuen staatlichen Regiebetrieb aufzuziehen. Die Zuschüsse, die Axelmannstein jedes Jahr erfordere, würden sicher sehr hoch sein, zumal ein solches Objekt laufend Reparaturen usw. erfordere. Der Fremdenverkehr hätte sich nun einmal völlig geändert, die am Anfang des Jahrhunderts erbauten Luxushotels würden nicht mehr von den wirklich zahlungskräftigen Gästen aufgesucht, die lieber ruhige und elegante Privatpensionen auswählten. Er sei überzeugt, daß in 20 Jahren überhaupt niemand mehr in einem Hotel wie Axelmannstein seinen Urlaub verbringen wolle.
Staatsminister Bezold unterstreicht nochmals die Notwendigkeit, für den Fremdenverkehr im Reichenhaller Gebiet etwas Entscheidendes zu tun.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, seiner Auffassung nach könne man Fremdenverkehr und Spielbank in diesem Falle nicht trennen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint gleichfalls, wenn Bad Reichenhall, wie der Herr Innenminister beabsichtige, eine Spielbank erhalte, werde Axelmannstein auch von diesem Gesichtspunkt aus zu beurteilen sein.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths weist noch darauf hin, daß bekanntlich in Füssing/NB eine außerordentlich starke und jetzt schon viel besuchte Heilquelle entdeckt worden sei. Trotzdem lehne es offenbar das Finanzministerium ab, dort irgendeinen Betrag zu investieren, im Hinblick auf die Erfahrungen mit den anderen Staatsbädern.
Es wird vereinbart, Bad Reichenhall am Dienstag, den 12. April 1955 zu besichtigen und sich am Rathaus um 16 Uhr zu treffen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, daß die Herren Kabinettsmitglieder sich darüber verständigen, gemeinsame Kraftwagen zu benutzen.16
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Herrn Staatsministers für Unterricht und Kultus vom 31. März 1955 bekannt, in dem auf Grund von Verhandlungen mit Herrn Professor Dr. Heisenberg und der Max-Planck-Gesellschaft dargelegt werde, daß im Hinblick auf Angebote Baden-Württembergs für die Verlegung des Max-Planck-Instituts für Physik von Göttingen nach München ein Zuschuß des Bayerischen Staates in Höhe bis zu 6 Mio DM in den Haushaltsjahren 1955/56 erforderlich sei. In diesem Betrag seien die Aufwendungen für ein geeignetes Grundstück nicht enthalten.18
Außerdem werde für die Errichtung des Reaktors ein Zuschuß in Höhe bis zu 3 Mio DM in den Haushaltsjahren 1956 bis 1958 dann benötigt, wenn die Finanzierung nicht dem Bund und den in der Physikalischen Studiengesellschaft zusammengeschlossenen Industriegesellschaften vorbehalten werden solle.
Anschließend ersucht Ministerpräsident Dr. Hoegner Herrn Staatssekretär Dr. Panholzer um eine baldige Stellungnahme des Staatsministeriums der Finanzen zu diesen Anträgen, damit – wenn möglich – im nächsten Ministerrat eine Entscheidung getroffen werden könne.19
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest eine Vormerkung des Herrn Staatssekretärs Dr. Haas, in der Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf insofern erhoben werden, als dadurch die bereits früher verlängerte Laufzeit der Steuergutscheine jetzt auf 18 Monate ausgedehnt wird. Er bitte Herrn Staatssekretär Dr. Panholzer davon Kenntnis zu nehmen, daß der Vormerkung zufolge eine weitere Ausweitung der Laufzeit der Steuergutscheine nicht mehr als tragbar bezeichnet werde.
Staatssekretär Dr. Haas fügt hinzu, es wäre gut, wenn Gesetzentwürfe von dieser Bedeutung frühzeitig vorgelegt werden könnten, da man sich doch ernsthaft mit ihnen befassen müsse. Schließlich sei ja nicht zu bestreiten, daß der Ausgleich des Staatshaushalts nur dadurch gelungen sei, daß man
a) den § 75 der Reichshaushaltsordnung außer Kraft gesetzt,
b) das Forstwirtschaftsjahr abgeändert und
c) die Laufzeit der Steuergutscheine verlängert habe. Insgesamt bedeute das einen Betrag von 180 Mio DM, der 7% des gesamten Etats darstelle. Man müsse sich wirklich die Frage stellen, wie der Herr Finanzminister einen Ausgleich im nächsten Haushaltsjahr finden könne.
Der Ministerrat nimmt diese Erklärung zur Kenntnis.21
Ministerialrat Dr. Gerner verliest den Entwurf eines Verwaltungsabkommens, das zwischen den Landesregierungen in Ausführung eines Beschlusses der Ministerpräsidenten-Konferenz vom 16./17.Februar 1955 in Düsseldorf abgeschlossen werden soll. Es trägt folgenden Wortlaut:
„Verwaltungsabkommen:
Die Landesregierungen verpflichten sich, dafür einzutreten, daß das z.Zt. des Abschlusses dieses Abkommens in ihrem Bereich geltende Besoldungsrecht bis 31. Dezember 1955 unverändert erhalten bleibt. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf Zulagen, Dienstaufwandsentschädigungen und andere Sondervorteile. Regelungen, die übergangsweise erforderlich werden und allgemein oder für bestimmte Gruppen von Beamten Verbesserungen bringen, dürfen nur im gegenseitigen Einvernehmen getroffen werden. Das gegenseitige Einvernehmen gilt als hergestellt, wenn die Mehrheit der Länder sich für die beantragte Maßnahme ausspricht.“
Herr Ministerpräsident Arnold von Nordrhein-Westfalen habe bereits mitgeteilt, daß dieses von der Besoldungskonferenz zur Annahme empfohlene Stillhalteabkommen seine Zustimmung finde, so daß er es seinem Kabinett zur Billigung zuleiten werde.
Der Ministerrat beschließt, den Herrn Staatsminister der Finanzen zu ermächtigen, dem Verwaltungsabkommen formell zuzustimmen und es im Namen der Bayerischen Staatsregierung zu unterzeichnen.23
Staatsminister Dr. Baumgartner gibt Einzelheiten aus einem Brief des Herrn Abg. Dr. Lacherbauer bekannt und bittet zu prüfen, ob dieser jetzt zum Präsidenten der Landesbodenkreditanstalt ernannt werden könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die gegen Herrn Dr. Lacherbauer erhobenen Vorwürfe in der Zwischenzeit vom zuständigen Staatsminister der Justiz geprüft worden seien mit dem Ergebnis, daß eigentlich keiner der Vorwürfe begründet sei.
Das wird von Staatsminister Dr. Koch bestätigt. Er erklärt sich bereit, das Ergebnis der Prüfung des Falles durch das Justizministerium der Öffentlichkeit zu unterbreiten, wenn gegen Dr. Lacherbauer öffentlich Vorwürfe erhoben würden.24
Nach längerer Aussprache wird beschlossen, das Staatsministerium der Finanzen zu beauftragen, Herrn Abg. Dr. Lacherbauer die Stelle eines Präsidenten der Landesbodenkreditanstalt zu den gesetzlichen Bedingungen für die Einstufung dieser Stelle zu übertragen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet, dies Herrn Dr. Lacherbauer mitzuteilen und gleichzeitig zu erklären, daß es nicht möglich sei, die gesetzlichen Bedingungen abzuändern. Die Stelle entspreche der eines Ministerialdirigenten.25
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, die Gemeinde Geretsried verhandle zur Zeit mit dem Staatsministerium der Finanzen wegen des Kaufpreises für die dortigen Industriegrundstücke. Angeblich sei man schon einer Einigung auf der Grundlage von 19 Mio DM nahe gekommen, Herr Ministerialdirektor Dr. Kiefer vom Staatsministerium der Finanzen habe dieser Vereinbarung jedoch nicht zugestimmt.
Staatssekretär Dr. Panholzer erklärt, hinsichtlich des Kaufpreises lägen verschiedene Schätzungen vor, ein Gutachten spreche von 14 Mio DM, während die Industrieverwaltungsgesellschaft27 30 Mio DM verlange. Bei einer Sitzung in der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung sei versucht worden, eine Einigung zu erzielen. Er glaube, daß schließlich die Industrieverwaltungsgesellschaft doch bereit sei auf 20 bis 22 Mio DM herunterzugehen; wie weit die Dinge jetzt gediehen seien, könne er aber nicht sagen. Jedenfalls stehe fest, daß ein Kaufpreis von 30 Mio DM nicht in Betracht komme,
Staatssekretär Dr. Guthsmuths betont die Notwendigkeit, die Verhandlungen über die Landesanstalt zu führen. Dies sei auch seinerzeit bei Waldkraiburg geschehen mit dem Erfolg, daß die hier aufgewendeten 8,8 Mio DM bereits wieder eingebracht seien. Beim Eintritt des Herrn Ministerialdirektors Kiefer ins Finanzministerium sei die Sache schon so fortgeschritten gewesen, daß eigentlich nur noch eine Einigung hinsichtlich der beiden Schätzungen gefehlt habe, Herr Dr. Kiefer habe aber dann die Frage aufgeworfen, ob der Kauf überhaupt durch die Landesanstalt vorgenommen werden solle; dadurch sei eine neue Lage entstanden, die weitere Verhandlungen erforderlich gemacht habe.
Die große Schwierigkeit dieses Falles sei, daß zunächst der sehr ungünstige Vertrag gelöst werden müsse, der mit der IVG hinsichtlich Föhrenwald abgeschlossen worden sei. Die Miete für Föhrenwald, das zu 30% leer stehe, betrage heute noch 360 000 DM. Da die IVG demnach an Föhrenwald sehr viel, an Geretsried jedoch wenig verdiene, versuche sie, die Sache möglichst lang hinauszuziehen. Gestern habe er allerdings gehört, die IVG sei doch zum Verkauf bereit; er glaube, daß man bei einem Betrag von 16,8 Mio DM abschließen könne.
Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht, diese Angelegenheit weiter im Auge zu behalten.28
Staatssekretär Dr. Guthsmuths führt aus, die Akademie erhalte ihre Mittel über das Königsteiner Abkommen,30 so daß die Länder im Kuratorium vertreten seien. Bisher sei Herr Staatssekretär Dr. Brenner stellv. Mitglied des Kuratoriums gewesen, er bitte als seinen Nachfolger Herrn Staatssekretär Dr. Meinzolt zu benennen.
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, er habe dem Sicherheitsausschuß des Bayer. Landtags auf dessen Wunsch hin in allgemeiner Form Auskunft über die Verhandlungen der Staatsregierung mit den Beauftragten des Bundeskanzlers für Sicherheitsfragen, Herrn Blank, am 23. März 1955 erteilt. Der Sicherheitsausschuß bitte nun, die Staatsregierung möge in der nächsten Vollsitzung des Landtags eine Regierungserklärung über diese Verhandlungen abgeben, um die Öffentlichkeit zu unterrichten. Er habe gegen diesen Vorschlag keine Bedenken, einen Entwurf für die Regierungserklärung habe er bereits ausgearbeitet. Er werde die Erklärung in der Sitzung vom 19. April 1955 dem Kabinett bekanntgeben.
Der Ministerrat erklärt sich mit der Abgabe dieser Erklärung einverstanden.32
Staatsminister Dr. Baumgartner macht darauf aufmerksam, daß die große Deutsche Landwirtschaftsausstellung zwischen dem 10. und 22. April 1955 in München stattfinden werde. Trotz eines Aufrufs des Herrn Oberbürgermeisters fehlten immer noch Quartiere für die zahlreichen Besucher, die zur DLG erwartet würden. Es sei nun bei ihm angefragt worden, ob nicht die Bayerische Staatsregierung einen Aufruf an die Bevölkerung erlassen könne, Privatquartiere zur Verfügung zu stellen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, daß dieser Aufruf von Herrn Staatsminister Dr. Baumgartner als Landwirtschaftsminister allein erlassen wird.
Abschließend wird beschlossen, die nächste Ministerratssitzung auf Dienstag, den 19. April 1955, vormittags 8 Uhr, festzusetzen.