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Nr. 12Außerordentliche Ministerratssitzung9. Februar 1955 Beginn: 17 Uhr 30 Ende: 18 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Arbeitsminister Stain.

Tagesordnung:

I. Note der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland zum Initiativgesetzentwurf über die Ausbildung für das Lehramt an bayerischen Volksschulen

I.Note der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland zum Initiativgesetzentwurf über die Ausbildung für das Lehramt an bayerischen Volksschulen1

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, diese außerordentliche Kabinettssitzung sei durch den Eingang einer Note der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland vom 7. Februar 1955 notwendig geworden. Der Text der Note laute wie folgt:

„Apostolische Nuntiatur in Deutschland

Nr. 8475/XIII

Note

Der Bayerische Landtagsdienst Nr. 96 vom 28. Januar 1955 veröffentlicht den Text eines Initiativgesetzentwurfes über die Ausbildung für das Lehramt an Volksschulen, den die Fraktionen der Koalitionsparteien des Bayerischen Landtages eingebracht haben.

Schon die vorausgegangene Regierungserklärung der neuen Bayerischen Staatsregierung hatte bei der Ankündigung ihres kulturpolitischen Programms eindeutig den Willen zur Einhaltung der konkordatären Verpflichtungen kundgetan. Auch die Einbringer des Gesetzentwurfes haben dies von neuem versichert.

Wenn auch diese verbindlichen Erklärungen zur Vertragstreue die Apostolische Nuntiatur mit Genugtuung erfüllt haben, so ist sie leider gezwungen, die Bayerische Staatsregierung als Vertragspartner darauf aufmerksam zu machen, daß der Entwurf nicht mit den Bestimmungen des Bayerischen Konkordats, insbesondere mit Art. 5 § 1–3, in Einklang steht.2

Die Apostolische Nuntiatur möchte die Bayerische Staatsregierung über die Erwartung des Hl. Stuhles nicht im unklaren lassen, daß die völkerrechtlichen Vereinbarungen bei der Regelung der Lehrerbildung in Bayern eine dem Wortlaut und dem Sinne nach entsprechende Berücksichtigung von seiten der hohen Gesetzgebungskörperschaften des Freistaates Bayern erfahren.

Da es sich im vorliegenden Falle um einen Initiativantrag von Landtagsparteien handelt, wird die Bayerische Staatsregierung gebeten, vorsorglich alle geeigneten Schritte zu unternehmen, damit das hohe Haus rechtzeitig von der Auffassung des Hl. Stuhles Kenntnis erhält. Es wird den Abgeordneten im Bayerischen Landtag von Bedeutung sein, die Stellungnahme des Hl. Stuhles zu kennen, bevor sie sich auf bestimmte Formulierungen in einer wesentlichen Frage der Lehrerbildung festlegen.

Die Apostolische Nuntiatur benutzt diese Gelegenheit, der Bayerischen Staatsregierung den Ausdruck ihrer vorzüglichen Hochachtung zu übermitteln.

Bad Godesberg, 7. Februar 1955.”

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß er als Ministerpräsident im Namen der Bayerischen Staatsregierung folgende Antwort erteile:3

„Nach Eingang der Note Nr. 8475/XIII hat die Bayerische Staatsregierung in einer außerordentlichen Sitzung sofort Stellung genommen. Eine Abschrift der Note wurde dem Herrn Landtagspräsidenten zur Bekanntgabe an die Mitglieder des Bayerischen Landtags übermittelt.

Wie in der Note bereits zum Ausdruck kommt, handelt es sich um einen Initiativgesetzentwurf über die Ausbildung für das Lehramt an bayerischen Volksschulen. Die Bayerische Staatsregierung wird sich eine abschließende Meinung über den Gesetzentwurf erst bilden können, wenn endgültige Beschlüsse des Bayerischen Landtags vorliegen.

Sollten sich dann Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bayerischen Staat und dem Hl. Stuhl herausstellen, wird die Bayerische Staatsregierung den in Art. 15 des Konkordats vorgezeichneten Weg beschreiten."4

Der Ministerrat beschließt einstimmig, diesem Vorschlag zuzustimmen.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, außerdem sei es notwendig, durch das Presse- und Informationsamt eine Presseerklärung abzugeben, die folgenden Wortlaut tragen könne:

„Die Apostolische Nuntiatur in Deutschland hat der Bayerischen Staatsregierung mit Note vom 7. Februar 1955 mitgeteilt, daß der Entwurf eines Gesetzes über die Ausbildung für das Lehramt an Volksschulen nicht mit den Bestimmungen das bayerischen Konkordats, insbesondere mit Art. 5 § 1–3 in Einklang steht. Weiter wurde die Bayerische Staatsregierung gebeten, den Bayerischen Landtag rechtzeitig von der Auffassung des HI. Stuhles in Kenntnis zu setzen.

Der Bayerische Ministerrat hat die Note noch am gleichen Tag ihres Eingangs behandelt und beschlossen, eine Abschrift sofort dem Präsidenten des Bayerischen Landtags zuzuleiten.

Er hat ferner beschlossen, der Apostolischen Nuntiatur mitzuteilen, daß die Bayerische Staatsregierung zu dem Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes abschließend erst Stellung nahmen kann, wenn endgültige Beschlüsse des Bayerischen Landtags vorliegen. Sollten sich dann Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bayerischen Staat und dem Hl. Stuhl herausstellen, wird die Bayerische Staatsregierung gemäß Art. 15 des Konkordats zusammen mit dem Hl. Stuhl eine freundschaftliche Lösung herbeizuführen versuchen.“

Staatsminister Rucker empfiehlt, im zweiten Absatz der Presseerklärung das Wort „abschließend“ zu streichen, nachdem die Staatsregierung zunächst überhaupt noch nicht Stellung nehmen könne.

Der Ministerrat beschließt, die Presseerklärung in der von Herrn Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Form herauszugeben und das Wort „abschließend“ aber zu streichen.

Staatsminister Dr. Baumgartner drückt seine Verwunderung5 darüber aus, daß die Apostolische Nuntiatur schon in einem so frühen Zeitpunkt ihrerseits Schritte unternommen habe, gleichzeitig freue es ihn aber auch, daß dadurch der Herr Ministerpräsident Gelegenheit habe, sofort zu antworten und die Meinung der Staatsregierung auszudrücken.

Ministerpräident Dr. Hoegner fährt dann fort, einen Abdruck der Note der Nuntiatur, sowie einen Abdruck seines Antwortschreibens werde er auch dem Herrn Landtagspräsidenten zuleiten. Er beabsichtige, folgendes zu schreiben:

„In der Anlage erlaube ich mir, eine Note der Apostolischen Nuntiatur in Deutschland mit der Bitte zu übermitteln, ihren Inhalt den Abgeordneten des Bayerischen Landtags in üblicher Form bekannt zu machen.

Der Ministerrat hat sich in einer außerordentlichen Sitzung mit der Note beschäftigt und sie mit der ebenfalls in Abschrift beigefügten Note beantwortet.“

Der Ministerrat erklärt sich auch mit dem Wortlaut dieses Schreibens einverstanden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet dann Herrn Staatsminister Rucker, eine Antwort auf eine evtl. Anfrage der Opposition im Bayer. Landtag auszuarbeiten.

Staatsminister Rucker verliest daraufhin eine von ihm bereits formulierte vorläufige Antwort.

Anschließend ergibt sich eine längere Aussprache über den Text der Antwort.

Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, etwa folgendes zu sagen:

„Die Staatsregierung sieht in dem Initiativgesetzentwurf eine brauchbare Grundlage für ein Lehrerbildungsgesetz.“6

Er halte das für ausreichend, da man sich davor hüten müsse, entweder zu viel oder zu wenig zu sagen.

Staatsminister Dr. Baumgartner dagegen spricht sich dafür aus, folgende Fassung zu gebrauchen:

„Die Staatsregierung sieht im Gesetzentwurf eine brauchbare Verbandlungsgrundlage über ein Lehrerbildungsgesetz.“7

Dies halte er für richtiger, da die Staatsregierung in der Tat noch nicht Stellung nehmen könne. In der Antwort müsse aber auch der Art. 15 des Konkordats hereingenommen werden, nämlich insofern, daß die Staatsregierung bereit sei, bei Auslegungsschwierigkeiten nach der Verabschiedung des Gesetzes im Landtag zu verhandeln.

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor zu sagen: „eine brauchbare Grundlage für die Verhandlungen der Volksvertretung“ und erklärt,8 man könne vielleicht sagen, sollten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beschlüssen des Bayer. Landtags und der Auffassung des Hl. Stuhles vorliegen, so sei die Staatsregierung bereit, nach Art. 15 des Konkordats eine freundschaftliche Lösung gemeinsam mit dem Hl. Stuhl zu suchen.

Er betone aber, daß diese Erklärung nur abgegeben werden solle, wenn die Staatsregierung von der Opposition herausgefordert werde.

Am Dienstag stehe der Gesetzentwurf auf der Tagesordnung, nach der neuen Geschäftsordnung könne im Landtag zu den grundlegenden Fragen Stellung genommen werden.9 Es frage sich nun, ob die Opposition in die Aussprache10 eintreten11 wolle. Wenn sich eine ausführliche Aussprache12 ergebe, so werde die Staatsregierung nach ihrer Auffassung gefragt werden, welche Antwort sei dann zu erteilen? Er glaube, daß es dann gut wäre, wenn die Regierung nicht ausweiche, sondern eben eine Erklärung in der von ihm vorhin vorgeschlagenen Form abgebe;13 in Einzelheiten einzutreten, sei der Regierung noch nicht möglich, falls später Meinungsverschiedenheiten auftreten, werde der Weg des Art. 15 des Konkordats beschritten werden.

Wenn die Regierung aber nicht herausgefordert werde, genüge es, wenn eine Erklärung der Koalitionsparteien14 zur Sache abgegeben werde und zwar am zweckmäßigsten durch einen Vertreter der Bayernpartei.

Staatssekretär Dr. Meinzolt erkundigt sich, ob zu erwarten sei, daß beide Erklärungen noch in der Landtagssitzung abgegeben werden müßten?

Ministerpräsident Dr. Hoegner bejaht diese Frage und bemerkt, zunächst habe die Erklärung der Koalitionsparteien zu erfolgen, dann diejenige der Staatsregierung, wenn es sich als notwendig herausstellen sollte. Er nehme an, daß die Koalitionsparteien dann die Überweisung an den Kulturpolitischen Ausschuß beantragten, während die Opposition möglicherweise zunächst noch andere Ausschüsse damit befassen wolle.

Staatsminister Dr. Baumgartner ersucht nochmals dringend, die Fassung „Grundlage zu Verhandlungen“ zu nehmen, nachdem sich ja die Hauptangriffe der Opposition gegen die Bayernpartei richten würden und im übrigen die Bevölkerung sehen wolle, daß wegen der Auslegung des Konkordats verhandelt werde.

Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, den ersten Satz der Regierungserklärung folgendermaßen zu fassen:

„Die Staatsregierung sieht in dem Gesetzentwurf eine brauchbare Grundlage für die Verhandlungen der Volksvertretung.“

Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, den zweiten Satz wie folgt zu formulieren:

„Über Einzeiheiten kann sich die Staatsregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern, da ein endgültiger Text, zu dem sie Stellung nehmen könnte, nicht vorliegt.“

Nach weiterer Aussprache wird dann beschlossen, dem zweiten Satz folgenden Wortlaut zu geben:

„Da es sich um einen Initiativgesetzentwurf handelt, wird die bayerische Staatsregierung sich erst eine abschließende Meinung über den Gesetzentwurf bilden können, wenn endgültige Beschlüsse des Bayerischen Landtags vorliegen.“

Der dritte Satz erhält folgenden Wortlaut:

„Sollten sich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beschlüssen des Landtags und der Auffassung des Hl. Stuhles ergeben, so wird die Bayerische Staatsregierung nach Art. 15 des Konkordats eine freundschaftliche Lösung gemeinsam mit dem Hl. Stuhl suchen.“

Staatssekretär Dr. Meinzolt gibt zu bedenken, ob durch diese Fassung nicht nach außen hin allzu stark unterstrichen werde, daß die Staatsregierung an dem Entwurf nicht interessiert sei; dies könne unter Umständen ausgenützt werden. Wie solle man sich z.B. im Kulturpolitischen Ausschuß verhalten?

Es sei mißlich, wenn die Vertreter der Regierung auf die Rolle von Sachverständigen herabgedrückt würden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, daß die Staatsregierung in allen Punkten mitspreche, außer in den Artikeln, die das Konkordat berührten. Sie werde sich hier darauf beschränken, dem Ausschuß das vorhandene Material zur Verfügung zu stellen und auf die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten hinzuweisen.

Staatssekretär Dr. Haas entgegnet, die Opposition werde voraussichtlich im Ausschuß die Frage stellen, welche Meinung das Kultusministerium habe. Wenn es dann nicht antworte, könne dies als Zurückweichen ausgelegt werden.

Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, unter diesen Umständen könne vielleicht der Kultusminister seine Meinung äußern, das sei dann noch nicht die Auffassung der Staatsregierung, die ja dann noch nicht gesprochen habe.

Staatsminister Dr. Baumgartner stimmt zu und bittet darum, das Kultusministerium möge klar und deutlich ausdrücken, was nach seiner Ansicht den Bestimmungen des Konkordats entspreche.

Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, dies müsse aber vorbehaltlich der Stellungnahme der Staatsregierung geschehen, dies könne auch nicht als Zurückweichen betrachtet werden. Die Regierung könne tatsächlich als solche erst Stellung nehmen, wenn der endgültige Gesetzentwurf vorliege. Er halte es für durchaus angebracht, zu erklären, das Kabinett habe noch nicht Stellung genommen, es weigere sich auch, dies zu tun, solange noch kein Gesetzesbeschluß vorliege. Er stimme allerdings mit Herrn Staatssekretär Dr. Haas darin überein, daß das zuständige Ministerium seine Meinung äußern müsse. Das Gesetz selbst habe der Ministerpräsident vor seiner Unterschrift zu prüfen. Er werde erklären, die Staatsregierung habe keine Veranlassung, Stellung zu nehmen, bevor der Landtag den endgültigen Text erarbeitet habe. Im übrigen mache er darauf aufmerksam, daß Herr Abg. Dr. Hundhammer bereits festgestellt habe, die Haltung des Ministerpräsidenten in dieser Angelegenheit sei korrekt.

Staatssekretär Dr. Meinzolt meint, die Haltung des Kultusministeriums werde dadurch wesentlich gefördert, da es stets feststellen könne, Partner des Hl. Stuhles hinsichtlich des Konkordats sei die Staatsregierung, nicht das Kultusministerium.

Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt diese Auffassung.

Staatsminister Dr. Baumgartner kommt dann auf die Vorfälle bei der Unterschriftensammlung für die Katholische Elternvereinigung zu sprechen. Leider habe man an vielen Orten die Zettel über die Schulkinder verteilen zu lassen.

Staatsminister Rucker erwidert, er werde eine Verfügung herausgeben und auch über den Rundfunk verbreiten lassen, daß jede Propaganda usw. an Schulen nur mit Genehmigung des Kultusministeriums zulässig sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner bemerkt noch, vielfach habe man die Kinder unter Druck gesetzt, er bitte dringend, für die notwendige Aufklärung zu sorgen.15

Gesetz über die Ausbildung für das Lehramt an Volksschulen (Lehrerbildungsgesetz) vom 14. Juni 1958
Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär