Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat von Brand zu Punkt [XX] unter Verschiedenes der Tagesordnung (Bayer. Staatskanzlei).
I. Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat zu den Pariser Verträgen. II. Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung von Zuständigkeiten auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. III. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Schaffung eines Feuerwehr-Ehrenzeichens. IV. Entwurf einer Zweiten Verordnung über den Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes. V. Initiativantrag der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat auf Verlängerung des Energienotgesetzes. VI. Zuständigkeiten in der Energieaufsicht. VII. Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung der Hauptfürsorgestelle für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. VIII. Wahlen der Betriebsräte in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben in Bayern. IX. Errichtung von Spielbanken. X. Personalangelegenheiten. XI. Bundesratsangelegenheiten. XII. Staatsmittel für das Grenzlandprogramm. XIII. Institut für Holzforschung. XIV. Ruhegehaltsbezüge des Staatssekretärs a.D. Wolfgang Jaenicke. XV. Vertretung der Staatsregierung vor dem Verfassungsgerichtshof: Verfassungsmäßigkeit der 2. Besoldungsangleichungsverordnung vom 7.8.1933. XVI. Vertretung der Staatsregierung vor dem Verfassungsgerichtshof: Antrag des Eugen Leonhard Schmucker und seiner Ehefrau Channah, Föhrenwald-Wolfratshausen, vom 21.4.1954 auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Abschn. I Ziff. 4 der Lagerordnung für die Lager der Flüchtlingsverwaltung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 26.1.1951. XVII. Ausschuß des Landtags als Beirat des Beauftragten zur Durchführung des Art. 160 der Verfassung. XVIII. Pfalzangelegenheiten. XIX. Papstfeier am 13. März 1955. XX. Empfang für den Schah von Persien. XXI. Kur- und Erholungsfreiplätze. XXII. Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für den Leiter der Oberfinanzdirektion München, Oberfinanzpräsident Prugger.
Zu Beginn der Sitzung spricht Ministerpräsident Dr. Hoegner Herrn Staatssekretär Dr. Haas seine und des Kabinetts Glückwünsche zum Geburtstag aus.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß dieser Punkt der Tagesordnung nachträglich abgesetzt worden sei, da heute noch keine Besprechung stattfinden könne. Wahrscheinlich werde eine Sondersitzung des Ministerrats Anfang der nächsten Woche notwendig sein, um die Stellungnahme des Kabinetts für die Beratungen im Bundesrat festzulegen.1
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß er diesen Gesetzentwurf, über den bereits im Ministerrat vom 1. März 1955 mit Ausnahme des Art. 3 Abs. 2 Übereinstimmung erzielt worden sei,3 dem Landtag zugeleitet habe.4 Herr Staatsminister Stain habe sich allerdings vorbehalten, auf die erwähnte Bestimmung, gegen deren Wortlaut er ursprünglich Bedenken angemeldet habe, nochmals zurückzukommen. Er stelle die Frage, ob eine Erörterung im heutigen Ministerrat noch veranlaßt sei?
Staatsminister Stain erwidert, der Entwurf sei gestern eingereicht worden, um keine Termine zu versäumen; er halte es nicht für notwendig, ihn heute noch einmal zu besprechen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.5
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, dieser vom Staatsministerium des Innern mit Note vom 15. März 19557 vorgelegte Gesetzentwurf trage dem Wunsche der bayerischen Feuerwehren Rechnung, neben dem bereits bestehenden Dienstzeitehrenzeichen ein weiteres Ehrenzeichen „für besondere Verdienste um das Feuerlöschwesen“ zu schaffen. Bedenken gegen diesen Entwurf seien nicht geltend gemacht worden, lediglich in formeller Hinsicht schlage die Bayer. Staatskanzlei einige Änderungen vor. Im einzelnen handle es sich darum, die Fundstelle in der Überschrift zu streichen, die Artikel durch Paragraphen und die Monatszahlen durch Monatsnamen zu ersetzen, ferner in der letzten Zeile von § 2 Abs. l die Worte „in Art. 3“ einzufügen.
Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf mit den vorgeschlagenen Änderungen zuzustimmen.
Außerdem wird vereinbart, den Gesetzentwurf dem Senat lediglich „zur etwaigen gutachtlichen Stellungnahme“ zuzuleiten.8
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, Bedenken gegen diesen vom Staatsministerium des Innern mit Note vom 25. Februar 1955 vorgelegten Verordnungsentwurf seien nicht erhoben worden. Der Entwurf habe zum Ziel, die Aufgaben und Zuständigkeiten des Landesausgleichsamtes und der Heimatauskunftstellen auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge zu übertragen.
Er empfehle heute schon, die Zustimmung zu beschließen, die Veröffentlichung jedoch solange zurückzustellen, bis das Gesetz über die Überleitung von Zuständigkeiten auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge verabschiedet sei.
Übrigens sei in § 1 des Entwurfs die Fundstelle der Verordnung über die Einrichtung von Heimatauskunftstellen unrichtig zitiert, es müsse hier, „GVBl. S. 33“ heißen.9
Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten entsprechend dem Entwurf zuzustimmen, die Veröffentlichung aber vorerst zurückzustellen.10
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf ein Schreiben des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 26. Februar 1955, in dem die Staatsregierung gebeten werde, im Bundesrat einen Gesetzentwurf einzubringen, das Energienotgesetz, dessen Gültigkeit am 31. März 1955 ablaufe, bis zum Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes zu verlängern und zwar längstens bis zum 31. März 1958.12
Es frage sich nun, ob dieser Antrag tatsächlich gestellt werden solle, nachdem er offenbar im Bundesrat keine Mehrheit finden werde.13
Staatsminister Bezold ersucht dringend, auf alle Fälle diesen Antrag zu stellen, gleichgültig wie dessen Aussichten seien.
Er habe die Verhältnisse genau nachprüfen lassen und festgestellt, daß Bayern bei ungünstigen Wasserverhältnissen in beträchtliche Schwierigkeiten kommen werde, wenn das Energienotgesetz nicht verlängert werde. Die Staatsregierung könne wenigstens auf ihre Bemühungen hinweisen, wenn sie einen solchen Antrag gestellt habe. Auch die maßgebenden Vertreter der Elektrizitätsgesellschaften hätten sich übereinstimmend der Auffassung des Wirtschaftsministeriums angeschlossen.
Anschließend gibt Staatsminister Bezold Einzelheiten über den Antrag beim Bundesrat bekannt und bemerkt, er sei damit einverstanden, wenn das Verlängerungsgesetz bis zum 31. März 1957 beschränkt werde.
Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, Schwierigkeiten könnten kaum mehr auftauchen, nachdem man sogar in dem trockenen Winter 1953/54 ohne das Energienotgesetz ausgekommen sei. Wenn Herr Staatsminister Bezold aber der Überzeugung sei, der Antrag müsse gestellt werden, werde sich das Kabinett nicht dagegen wenden.
Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß das Verlängerungsgesetz keinesfalls vor dem 1. April 1955 verkündet werden könne, deshalb müsse wohl § 2 wegen der darin enthaltenen Strafbestimmungen folgende Fassung gegeben werden:
„Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. April 1955, hinsichtlich der Strafbestimmungen jedoch erst am Tage nach seiner Verkündung in Kraft“.
Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Abänderung einverstanden.
Nachdem auch Staatssekretär Dr. Guthsmuths die Auffassung des Herrn Staatsministers Bezold unterstützt, wird beschlossen, den Initiativantrag auf Verlängerung des Energienotgesetzes im Bundesrat einzubringen.14
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, ein Rechtsgutachten der Staatskanzlei vom 14. Januar 1955 sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Zuweisung des Vollzugs des Energiewirtschaftsgesetzes an das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr nur durch Gesetz erfolgen könne. Mit Ausnahme des Wirtschaftsministeriums selbst seien alle angeschriebenen Ministerien der gleichen Auffassung.
Staatsminister Bezold meint, nachdem er überstimmt sei, müsse also ein Gesetz ausgearbeitet werden, er bitte aber, daß hiefür die Federführung bei seinem Ministerium liege. Einen Entwurf habe er bereits ausarbeiten lassen, der selbstverständlich mit allen übrigen Ministerien, insbesondere dem Innenministerium, noch abgestimmt werden müsse.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich dieser Auffassung an und betont, die Übertragung der Zuständigkeiten sei bereits durch den Ministerratsbeschluß vom 3. November 1954 erfolgt.
Staatssekretär Vetter wendet ein, das Staatsministerium des Innern müsse sich auf den gegenteiligen Standpunkt stellen, es sei der Meinung, daß vorerst die Energieaufsicht noch bei ihm liege.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt demgegenüber fest, der Beschluß vom 3. November 1954 habe in der Tat die Übertragung bereits vorgenommen, nur Einzelheiten sollten noch geregelt werden.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt, er halte nach wie vor den Beschluß für verfehlt; sein Vollzug bedeute im Gegensatz zu der Regierungserklärung keine Vereinfachung des Verwaltungsapparates, sondern eine Erschwerung und Verteuerung.
Auf Frage von Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert Ministerpräsident Dr. Hoegner, das Innenministerium sei nach wie vor zuständig für die Generalplanung für den Ausbau der Wasserkräfte, die Untersuchung der Bauvorhaben, die Maßnahmen der Bau- und Wasserpolizei, die Erteilung von wasserrechtlichen Genehmigungen, die Kommunalaufsicht bei gemeindlichen Energieversorgungsanlagen usw.
Staatsminister Bezold erinnert daran, daß die Energiewirtschaft schon seit langem nicht ohne Grund einwende, das Innenministerium als Energieaufsichtsbehörde müsse in vielen Fällen Auflagen machen, die nicht unmittelbar mit der Sache zu tun hätten und den Strom verteuerten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt, daß es in Bayern sehr viel Zeit in Anspruch nehme, bis ein Elektrizitätsunternehmen genehmigt sei. Als Innenminister habe er z.B. den Zustand vorgefunden, daß wasserrechtliche Verfahren nach 25 Jahren noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Er habe sich oft persönlich eingeschaltet und manches erreicht, die Versäumnisse der Verwaltung, die wesentlich auf Beamtenmangel in der Kriegs- und Nachkriegszeit zurückgehen, seien aber immer noch nicht aufgeholt worden. Jedenfalls könne und müsse das Verfahren vereinfacht werden.
Staatsminister Dr. Geislhöringer bemerkt, mit der Überleitung auf das Wirtschaftsministerium werde kaum etwas verbessert. Übrigens sei in der Elektrizitätswirtschaft die Meinung hinsichtlich der Energieaufsicht durchaus nicht einheitlich, er glaube, daß die Mehrheit gegen die Übertragung sei.
Staatssekretär Vetter macht auf Art. 83 der Bayer. Verfassung aufmerksam, wonach in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden auch die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft falle, eine Bestimmung, die die Zuständigkeit des Innenministeriums für die Energieaufsicht wohl begründen könne.16
Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, in erster Linie komme für diese Fragen der Art. 152 Satz 2 der Bayer. Verfassung in Frage, er laute:
„Ihm (dem Staat ) obliegt die Sicherstellung der Versorgung des Landes mit elektrischer Kraft.“17
Wichtig sei übrigens noch eine andere Frage, nämlich, ob jetzt schon nach dem Ministerratsbeschluß vom 3. November 1954 verfahren werden solle. Dagegen habe er ernste Bedenken, nachdem übereinstimmend ein Gesetz für erforderlich gehalten werde. Er glaube nicht, daß man vorher die Durchführung des Beschlusses dem Wirtschaftsministerium übertragen solle.
Staatsminister Bezold stimmt dieser Auffassung zu, bemerkt aber, die Federführung des Wirtschaftsministeriums gehe eindeutig aus dem erwähnten Beschluß hervor, nach dem sich übrigens auch die Bundesbehörden richteten.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, der damalige Herr Staatsminister Dr. Seidel habe acht Tage nach dem Beschluß angeordnet, eine offizielle Mitteilung nach Bonn zu geben, nachdem der damalige Ministerrat ein Gesetz nicht für notwendig gehalten habe,
Staatsminister Bezold unterstreicht die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und glaubt, wenn die Regierung nicht bald einen Gesetzentwurf vorlege, werde die CSU-Fraktion mit einem Initiativgesetzentwurf kommen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fordert Herrn Staatsminister Bezold auf, den in seinem Ministerium bereits ausgearbeiteten Entwurf sofort den übrigen Ressorts zuzuleiten.
Staatsminister Dr. Koch meint, das Innenministerium könne ja dann seine Einwendungen bringen; auch er empfehle, nicht mehr länger zuzuwarten.
Mit Zustimmung des Ministerrats stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner daraufhin folgendes fest:
1. Es ist nach der bisherigen Ordnung weiter zu verfahren.
Das Innenministerium ist solange in Fragen der Energieaufsicht noch zuständig, bis das Gesetz über die Übertragung der Zuständigkeiten auf das Wirtschaftsministerium in Kraft tritt.
2. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr wird beauftragt, diesen Gesetzentwurf den übrigen Ministerien sofort zuzuleiten.18
Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, die Staatsministerien des Innern und der Finanzen brächten gegen die Eingliederung der Hauptfürsorgestelle in das Arbeitsministerium im wesentlichen folgende Gründe vor:20
a) Bei den Leistungen nach den §§25–27 BVersG und den einschlägigen Durchführungsvorschriften handle es sich nicht um Versorgungs-, sondern um Fürsorgeleistungen.21 Die Zuständigkeit liege daher auch im Bund bei der Wohlfahrtsabteilung des Bundesinnenministeriums und nicht beim Bundesarbeitsministerium. In anderen Ländern seien die Arbeitsministerien für diese Fürsorgeleistungen nur deshalb zuständig, weil dort auch die allgemeine Fürsorge bei den Arbeitsministerien liege. Auch seien für die Angelegenheiten der §§ 25–27 BVersG nicht die Sozialgerichte, sondern die allgemeinen Verwaltungsgerichte zuständig.
b) Außerdem werde behauptet, die bestehende organisatorische Zweigleisigkeit des Verfahrens werde auch bei der Übernahme der Hauptfürsorgestelle in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge nicht beseitigt. Umgekehrt werde aber dadurch die bisherige Einheit der staatlichen Fürsorge zerrissen und die Bezirksfürsorgeverbände würden mit Sicherheit eine Übernahme der bisher von ihnen getragenen 15% der Fürsorgeleistungen durch den Staat verlangen. Nach der Berechnung des Staatsministeriums des Innern werde der von den Bezirksfürsorgeverbänden getragene Anteil von 15% auf jährlich mindestens 3,6 Mio DM beziffert.
Staatssekretär Weishäupl erklärt, er könne den Gründen des Staatsministeriums des Innern und des Staatsministeriums der Finanzen nicht zustimmen.
a) Wenn behauptet werde, es handle sich hier um Fürsorgeleistungen, so treffe dies nicht zu:
Die Hauptfürsorgestelle und ihre Zweigstellen befaßten sich laut Gesetz mit dem Vollzug des Bundesschwerbeschädigtengesetzes und zwar gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung.22 Dieses Gesetz habe aber mit der allgemeinen Fürsorge überhaupt nichts zu tun. Außerdem habe die Hauptfürsorgestelle im Einvernehmen mit den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern über Arbeits- und Berufsförderungsmaßnahmen nach § 26 des BVersG zu entscheiden,23 also Maßnahmen, die keinerlei Verbindung mit der Reichsfürsorgepflicht-Verordnung hätten.24 Er verweise auch darauf, daß das Bundesversorgungsgesetz die „soziale Fürsorge, Arbeits- und Berufsförderung“ als Versorgungsleistung festlege. Schließlich habe die Hauptfürsorgestelle noch gem. Art. 72 BVersG bei Kapitalabfindungen mitzuwirken.25 Aus all dem gehe hervor, daß das Bundesschwerbeschädigtengesetz und das Bundesversorgungsgesetz mit der allgemeinen Fürsorgepflicht nichts gemein hätten. Man müsse einen Unterschied zwischen der sozialen Fürsorge als Bestandteil des BVersG und der allgemeinen Fürsorge machen, wobei man sich übrigens auf § 9 des BVersG stützen könne.26 Bekanntlich dürften ohne einen Rentenanspruch nach dem BVersG überhaupt keine Leistungen der sozialen Fürsorge gewährt werden, d.h., Fürsorgeempfänger, die keinen festgestellten Rentenanspruch hätten, kämen für Leistungen aus der sozialen Fürsorge überhaupt nicht in Betracht.
b) Was nun den Einwand betreffe, die Zuständigkeit liege auch im Bund bei der Wohlfahrtsabteilung des Bundesinnenministeriums, so schlage dieser nicht durch, weil die soziale Fürsorge zwar zum Bundesinnenministerium gehöre, aber durch eine selbständige Leitstelle verwaltet werde, die von der Wohlfahrtsabteilung dieses Ministeriums streng getrennt sei. Dies werde schon dadurch zum Ausdruck gebracht, daß man für diese Leitstelle einen eigenen Beratenden Beirat errichtet habe.
Was die Regelung in den anderen Ländern betreffe, so sei in den meisten Ländern die Hauptfürsorgestelle im Gegensatz zu Bayern eine zentrale Landesbehörde, also nicht Sachgebiet eines Ministeriums. Übrigens sei wegen der abweichenden bayerischen Regelung ein Prozeß im Gange.
In all diesen Ländern seien die Wünsche der Kriegsopfer erfüllt worden, nämlich nicht in ein Ministerium eingegliedert zu werden.
c) Was die Behauptung betreffe, für Angelegenheiten der §§ 25–27 BVersG seien nicht die Sozialgerichte, sondern die allgemeinen Verwaltungsgerichte zuständig, so sei dieser Grund schon deshalb nicht stichhaltig, weil auch bei Streitigkeiten aus dem Lastenausgleichsgesetz die Verwaltungsgerichte zuständig seien. Übrigens werde auch hier angestrebt, diese Streitfälle an die Sozialgerichte zu ziehen.
d) Er könne auch nicht zustimmen, wenn erklärt werde, die bisherige Einheit der staatlichen Fürsorge werde zerrissen. Die Hauptfürsorgestelle solle vielmehr ein staatlicher Fürsorgeverband sein, d.h., sie sollte den Staat als Landesfürsorgeverband vertreten. Wenn sie nachgeordnete Dienststelle des Arbeitsministeriums werden sollte, brauche an diesem Zustand nichts geändert zu werden. Die Bezirksfürsorgeverbände seien mit ganz anderen Aufgaben betraut, als denjenigen, welche von der Hauptfürsorgestelle wahrgenommen werden müßten. Der Einwand, daß die Bezirksfürsorgeverbände die bisher von ihnen getragenen 15% der Fürsorgeleistungen durch den Staat verlangen würden, treffe schon deshalb nicht zu, weil dies laut Gesetz gar nicht zulässig sei. Der Bayerische Staat werde keinesfalls weiter belastet werden.
e) Wenn man den Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung vertrete, müsse man der Meinung sein, daß die Maßnahmen des Bundesversorgungsgesetzes zusammengefaßt werden sollten, zumal sie ja – wie schon ausgeführt – sehr vielseitig seien. Diese Maßnahmen könnten vom Arbeitsministerium viel leichter geregelt werden als von einer losgelösten Behörde, zumal das Arbeitsministerium ja im engen Kontakt mit allen möglichen Organisationen und Vertretungen stehe. Seiner Meinung nach bedeute die Übertragung der Hauptfürsorgestelle in das Arbeitsministerium in jeder Weise eine Vereinfachung und Erleichterung. Schließlich sei auch nicht zu übersehen, daß die Kriegsopfer selbst zum Arbeitsministerium wollten.
f) Durch die bisherige Zweigleisigkeit sei in vielen Fällen eine Doppelleistung nicht zu vermeiden, nachdem die Kontrolle sehr schwierig sei. Bekanntlich habe das Arbeitsministerium die Möglichkeit, einmalige Beihilfen zu gewähren, die gleichen Beihilfen konnten bisher auch von der Hauptfürsorgestelle geleistet werden. Durch die einheitliche Kontrolle werde sich das in Zukunft vermeiden lassen.
Zum Schluß bitte er dringend, dem Vorschlag des Arbeitsministeriums beizupflichten. Er gebe zwar zu, daß der Gesetzentwurf ursprünglich vielleicht zu weit gegangen sei, der jetzige Vorschlag, die Hauptfürsorgestelle einzugliedern, sei aber wohl begründet und ohne Schwierigkeiten durchführbar.
Staatsminister Zietsch erwidert, bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs hätte schon früher mit den übrigen Ressorts Fühlung genommen werden müssen.
Was den Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung betreffe, so schicke er die allgemeine Bemerkung voraus, daß sich Bayern wohl in Zukunft nicht mehr so viele Ministerien wie bisher leisten könne. Jedenfalls halte das Finanzministerium im vorliegenden Falle eine Änderung nicht für erforderlich, es stimme insoweit dem Innenministerium zu.
Was die Quote von 15% der Bezirksfürsorgeverbände betreffe, so sei es zwar richtig, daß die Verbände keinen Ersatz vom Staat verlangen könnten, sie würden aber mit Sicherheit über den Finanzausgleich ihre Ansprüche an das Finanzministerium stellen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer bezeichnet es als völlig unmöglich, daß das Innenministerium außer den Abt. V und VI27 jetzt auch noch die Hauptfürsorgestelle abgebe.28 Aus dem Gesichtspunkt der Staatsvereinfachung heraus sei es höchst bedenklich, gerade das Innenministerium als wichtigstes Verwaltungsministerium immer mehr einzuengen.
Der Plan, die Hauptfürsorgestelle auf das Arbeitsministerium zu übertragen, habe schon große Beunruhigung in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Bekanntlich liege schon eine schriftliche Anfrage des Herrn Abg. Eberhard vor, die aus neun Punkten bestehe.29
Staatsminister Dr. Geislhöringer verliest daraufhin diese Fragen und betont, daß sie eigentlich sämtlich im Sinne des Anfragenden beantwortet werden müßten.
Nicht unerwähnt wolle er lassen, daß sich auch der Leiter der Wohlfahrtsabteilung im Innenministerium, Herr Ministerialdirigent Ritter, mit Nachdruck gegen den Plan des Arbeitsministeriums wende.
Staatssekretär Dr. Meinzolt bemerkt, an sich sei das Kultusministerium nicht beteiligt, vom Standpunkt der inneren Verwaltung aus müsse er aber feststellen, daß die Gründe, die Herr Staatssekretär Weishäupl dargelegt habe, nicht überzeugend gewesen seien.30 Er empfehle, bei der bisherigen Regelung, die sich bewährt habe, zu verbleiben.
Staatsminister Dr. Baumgartner schließt sich an und empfiehlt dringend, den Plan nicht weiter zu verfolgen. Die Fraktion der Bayernpartei werde ihm keinesfalls zustimmen können. Er bitte Herrn Staatssekretär Weishäupl, seinen Antrag zurückzustellen.
Staatsminister Stain bemerkt, in den Koalitionsvereinbarungen heiße es, alle sozialen Aufgaben sollten in einem Ministerium zusammengefaßt werden.31 Der Einwand, die Einheit der staatlichen Fürsorge werde zerrissen, greife nicht durch. Früher habe es weder eine Abt. V noch eine Abt. VI im Innenministerium gegeben, ebensowenig wie eine Hauptfürsorgestelle oder einen sozialen Wohnungsbau. Er stimme mit Herrn Staatssekretär Weishäupl darin überein, daß es nicht günstig sei, die Kriegsopferversorgung durch zwei Ministerien wahrnehmen zu lassen. Man habe ganz bewußt die soziale Fürsorge im Namen des Arbeitsministeriums aufgenommen, um so von der öffentlichen Fürsorge zu unterscheiden. Er glaube, daß die Widerstände in erster Linie von den Landräten unter den Abgeordneten ausgingen und gar nicht allzusehr vom Willen der Bevölkerung getragen würden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt folgendes fest:
1. Die finanziellen Auswirkungen der vorgeschlagenen Regelung sind nicht geklärt; das Finanzministerium befürchte nach wie vor, daß Ansprüche an den Staat gestellt werden könnten.
2. Auch die Frage, ob durch die beabsichtigte Maßnahme eine Verwaltungsvereinfachung eintrete oder nicht, ist nicht genügend geklärt.
3. Außerdem hat sich herausgestellt, daß politische Schwierigkeiten zu erwarten sind.
Angesichts dieser Tatsachen schlage er vor, die Angelegenheit bis zur Behandlung der Verwaltungsvereinfachung zurückzustellen. Ergebe sich dann eine wesentliche Einsparung, werde sich der Vorschlag, die Hauptfürsorgestelle auf das Arbeitsministerium zu übertragen, auch im Landtag durchsetzen lassen. Er spreche sich daher dafür aus, die Angelegenheit zurückzustellen.
Der Ministerrat beschließt demgemäß mit großer Mehrheit.
Staatsminister Stain bemerkt in diesem Zusammenhang noch, er habe auf den sozialen Wohnungsbau verzichtet; er habe aber erneut feststellen müssen, daß die Oberste Baubehörde auf seine Vorschläge und Ziele nicht entsprechend eingehe.
Staatsminister Dr. Geislhöringer bittet Herrn Staatsminister Stain, sich unmittelbar an ihn zu wenden.
Staatssekretär Weishäupl stellt fest, er habe seine Verbindung mit dem VdK völlig gelöst und bemühe sich, so objektiv wie möglich zu sein. Im übrigen habe er erfahren, daß die der CSU angehörenden Landräte im Bayer. Landtag Informationen aus der Wohlfahrtsabteilung des Innenministeriums erhalten hätten.
Staatsminister Bezold bezeichnet es als sehr bedenklich, wenn derartige Indiskretionen vorgekommen seien. Man müsse klar und deutlich darauf hinweisen, daß die Ministerialbeamten nur Fachbeamte seien und den Weisungen ihrer Minister zu folgen hätten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und bittet, überall, wo derartige Fälle bekannt würden, mit aller Entschiedenheit einzuschreiten.32
Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht die Vermutung aus, daß die am 25. Februar 1955 an alle Staatsministerien gerichtete Note des Staatsministeriums der Finanzen wegen der Wahlen der Betriebsräte in den öffentlichen Verwaltungen überholt sei, nachdem bereits im Staatsanzeiger Nr. 9 vom 26. Februar 1955 eine Bekanntmachung des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge über die Neuwahlen veröffentlicht worden sei.
Staatsminister Zietsch bestätigt, daß der Vorschlag des Finanzministeriums, die Amtsdauer der Betriebsräte bis zum 30. Juni 1955 zu verlängern, durch diese Bekanntmachung gegenstandslos geworden sei.
Staatsminister Stain stellt fest, daß das Arbeitsministerium bereits am 20. Januar 1955 schriftlich alle Staatsministerien um Äußerung gebeten habe.
Der Ministerrat kommt zu dem Ergebnis, daß durch die Bekanntmachung vom 20. Februar 1955 im Staatsanzeiger vollendete Tatsachen geschaffen seien und demnach noch im Monat März Neuwahlen stattzufinden hätten.
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, es sei beabsichtigt, in Bayern an den Orten Spielbanken zuzulassen, an denen die Voraussetzungen des Reichsgesetzes vom Jahre 1933 gegeben seien;34 Untersuchungen seien derzeit im Gange. Es stehe aber jetzt schon fest, daß die Voraussetzungen höchstens bei Garmisch-Partenkirchen, Bad Reichenhall und Bad Kissingen gegeben seien. Wenn das Gesetz von 1933 zugrunde gelegt werde, brauche man übrigens die Zustimmung des Landtags nicht.
Staatssekretär Dr. Haas schlägt vor, einen Beschluß zu fassen, wonach höchstens drei Spielbanken zugelassen würden, davon eine in Nordbayern.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, ein Beschluß des Ministerrats, bei dem er persönlich übrigens gegen die Errichtung von Spielbanken stimmen werde, sei nicht notwendig. Er stelle aber anheim, die Meinung des Landtags einzuholen.35
Bei einer Meinungserforschung wird festgestellt, daß die Mehrheit des Kabinetts für die Errichtung von Spielbanken ist.
Staatsminister Dr. Geislhöringer macht dann darauf aufmerksam, daß die da und dort errichteten Roulettes verboten würden, da es sich einwandfrei um Glücksspiele handle. Die entsprechende Weisung sei schon herausgegeben worden.36
Auch Staatsminister Bezold hält es für notwendig, die verschiedentlich entstandenen ungeregelten kleinen Spielbanken zu beseitigen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt dann unter Zustimmung des Ministerrats fest, für den Fall, daß überhaupt Spielbanken in Bayern errichtet werden, kämen nur die Orte Garmisch-Partenkirchen, Bad Reichenhall und Bad Kissingen in Frage.37
1. Ernennung des Regierungsdirektors Dr. Ludwig Illig im Staatsministerium des Innern zum Ministerialrat38
Der Ministerrat beschließt, den Regierungsdirektor im Bayer. Staatsministerium des Innern, Dr. Ludwig Illig, zum Ministerialrat zu ernennen, und zwar mit Wirkung von l. März 1955.39
2. Ernennung des Regierungsmedizinaldirektors Dr. Walter Schmelz zum Ministerialrat40
Der Ministerrat beschließt ferner, den Regierungsdirektor und Leiter der Gesundheitsabteilung im Bayer. Staatsministerium des Innern, Dr. Walter Schmelz, zum Ministerialrat zu ernennen, und zwar mit Wirkung vom 1. März 1955.41
3. Hebung der Stelle des Präsidenten der Bereitschaftspolizei Remold42
Staatsminister Zietsch verweist auf seine Note vom 5. März 1955 und bittet, die Angelegenheit zurückzustellen, bis sich das Staatsministerium des Innern geäußert habe.
Der Ministerrat beschließt, diese Personalsache bis zur Sitzung vom 15. März 1955 zurückzustellen.43
1.Teilnahme der Mitglieder/Staatsregierung an den Sitzungen des Bundesrats
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, in Bonn falle auf, daß im Gegensatz zu den anderen Ländern die Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung sehr zahlreich an den Sitzungen teilnehmen. Er halte es für notwendig, sich hier eine gewisse Beschränkung aufzuerlegen, um die Kosten so gering wie möglich zu halten.
2.Auswärtiger Ausschuß des Bundesrats
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt ferner mit, die nächste Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrats werde am 17. März 1955 stattfinden.
In diesem Zusammenhang verweist Staatsminister Bezold auf eine Anfrage der CSU, welche Haltung die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat zu den Pariser Verträgen einnehmen werde. Diese Anfrage sei erstaunlich, nachdem sich die CSU als Regierungspartei, übrigens von der FDP unterstützt, immer auf den Standpunkt gestellt habe, die Abstimmung im Bundesrat sei ausschließlich Sache der Exekutive, die in diesen Fällen dem Landtag keinerlei Auskunft schuldig sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner sichert zu, aus den Landtagsdrucksachen der vergangenen 4 Jahre derartige Erklärungen heraussuchen zu lassen.
3.Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben des Herrn Staatsministers a.D. Dr. Seidel, in dem dieser mitteilt, daß er bisher Mitglied des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost gewesen sei; hiefür sei aber Voraussetzung die Zugehörigkeit zur Regierung eines Landes. Herr Dr. Seidel stelle deshalb sein Amt zur Verfügung und rege an, dem Präsidenten des Bundesrats sein Ausscheiden mitzuteilen und einen Nachfolger zu benennen.
Nach der Verlesung dieses Schreibens schlägt Ministerpräsident Dr. Hoegner als Nachfolger von Dr. Seidel Herrn Staatsminister Bezold vor.
Der Ministerrat bcschließt, dem Präsidenten des Bundesrats Herrn Staatsminister Bezold als Mitglied im Verwaltungsrat der Bundespost vorzuschlagen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, die Staatskanzlei werde ein entsprechendes Schreiben nach Bonn richten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß Herr Staatsminister Zietsch vor acht Tagen zugesichert habe, Mittel und Wege zu finden, um von den Staatsmitteln für die Grenzlandhilfe in Höhe von 10 Mio DM wenigstens einen Betrag von 2 Mio DM aus dem außerordentlichen in den ordentlichen Haushalt zu übernehmen.
Staatsminister Zietsch erklärt, es sei leider nicht möglich gewesen, diese 2 Mio DM noch im ordentlichen Haushalt unterzubringen. Er werde deshalb die Mitglieder des Ausschusses zu sich bitten und sie zu überzeugen versuchen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner und Staatsminister Bezold befürchten, daß der Landtag jedenfalls die Aufnahme eines möglicherweise sogar höheren Betrages im ordentlichen Haushalt beschließen werde.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, die Angelegenheit nochmals auf die Tagesordnung des Ministerrats zu setzen, falls es dem Herrn Finanzminister nicht gelingen sollte, die Mitglieder des Grenzlandausschusses zu überzeugen. Übrigens sei auch er der Meinung, daß in den armen bayerischen Grenzgebieten Darlehen nicht viel nützten, dort würden vielmehr Zuschüsse gebraucht.
Staatsminister Zietsch erklärt, der Ausschuß könne keine Gründe angeben, die für die Übertragung von 2 Mio DM in den ordentlichen Haushalt stichhaltig seien. Die Staatszuschüsse für Wegebau usw. seien gegenüber den Vorjahr bereits un 3 Mio DM erhöht worden. Die wirklich notleidenden Gemeinden könnten darüber hinaus wegen Bedarfszuweisungen an das Finanzministerium herantreten, das hiefür 5 Mio DM zur Verfügung habe, ein Betrag, der bisher nie verbraucht worden sei.
Staatsminister Bezold entgegnet, man komme nicht darüber hinweg, daß der Bund 85% seiner Grenzlandmittel in der Form von Zuschüssen leiste, während der Bayerische Staat zwar 10 Mio DM als Darlehen, aber nur 300 000 DM als Zuschüsse zur Verfügung stelle.
Auch Staatssekretär Dr. Haas spricht sich für Zuschüsse aus, zumal ja eigentlich bayerische Mittel, die zur Ergänzung von Bundesmitteln dienten, nach dem gleichen Schlüssel gegeben werden sollten.
Staatsminister Bezold erwidert, so weitgehende Forderungen wolle er gar nicht stellen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt abschließend, es werde also von der Unterredung des Herrn Finanzministers mit den Mitgliedern des Grenzlandausschusses abhängen, ob sich der Ministerrat mit dieser Angelegenheit nochmals befassen müsse.45
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt die Frage, ob das Staatsministerium des Innern nun bereit sei, dem Institut für Holzforschung und Holztechnik die erforderlichen Arbeitsräume in der Winzererstraße 41a ab 1. April 1955 zur Verfügung zu stellen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erwidert, das Institut habe an sich schon die besten Räumlichkeiten im Gebäude Winzerertrasse 43 erhalten, was für die innere Verwaltung ein großes Opfer bedeute. Er bitte deshalb, von der weiteren Überlassung der Nebengebäude abzusehen.
Staatsminister Bezold entgegnet, von den früheren Ministerratsbeschlüssen abgesehen, die dem Institut auch die Werkstatträume zugesprochen hätten, wolle er die Bedeutung dieses Instituts und seines Leiters, Professor Dr. Kollmann, unterstreichen. Der Bayerische Staat laufe tatsächlich Gefahr, daß Professor Kollmann, der Weltruf besitze und gegen große Widerstände das Institut nach München verlegt habe, die Lust verliere. Das Institut nütze nicht nur der Wirtschaft und der Wissenschaft, sondern sei ein besonderer Ruhm Bayerns. Man könne seinem Leiter nicht zumuten, dauernd über geeignete Arbeitsräume streiten zu müssen. Er bitte deshalb, an dem früheren Beschluß des Ministerrats festzuhalten.
Staatsminister Rucker stimmt Staatsminister Bezold zu und bemerkt, es handle sich jetzt nur mehr um Werkstatträume und Garagen Es könne doch nicht so schwierig sein, geeigneten Ersatz für das Landeskriminalamt zu finden. Übrigens sei die Forderung des Instituts, das wirklich von allergrößter Bedeutung sei, durchaus bescheiden; auch Professor Kollmann sei nicht übermäßig in seinen Ansprüchen.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird daraufhin folgender Beschluß gefaßt:
1. Die Werkstatt- und Arbeitsräume in der Winzererstraße 41a werden für das Institut für Holzforschung und Holztechnik freigemacht.
2. Die Raumkommission wird beauftragt, dem Landeskriminalamt Ersatz für die freizumachenden Räume zu suchen.47
Staatsminister Zietsch führt aus, Herr Jaenicke behaupte in seiner Anfechtungsklage gegen den Freistaat Bayern:
a) Seine jetzige Tätigkeit im Bundesdienst sei nicht „öffentlicher Dienst“ im Sinne des Art. 11 des Gesetzes Nr. 52 vom 5. September 1946.49 Das Staatsministerium der Finanzen habe diesen Anspruch abgelehnt und diese Ablehnung50 auch in einem Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof begründet;
b) es werde erklärt, die durch Ministerratsbeschluß festgesetzten 54% des Gehalts als Staatssekretär seien nicht ausreichend, man hätte bei der Festsetzung seine frühere Tätigkeit nicht genügend berücksichtigt.
Immerhin betrage das Ruhegehalt des Herrn Jaenicke 19 500 DM. Diese Bezüge seien auch solange ausbezahlt worden, bis er in den auswärtigen Dienst getreten sei. Er halte es nicht für veranlaßt, eine Änderung zu beschließen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt, Herr Jaenicke sage, sein Ruhegehalt als preußischer Regierungspräsident würde genau so hoch sein wie seine jetzigen Ruhegehaltsbezüge als Staatssekretär. Daraus ziehe er die Schlußfolgerung, daß er praktisch 4½ Jahre für Bayern unentgeltlich gearbeitet habe.
Herr Jaenicke schlage deshalb vor, im Wege des Vergleichs seine Bezüge um jährlich etwa 5–6 000 DM zu erhöhen, womit seine Tätigkeit in Bayern abgegolten sei.
Staatsminister Zietsch erwidert, der öffentliche Dienst sei eine Einheit, die Versorgung, auf die man Anspruch habe, werde nach dem günstigsten Stand berechnet. Dieser Grundsatz sei auch bei Herrn Jaenicke angewendet worden.
Staatssekretär Simmel unterstützt demgegenüber den Anspruch des Herrn Staatssekretärs Jaenicke und empfiehlt, auf sein Angebot einzugehen.
Immerhin habe Herr Jaenicke fast fünf Jahre höchst wertvolle Dienste geleistet und sein unerhört schwieriges Amt mit großem Erfolg geführt.
Nach längerer Aussprache, bei der Ministerpräsident Dr. Hoegner die in Frage kommende Bestimmung des Gesetzes vom 5. September 1946 erläutert, wird mit Mehrheit beschlossen, auf das Vergleichsangebot des Herrn Staatssekretärs Jaenicke nicht einzugehen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abzuwarten.51
1.Antrag des Andreas Pfeifer und 2 anderer vom 19.11.1953 auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Abschn. II der Verordnung über die Besoldungsangleichung bei den Beamten der Gemeinden, Gemeindeverbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts (2. Besoldungsangleichungsverordnung – 2. BAV –) vom 7.8.1933 (GVBl. S. 211) sowie des § 40 Abs. 4 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, Besoldungs- und des Versorgungsrechts vom 30.6.1933 (RGBl. I S. 433)52
2.Antrag der 4. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth auf Nachprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Nummern 3–7 des Abschn. II der Verordnung über die Besoldungsangleichung bei den Beamten der Gemeinden, Gemeindeverbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts (Zweite Besoldungsangleichungsverordnung – 2. BAV –) vom 7.8.1933 (GVB1. S. 211)53
Der Ministerrat beschließt, als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung für die Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof Herrn Ministerialdirigenten Dr. Bachl zu benennen.
Der Ministerrat beschließt, als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung für die Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof Herrn Oberregierungsrat Dr. Walter Straßmann zu benennen.
Staatsminister Bezold führt aus, die erneute Errichtung dieses Ausschusses bedürfe nach § 50 der neuen Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag eines Antrags der Staatsregierung. Der Wirtschaftsausschuß habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß es sich bei diesem Ausschuß um eine Kommission handle, die nur auf Antrag der Staatsregierung tätig werden könne.
Der Ministerrat beschließt, durch den Herrn Ministerpräsidenten einen entsprechenden Antrag an den Landtag zu richten.
Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, im Tit. 300 der Bayer. Staatskanzlei seien erhebliche Mittel für Pfalzangelegenheiten enthalten. Er sei der Meinung, daß die beträchtlichen Summen, die monatlich ausgegeben würden, eingeschränkt werden müssen. Er wollte dies aber nicht ohne Zustimmung des Ministerrats tun.
Vor allem halte er die Geschäftsstelle des Bundes Bayern-Pfalz für übersetzt, auch der Zuschuß für die Zeitschrift „Stimme der Pfalz“ von monatlich 2500 DM sei zu hoch.
Der Ministerrat erklärt sich mit Einsparungen bei den Pfalzmitteln einverstanden.
In diesem Zusammenhang empfiehlt Staatsminister Bezold, von Herrn Ministerpräsidenten Dr. Hoegner unterstützt, die repräsentativen Veranstaltungen der Staatsregierung möglichst einzuschränken.57
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt eine Einladung des Ordinariats der Erzdiözese München zur herkömmlichen Papstfeier am 13. März 1955 bekannt.
Ministerialrat von Brand berichtet über den bisherigen Ablauf des Besuches des Schahs von Persien in München und die vom Herrn Ministerpräsidenten beabsichtigte Einladung am Mittwoch, den 9. März 1955.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß eine Reihe von persischen Gästen anwesend sein würden und erklärt, unter diesen Umständen werde er alle Mitglieder des Kabinetts mit Damen einladen.59
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß diese Angelegenheit schon im Ministerrat vom 11. Januar 1955 besprochen worden sei. Im Hinblick auf die zweifellos auch in diesem Jahr zu erwartenden Versuche, in großem Umfang Kinder zur Erholung in die sowjetisch besetzte Zone zu bringen, frage er den Herrn Staatsminister der Finanzen und den Herrn Staatsminister des Innern, ob von Staats wegen zusätzliche Mittel für Erholungsfreiplätze bereitgestellt werden könnten.
Es wird festgestellt, daß zusätzliche Mittel dafür nicht freigemacht werden können.61
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt an Hand eines Schreibens des Staatsministeriums der Finanzen vom 8. März 1955 bekannt, daß der Bundesminister der Finanzen beabsichtige, den mit Ablauf des Monats März in den Ruhestand tretenden Oberfinanzpräsidenten Prugger62 für die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland vorzuschlagen. Herr Bundesminister Schäffer bitte, die Zustimmung des Herrn Ministerpräsidenten herbeizuführen, da Oberfinanzpräsident Prugger auch Landesbeamter sei.
Bedenken bestünden wohl nicht, er werde deshalb die erbetene Zustimmung erteilen.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.