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Nr. 15MinisterratssitzungDienstag, 1. März 1955 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner.

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung von Zuständigkeiten auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. III. Haushaltsaufstellung 1955. IV. Staatsmittel für das Grenzlandprogramm. V. Zuschuß aus EPl. 06 an den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. VI. Wiederaufbau der evangelischen St. Matthäuskirche in München, hier: Festsetzung des endgültigen Staatszuschusses. VII. Behandlung von Gesetzentwürfen durch die Staatsministerien, den Ministerrat und die gesetzgebenden Körperschaften. VIII. Freigabe von Grundstücken der Saline in Rosenheim. IX. 10-Jahresfeier der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau. X. Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung der Hauptfürsorgestelle für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. XI. Institut für Holzforschung. XII. Personalangelegenheiten. XIII. Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München I gegen Georg Wittmann wegen Verunglimpfung der Staatsregierung und übler Nachrede. XIV. Verlegung des Finanzamts Lichtenberg/OFr.. XV. Bundesbahnprogramm. XVI. Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen und Organisationen. XVII. Zusätzliche Räume für die Justizverwaltung in dem Neubau auf dem ehemaligen Herzog-Max-Burg-Gelände. XVIII. Personalabbau in den Versorgungsämtern. XIX. Maxhütte AG. XX. Errichtung einer neuen Zuckerfabrik in Bayern. XXI. Veranstaltungen. XXII. Richtlinien für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

I.Bundesratsangelegenheiten

1.Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften1

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, von den Empfehlungen der BR-Drucks. Nr. 39/1/55 könnten diejenigen unter Ziff. 1 mit 10 und 12 mit 16 unterstützt werden. Was die Empfehlung unter Ziff. 11 anlange, so habe der Vertreter des Innenministeriums im Koordinierungsausschuß2 darauf hingewiesen, daß die Versuche, eine dem Art. 118 Abs. 3 der Bayer. Verfassung entsprechende Regelung in den Entwurf zu übernehmen,3 keine Unterstützung gefunden habe.4 Ein Landesantrag in dieser Richtung verspreche daher keinen Erfolg, man müßte sich wohl damit begnügen, die Empfehlung unter Ziff. 11 nicht zu unterstützen.

Der Ministerrat beschließt, sämtliche Empfehlungen in der BR-Drucks. Nr. 39/1/55 mit Ausnahme derjenigen unter Ziff. 11 zu unterstützen.5

Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961

2.Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht6

Von einer Äußerung und einem Beitritt wird abgesehen.

3.Entwurf eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung vom 28. Mai 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Belgien über eine gegenseitig zu gewährende Amtshilfe bei der An- und Abmusterung von Seeleuten7

Zustimmung gemäß Art. 78 GG.

4.Voranschlag der Deutschen Bundespost 19558

Der Empfehlung des Ausschusses für Verkehr und Post entsprechend wird beschlossen, von dem Voranschlag Kenntnis zu nehmen.

5.Entwurf einer Verordnung zur Durchführung einer Straßenverkehrsunfallstatistik9

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, trotz früherer Bedenken habe sich jetzt der Ausschuß für Innere Angelegenheiten übereinstimmend auf den Standpunkt gestellt, daß die vorgesehene statistische Erhebung wegen der ständig steigenden Verkehrsunfallziffern notwendig sei. Infolgedessen sei wohl dem vorliegenden Entwurf zuzustimmen mit der Maßgabe, daß die Empfehlungen in der BR-Drucks. Nr. 22/1/55 unter Ziff. 1 a und 2 unterstützt würden, nicht dagegen diejenigen unter Ziff. 1 b.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.10

6.Benennung von Staatsminister Franke (Hessen) zum stellvertretenden Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost anstelle des ausgeschiedenen Staatsministers Fischer (Hessen)11

Bedenken werden nicht erhoben.

7.Entwurf eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 42 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1934 über die Entschädigung bei Berufskrankheiten (Neufassung 1934)12

Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG.

9.Entwurf einer Verordnung über die Höhe der von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 184 SGG zu entrichtenden Gebühr14

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, im Finanzministerium bestünden Bedenken wegen der geringen Höhe der nach § 1 und § 2 Abs. 1 vorgesehenen Gebühren. Das Ministerium empfehle, die Gebührensätze bei den Sozialgerichten von 65 DM auf 80 DM und bei den Landessozialgerichten von 100 DM auf 120 DM zu beantragen, fernerhin die Gebühren im Falle des § 2 Abs. 1 von 30 DM und 40 DM auf 40 DM bzw. 50 DM zu erhöhen. Wenn man dieser Anregung folge, müsse ein Landesantrag eingebracht werden mit dem Ziel, den Entwurf abzusetzen und zur Beratung in den Finanzausschuß zu bringen.

Populär werde ein solcher Antrag nicht sein, obwohl es sich ja hier nicht um Gebühren der Versicherten, sondern der Versicherungsträger handle. Er dürfe um die Entscheidung des Ministerrats bitten, ob ein solcher Antrag gestellt werden solle.

Staatsminister Stain erwidert, er habe schon im Sozialpolitischen Ausschuß versucht, die Erhöhung der Gebühren durchzusetzen.15 Übereinstimmend sei ihm aber entgegengehalten worden, es sei völlig unmöglich, die Sozialversicherungsträger noch mehr zu belasten. Im Hinblick auf diese Auffassung glaube er nicht, daß eine nochmalige Behandlung im Finanzausschuß zu irgendeinem Erfolg führen werde. Er rate auch nicht, es wegen dieser Gebührensätze auf einen Streit mit den Sozialversicherungsträgern ankommen zu lassen, zumal die Gebührenerhöhung doch nicht allzu sehr ins Gewicht falle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß Bayern in dieser Frage keinen Landesantrag stelle. Wenn ein anderes Land die Verweisung in den Finanzausschuß beantrage, könne sich Bayern ja anschließcn.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.16

VO über die Höhe der von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 184 des Sozialgerichtsgesetzes zu entrichtenden Gebühr vom 31. März 1955

10.Benennung eines ordentlichen und eines stellvertretenden Mitgliedes für den Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung anstelle des ausgeschiedenen Staatsministers Fischer (Hessen) und des ausgeschiedenen Staatssekretärs Krehle (Bayern)17

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß es sich hier um eine Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik handle, Herrn Staatssekretär Weishäupl als Mitglied für den Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu benennen.

11.Benennung eines Vorstandsmitgliedes der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung anstelle des ausgeschiedenen Staatsministers Dr. Oechsle (Bayern)18

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, in gleicher Weise werde hier Herr Staatsminister Stain als Nachfolger des Herrn Staatsministers a.D. Dr. Oechsle als Vorstandsmitglied der Bundesanstalt selbst vorgeschlagen.

13.Entwurf einer Neunundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen20

Bedenken bestehen nicht.

14.Entwurf einer Verwaltungsanordnung über die Änderung und Ergänzung der Einkommensteuer-Richtlinien 1953 für die Veranlagung zur Einkommensteuer 1954 (EStER 1954)

Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird.21

15.Veräußerung einer Teilfläche des ehem. Heeresverpflegungsamtes in Karlsruhe, Oberfeldstr. 1–3, an die Stadt Karlsruhe im Wege eines Tausches gegen städtisches, z.Zt. beschlagnahmtes Gelände bei den Knielinger Kasernen22

Zustimmung gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung.

16.Vorschlag eines Mitgliedes für den vorläufigen Bewertungsbeirat beim Bundesfinanzministerium (Gesetz über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates vom 28. September 1950 – BGBl. S. 682)23

Der Vorschlag des Landes Hessen wird unterstützt.

17.Entwurf einer Verordnung zur Verhütung der Einschleppung der Mittelmeerfruchtfliege24

Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der in der BR-Drucks. Nr. 21/1/55 in Ziff. l und 2 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Agrarausschusses.25

18.Abberufung und Neuwahl von Vertretern des Landes Bayern in den Verwaltungsräten der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel und der Einfuhrstelle für Zucker26

Die Empfehlung des Agrarausschusses, als Mitglied des Verwaltungsrats der Einfuhr- und Vorratsstelle Herrn Ministerialrat Dr. Müller aus dem Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu benennen, wird unterstützt.

19.Entwurf einer Verordnung über eine einmalige Statistik der Lager und Lagerinsassen27

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, von den in der BR-Drucks. Nr. 16/1/55 zusammengefaßten Empfehlungen könne man nach Auffassung des Koordinierungsausschusses diejenigen unter Ziff. l a, b, c, 2, 4 und 5 unterstützen, dagegen nicht diejenige unter Ziff. 3.28 Der Vertreter des Staatsministeriums des Innern habe mitgeteilt, auch die Vertriebenenabteilung halte es nicht für notwendig, die vorgesehene Statistik auf die Lagerinsassen zu erstrecken, da etwa benötigte Angaben über die Lagerinsassen auch im Verwaltungswege beschafft werden könnten.

Staatsminister Stain widerspricht dieser Auffassung mit der Begründung, Bayern sei bei der Verteilung der Bundesmittel für die Lagerauflösung im vergangenen Jahr sehr schlecht weggekommen, weil von anderen Ländern z.T. unzutreffende Angaben gemacht worden seien. Der Bund habe deshalb eine genaue Erfassung der Lager und Lagerinsassen angeordnet, eine Maßnahme, die sich für Bayern sicher vorteilhaft auswirken könne.

Es genüge nicht, genaue Angaben über die Lager selbst zu geben, sondern man müsse auch über die ganze soziale Struktur, den Familienstand usw. der Insassen im Bilde sein, wofür die geplante Statistik wertvolle Dienste leisten könne.

Nach kurzer Aussprache schlägt Staatsminister Dr. Koch vor die Verordnung überhaupt abzulehnen, da eine genaue Statistik über die Lager und über ihre Insassen auch auf andere Weise beschafft werden könne.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, die Verordnung abzulehnen.29

VO über eine einmalige Statistik der Lager und Lagerinsassen vom 14. Mai 1955

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dann bekannt, der Auswärtige Ausschuß wird voraussichtlich für den 10. oder 11. März 1955 einberufen werden, es sei deshalb notwendig, noch vorher die Pariser Verträge im Ministerrat zu behandeln, wenn notwendig in einer Sondersitzung.

Es wird dann vereinbart, keine Sondersitzung anzuberaumen, sondern den nächsten Ministerrat am Dienstag, den 8. März 1955 bereits um 8 Uhr früh beginnen zu lassen.

Ministerialrat Dr. Gerner macht noch darauf aufmerksam, daß nur der sogenannte Souveränitätsvertrag zustimmungspflichtig sei.

II.Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung von Zuständigkeiten auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge31

Ministerpräsidert Dr. Hoegner erkundigt sich, ob ein endgültiges Einvernehmen zwischen den Staatsministerien des Innern und für Arbeit und soziale Fürsorge zustande gekommen sei?

Staatsminister Stain antwortet, der einzige noch bestehende Differenzpunkt sei Art. 3 Abs. 2; nach dem Entwurf sollen die Leiter der Flüchtlingsämter usw. mit Zustimmung des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge von den Regierungen, in kreisfreien Städten von den Stadträten bestellt werden.32 Sein Ministerium müsse aber darauf bestehen, daß diese Bestimmung wie folgt gefaßt werde;

„Die Leiter der Flüchtlingsämter … werden vom Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge im Benehmen mit den Regierungen, in kreisfreien Städten mit den Stadträten bestellt.“

Staatsminister Dr. Geislhöringer erwidert, zu dieser Änderung, die ihm erst heute bekannt geworden sei, könne er seine Zustimmung noch nicht erklären. Nachdem man sich über alle Punkte geeinigt habe, verstehe er nicht recht, warum im letzten Augenblick wieder ein Differenzpunkt auftauche.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet dringend, diesen Punkt bis zum nächstenmal zu klären. Außerdem habe die Staatskanzlei noch einige redaktionelle Änderungen vorgeschlagen;33 seien die beteiligten Ministerien mit diesen Anregungen einverstanden?

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, in der interministeriellen Besprechung vom 23. Februar 1955 habe das Staatsministerium der Finanzen darauf bestanden, daß die Durchführungsbestimmungen zu dem Gesetz im Einvernehmen nicht nur im Benehmen mit ihm und dem Staatsministerium des Innern zu erlassen seien.34 Über diesen Punkt sei es noch zu keiner Einigung gekommen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, die Durchführungsbestimmungen nur im Einvernehmen mit dem genannten Ministerium zu erlassen.

Der Ministerrat beschließt, den vorliegenden Gesetzentwurf – Art. 7 – entsprechend abzuändern.

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, ungeklärt sei auch noch Art. 6 des Entwurfs, wonach im Verwaltungsrat der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung und in gewissen Fällen im interministeriellen Bürgschaftsausschuß das Arbeitsministerium künftig durch zwei Mitglieder vertreten sein solle, nämlich außer durch seinen bisherigen Vertreter noch durch den Vertreter der gemäß § 21 des Bundesvertriebenengesetzes bestimmten zentralen Dienststelle;35 diese Dienststelle sei gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs ebenfalls das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge.36 Mit dieser Lösung sei das Staatsministerium der Finanzen nicht einverstanden. Materiell scheine dieser Einwand unbegründet, formell sollten jedoch nach Meinung der Staatskanzlei die beiden Vertreter nicht getrennt aufgeführt werden. Es werde deshalb vorgeschlagen, Art. 6 des Entwurfs Abs. l, 2. Abs. wie folgt beginnen zu lassen:

„Der Verwaltungsrat besteht aus je einem Vertreter der Staatsministerien der Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr, 2 Vertretern des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, je einem Vertreter der Bayer. Staatsbank …“

Art. 6 Abs. 2, 2. Abs. hätte dann entsprechend zu lauten:

„Bei Behandlung von Bürgschaften für Kredite an Flüchtlingsbetriebe ist ein weiterer simmberechtigter Vertreter des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge beizuziehen.”37

Der Ministerrat beschließt, diesen Vorschlag zu übernehmen.

Staatsminister Dr. Koch kommt dann auf Art. 4 Abs. 2 zu sprechen, der folgendermaßen laute:

„(2) Die Regierungen und die Kreisverwaltungsbehörden sind im Verfahren nach §§ 15 ff. und gemäß § 93 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. Mai 1953 (BGBl. I S. 201) befugt, eidesstattliche Erklärungen entgegenzunehmen.“

§ 93, der Bestimmungen über den Ersatz von Urkunden enthalte, sehe in Abs. 5 vor, daß die Länder die Stellen bestimmen, die zur Entgegennahme eidesstattlicher Erklärungen gemäß Abs. 2 Nr. 2 befugt seien. Er halte es für bedenklich, in dem vorliegenden Entwurf die Regierungen und die Kreisverwaltungsbehörden auch zur Entgegennahme eidesstattlicher Erklärungen in Verfahren nach § 15 ff. zu ermächtigen.38 Hier handle es sich um die höchst wichtige Feststellung, ob jemand tatsächlich die Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft besitze, oder nicht.

Staatsminister Stain entgegnet, es sei eigentlich eine Einschränkung, daß hier die Verfahren nach § 15 aufgeführt würden.

Ministerialrat Dr. Gerner bemerkt, es handle sich um Verwaltungsverfahren, die Beweismittel in einem solchen Verfahren könnten durch Landesrecht geregelt werden. Er glaube nicht, daß die Bedenken des Herrn Staatsministers Dr. Koch durchschlagend seien.

Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, Art. 4 Abs. 2 unverändert zu belassen.

Der Ministerrat beschließt gegen die Stimme des Herrn Staatsministers Dr. Koch, Art. 4 Abs. 2 nicht abzuändern.

Abschließend wird vereinbart, den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung des nächsten Ministerrats zu setzen und dann endgültig abzuschließen. Dabei wird vorausgesetzt, daß inzwischen eine Einigung zwischen den Staatsministerien des Innern und für Arbeit und soziale Fürsorge hinsichtlich Art. 3 Abs. 2 zustandekommen wird.39

Gesetz zur Überleitung von Zuständigkeiten auf das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge vom 4. Mai 1955

III.Haushaltsaufstellung 195540

Dieser Punkt der Tagesordnung wird nicht besprochen und daher auch kein Beschluß über die Zuleitung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes an Landtag und Senat gefaßt.41

Nachträglich wird jedoch durch den Herrn Ministerpräsidenten in einer Vormerkung vom 2. März 1955 folgendes festgestellt:

„I. Vormerkung.

Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt auf Anfrage telefonisch mit, daß der Staatshaushalt nach seiner Rücksprache mit dem Finanzminister nunmehr dem Landtag vorgelegt werden kann. Die auf Antrag des Innenministeriums vorgesehene außerordentliche Ministerratssitzung vom 3. März 1955 entfällt im Einverständnis des Staatsministers des Innern.

II. Z.Akt.

München, den 2. März 1955 gez. Dr. Wilhelm Hoogner

Bayerischer Ministerpräsident.“42

Infolgedessen sind die im Ministerrat vom 21. Februar 1955 vereinbarten Voraussetzungen erfüllt und der Entwurf des Haushaltsgesetzes kann ohne nochmalige Behandlung im Ministerrat dem Landtag und dem Senat zugeleitet werden.43

IV.Staatsmittel für das Grenzlandprogramm44

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt in diesem Zusammenhang bekannt, fünf Mitglieder des Grenzland-Ausschusses des Bayer. Landtags seien gestern unter der Führung des Ausschußvorsitzenden, Herrn Abg. Freundl, bei ihm gewesen mit der Bitte, die für das Grenzland-Programm vorgesehenen 10 Mio DM in den ordentlichen Haushalt zu übernehmen, nachdem sie bisher im ao. Haushalt aufgeführt gewesen seien.

Staatsminister Zietsch erklärt zunächst, es sei ihm unverständlich, daß der Ausschuß hier einen Wunsch vorbringe, der eigentlich Sache des Haushaltsausschusses sei.

Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist demgegenüber auf die Bedeutung des Ausschusses und die Zustimmung, die seine Arbeit in der Öffentlichkeit finde.

Die Mitglieder des Ausschusses meinten, wenn die Mittel im ao. Haushalt seien, werde es mit der Verteilung bis zum Herbst dauern, während bei der Aufnahme in den o. Haushalt sofort mit der Verteilung begonnen werden könne.

Staatsminister Zietsch bestreitet dies und stellt fest, der ao. Haushalt werde genau so erfüllt, wie er hier beschlossen werde. Gerade um das Grenzland-Programm zu sichern, sei es in den ao. Haushalt aufgenommen worden, weil es auf diese Weise durch die Aufnahme von Darlehen usw. sofort finanziert werden könne. Lediglich ein Betrag von 300 000 DM für Zinszuschüsse stehe im o. Haushalt; insgesamt wurden also 10,3 Mio DM für Grenzland-Hilfe aufgewendet.

Er halte es für notwendig, einige grundsätzliche Bemerkungen über das Grenzland-Programm, für das eigentlich das Wirtschaftsministerium die Federführung habe, zu machen:

Das Programm sei im Jahre 1954 aus der Überlegung entstanden, daß Bayern zu den vom Bund gegebenen Mitteln noch zusätzlich etwas tun müsse. In diesem Zusammenhang sei es zu sehen und zu verstehen. An sich handle es sich ja um Kriegsfolgelasten, also um Aufgaben, die der Bund erfüllen müsse, der Bayerische Staat habe sich aber auch selbst beteiligen wollen.

Bei den bayerischen Mitteln drehe es sich darum, das Bundesprogramm entsprechend zu ergänzen. Durch dieses sei schon bisher Erhebliches geleistet worden. Für Bayern ergeben sich für das Jahr 1954 und in gleicher Weise auch für 1955 folgende Beträge:

Frachthilfen

Vorhaben der Energiewirtschaft

Sonderprogramm

für landwirtschaftl. Betriebe

Vorhaben des Handwerks, Fremdenverkehrs und Verkehrs usw.

Rationalisierungsmaßnahmen

Straßenbauvorhaben

Berufsausbildung usw.

12,8 Mio DM, (in der Form von

Frachtzuschüssen),

2

1,1

0,2

4,8

(Zuschüsse),

(Zuschüsse und Darlehen)

(Zuschüsse),

(Zuschüsse und Darlehen) ,

(Zuschüsse und Kapitalmarktdarlehen),

(Zuschüsse und Darlehen),

Von den insgesamt 27,9 Mio DM entfielen etwa 26,7 Mio DM auf Zuschüsse. Das Bundesgrenzlandprogramm, dessen Vorplanung jetzt abgeschlossen sei, werde sich im Jahre 1955 erst voll auswirken.45 Nachdem für dieses Jahr mit den gleichen Mitteln wie für 1954 gerechnet werden könne, werde das Programm rasch und wirksam abgewickelt werden können. Außerdem stünden noch aus dem Bundessanierungsprogramm 1954 8,6 Mio DM und zwar 3,3 Mio DM für Zuschüsse und 5,3 Mio DM für Darlehen zur Verfügung; auch hier sei für 1955 mit den gleichen Beträgen zu rechnen. Schließlich verweise er noch auf die Frachtrückerstattungen in Höhe von 3 Mio DM seitens des Bundes und 1 Mio DM seitens des Landes Bayern.

Die Bayerische Staatsregierung hat nun versucht, die Mittel des Bundes um 10 Mio DM Landesmittel zu erhöhen, er bitte dringend, diesen Betrag im ao. Haushalt zu belassen, um die Maßnahmen sichern zu können. Die Befürchtung, daß dann erst im Herbst begonnen werden könne, sei völlig unbegründet, zumal noch ein erheblicher Überhang aus den vergangenen Jahren vorhanden sei, nachdem – wie gesagt – das Programm erst im Jahre 1954 angelaufen sei.

Staatsminister Bezold betont, die Grenzlandhilfe sei in erster Linie eine politische Frage, die man nicht nur sachlich und fiskalisch betrachten könne. Aber auch sachlich gesehen, scheine ihm der Einwand des Ausschusses, der auch von seinem Ministerium geteilt werde, beachtlich zu sein, daß nämlich wenigstens ein Teil der Mittel in den o. Haushalt kommen müsse, weil dringende kommunale und kulturpolitische Aufgaben mit Zuschüssen durchgeführt werden könnten. Bekanntlich sei die Finanzkraft der Gemeinden und Landkreise in Nordost-Bayern schon jetzt bis zum äußersten angespannt, sie würden auch die staatsaufsichtliche Genehmigung für die Aufnahme weiterer Darlehen nicht mehr erhalten.

Jenseits der sachlichen Entscheidung komme nun der politische Gesichtspunkt in Frage, hier glaube er, es sei außerordentlich gut, wenn wenigstens ein Teil der 10 Mio DM, z.B. 3 oder 4 Mio DM, in den o. Haushalt herübergenommen würden. Jede Million, die im o. Haushalt als Grenzlandhilfe erscheine, werde sich politisch günstig auswirken, weil sie Hoffnung und Beruhigung schaffe. Im übrigen sei es schon ein erheblicher Unterschied, ob Darlehen oder Zuschüsse gegeben würden.

Staatsminister Zietsch entgegnet, man könne auch sagen:

Darlehen erziehen, Geschenke verderben!

Mit dem Zuschuß-System seien leider auch unnötige Maßnahmen gefördert worden, so daß er empfehle, nicht mehr in dieser Weise so zu verfahren.

Entscheidend sei aber, daß er nicht wisse, wo er die Deckung noch finden könne, wenn die 10 Mio DM ganz oder auch nur zu einem geringen Teil in den o. Haushalt übernommen würden.

Im ao. Haushalt habe er – wie gesagt – die Möglichkeit, diesen Betrag zu finanzieren. Der Bund gebe ja zu 85% Zuschüsse, so daß die Ergänzung von bayerischer Seite durch Darlehen ausreiche.

Staatsminister Bezold befürchtet, daß von der Opposition erklärt werde, die Bundesregierung, also die CSU/CDU gebe Zuschüsse, während sich die bayerische Koalitionsregierung auf Darlehen beschränke. Er bitte den Antrag stellen zu dürfen, daß wenigstens 2 Mio DM in den o. Haushalt aufgenommen würden.

Staatsminister Zietsch erwidert, auch für diesen Betrag sei keine Deckung zu finden, er wiederhole nochmals, daß es sich bei dem bayerischen Grenzlandhilfen-Programm um die Ergänzung des Bundesprogramms handle, das überwiegend in Zuschüssen bestehe; die bayerische Ergänzung als Darlehensmöglichkeit komme gerade recht.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich dagegen Staatsminister Bezold an und empfiehlt, wenigstens 2 Mio DM in den o. Haushalt zu nehmen, wahrend Staatsminister Zietsch darauf beharrt, daß er keinen Ausweg finden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt daher vor, heute keine Entscheidung zu treffen. Er ersuche aber Herrn Staatsminister Zietsch, die Vertreter des Grenzland-Ausschusses zu empfangen und ihnen zu erklären, warum das Finanzministerium nicht in der Lage sei, ihren Wunsch zu erfüllen.

Staatsminister Zietsch erklärt sich dazu bereit und stellt fest, er werde noch ein übriges tun, nämlich mit den Referenten seines Ministeriums besprechen, ob nicht doch noch eine Möglichkeit, 2 Mio DM in den o. Haushalt zu übernehmen, gefunden werden könne.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht abschließend Herrn Staatsminister Zietsch, den Ministerrat in der nächsten Sitzung über das Ergebnis zu unterrichten.46

Grenzlandhilfe

V.Zuschuß aus EPl. 06 an den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern

Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt auf die Note des Herrn Staatsministers der Finanzen vom 14. Februar 1955 zu sprechen, in der ausgeführt werde, es sei nicht möglich, dem Antrag des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern auf Erhöhung des Zuschusses zu entsprechen.47 Er verweise dabei auf die Ministerratsbeschlüsse vom 12. Mai und 16. März 195348 und die vom Landtag nach § 13 RHO endgültig festgesetzte Gesamthöhe und Verteilung der einmaligen Zuschüsse.49

Der Ministerrat beschließt, dem vom Herrn Staatsminister der Finanzen vertretenen Standpunkt beizupflichten.

VI.Wiederaufbau der evangelischen St. Matthäuskirche in München, hier: Festsetzung des endgültigen Staatszuschusses50

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Staatsminister Rucker habe mit Note vom 17. Februar 1955 einen Antrag des Ministerrats angekündigt, den bereits bewilligten Betrag von 1,321 Mio DM für den Wiederaufbau der Matthäuskirche in München um 1 Mio DM zu erhöhen; davon sollten 500 000 DM im Haushaltsjahr 1955, der Rest im Haushaltsjahr 1956 fällig sein.

Staatsminister Zietsch gibt dann einen Überblick über die bisherigen Verhandlungen hinsichtlich des Staatszuschusses für den Wiederaufbau der Kirche, was jetzt gewünscht werde, sei, daß der Staat die gesamten Baukosten in Höhe von 2,3 Mio DM übernehme.

Staatsminister Rucker führt aus, die Oberste Baubehörde habe festgestellt, daß die Kosten nicht überhöht seien und der umbaute Raum der Kirche etwas kleiner als bei der alten Kirche sei. Er halte es nicht für unbillig, der evangelischen Kirche, die zumindest einen moralischen Wiedergutmachungsanspruch habe, etwas gleichwertiges zurückzugeben. Man könne nicht bestreiten, daß die alte Matthäuskirche durch einen Gewaltakt zerstört worden sei.

Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert Staatsminister Zietsch, der Betrag von 500 000 DM sei in den Haushalt 1955 aufgenommen worden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich den Ausführungen des Herrn Staatsministers Rucker an und betont die moralische Wiedergutmachungspflicht des Staates. Im Hinblick darauf spreche er sich für einen endgültigen Staatszuschuß von 2,3 Mio DM aus, zumal für 1955 ja keine Mehrbelastung entstehen werde.

Der Ministerrat beschließt einstimmig, den Staatszuschuß um 1 Mio DM zu erhöhen.

Staatsminister Rucker fügt hinzu, er könne die formelle Erklärung abgeben, daß seitens der evangelischen Landeskirche keine weiteren Forderungen mehr geltend gemacht werden.51

Matthäuskirche

VII.Behandlung von Gesetzentwürfen durch die Staatsministerien, den Ministerrat und die gesetzgebenden Körperschaften

Ministerpräsident Dr. Hoegner macht auf § 9 der Geschäftsordnung für die Bayerische Staatsregierung vom 1. August 1952 aufmerksam,52 wonach grundsätzlich Entwürfe zu Gesetzen und Verordnungen erst dann auf die Tagesordnung einer Sitzung des Ministerrats gesetzt werden sollen, wenn alle beteiligten Staatsministerien ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt haben und bei gegensätzlicher Auffassung verschiedener Geschäftsbereiche eine Einigung in Einzelbesprechungen zwischen diesen nicht zustande gekommen ist.

In der letzten Zeit sei es wiederholt vorgekommen, daß nicht entsprechend vorbereitete Gesetzentwürfe vorgelegt worden seien. Er bitte, in Zukunft dieser Bestimmung der Geschäftsordnung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Staatsminister Bezold ersucht in diesem Zusammenhang, die angeschriebenen Ministerien möchten möglichst bald ihre Stellungnahme zur Frage der Übertragung der Energieaufsicht abgeben,53 da diese Sache abgeschlossen werden müsse. Soviel ihm bekannt sei, fehlten noch die Äußerungen des Staatsministeriums des Innern und des Staatsministeriums der Finanzen.

Staatsminister Dr. Geislhöringer schlägt vor, die Behandlung dieses Punktes bis zur nächsten Ministerratssitzung zurückzustellen, die Stellungnahme seines Ministeriums werde dann vorliegen. Der Ministerrat vereinbart, diesen Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Ministerratssitzung zu setzen.54

VIII.Freigabe von Grundstücken der Saline in Rosenheim55

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben des Herrn Bürgermeisters Sebald (MdL) von Rosenheim vom 15. Februar 1955, das auch von den Herren Abg. Dr. Hundhammer, Georg Lipp und Hans Utz unterzeichnet sei.56 Darin werde gebeten, daß die Staatsregierung als alleiniger Aktionär der Bayer. Berg-, Hütten- und Salzwerke AG auf den Vorstand der BHS dahin einwirke, die von der Stadt Rosenheim dringend benötigten Grundstücke ganz oder wenigstens zum Teil im Wege des Vorkaufs oder der Erbpacht abzugeben.

Er frage den Herrn Finanzminister, ob diese Angelegenheit heute besprochen werden könne.

Staatsminister Zietsch bejaht diese Frage und stellt fest, das Finanzministerium habe die Sache sehr lange und sorgfältig überlegt. Es wurde nun so dargestellt, als ob der Firma Wallner, für die sich die Herren Abgeordneten jetzt einsetzten, jede Entwicklungsmöglichkeit versagt werde; dies sei aber keinesfalls der Fall.57 Die Verhältnisse lägen vielmehr so, daß die Firma versuche, bei baureifem Gelände im Innern der Stadt Rosenheim, das der BHS gehöre, ein bestimmtes Grundstück zu bekommen, um dort verschiedene Gebäude zu errichten. Man habe der Firma aber ein ebenso geeignetes Grundstück an einer anderen Stelle angeboten.58

Vor einiger Zeit sei nun behauptet worden, die Firma Wallner verliere die Volkswagenvertretung, wenn sie nicht unverzüglich baue.59 Offenbar verfolge sie aber jetzt das Ziel, mit dem Grundstück Spekulationsgeschäfte zu machen; das ganze Gelände sei nämlich außerordentlich günstig als Baugelände gelegen.

Das Finanzministerium und die BHS lasse sich nur von dem Gedanken leiten, die Entwicklung der Stadt Rosenheim zu fördern.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, der Aufsichtsrat der BHS habe sich zweimal eingehend mit diesem Fall beschäftigt.60 Die Stadt Rosenheim habe einen Wirtschaftsplan aufgestellt und ihre gesamten Ausdehnungsbedürfnisse auf diesen neuen Plan zugeschnitten. Sie habe auch der Auffassung des Aufsichtsrats zugestimmt und selbst erklärt, wenn die Saline aufgelöst werde, handle es sich hier um ein ideales Baugelände für die Stadt. Es sei unerklärlich, wie nun neuerdings auch von Herrn Bürgermeister Sebald die Interessen der Firma Wallner vertreten würden.

Staatssekretär Dr. Panholzer erklärt, die ganze Fläche sei landwirtschaftlich eingereiht, habe also einen sehr geringen Buchwert, so daß sie praktisch umsonst hätte abgegeben werden müssen. Der Gedanke, daß Bauspekulationen beabsichtigt seien, liege auf der Hand. Soviel ihm bekannt sei, sei übrigens auch Herr Wallner mit einer anderen Lösung einverstanden.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, den Antrag des Herrn Bürgermeisters Sebald und der übrigen Herren Landtagsabgeordneten abzulehnen.61

IX.10-Jahresfeier der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau62

Staatssekretär Dr. Panholzer unterrichtet das Kabinett über die Verhandlungen mit dem Landesrat für Freiheit und Recht,63 der die Bayerische Staatsregierung bekanntlich um einen Zuschuß zu der 10-Jahrsfeier in Dachau gebeten habe. Er schlage heute vor, den Zuschuß auf 15 000 DM zu beschränken; wenn dieser Betrag nicht ausreiche, könne er vielleicht nachträglich noch etwas erhöht werden. An sich habe die Staatsregierung dann mit der weiteren Vorbereitung der Veranstaltung nichts mehr zu tun.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich dann, wie es mit dem für Mai angekündigten Besuch des französischen Komitees ehemaliger Konzentrationslager-Gefangener stehe.

Staatssekretär Dr. Panholzer erwidert, er werde jetzt den an den Herrn Ministerpräsidenten gerichteten Brief dieses Komitees vom 19. Februar 1955 beantworten und empfehlen, sich an den allgemeinen Feierlichkeiten Ende April zu beteiligen.

Mit Zustimmung des Kabinetts stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner abschließend fest, daß insgesamt kein höherer Betrag als 15 000 DM zur Verfügung gestellt werden könne.64

XI.Institut für Holzforschung66

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Professor Dr. Kollmann habe bei einem Besuch dringend gebeten, die dem Institut für Holzforschung und Holztechnik zugesprochenen Arbeitsräume in der Winzererstraße 43 sobald als möglich, mindestens zum 1. April 1955, freizumachen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Instituts sei er der Meinung, daß dieser Wunsch erfüllt werden müsse.

Staatsminister Rucker bestätigt, daß Professor Dr. Kollmann der bedeutendste Holzfachmann Deutschlands sei und jetzt unbedingt die notwendigen Arbeitsräume und Werkstätten dem Institut zur Verfügung gestellt worden müßten. Ein anderer Ausweg als die Amtsräume in der Winzererstraße 43 sei nicht zu finden. Ein Neubau komme nicht in Frage, da es sich nur um ein Provisorium handle, nachdem beabsichtigt sei, das Institut im Laufe der Zeit näher an die Universität heranzubringen.

Staatssekretär Vetter ersucht, auch diese Angelegenheit bis zur nächsten Kabinettssitzung zurückzustellen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.67

Institut für Holzforschung

XII.Personalangelegenheiten

Versorgung ehem. Mitglieder 1. Ruhegehaltsbezüge des Staatssekretärs a.D. Wolfgang Jaenicke

Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der frühere Staatssekretär Jaenicke, der jetzt Botschafter am Vatikan sei, durch Beschluß des Ministerrats nach seinem Ausscheiden aus der Regierung Ruhegehalt in Höhe von 54% der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge erhalten habe. Herr Jaenicke habe sich von Anfang an mit dieser Regelung nicht einverstanden erklärt und schließlich eine Anfechtungsklage beim Verwaltungsgerichtshof angestrengt. Er behaupte, sein Ruhegehalt als früherer Regierungspräsident in Preußen sei ebenso hoch wie sein Ruhegehalt als Staatssekretär, so daß er praktisch in Bayern umsonst gearbeitet habe.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß die Anfechtungsklage in keiner Weise begründet sei und bittet, die Sache um eine Woche zurückzustellen. Im nächsten Ministerrat am 8. März 1955 werde er das Kabinett unterrichten.68

2. Ernennung der Regierungsdirektoren Dr. Ludwig Illig und Dr. Walther Schmelz vom Staatsministerium des Innern zu Ministerialräten

Versorgung ehem. Mitglieder

Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet, diese beiden Vorschläge des Staatsministeriums des Innern seien zwar erst gestern eingelaufen, vielleicht könnten sie aber doch heute schon behandelt werden, da Bedenken wohl nicht bestünden.

Staatsminister Zietsch erwidert, die Vorschläge seien ihm noch nicht bekannt, er bitte um Zurückstellung bis 8. März 1955.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden.69

3. Vertretung des Landes Bayern in den Verwaltungsräten der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank70

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schlägt mit Schreiben vom 14. Februar 1955 vor, im Bundesrat zu beantragen, daß anstelle des Herrn Staatsministers a.D. Dr. Schlögl der Leiter der Obersten Siedlungsbehörde, Herr Regierungsdirektor Dr. Engelhardt, als Mitglied der Verwaltungsräte der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank benannt werde. Allerdings müsse er fragen, ob ein formeller Rücktritt des Herrn Staatsministers Dr. Schlögl notwendig sei?

Ministerialrat Dr. Gerner verneint diese Frage, worauf beschlossen wird, den Antrag auf Ernennung des Herrn Regierungsdirektors Dr. Engelhardt zu stellen.71

XIII.Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts München I gegen Georg Wittmann wegen Verunglimpfung der Staatsregierung und übler Nachrede72

Staatsminister Dr. Koch führt aus, der Oberstaatsanwalt München I habe gegen Georg Wittmann ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil dieser in einer von der KPD zur Landtagswahl vom 28. November 1954 herausgegebenen Broschüre beleidigende Vorwürfe gegen Minister, Abgeordnete usw. ungefähr sämtlicher Parteien erhoben habe. Es handle sich nun darum, ob wegen dieser Beleidigungen die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 57 StGB erteilt und ein Strafantrag gestellt werden solle.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt mit Zustimmung des Herrn Staatsministers Dr. Koch vor, die Ermächtigung zu erteilen, dagegen keinen Strafantrag zu stellen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

XIV.Verlegung des Finanzamts Lichtenberg/OFr.73

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Herr Präsident des Bayer. Landtags habe ihm am 24. Februar 1955 eine Beschwerde des Stadtrats Lichtenberg übermittelt, in der behauptet werde, entgegen dem Landtagsbeschluß vom 29. April 1954 sei der Stadt für das nach Naila verlegte Finanzamt noch kein Ersatz gegeben worden. Der Herr Präsident bitte um Rückäußerung mit den Hinweis, daß er vorerst die Beschwerde noch nicht dem Eingaben- und Beschwerdeausschuß zugeleitet habe.74

Staatsminister Zietsch erwidert, er werde die Anfrage des Herrn Landtagspräsidenten unmittelbar beantworten.75

XV.Bundesbahnprogramm

Staatsminister Stain erkundigt sich, ob das sogenannte Bundesbahnprogramm bereits angelaufen sei.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erinnert daran, daß er bei der Besprechung des Staatshaushalts am 21. Februar 1955 mitgeteilt habe, die künftigen Refinanzierungen würden über die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung vorgenommen worden.

Durch das Ausscheiden des Herrn Direktors Götz sehe sich nun die Landesanstalt nicht mehr in der Lage, die eingeleiteten Kreditbeschaffungsmaßnahmen zu gewährleisten, die zur Sicherung der Mittel für die Vorfinanzierung der Aufträge der Bundesbahn bestimmt seien. Das gleiche gelte für die Mitwirkung der Landesanstalt bei der Mittelbeschaffung für die Transaktion M.A.N./BMW.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß unter diesen Umständen das Finanzministerium für die Mittelbeschaffung eintreten werde; es werde sich ein Ausweg finden lassen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet dringend, diese Angelegenheit zu klären.

XVI.Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen und Organisationen76

Staatsminister Dr. Geislhöringer stellt fest, daß das Innenministerium zur Zeit keine Rechtsgrundlage für ein Vorgehen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen und verbotene Organisationen habe. Er benötige auf Grund des Art. 70 des Polizeiaufgabengesetzes noch einen Beschluß des Ministerrats.

Ministerpräsident Dr. Hoegner halt dagegen einen neuen Beschluß nicht für erforderlich und vertritt die Auffassung, daß diese Organisationen nach wie vor verboten seien.

Wenn noch Zweifelsfragen bestünden, so empfehle er, diese in Verbindung mit dem Staatsministerium der Justiz zu klären.

Der Ministerrat beschließt demgemäß.77

XVII.Zusätzliche Räume für die Justizverwaltung in dem Neubau auf dem ehemaligen Herzog-Max-Burg-Gelände78

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Bayer. Anwaltverbands vom 21. Februar 1955 bekannt, in dem die Notwendigkeit, weitere Räume für die Justizverwaltung in diesem Neubau zu beschaffen, dargelegt werde.79

Staatsminister Dr. Koch antwortet, auch das Staatsministerium der Justiz habe natürlich großes Interesse daran, in diesem Neubau weitere 10 000 qm zu erhalten, um die Justizbehörden mehr wie bisher zusammenzufassem. Möglicherweise werde die Firma Fries Schwierigkeiten haben, alle Räume in dem Neubau zu vermieten, was dem Justizministerium dann zustatten kommen könne.80 Vielleicht sei es zweckmäßig, diese Frage mit dem Staatsministerium der Finanzen zu besprechen.

Staatsminister Zietsch meint, wenn das Justizministerium Mittel aufbringe, um die Miete für weitere Räume entrichten zu können, werde das Finanzministerium den einmaligen Bauzuschuß aus Einzelpl. XIII übernehmen.

Staatsminister Dr. Koch hält eine persönliche Besprechung über diese Frage mit Herrn Staatsminister Zietsch für zweckmäßig und weist noch darauf hin, daß verschiedene andere von der Justiz besetzte Gebäude freigegeben werden könnten, wenn die Zusammenfassung in der Herzog-Max-Burg gelinge.

Staatssekretär Vetter meldet daraufhin Ansprüche des Staatsministeriums des Innern auf das Gerichtsgebäude in der Au an.81

Es wird, vereinbart, daß die Angelegenheit zwischen Herrn Staatsminister Dr. Koch und Herrn Staatsminister Zietsch besprochen wird.82

XVIII.Personalabbau in den Versorgungsämtern

Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf eine Entschließung des Verbandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner (VdK), in der dagegen Stellung genommen werde, daß das Bundesfinanzministerium die Bereitstellung der Haushaltsmittel für 170 Vertragsangestellte der bayerischen Versorgungsämter ab 1. April 1955 verweigere.

Staatsminister Stain erwidert, diese Angelegenheit werde vom Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge behandelt, sie brauche wohl im Ministerrat nicht erörtert werden.

XIX.Maxhütte AG83

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich nach den Stand der Verhandlungen über die Veräußerung der Staatsbeteiligung an der Maxhütte. In den letzten Tagen seien wieder angeblich aus den Staatsministerium der Finanzen stammende Mitteilungen erschienen, die nicht gerade glücklich gewesen seien.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß das Staatsministerium der Finanzen mit diesen Presseerklärungen, die noch dazu unrichtig seien, nichts zu tun habe. Es fänden laufend Besprechungen statt, wahrscheinlich würden die Vertreter des Staatsministeriums der Finanzen in etwa 14 Tagen wieder mit Herrn Flick zusammentreffen.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.84

XX.Errichtung einer neuen Zuckerfabrik in Bayern85

Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, ob es zutreffe, daß die Errichtung einer neuen Zuckerfabrik in Bayern bereits feststehe.86

Staatssekretär Stain antwortet, es sei ihm davon noch nichts bekannt.87

XXI.Veranstaltungen

a) Chirurgen-Kongreß in München am 13. April 195588

Ministerpräsident Dr. Hoegner übergibt die Einladung zu diesem Kongreß Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer, der sich bereit erklärt, die Staatsregierung zu vertreten.

b) Deutscher Städtetag 10./11. Juni 1955 in Frankfurt89

Auch dieser Einladung wird Herr Staatsninister Dr. Geislhöringer Folge leisten.

c) Deutscher Ausschuß für Erziehungs- und Bildungswesen90

Es wird vereinbart, daß an der Tagung dieses Ausschusses die Herren Staatssekretäre Dr. Haas und Dr. Meinzolt teilnehmen.

d) Niederbayerntag 195591

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht Herrn Staatsminister Rucker, sich als Mitglied des Rundfunkrats darum zu bemühen, daß der Bayerische Rundfunk entgegen einer Ablehnung im Spendenausschuß doch den von den Veranstaltern des Niederbayerntags 1955 beantragten Zuschuß von 1500 DM bewillige.

Er selbst habe die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung übernommen und aus seinen Verfügungsmitteln einen Zuschuß gegeben.

Staatsminister Rucker antwortet, nachdem es sich um einen Antrag für einen Zuschuß von mehr als 1000 DM handle, werde er jedenfalls in den Rundfunkrat kommen; er werde sich gerne dafür einsetzen, daß der Zuschuß bewilligt werde.

e) Hauptversammlung des Landesverbands der Pfälzer im rechtsrheinischen Bayern92

Der Ministerrat beschließt, daß die Vertretung der Bayerischen Staatsregierung bei dieser Veranstaltung durch Herrn Staatssekretär Dr. Haas übernommen wird.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, er selbst werde wahrscheinlich auch noch – wenn auch etwas später – zu der Veranstaltung kommen.

XXII.Richtlinien für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Staatssekretär Dr. Guthsmuths nimmt Bezug auf die Note des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 11. Januar 1955 in dieser Angelegenheit und auf deren Besprechung im Ministerrat vom 18. Januar 1955. In der Zwischenzeit sei die vom Kabinett noch gewünschte Verständigung mit dem Staatsministerium der Finanzen erfolgt und am 21. Februar 1955 völlige Übereinstimmung erzielt worden. Er bitte deshalb nochmals, die Richtlinien in Form einer Bekanntmachung der Bayer. Staatskanzlei durch den Herrn Ministerpräsidenten ausfertigen und im Staatsanzeiger veröffentlichen zu lassen.

Der Ministerrat sich damit einverstanden.

Zun Schluß der Sitzung wird beschlossen, in der Ministerratssitzung vom 8. März 1955 noch folgenden Punkt zu behandeln:

Entwurf einer Zweiten Verordnung über den Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes.93

Staatsminister Dr. Koch teilt noch mit, im Fall Schörner haben sich bisher noch keine stichhaltigen Grande für strafbare Handlungen Schörners herausgestellt.94 Der Generalstaatsanwalt meine aber, es lägen Gründe für ein Dienststrafverfahren vor.

Außerdem könne er bekannt geben, daß die Anklageschrift gegen die Gräfin Wrbna-Kaunitz der Strafkammer zugegangen sei.95

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär