Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatessekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Leusser zu Punkt I der Tagesordnung (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialdirigent Dr. Baer (Bayer. Staatskanzlei) zu Punkt II der Tagesordnung, Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Wirtschaftsminister Bezold.
I. Vorläufiger Langwellensender. II. Bericht über die Pfalzfrage. III. Verwaltung der Bundesautobahnnebenbetriebe. IV. Beitritt des Freistaats Bayern zum Bundesluftschutzverband e.V. V. Personalangelegenheiten. VI. Fall Lokomotivführer Krech. VII. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten des Bundesrats. VIII. Entschließung des Hauptausschusses des Alpenvereins betreffend Bergbahnen. IX. Altersgrenze der Beamten. X. Beurteilung von Filmen. XI. Institut für Zeitgeschichte. XII. Zehnjährige Befreiungsfeier des Konzentrationslagers Dachau. XIII. Deutsches Turnfest 1958. XIV. Wohnrecht der Kinder des verstorbenen Herzogs von Sachsen-Coburg auf der Veste Coburg. XV. Vollzug des Bundesvertriebenengesetzes; hier: Zuständigkeitsregelung für den bayerischen Kreis Lindau. XVI. Stiftungsgesetz; hier: Übernahme des Stiftungsgesetzes auf den bayerischen Kreis Lindau. XVII. Anrechnung der Heeresdienstzeit auf die Angehörigen der Bayer. Bereitschaftspolizei. XVIII. Skiwettkämpfe des Bayer. Versehrten-Sportverbands. XIX. Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Ausübung der schiffahrtpolizeilichen Vollzugsaufgaben.
Zu Beginn der Sitzung bittet Ministerpräsident Dr. Hoegner die Herren Minister und Staatssekretäre zu beachten, daß nach der Bayer. Verfassung der Ministerpräsident die Richtlinien der Politik bestimmt.1 Es sei vorgekommen, daß in Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich in den Koalitionsvereinbarungen erwähnt seien, Auffassungen vertreten worden seien, die man ihm nicht mitgeteilt habe und die im Widerspruch zu dem stünden, was als die Richtlinien der Politik, die der Ministerpräsident bestimme, zu gelten habe.
Eine Vertretung des Landkreisverbands habe z.B. bei ihm Vorstellungen dagegen erhoben, daß der Herr Staatsminister des Innern die Rückkehr zur Einrichtung des staatlichen Landrats gefordert habe. Diese Äußerung stehe im Widerspruch zur Politik der vergangenen Jahre, in denen man die Demokratisierung der Verwaltung durchgeführt habe. Wenn sich vielleicht auch noch nicht endgültige Feststellungen treffen lassen, so habe sich doch diese Einrichtung im großen und ganzen bewährt. Er bitte dringend, besonders vorsichtig zu sein, weil derartige Erklärungen als gegen den Ministerpräsidenten gerichtet ausgelegt werden könnten.2
Was das Lehrerbildungsgesetz3 betreffe, so handle es sich hier bekanntlich um einen Initiativgesetzentwurf des Landtags, so daß es wohl nicht zweckmäßig sei, wenn die Staatsregierung schon jetzt ihre Meinung äußere und damit die Möglichkeit biete, daß die Opposition Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Kabinetts feststellen könne. Er bitte deshalb auch in diesem Punkt um Zurückhaltung. Vielleicht sei es auch nicht gut, wenn die Staatsregierung überhaupt im Kulturpolitischen Ausschuß bei der Behandlung des Entwurfs vertreten sei, wenn sie natürlich auch zur Aufklärung zur Verfügung stehen könne. Allerdings könne der Ausschuß jederzeit die Anwesenheit eines Mitglieds der Staatsregierung verlangen.
Abschließend empfehle er, ihn als Ministerpräsidenten zu unterrichten, sobald Ansichten geäußert werden wollten, die über die Koalitionsvereinbarungen hinaus gingen. Unter keinen Umständen dürfe die neue Regierung irgendwelche Angriffspunkte in dieser Hinsicht bieten.
Staatsminister Dr. Geislhöringer stellt fest, bei seinen Ausführungen über die Verwaltungsreform habe er ausdrücklich erklärt, dies sei seine ganz persönliche Meinung und weder die Auffassung seiner eigenen Partei noch der Staatsregierung.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, derartige Einzelheiten bringe leider die Presse nicht, sie stelle in solchen Fällen nur den Gegensatz gegenüber der Haltung des Ministerpräsidenten fest.
Ministerialdirektor Leusser führt aus, schon seit längerer Zeit seien Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern über die Neuordnung des Rundfunkwesens im Gang. Die besondere Schwierigkeit bestehe darin, daß die Zuständigkeit aus dem Grundgesetz nicht klar ersichtlich sei. Die Bundesregierung habe sich entschlossen, ein Bundesrundfunkgesetz einzubringen, das bereits im Bundestag behandelt worden sei, ein Vorgehen, das im Grundgesetz keine Stütze finde.5
Die Länder hätten daraufhin einen Staatsvertrag vorgeschlagen und entsprechende Verhandlungen aufgenommen, die jetzt im wesentlichen abgeschlossen seien. Hauptgegenstand seien die Kurz- und Langwellensender, das Fernsehen und allgemeine Bestimmungen gewesen. Die Vorschläge würden jetzt noch von einer Redaktionskommission ausgearbeitet, damit in der demnächst stattfindenden Ministerpräsidentenkonferenz das endgültige Ergebnis vorliege.6 Unabhängig davon liefen Verhandlungen bezüglich der Kurz- und Langwellensender; der Bund habe sich mit den Beteiligten wegen der Kurzwellen geeinigt, daneben seien die Verhandlungen wegen eines vorläufigen Langwellensenders geführt worden, der vor allem für Sendungen an die Bevölkerung der Sowjetzone bestimmt sei.7 Ursprünglich habe der Bund die Länder zu diesen Besprechungen nicht beigezogen. Nachdem aber Schwierigkeiten aufgetreten und die Verhandlungen ins Stocken gekommen seien, habe die Forderung der Länder, mitbeteiligt zu werden, Gehör gefunden. Die entscheidende Sitzung habe am 11. und 12. Januar 1955 gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten stattgefunden.
Der Bayerische Rundfunk werde sich an dem Langwellensender überhaupt nicht beteiligen, auch bei den anderen Rundfunkanstalten sei das Interesse nicht sehr groß, nachdem der Langwellensender technisch sehr unvollkommen sein werde. Immerhin sei man bei den Verhandlungen am 11. und 12. Januar 1955 zu einem tragbaren Ergebnis gekommen, nämlich zu einem schriftlichen Vorschlag an die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der von Herrn Staatssekretär Bleek vom Bundesministerium des Innern und vom Bayer. Bevollmächtigten in Bonn als Vorsitzenden der Ständigen Rundfunkkommission der Länder unterschrieben werden solle.8
Der Vorschlag sehe u.a. vor, daß der Nordwestdeutsche Rundfunk im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft die vorläufigen Langwellensendungen durchführe und hiefür die notwendigen personellen und technischen Vorbereitungen treffen solle.
Ferner sei für den Sender ein Beirat zu bilden, dessen Aufgabe es sei, den Intendanten bei der Programmgestaltung zu beraten und seine Geschäftsführung zu überwachen. Nachdem Generaldirektor Dr. Grimme ursprünglich vorgeschlagen habe, den Beirat aus je zwei Vertretern des Bundes, der Länder und der Arbeitsgemeinschaft zu bilden mit einem siebenten Mitglied als neutraler Persönlichkeit, sei später vereinbart worden, die drei Beteiligten durch je drei Beauftragte vertreten zu lassen. Auch diese Empfehlung werde der Arbeitsgemeinschaft übermittelt. Die Kosten des vorläufigen Langwellenbetriebs habe die Arbeitsgemeinschaft zu tragen.
Einigkeit bestehe darüber, daß es sich jedenfalls nur um ein Provisorium handle, das allerdings länger dauern könne, als man jetzt vielleicht annehme.
Der Bund habe den Vorsitz im Beirat verlangt, die Länder, die es ursprünglich ablehnen wollten, hätten nachträglich doch zugestimmt.
Der Intendant werde vom Beirat mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt, das vom Bund verlangte Bestätigungsrecht sei von den Ländern verweigert worden.
Dies sei im wesentlichen der Inhalt des gemeinsamen Vorschlags an die Arbeitsgemeinschaft; er sei der Meinung, daß mehr nicht zu erreichen gewesen sei und bitte deshalb, den Entwurf des Briefes zu billigen und ihn zu beauftragen, ihn gemeinsam mit Herrn Staatssekretär Bleek zu unterzeichnen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, wie die Vertreter der Länder bestimmt würden.
Ministerialdirektor Leusser erwidert, darüber bestehe noch keine Klarheit, da aber für die Vertreter der Rundfunkanstalten und der Länder insgesamt zwölf Plätze zur Verfügung stünden – wenn man die Stellvertreter mitrechne – seien allzu große Schwierigkeiten nicht zu erwarten. Jedenfalls könne Bayern Anspruch auf einen Sitz im Beirat erheben, nachdem der Bayerische Rundfunk selbst nicht beteiligt sei.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß dem von Herrn Ministerialdirektor Leusser erläuterten Vorschlag entsprechend ein gemeinsames Schreiben vom Bundesminister des Innern und von der Ständigen Rundfunkkommission der Länder an die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerichtet wird.9
Ministerialdirigent Dr. Baer berichtet zunächst, der Finanzausschuß des Bayer. Landtags habe den Wunsch geäußert, in seiner nächsten Sitzung ein Referat über die Pfalzfrage anzuhören. Der Herr Ministerpräsident habe deshalb angeordnet, daß vorher das Kabinett unterrichtet werde.
Das Problem der Neugliederung des Bundesgebiets sei jetzt besonders dringlich geworden, weil mit der Ratifizierung der Pariser Verträge der Vorbehalt der Besatzungsmächte, der in das Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure vom 12. Mai 1949 aufgenommen worden sei, wegfalle.11 Oberster Gesichtspunkt aller Bemühungen um die Pfalz sei bis jetzt der gewesen, daß die Rückgewinnung eines so großen Regierungsbezirks eine staatspolitische Aufgabe ersten Ranges für den Bayerischen Staat sei. Die Pfalz umfasse bekanntlich ein Gebiet von 6000 qkm mit 1 150 000 Einwohnern, das sowohl landwirtschaftlich als industriell besonders hoch entwickelt sei.
Ministerialdirigent Dr. Baer gibt anschließend einen kurzen geschichtlichen Überblick und verweist besonders auf die im Jahre 1214 durch Kaiser Friedrich II erfolgte Übertragung der Pfalzgrafschaft bei Rhein an den Herzog von Bayern, wodurch die Vereinigung der beiden Gebiete Bayern und Pfalz zustande gekommen sei. Im Jahre 1329 sei dann die Trennung erfolgt, die bis 1777 angedauert habe. Die Verdienste des Bayerischen Staates um die Förderung der Pfalz, vor allem während des ganzen 19. Jahrhunderts – er erinnere nur an die Gründung der Stadt Ludwigshafen - seien unbestritten. Trotz größter Schwierigkeiten infolge der separatistischen Bewegung nach dem ersten Weltkrieg habe die Verbindung auch zu dieser Zeit weiter bestanden, Bayern habe damals in großzügigster Weise Hilfe geleistet, eine Tatsache, die auch heute von den Pfälzern noch nicht vergessen sei.
Nicht einmal während des sogenannten Dritten Reiches sei die Verbindung abgerissen, was z.B. aus einem in den Akten der Staatskanzlei vorgefundenen Erlaß des damaligen ReichsInnenministers Frick vom Jahre 1943 hervorgehe, wonach sich staatsrechtlich an der Verbindung zwischen dem rechtsrheinischen Bayern und der Pfalz nichts geändert habe. Die Trennung sei erst durch eine Verordnung des französischen Generals Koenig vom 30. August 1946 erfolgt, also durch einen reinen Akt der Besatzungsmächte, der auf die Zoneneinteilung zurückgehe. Das damals entstandene Land Rheinland-Pfalz sei ein Gebilde ohne jede Tradition, die Volksabstimmung im Jahre 1947 habe auch ergeben, daß die Mehrheit der Pfälzer gegen dieses neue Land gewesen sei. Leider sei es unterblieben, im Grundgesetz hinsichtlich der Pfalz eine ähnliche Regelung zu treffen, wie sie für die Länder Baden und Württemberg geschaffen worden sei.
Was nun die gegenwärtigen Beziehungen zwischen dem rechtsrheinischen Bayern und der Pfalz betreffe, so stehe fest, daß die langjährige Zusammengehörigkeit viele wirtschaftliche und menschliche Beziehungen geschaffen habe, insbesondere auch enge kulturelle Verbindungen auf allen Gebieten. Nach wie vor sei z.B. der Bischof von Speyer Suffragan-Bischof des Erzbischofs von Bamberg. Auch der Vertrag mit der evangelischen Kirche sei noch in Kraft. Besonders bedeutungsvoll seien die wirtschaftlichen Verflechtungen. Der Wirtschaftsausschuß des Bayer. Landtags habe deshalb schon 1950 beschlossen, die Pfälzer Wirtschaft bei Vergebungen öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen; seit der Währungsreform seien Aufträge von über 10 Mio DM allein vom Staat an die Pfalz gegeben worden, ungerechnet die Aufträge von Städten und Bundesbehörden. Zu erwähnen sei auch, daß die Bayer. Staatsbank und die Bayer. Hypotheken- und Wechselbank seit über 100 Jahren dort tätig seien, ebenso nach wie vor die Bayer. Versicherungskammer und die Notarkasse.
Es dürfe auch die Frage gestellt werden, inwieweit die Wiedervereinigung wirtschaftlich nützlich sei und in welcher Weise sich die Wirtschaft beider Teile ergänzten. In der Pfalz gebe es Schwerpunkte bei einer Reihe von Wirtschaftszweigen, die in Bayern nicht vorhanden seien, insbesondere was die chemische Industrie und die Schuhfabrikation betreffe; die pfälzische Landwirtschaft könne gleichfalls die des rechtsrheinischen Bayern in der glücklichsten Weise ergänzen. Wegen der Einzelheiten dürfe er auf die von der Bayer. Staatskanzlei herausgegebene Denkschrift Bezug nehmen. Was die Steuerkraft anlange, so treffe im Durchschnitt in Bayern auf den Kopf der Bevölkerung ein Betrag von 123,31 DM, in der Pfalz von 138,63 DM.
Die Stimmung in der Pfalz könne als nicht ungünstig für eine Wiedervereinigung bezeichnet werden, wenn es auch schwierig sei, aus immerhin zahlreichen Besuchen zu schließen, wie eine Abstimmung ausfallen werde. Offenbar sei in der jüngeren Generation das Zusammengehörigkeitsgefühl geringer als in der älteren.
Für den Wiederanschluß seien drei Organisationen tätig und zwar in der Pfalz selbst der im Jahre 1946/47 gegründete Bund Bayern-Pfalz,12 ferner der Landesverband der Pfälzer im rechtsrheinischen Bayern und schließlich der Bund der Pfalzfreunde,13 eine Vereinigung, die sich aus Bayern zusammensetze, die die Vereinigung fördern wollen. Dem Bund der Pfalzfreunde seien die meisten bayerischen Landkreise und Städte korporativ angeschlossen. Die größeren Parteien hätten sich noch nicht festgelegt, offensichtlich sei die Stimmung bei allen Parteien geteilt. Die Kirchen verhielten sich vorerst abwartend, die Neigungen der Wirtschaft gingen zum Teil auf die Wiedervereinigung, zum Teil in anderer Richtung. Von den Gewerkschaften sei diejenige der Eisenbahner fast ohne Vorbehalt für Bayern, in Erinnerung an die Unterstützung der pfälzischen Eisenbahner durch die Bayerische Regierung in der separatistischen Zeit. Auch die Landbevölkerung, besonders die Winzer, sprächen sich überwiegend für Bayern aus. Dagegen sei die städtische Bevölkerung vorwiegend gleichgültig, die Beamten schließlich seien durch den sogenannten „Maulkorb-Erlaß“ der Regierung von Rheinland-Pfalz vom Jahre 1948 gehindert, ihre Auffassung kund zu tun.
Die Bayerische Regierung habe bekanntlich bei allen Ministerien und Regierungen, ferner bei den Landkreisen und Städten Pfalzreferenten eingesetzt, deren Koordinierung durch das Pfalzreferat der Staatskanzlei unter Ministerialdirigent Dr. Baer erfolge. Für verschiedenste Zwecke würden hohe Unterstützungen aus Tit. 300 der Staatskanzlei gegeben, im Jahr rund 225 000 DM. Etwa die Hälfte dieses Betrags erhalte der Bund Bayern-Pfalz in Ludwigshafen für Verwaltungkosten und Propagana, während mit der anderen Hälfte Unterstützungen für kulturelle, sportliche und sonstige Zwecke zur Verfügung gestellt würden. Der Austausch zwischen dem rechts- und linksrheinischen Bayern sei im vergangenen Jahr sehr rege gewesen, etwa 5000 Pfälzer, darunter zahlreiche Bürgermeister, hätten München und andere bayerische Städte besucht.
Art. 29 Grundgesetz bestimme, daß das Bundesgebiet unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern sei.14 Die Pfälzer hätten allein über ihre Zukunft zu entscheiden. Zunächst sei für die Einleitung eines Volksbegehrens der schriftliche Antrag von 5000 Personen erforderlich. Das Volksbegehren selbst bedürfe dann der Zustimmung eines Zehntels der zum Landtag wahlberechtigten Bevölkerung.15 Wenn das Volksbegehren durchgeführt sei, müsse ein Bundesgesetz zur Neugliederung erlassen werden. Der Gesetzgeber sei aber nur gehalten, in dieses Gesetz eine Bestimmung über die Neugliederung aufzunehmen, es sei aber nicht festgelegt, in welcher Richtung die Neugliederung zu erfolgen habe. Bei einem Volksentscheid entscheide dann die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, also nicht der Stimmberechtigten.16 Besonders wichtig seien die in Art. 29 Grundgesetz vorgesehenen Fristen, insbesondere, daß zwei Jahre nach der Aufhebung des Besatzungsstatuts der Volksentscheid durchgeführt werden müsse.17
Der Ausschuß zur Neugliederung des Bundesgebiets, der sogenannte Lutherausschuß, werde bis 31. März 1955 sein Gutachten abgeben; bekanntlich handle es sich hier nur um einen Sachverständigenausschuß der Bundesregierung, der sich wohl kaum in irgend einer Weise festlegen werde.18 Die Bayerische Staatsregierung habe seit 1945 immer wieder nachdrücklich ihren Wunsch nach Rückkehr der Pfalz ausgedrückt, sie könne auch nie einen Verzieht auf die Pfalz erklären, nachdem die Abtrennung tatsächlich ein Unrecht sei und das Land Rheinland-Pfalz – wie schon erwähnt – nur durch ein Diktat der Besatzungsmächte habe entstehen können. Er halte es freilich für notwendig, für die Zukunft den Pfälzem bei einer Wiedervereinigung mit dem rechtsrheinischen Bayern günstige Aussichten zu eröffnen und gewisse Sonderrechte, z.B. in der Verwaltung, zuzugestehen. Auch finanzielle Vorteile müßten wohl eingeräumt werden, z.B. daß das Steueraufkommen wenigstens für eine gewisse Zeit nur in der Pfalz verwendet werden dürfe. Schließlich werde auch ein Entgegenkommen bei der Übernahme von Beamten usw. in der Pfalz günstig aufgenommen werden.
Abschließend dürfe er wohl nochmals feststellen, daß es sich hier um kein parteipolitisches Problem handle, sondern um eine höchst bedeutungsvolle Aufgabe von Landtag, Regierung und Volk.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, die Franzosen hätten ihren Gedanken, einen linksrheinischen Pufferstaat zu schaffen, nie aufgegeben, deshalb sei auch das Land Rheinland-Pfalz mit seinen Brückenköpfen Mainz und Montabaur geschaffen worden, ein künstliches Gebilde, das sich bis heute noch nicht zusammengelebt habe. Die Regierung in Mainz habe auch bis 1951 die Pfalz stark vernachlässigt, erst die bayerischen Bemühungen um Wiedergewinnung der Pfalz19 hätten diese Haltung geändert. Die jetzige Bayerische Regierung könne seiner Überzeugung nach nichts anderes tun, als die bisherige Pfalzpolitik der Regierung fortzusetzen. Den Pfälzern sei zu sagen, München trete weiterhin für den Wiederanschluß ein und werde von diesem Ziel nicht abgehen. Allerdings sei zu berücksichtigen, daß sich starke Kräfte rührten, um das Land Rheinland-Pfalz aufrecht zu erhalten, z.T. aus politischen Gründen.
Nicht zu übersehen sei aber auch, daß die sogenannte Kurpfalz-Bewegung, die praktisch für den Anschluß an Baden-Württemberg tätig sei, gewisse Bedeutung habe. Was die Parteien betreffe, so sei deren Haltung in der Tat nicht einheitlich, ein größer Teil der SPD, z.B. die Bürgermeister von Ludwigshafen, Speyer und Kaiserslautern, seien jedenfalls für die Wiedervereinigung. Es müsse gelingen, den Pfälzern klar zu machen, daß ihre Rückkehr nach Bayern für sie das beste sei, u.a. könne man zusichern, die Pfalz werde das größte Maß an Selbständigkeit haben, z.B. einen Sonderminister für die Pfalz, die Wahl des Regierungspräsidenten durch die Bevölkerung und sonstige Sonderregelungen, wie sie schon Herr Dr. Baer erwähnt habe. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht müßten gegebenenfalls wohl gewisse Investierungen gemacht werden, da gerade die pfälzische Industrie durch die Nachkriegsfolgen besonders schwer betroffen worden sei. Dies werde aber nur für die Anfangsjahre gelten, später dagegen werde sich die Produktionskraft der pfälzischen Wirtschaft für Bayern sehr segensreich auswirken.
Er bitte den Ministerrat sich zu entscheiden, ob er grundsätzlich die bisherige Pfalzpolitik fortsetzen wolle.
Staatsminister Zietsch meint, 225 000 DM für Propaganda usw. sei doch ein sehr hoher Betrag. Was nun die Wiedervereinigung selbst anlange, so habe bekanntlich der Lutherausschuß Andeutungen wegen Neu-Ulm und Aschaffenburg gemacht, die ihm doch zu denken gegeben hätten. Wenn man sich mit Recht dagegen wehre, diese beiden Gebiete Bayerns abzutreten, so müsse doch vielleicht eine gewisse Rücksicht auf die Gefühle der Regierung von Rheinland-Pfalz genommen werden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, daß er sich mit allen Mitteln gegen die Abtretung eines Fußbreits bayerischen Bodens zur Wehr setzen werde.20
Staatssekretär Dr. Haas entgegnet, wenn die Pfalzfrage vom Koalitionsstandpunkt aus betrachtet werde, sei festzustellen, daß jedenfalls die jetzige Koalition bei einer Wiedervereinigung einen erheblichen Zuwachs erhalten werde. Er halte den Anschluß für eine auch politisch sehr erfreuliche Angelegenheit.
Besonders dringlich sei es seiner Meinung nach über die Bundestagsfraktionen und den Bundesrat entsprechende Vorbereitungen zu treffen, damit Art. 29 GG nicht länger suspendiert bleibe. Für Bayern spreche eindeutig die unhaltbare Situation des Landes Rheinland-Pfalz, eines Staates, der in dieser Form nicht bestehen bleiben könne. Zumindest müßten der Kreis Montabaur und die übrigen rechtsrheinischen sowie die rheinhessischen Landesteile wieder abgetrennt werden, dann erhebe sich aber die Frage, was von diesem Land eigentlich noch übrigbleibe und ob es lebensfähig sei? Er glaube, wenn ein Volksentscheid zustande komme, würden wohl 50% für Bayern stimmen.21
Auch Staatssekretär Eilles spricht sich dafür aus, alles zu tun, um die Entwicklung zu beschleunigen, da die Zeit nicht für Bayern arbeite. Vorläufig aber sei Rheinland-Pfalz noch kein festgefügtes staatliches Gebilde. Auch er empfehle alles zu tun, um die Abstimmung zu beschleunigen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, Art. 29 GG sei durch die Besatzungsmächte, wahrscheinlich auf Betreiben Frankreichs, suspendiert. Mit der Annahme der Pariser Verträge würde aber dieses Veto wegfallen, so daß man dann das Volksbegehren betreiben könne. Der erforderliche Gesetzentwurf sei jedoch von der Bundesregierung noch nicht vorgelegt, die Bayerische Regierung habe deshalb die Aufgabe, auf politischem Wege auf die Vorlage dieses Gesetzes zu drängen.
Staatssekretär Dr. Meinzolt unterstreicht die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Pfalz und die erfreuliche Ergänzung auf allen Gebieten, die Bayern bei der Wiedervereinigung gewinnen werde.
Aus pfälzischen Kreisen höre er aber immer wieder, daß mit Propaganda allein nichts erreicht werde, man müsse vielmehr von Mensch zu Mensch um die Pfälzer werben.
Ministerpräsident Dr. Hoegner macht noch darauf aufmerksam, daß Ministerpräsident Arnold von Nordrhein-Westfalen sich neuerdings gegen die Aufteilung von Rheinland-Pfalz gewandt und eine weitere Verschiebung der Neugliederung nach Art. 29 GG befürwortet habe. Diese Entwicklung sei für Bayern zweifellos ungünstig.22
Auf Frage von Staatssekretär Eilles erwidert Ministerialdirigent Dr. Baer, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Herr Dr. Müller, habe ausdrücklich erklärt, sein Land habe kein Interesse an der Pfalz.
Zum Abschluß gibt Ministerpräsident Dr. Hoegner noch bekannt, der Pfalzausschuß des Landtags habe am 24. Januar 1955 angeregt, die Staatsregierung möge für die hochwassergeschädigten Gebiete in Rheinland-Pfalz einen Betrag zur Verfügung stellen, nachdem im vergangenen Jahr Ministerpräsident Altmeier für die bayerischen Hochwassergeschädigten 10 000 DM überwiesen habe.
Ministerialdirigent Dr. Baer fügt hinzu, das Ausmaß der Schäden sei in keiner Weise zu vergleichen, immerhin werde eine Hilfe in der Pfalz guten Eindruck machen, weshalb er vorschlage, aus den Pfalzmitteln der Staatskanzlei etwa 5000 DM zur Verfügung zu stellen.
Der Ministerrat beschließt, einen Betrag in dieser Höhe zu überweisen.
Abschließend unterstreicht Ministerpräsident Dr. Hoegner nochmals die Tatsache, daß die Frage der Wiedervereinigung Bayern-Pfalz ein staatspolitisches Problem erster Ordnung sei, mit dem sich die Staatsregierung und der gesamte Bayer. Landtag nach wie vor befassen müßten.23
Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Note des Staatsministeriums des Innern vom 17. Januar 1955, wonach der Bund mit Vertrag vom 11. September 1953 die sogenannten Nebenbetriebe der Bundesautobahn auf die Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahn mbH (GfN) übertragen habe, deren einziger Gesellschafter zur Zeit der Bund sei. Mit Ausnahme von Bayern hätten bereits alle Länder ihr Einverständnis erklärt, Das Innenministerium schlage vor, daß nun auch Bayern der Übertragung zustimme, allerdings unter einer Reihe von Voraussetzungen, die auf Seite 6 bis 7 der Note vom 17. Januar 1955 aufgeführt seien.
Staatsminister Zietsch erklärt, das Staatsministerium der Finanzen habe zu der Note vom 17. Januar 1955 Stellung genommen, die dahin laute, daß sich Bayern zwar nicht ausschließen könne, jedoch bei der Zustimmung noch eine weitere Klausel erforderlich sei, die sich mit dem Zustand nach einer etwaigen Auflösung der Gesellschaft befasse.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt sich mit dieser Ergänzung einverstanden.
Es wird beschlossen, die Zustimmung zu dem Vertrag vom 11. September 1953 zu erteilen, wobei allerdings die Formulierung der Vorbehalte im einzelnen noch offen bleibt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, das Staatsministerium des Innern bitte mit Note vom 20. Januar 1955 um die Entscheidung des Ministerrats, ob Bayern dem Bundesluftschutzverband jetzt beitreten solle, nachdem der Ministerrat Anfang Februar 1954 den Beitritt zurückgestellt habe. In der Zwischenzeit seien alle übrigen Länder trotz anfänglicher Verfassungsrechtlicher Bedenken dem Verband beigetreten. Trotzdem halte er es für notwendig, heute nochmals zu klären, ob keine verfassungsrechtlichen Bedenken mehr bestünden.
Staatssekretär Vetter führt aus, Bayern werde in erhebliche Schwierigkeiten kommen, wenn es den Beitritt verweigere, zumal der Verband bereits hier arbeite. Er bitte dringend, die Bedenken zurückzustellen, schon aus dem Gesichtspunkt heraus, daß die Tätigkeit des Verbands nur beeinflußt werden könne, wenn Bayern ihm angehöre.
Ministerpräsident Dr. Hoegner hält es trotzdem für bedenklich, daß der Bund in den Fällen, wo ihm keine Zuständigkeit zukomme, diese künstlich durch Gründung von Verbänden schaffe.
Ministerialrat Dr. Gerner bemerkt, solchen Bestrebungen müsse man – wie bisher schon – entgegentreten. Hier handle es sich aber in der Tat wohl nur um eine Übergangslösung. Mitglieder des Verbands, der keine Hoheitsbefugnis ausüben könne, seien der Bund und die Länder. Die eigentliche Organisation des Luftschutzes könne nur durch ein zur Zeit vorbereitetes Luftschutzgesetz geschaffen werden, hier sei eine Änderung des Grundgesetzes vorgesehen.
Staatssekretär Weishäupl erkundigt sich, wer der bayerische Vertreter im Verband werden solle und wie es sich mit der Satzung verhalte?
Staatssekretär Vetter antwortet, es handle sich um eine gewöhnliche Vereinssatzung, Mitglieder seien die kommunalen Spitzenverbände, die Länder und der Bund, wobei die Länder die Mehrheit besäßen. Der zuständige Referent des Innenministeriums für Fragen des Katastrophenschutzes sei Regierungsdirektor Dr. Herzog, der auch dem Verband unter dem Vorbehalt des Beitritts Bayern anzugehören habe.
Staatssekretär Weishäupl bezeichnet es merkwürdig, daß ein eingetragener Verein errichtet sei, der nach den Anweisungen des Bundesinnenministeriums zu arbeiten habe, wie aus der Note des Innenministeriums vom 20. Januar 1955 hervorgehe.
Staatssekretär Vetter stellt fest, daß es sich hier um eine rein technische Angelegenheit handle, dagegen in keiner Weise um eine politische. Er halte irgendwelche Besorgnisse nicht für angebracht, zumal er selbst bei den Sitzungen des Bundesinnenministeriums, wo die technischen Richtlinien ausgearbeitet worden seien, zugegen gewesen sei.
Staatsminister Rucker erkundigt sich, wie weit schon die Bauarbeiten angelaufen seien, auf diesem Gebiet sei es sicher zweckmäßig, wenn Einfluß gewonnen werden könne.
Staatssekretär Vetter entgegnet, damit habe der Verein nichts zu tun, dieses Gebiet falle unter die hoheitlichen Aufgaben, die einem Gesetz vorbehalten seien. Im übrigen dürfe er noch erwähnen, daß die gesamten Kosten für die Tätigkeit des Vereins, also z.B. die Ausbildung von Luftschutzhelfern usw., vom Bund getragen würden.
Auf Frage von Staatssekretär Weishäupl teilt Staatssekretär Vetter mit, daß Vorstand des Vereins, in dem – wie gesagt – die Länder die Mehrheit, hätten, Oberstadtdirektor Dr. Lotz sei.
Der Ministerrat beschließt daraufhin, dem Beitritt des Freistaats Bayern zum Bundesluftschutzverband e.V. zuzustimmen.26
1. Ernennung des Ministerialrats im Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Alfred Reitlinger zum Ministerialdirigenten
Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Baumgartner beschließt der Ministerrat mit Mehrheit, den Ministerialrat im Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Alfred Reitlinger zum Ministerialdirigenten zu ernennen.
2. Ernennung des Regierungsdirektors Max Troberg zum Ministerialrat27
Staatsminister Zietsch nimmt Bezug auf den Ministerratsbeschluß vom 18. Januar 1955 und stellt den Antrag, den Regierungsdirektor mit der Amtsbezeichnung Ministerialrat Max Troberg zum Ministerialrat auf die freie Stelle des Präsidenten des Landesentschädigungsamts zu ernennen. Es handle sich also um eine Unterbesetzung der Präsidentenstelle, Herr Troberg werde aber wie bisher auf Grund des früher mit ihm abgeschlossenen Dienstvertrages die Bezüge als Präsident (Bes. Gr. B 8) erhalten.28
Der Ministerrat beschließt, der Ernennung unter dieser Voraussetzung zuzustimmen.
3. Neubesetzung der Stelle des Präsidenten der Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen
Der Ministerrat beschließt ferner, den Ministerialrat im Bayer. Staatsministerium der Finanzen Dr. Max Wunschel zum Präsidenten der Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen zu ernennen.
4. Präsident der Bayer. Bereitschaftspolizei Remold29
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, Präsident Remold habe ein Schreiben des Bundesinnenministeriums erhalten, mit dem ihm ab 1. April 1955 die Stelle des Inspekteurs der Deutschen Bereitschaftspolizei angeboten werde. Die Bedingungen seien sehr günstig, so daß er glaube, Herr Remold sei auf die Dauer nur in Bayern zu halten, wenn er in Besoldungsgruppe B 8 aufgenommen werde.
Staatssekretär Vetter fügt hinzu, Herr Remold sei allerdings nicht der einzige Kandidat für diese Stelle, eine Entscheidung sei auch noch nicht gefallen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, diese Angelegenheit möge zunächst zwischen den Staatsministerien des Innern und der Finanzen besprochen werden, nachdem eine Äußerung des letzteren Ministeriums noch nicht vorliege.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.30
5. Besetzung des Kulturausschusses des Bundesrats
Auf Vorschlag des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus wird beschlossen, anstelle des ausgeschiedenen Regierungsrats Dr. Zimmermann Oberregierungsrat Heinrich Engl als stellvertretendes Mitglied des Kulturausschusses zu benennen.
Staatssekretär Weishäupl teilt zu diesem Fall, der in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt habe, mit, der Antrag Krechs auf Kriegsgefangenenentschädigung sei an sich zu Recht abgelehnt worden, man hätte ihm aber wohl gleich einen anderen Weg weisen können. An sich sei für die Behandlung der Sache das Innenministerium zuständig, er selbst habe sich aber nicht weigern können, ihn zu empfangen. Krech erhalte jetzt eine Beihilfe und ein Darlehen von je 500 DM. Man werde aber die Bemühungen fortsetzen müssen, für solche Fälle eine Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes zu erreichen.
Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.
Ministerpräsident Dr. Hoegner bittet Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer, an dieser Sitzung am 10. Februar 1955 teilzunehmen.
Staatsminister Dr. Geislhöringer erklärt sich dazu bereit.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, am Abend des gleichen Tages sei ein Presseabend in Bonn, er bitte um möglichst zahlreiche Beteiligung.
Ministerpräsident Dr. Hoegner übergibt diese Entschließung Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths erklärt, etwas im Gegensatz zur Meinung des Herrn Staatsministers Bezold vertrete er die Auffassung, daß schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuviele Genehmigungen für Bergbahnen erteilt werden sollten. Andernfalls werde sich in Bayern das gleiche zeigen wie jetzt schon in der Schweiz, nämlich daß die meisten Bergbahnen im Verlauf einiger Jahre unrentabel würden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben, in dem ausgeführt werde, daß die Bestimmungen über die Altersgrenze in den einzelnen Ministerien verschieden gehandhabt würden. Grundsätzlich müsse man, schon mit Rücksicht auf einen entsprechenden Landtagsbeschluß, an der Altersgrenze von 65 Jahren festhalten.31
Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß selbst freigegebene Filme in verschiedenen Fällen von der Ortsgeistlichkeit begutachtet würden, wobei wiederholt vom Besuch abgeraten werde. Er glaube nicht, daß dagegen etwas unternommen werden könne, er bitte aber das Justizministerium, die Rechtslage prüfen zu lassen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner nimmt Bezug auf die Ministerratssitzung vom 25. Januar 1955, in der die Frage kurz behandelt worden sei, ob eine Möglichkeit bestehe, das Institut für Zeitgeschichte in das Königsteiner Abkommen33 aufzunehmen. Er sei der Meinung, daß dies in jeder Weise zweckmäßig sei.
Staatsminister Zietsch erwidert, er sei an dem Institut an sich sehr interessiert, bisher habe er aber der Übernahme widersprochen, da dies mit einer erheblichen Mehrbelastung verbunden sei. Er halte es auch für notwendig, daß das Institut mehr wie bisher wirtschaftlich denke und arbeite.
Staatssekretär Dr. Panholzer fügt hinzu, es werde Schwierigkeiten machen, das Königsteiner Abkommen zu erweitern.
Staatsminister Dr. Koch bemerkt, die letzten Arbeiten des Instituts seien ausgezeichnet gewesen, sie könnten sicher noch dadurch gefördert werden, daß man die Leistungen des Instituts auch wirtschaftlich mehr herausstelle. Er empfehle, rasch zu handeln, da sich auch das Bundesjustizministerium um das Institut bemühe.
Staatsminister Rucker verweist auf den Prüfungsbericht des Obersten Rechnungshofs und meint, wenn es gelinge, das Institut in das Königsteiner Abkommen aufzunehmen, werde auch eine bessere Kontrolle als bisher in wirtschaftlicher Hinsicht möglich sein. Übrigens glaube er, daß die Gemeinschaft der Länder schon einen diesbezüglichen Antrag Bayerns erwarte.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird dann beschlossen einen Antrag zu stellen, wonach das Institut für Zeitgeschichte in das Königsteiner Abkommen aufgenommen wird.34
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß im letzten Ministerrat über den Antrag des Landesrats für Freiheit und Recht36 für diese Feier 25 000 DM zur Verfügung zu stellen, gesprochen worden sei, ohne daß das Kabinett einen Beschluß gefaßt habe. Auf alle Fälle sei der gewünschte Betrag zu hoch. Er bitte Herrn Staatssekretär Dr. Panholzer, mit dem Landesrat zu verhandeln, um eine erhebliche Ermäßigung der Ansprüche, vielleicht auf 10 000 DM, zu erreichen.
Staatssekretär Dr. Panholzer erklärt sich dazu bereit.37
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der Stadtrat München habe sich in einem mit dem Deutschen Turnerbund abgeschlossenen Vertrag zur Übernahme der Kosten für das Turnfest 1958 in Höhe von 760 000 DM unter der Voraussetzung bereiterklärt, daß sich der Bayerische Staat mit einem Zuschuß von mindestens 300 000 DM beteilige.39 Seiner Auffassung nach gehe eine derartige Bindung für das Jahr 1958 doch sehr weit.
Staatssekretär Weishäupl schlägt vor, zunächst Erkundigungen anzustellen, ob sich der Turnerbund auch mit dem Bund in Verbindung gesetzt habe und welche Zuschüsse er sich erwarte.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths äußert Bedenken gegen den Vorbehalt in der Zusage der Stadt München, eine Übung, die die Stadt auch in anderen Fällen schon angewendet habe.
Staatsminister Rucker erklärt, der Etat des Turnfestes betrage 1,25 Mio DM,40 wovon noch 1,05 Mio DM zu decken seien, was bedeute, daß sich die Stadt München und der bayerische Staat in diesen Betrag zu teilen hätten, während vom Bund nicht die Rede sei.
Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, daß die weiteren Verhandlungen mit dem Deutschen Turnerbund und der Stadt München durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus geführt werden, wobei vor allem festzustellen sein wird, welche Zuschüsse der Bund leistet.41
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, daß durch Entschließung der Bayerischen Staatsregierung vom 11. Juni 1937 das Wohnrecht des ehemaligen Herzogs von Sachsen-Coburg auf der Veste Coburg auf dessen Kinder ausgedehnt worden sei. Nachdem nun zwei der Kinder des verstorbenen Herzogs in höchst unerfreulichen Verhältnissen lebten, beantrage das Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf Vorschlag der Coburger Landesstiftung einen Ministerratsbeschluß herbeizuführen, wonach diese Entschließung von 1937 aufgehoben werde und die spätere Wiedereinräumung des Wohnrechts auf Lebenszeit denjenigen Kindern des ehemaligen Herzogs vorbehalten werde, die der Begünstigung würdig erschienen.43
Der Ministerrat beschließt, diesem Antrag entsprechend zu verfahren.
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, der Kreispräsident von Lindau habe den Entwurf einer Rechtsanordnung zum Vollzug des Bundesvertriebenengesetzes vorgelegt, deren § 1 wie folgt laute:
„Die auf Grund des § 68 Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG –) vom 19.5.1953 (BGBl. I S. 201) erlassene Verordnung der Bayerischen Staatsregierung über die Eingliederung der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge in die Landwirtschaft (Bayer. VO. BVFG) vom 15.7.1953 (GVBl. S. 121) wird für den Bayerischen Kreis Lindau in Kraft gesetzt.“45
Die weiteren Bestimmungen behandeln die Übertragung der beim Vollzug sich ergebenden Aufgaben usw. Bedenken gegen die Rechtsanordnung bestünden nicht.
Der Ministerrat beschließt, die Zustimmung zu erteilen.46
Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, in gleicher Weise werde vom Kreispräsidenten in Lindau folgende Rechtsanordnung zur Übernahme des Stiftungsgesetzes auf den bayerischen Kreis Lindau vorgeschlagen:
„Im Einvernehmen mit der Bayerischen Staatsregierung ergeht nachstehende Rechtsanordnung:
Das Stiftungsgesetz des Freistaates Bayern vom 26. November 1954 (veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 26/54 vom 3.12.1954) gilt unverändert im bayerischen Kreis Lindau mit Wirkung vom 1. Januar 1955 mit der Maßgabe, daß die sich beim Vollzug des Gesetzes für mich ergebenden Aufgaben auf die für diese Aufgaben zuständigen bayerischen Behörden übertragen werden, wobei hinsichtlich der Zuständigkeit der bayer. Kreis Lindau als zum Regierungsbezirk Schwaben gehörig behandelt wird.“48
Auch hiegegen seien Bedenken nicht geltend gemacht worden,
Der Ministerrat beschließt, der Rechtsanordnung in der vorgeschlagenen Form zuzustimmen.49
Staatsminister Dr. Geislhöringer erinnert an ein Schreiben des Herrn Ministerpräsidenten vom 7. Januar 1955 an den Herrn Staatsminister der Finanzen, das sich mit der Frage befaßt, inwieweit die frühere Heeresdienstzeit bei den Angehörigen der Bayerischen Bereitschaftspolizei angerechnet werden könne. Bisher sei daraufhin noch keine Antwort eingelaufen.
Staatsminister Zietsch erwidert, diese Frage werde an sich in der neuen Besoldungsordnung geklärt, er werde Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer aber schon vorher eine Antwort erteilen.
Staatsminister Dr. Koch teilt mit, der Verband habe ihn um einen Ehrenpreis für die Skiwettkämpfe gebeten. Wie er höre, habe aber bereits der Herr Ministerpräsident einen Preis gestiftet.51 Er glaube, daß in solchen Fällen nicht jedes Ministerium auch noch Ehrenpreise zur Verfügung stellen solle. Er bitte zu überlegen, ob hier nicht eine grundsätzliche Regelung getroffen werden solle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner sichert zu, in Zukunft bei solchen Anträgen bei den übrigen Ministerien anfragen zu lassen, damit man sich dann im Kabinett darüber einigen könne, ob der Herr Ministerpräsident oder ein einzelnes Ministerium die Preise stiften solle.52
Staatsminister Dr. Geislhöringer erinnert an das Schreiben des Staatsministeriums des Innern vom 18. Januar 1955, das sich mit der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Ausübung der schiffahrtpolizeilichen Vollzugsaufgaben befaßt habe.54
Ministerialrat Dr. Gerner verweist demgegenüber auf die Behandlung dieses Punktes im Ministerrat vom 25. Januar 1955, wo beschlossen worden sei, im Hinblick auf das zu erwartende Bundesgesetz die Angelegenheit zunächst zurückzustellen, nachdem die Länder ihre spätere Stellungnahme im Bundesrat nicht präjudizieren könnten.
Es wird festgestellt, daß dieser Punkt damit zunächst erledigt ist.55