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Nr. 3MinisterratssitzungDienstag, 28. Dezember 1954 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Tagesordnung:

I. Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen. II. Übernahme des sozialen Wohnungsbaues in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. III. Versorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung und deren Hinterbliebenen. IV. Personalangelegenheiten. V. Vertrieb von Süßbier in Bayern. VI. Landesentschädigungsamt. VII. Körperliche Züchtigung in den Schulen. VIII. Auswärtiger Ausschuß des Bundesrats. IX. Verkehr mit Behörden der Ostzone. X. Deutsch-Schweizerische Himalaya-Expedition 1955. XI. Vereinigte Deutsche Metallwerke AG. XII. Besuch des Ministerpräsidenten bei Kardinal Wendel und Landesbischof Meiser.

I.Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen

Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß gem. Art. 70 des am 1. Dezember 1954 in Kraft getretenen Polizeiaufgabengesetzes (PAG)1 die Staatsregierung festzustellen habe, welche Vereinigungen gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten seien.2

Das Staatsministerium des Innern habe mit Note vom 29. November 1954, wiederholt am 24. Dezember 1954, eine Liste solcher Vereinigungen übermittelt und um die Entscheidung der Staatsregierung gebeten.

Er schlage vor, die Bekanntmachung im Staatsanzeiger übereinstimmend mit dem Wortlaut des Art. 70 PAG in der üblichen Form beginnen zu lassen und zwar wie folgt:

„Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung über Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen.

Gemäß Art. 70 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei in Bayern (Polizeiaufgabengesetz – PAG –) vom 16. Oktober 1954 (GVBl. S. 237) wird bekanntgegeben:

Die Bayerische Staatsregierung hat mit Beschluß vom 28. Dezember 1954 festgestellt, daß die nachfolgend aufgeführten Vereinigungen gemäß Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verboten sind: . . . "

Staatsminister Dr. Koch bemerkt, die Liste der verbotenen Vereinigungen liege den Kabinettsmitgliedern noch nicht vor, er habe deshalb Bedenken, schon heute diesen Beschluß zu fassen.

Die vom Staatsministerium des Innern übermittelte Liste wird daraufhin verteilt.

Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, es sei durchaus möglich, den Beschluß noch bis zum 4. Januar 1955 zurückzustellen, damit die Liste von den Herren Ministern und Staatssekretären durchgesehen werden könne.

Was die in dem Verzeichnis aufgeführten Vereinigungen betreffe, so sei es wohl zweckmäßig, zu Nr. 26: Unparteiische Interessengemeinschaft ehemaliger Internierter eine Stellungnahme des Landesamts für Verfassungsschutz einzuholen, um zu klären, ob diese Vereinigung nicht doch hauptsächlich wirtschaftliche Interessen vertrete.

Im übrigen werde wahrscheinlich der größte Teil dieser Organisationen ohne weiteres unter ein Verbot der Kommunistischen Partei fallen.3

Staatssekretär Vetter erklärt, an sich handle es sich um 156 Organisationen, die völlig bedeutungslosen seien aber in die Liste nicht aufgenommen wurden.

Der Ministerrat bcschließt, die Entscheidung bis 4. Januar 1955 zurückzustellen.4

II.Übernahme des sozialen Wohnungsbaues in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, er habe eine Reihe von Zuschriften von Verbänden usw. erhalten, die sich gegen die Überführung des sozialen Wohnungsbaues aus dem Innenministerium in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge wendeten. Er werde diese Zuschriften Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer übergeben.

Staatssekretär Dr. Haas bittet zu prüfen, ob die Übertragung nicht zu Mehrbelastungen führen könne, anstatt daß eine Staatsvereinfachung erreicht werde.

Staatsminister Stain wendet ein, 60% der Staatsbaudarlehen kämen über die Lastenausgleichsverwaltung.

Staatsminister Dr. Geislhöringer empfiehlt, die Frage noch innerhalb der Ministerien zu besprechen, zumal die Oberste Baubehörde auf dem Standpunkt stehe, es werde außerordentlich schwierig sein, auch den Unterausbau herauszunehmen, eine Vereinfachung werde dadurch keineswegs erreicht.

Staatsminister Stain wendet ein, der Ausgangspunkt bei den Koalitionsbesprechungen über diesen Punkt sei doch der gewesen, daß dem Arbeitsminister die Arbeitsbeschaffung obliege und damit aber auch der soziale Wohnungsbau in engstem Zusammenhang stehe. In der Vergangenheit hätten sich immer wieder Kompetenzschwierigkeiten ergeben, die jetzt beseitigt werden könnten. Vor allem die innerbayerische Umsiedlung hänge eng mit dem Lastenausgleich zusammen, weil die hiefür verfügbaren Mittel eben aus dem Lastenausgleich kämen.

Staatsminister Dr. Baumgartner unterstreicht die Notwendigkeit, gerade diese Koalitionsvereinbarung auch der Öffentlichkeit gegenüber aufzuklären, nachdem versucht werde, in dieser Hinsicht die Koalitionsparteien anzugreifen.

Staatsminister Stain betont nochmals, daß lediglich Mittel aus dem Lastenausgleich in Staatsdarlehen umgewandelt würden und die Finanzierung praktisch durch die Landesbodenkreditanstalt durchgeführt werde.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths stellt an Hand von Beispielen fest, daß sich durch die schwerfällige Organisation der Obersten Baubehörde immer wieder Verzögerungen bei der Genehmigung von Bauvorhaben usw. ergeben. Er sei überzeugt, daß eine Zusammenfassung im Arbeitsministerium zu einer großen Vereinfachung führen werde,

Staatsminister Bezold empfiehlt, in einem offiziellen Exposé die wichtigsten Tatsachen bekanntzumachen, damit die Öffentlichkeit wirklich erschöpfend aufgeklärt werde. Das sei um so notwendiger, als ja auch im Landtag erklärt werden müsse, warum diese Maßnahme für zweckmäßig gehalten werde.

Staatsminister Stain verweist noch auf folgendes Beispiel:

Der Bund habe für die Lagerauflösung vor einem halben Jahre 7½ Millionen zur Verfügung gestellt. Durch Schwierigkeiten seitens der Obersten Baubehörde seien diese Mittel nicht rechtzeitig übernommen worden, was bedeute, daß 1900 Wohnungen, die an sich hätten errichtet werden können, nicht gebaut worden seien.

Ministerpräsident Dr. Hoegner regt an, daß beide Ministerien eine gemeinsame Stellungnahme für die Öffentlichkeit ausarbeiten.

Staatssekretär Vetter meint, eine rasche Regelung sei durchaus möglich, wenn daran festgehalten werde, daß der Unterbau unverändert bleiben müsse,

Wohnungsbau, sozialer

III.Versorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung und deren Hinterbliebenen5

Staatsminister Zietsch verweist auf die beiden Noten des Staatsministeriums der Finanzen vom 27. Dezember 1954. In der ersten Note, die überschrieben sei: Versorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung, werde vorgeschlagen, den Ministerratsbeschluß vom 21. Dezember 1954 zu ergänzen.

Im einzelnen handle es sich noch um folgende Punkte:

a) Ruhegehalt des bisherigen Staatsministers der Justiz, Otto Weinkamm

Das Finanzministerium habe nun diese Bezüge berechnet und komme nach den in der Note vom 20. Dezember 1954 enthaltenen Richtlinien zu einem Hundertsatz von 35 + 7 = 42.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zuzustimmen.

Staatsminister Zietsch fährt fort, weiterhin handle es sich um zwei Berichtigungen, nämlich um

b) die Bezüge des ehemaligen Staatssekretärs Dr. Brenner und

c) des bisherigen Staatsministers Dr. Oechsle.

Im Falle Dr. Brenner ergebe sich statt eines Hundertsatzes von 47 ein solcher von 49, im Falle Dr. Oechsle anstatt eines Hundertsatzes von 47 ein Hundertsatz von 57. Er bitte auch in diesen Punkten um Zustimmung.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Staatsminister Zietsch kommt dann auf die zweite Note vom 27. Dezember 1954 zu sprechen, die überschrieben sei: Versorgung ehemaliger Mitglieder der Bayer, Staatsregierung und deren Hinterbliebenen.

Hier werde vorgeschlagen:

a) der Witwe des verstorbenen Herrn Staatsministers Roßhaupter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 259,- DM zu gewähren,

b) der Witwe des ehemaligen Ministers Wutzlhofer einen solchen von 307,- DM6 und

c) der Witwe des verstorbenen Staatssekretärs Gentner einen solchen von 100,- DM,

Der Mininisterrat beschließt diesen Vorschlägen entsprechend.

Staatsminister Zietsch fährt fort, was den früheren Herrn Staatsminister a.D. Seifried betreffe, so strebe dieser wegen eines Dienstunfalls i.J. 19467 die Zahlung der Ministerversorgungsbezüge nach dem Gesetz vom 5. September 19468 an und habe es deshalb bisher abgelehnt, eine an ihn gerichtete Anfrage über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu beantworten. Es könne also in diesem Fall noch kein Beschluß gefaßt werden.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.

Versorgung ehem. Mitglieder

IV.Personalangelegenheiten

1. Ernennung des Präsidenten der Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Dr. Alfred Kiefer, zum Ministerialdirektor im Bayer. Staatsministerium der Finanzen

Staatsminister Zietsch begründet diesen Vorschlag. Der Ministerrat beschließt, im zuzustimmen.

2. Ernennung des Oberregierungsrats Dr. Hans Nathan zum Direktor des Bayer. Geologischen Landesamts9

Dem Vorschlag des Herrn Staatsminister Bezold entsprechend wird beschlossen, der Ernennung zuzustimmen.

3. Ernennung des Arbeitsamtsdirektors Dr. Günther Schmidt zum Präsidenten des Bayer. Landesarbeitsgerichts10

Staatsminister Stain begründet diesen Vorschlag und weist darauf hin, daß die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände mit der Ernennung einverstanden seien.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag zuzustimmen.

4. Ernennung das Präsidenten des Landesarbeitsamts Südbayern

Staatsminister Stain erklärt, der bisherige Präsident des Landesarbeitsamts Südbayern, Herr Dr. Menzel, befinde sich seit drei Monaten im Ruhestand, ein Nachfolger sei noch nicht ernannt worden, so daß Dr. Menzel vorläufig als Angestellter sein Amt weitergeführt habe.11 Es werde nun neuerdings notwendig, seine Verlängerung auf drei Monate zu beantragen, da noch kein Nachfolger gefunden sei. Der Präsident der Bundesanstalt in Nürnberg lehne aber die Verlängerung ab, weil er Herrn Dr. Riegler von der Bundesanstalt auf diesen Posten bringen wolle. Dieser stoße aber auf allgemeine Ablehnung, auch von Seiten des Arbeitgeberverbands.

Ministerpräsident Dr. Hoegner äußert grundsätzliche Bedenken gegen eine nochmalige Verlängerung des Angestelltenvertrages mit Herrn Dr. Menzel.12

Staatssekretär Weishäupl erwidert, Ausnahmen seien doch möglich, er glaube, wenn man die Verlängerung durchsetze, werde sich bestimmt innerhalb der nächsten drei Monate ein geeigneter Nachfolger ausfindig machen.

Staatsminister Zietsch erinnert daran, daß ursprünglich für die Stellung des Präsidenten des Landesarbeitsamts Nordbayern sowohl vom Arbeitgeberverband wie von den Arbeitnehmerverbänden der Vizepräsident dieses Amtes,13 Herr May, vorgeschlagen gewesen sei, für den sich dann auch der Ministerrat eingesetzt habe. Trotzdem sei er vom Bundesarbeitsminister aus politischen Gründen14 nicht ernannt worden.15 Er schlage nun vor, Herrn| May sofort mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten des Landesarbeitsamts Südbayern zu beauftragen und ihn dann dem Präsidenten der Bundesanstalt als Nachfolger Dr. Menzels vorzuschlagen.

Der Ministerrat schließt sich diesem Vorschlag an.

In diesem Zusammenhang teilt Staatsminister Stain mit, der bisherige Herr Staatsminister Dr. Oechsle sei Vorstandsmitglied der Bundesanstalt gewesen. Der Präsident der Anstalt habe nun vor, keinen bayerischen Vertreter an seiner Stelle nachrücken zu lassen. Er halte es deshalb für notwendig, daß die Bayerische Staatsregierung einen entsprechenden Vorschlag beim Bundesrat einbringe und darin darauf bestehe, daß anstelle von Dr. Oechsle wieder ein Vertreter Bayerns in den Vorstand komme. Dies sei auch der übereinstimmende Wunsch beider Sozialpartner, zumal die bayerischen Gewerkschaften im Vorstand nicht vertreten seien.

Ministerpräsident Dr. Hoegner ersucht, ein entsprechendes Schreiben an die Bayer. Staatskanzlei zu richten.16

5. Benennung eines weiteren Vertreters für den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen des Bundesrats

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, das Staatsministerium des Innern bitte mit Schreiben vom 20. Dezember 1954 als weiteren Vertreter Bayerns im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen des Bundesrats Herrn Oberregierungsrat Dr. Schneider bei der Obersten Baubehörde im Bayer. Staatsministerium des Innern zu benennen. Bedenken gegen diesen Vorschlag bestünden wohl nicht.

Der Ministerrat beschließt, Oberregierungsrat Dr. Schneider als weiteren (vierten) Vertreter Bayerns für diesen Ausschuß zu benennen.

6. Ernennung eines Vizepräsidenten beim Obersten Rechnungshof

Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, daß der Präsident des Obersten Rechnungshofs, Dr. Schellhorn, vorgeschlagen habe, den Ministerialdirigenten Dr. Kääb zum Vizepräsidenten des Obersten Rechnungshofs zu ernennen. Die Amtszeit von Dr. Kääb, der im Laufe des nächsten Jahres in den Ruhestand treten würde, müßte dann allerdings verlängert werden. Er persönlich sei aber nicht dafür, die Amtszeit von Beamten, die vor der Pensionierung stünden, dadurch zu verlängern, daß sie auf Stellen versetzt würden, die mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet seien. Er habe den Präsidenten des Obersten Rechnungshofs auch darauf aufmerksam gemacht, daß Ministerialdirigent Dr. Kääb in erster Linie Fachmann für Polizeiangelegenheiten sei. Herr Präsident Dr. Schellhorn sei jedoch von seinem Vorschlag nicht abgegangen.

Staatsminister Dr. Geislhöringer betont, daß er gerade jetzt, während er sich im Innenministerium einarbeiten müsse, nicht auf die obersten Beamten verzichten könne.

Der Ministerrat beschließt, die vom Präsidenten des Obersten Rechnungshofs vorgeschlagene Ernennung des Herrn Ministerialdirigenten Dr. Kääb zum Vizepräsidenten abzulehnen.17

Bei der Besprechung dieser Personalangelegenheiten wirft Staatsminister Dr. Baumgartner noch folgende Fragen auf:

a) Sei es nicht zweckmäßig, daß wichtige Personalfragen im Koalitionsausschuß besprochen würden?

Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, im allgemeinen habe sich bisher der Ministerrat an die Vorschläge des zuständigen Ressortministers gehalten; selbstverständlich sei es jederzeit möglich, erhebliche Bedenken, die unter Umständen bestünden, im Ministerrat geltend zu machen.

b) Staatsminister Dr. Baumgartner fährt fort, das Haushaltsreferat im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sei mit einem Beamten besetzt worden, der jetzt Landtagsabgeordneter geworden sei. Sei es denn überhaupt möglich, daß ein Abgeordneter zugleich als Haushaltsreferent seines Ministeriums tätig sei?

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, formalrechtlich sei dagegen nichts einzuwenden, natürlich sei es aber völlig der Entscheidung des Ressortministers überlassen, wen er zu seinem Haushaltsreferenten bestimmen wolle.

c) Staatsminister Dr. Baumgartner kommt dann schließlich noch darauf zu sprechen, daß das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nur einen Ministerialdirektor habe, nämlich Herrn Dr. Dürrwaechter. Dieser sei aber nur über eine Abteilung, und zwar die Abteilung Landwirtschaft gesetzt. Müsse Herr Dr. Dürrwaechter als oberster Beamter für das ganze Ministerium tätig sein oder könne er in der einen Abteilung belassen werden?

Es wird festgestellt, daß es ohne weiteres möglich sei, einen Ministerialdirektor nur als Leiter einer Abteilung tätig werden zu lassen.

V.Vertrieb von Süßbier in Bayern18

Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt einen Wunsch des Bayer. Brauerbundes bekannt, der dahin gehe, ihm in einer Pressekonferenz der Staatsregierung Gelegenheit zu geben, seinen Standpunkt zu der Süßbierfrage öffentlich mitzuteilen.

Staatsminister Zietsch macht darauf aufmerksam, daß ein Rechtsstreit über den Vertrieb des Süßbieres anhängig sei und empfiehlt, erst abzuwarten, wie die Entscheidung lauten werde.19

Auch Staatsminister Dr. Koch meint, es sei nicht zweckmäßig, wenn der Brauerbund für die Vertretung seines Standpunktes die Staatsregierung in Anspruch nehme.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt abschließend, er werde dem Brauerbund empfehlen, selbst eine Pressekonferenz abzuhalten oder sonst in geeigneter Weise die Öffentlichkeit zu unterrichten. Im übrigen halte ja zunächst die Staatsregierung an ihrem bisherigen Standpunkt in dieser Frage fest.20

Reinheitsgebot

VI.Landesentschädigungsamt

Ministerpräsident Dr. Hoegner macht auf ein Schreiben des Landesrats für Freiheit und Recht aufmerksam,21 der sich dagegen wende, daß das Landesentschädigungsamt dem Finanzministerium unterstellt sei und die Übertragung in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge anrege.22

Staatssekretär Weishäupl fügt hinzu, auch er habe derartige Zuschriften bekommen. Es sehe aber aus, als ob die Meinung des Vorstands des Landesrats nicht einheitlich sei.

Der Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.23

VII.Körperliche Züchtigung in den Schulen24

Auf Frage von Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert Staatssekretär Dr. Meinzolt, ein Erlaß über das Verbot der körperlichen Züchtigung in den Schulen werde vorbereitet.25

VIII.Auswärtiger Ausschuß des Bundesrats

Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf eine in der schwäbischen Landeszeitung vom 28. Dezember 1954 erschienene Notiz, wonach beabsichtigt sei, den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats nicht mehr dem Bayerischen Ministerpräsidenten zu geben, sondern ihn auf den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen zu übertragen.

Staatsminister Zietsch bemerkt, bisher seien die Vorsitzenden der Ausschüsse des Bundesrats im regelmäßigen Turnus gewechselt worden. Den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß habe aber in den letzten Jahren immer der Bayerische Ministerpräsident gehabt. Formell könne sich gegen einen Wechsel Bayern wohl nicht wehren, er müsse aber betonen, daß sich die bisherige Übung bewährt habe und beibehalten werden solle. Auf alle Fälle könne ein Wechsel erst nach Ablauf des nächsten Jahres eintreten.

Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, nach der Bismarckschen Verfassung habe Bayern ständig den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuß des damaligen Bundesrats gehabt, bis 1914 sei dieser Ausschuß aber nie zusammengetreten.

Staatsminister Zietsch empfiehlt, über die Bayerische Vertretung vorzufühlen und den Bundesratspräsidenten beim Neujahrsempfang in Bonn auf diese Angelegenheit anzusprechen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.26

für Auswärtige Angelegenheiten

IX.Verkehr mit Behörden der Ostzone

Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft die Frage auf, ob sich die Staatsministerien unmittelbar mit Behörden der Sowjetzone in Verbindung setzen sollen oder ob jeweils die Staatskanzlei eingeschaltet werden müsse. U.a. habe das Staatsministerium für Unterricht und Kultus wegen der Frage der Anerkennung von Promotions- und Habilitationsordnungen einen Schriftwechsel mit dem sogenannten „Staatssekretariat für das Hochschulwesen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik“ geführt. Er halte dies für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung und habe sie deshalb im Ministerrat aufwerfen wollen.

Der Ministerrat stellt fest, daß in einzelnen Fällen, die z.B. das Staatsministerium der Justiz oder das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge betreffen, nach wie vor mit den entsprechenden Behörden der Sowjetzone verhandelt werden könne.

Auf Vorschlag von Staatssekretär Dr. Meinzolt wird aber beschlossen, bei grundsätzlichen Dingen, insbesondere beim Verkehr mit den Spitzen der Sowjetzonalen Behörden, zunächst eine Vorhernote an die Bayer. Staatskanzlei zu richten.

Deutsche Demokratische Republik

X.Deutsch-Schweizerische Himalaya-Expedition 195527

Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein Schreiben der Expedition, in der die Bayer. Staatsregierung um einen Zuschuß von 15 000,- DM gebeten werde, mit dem Hinweis darauf, daß sich auch die Schweiz, die Stadt Zürich, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart in gleicher Weise beteiligen würden.28

Staatssekretär Dr. Meinzolt ersucht, das Schreiben an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus herüberzuschicken, nachdem das Ministerium über die Gelder der deutschen Himalaya-Stiftung verfügen könne.29

XI.Vereinigte Deutsche Metallwerke AG30

Staatsminister Bezold teilt mit, diese Aktiengesellschaft führe zur Zeit einen Prozeß gegen den bayerischen Staat.31

Der Anwalt der Firma habe in einem Schriftsatz u.a. erklärt „...es sei schon schlimm genug, daß die Länderregierungen den Besatzungsmächten Gerichtsvollzieherdienste geleistet hätten...“. Anschließend kämen weitere Vorwürfe, die sich zum Teil gegen den früheren Herrn Staatsminister Dr. Seidel richteten. Es sei nun die Frage entstanden, ob man wegen dieser Äußerung Strafantrag wegen Beleidigung stellen solle. Er selbst sei der Meinung, dies sei nicht zweckmäßig,

Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich dieser Auffassung an, betont aber, es sei notwendig, diese Vorwürfe schärfstens zurückzuweisen, da sie völlig unwahr seien. ln den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch habe vielmehr die damalige Bayerische Staatsregierung und insbesondere die Wirtschaftsminister Dr. Zorn und Dr. Seidel alles versucht, um den demontagegefährdeten Betrieben zu helfen und in der Tat auch sehr viel erreicht.

Staatsminister Bezold meint, eine solche Erklärung könne an die Öffentlichkeit gegeben werden, wenn die Gegenseite ihre Vorwürfe weiter erhebe.

Der Ministerrat beschließt, Strafantrag nicht zu stellen, die Vorwürfe zu gegebener Zeit aber mit allem Nachdruck zurückzuweisen.32

XII.Besuch des Ministerpräsidenten bei Kardinal Wendel und Landesbischof Meiser

Ministerpräsident Dr. Hoegner unterrichtet noch das Kabinett über die Besuche, die er bei Herrn Kardinal Wendel und Herrn Landesbischof Meiser gemacht habe. Die Besuche haben sich in einer herzlichen Atmosphäre abgespielt. Gestern habe ihm der Kardinal einen Gegenbesuch gemacht.

Zum Schluß der Sitzung spricht Staatsminister Dr. Baumgartner dem Herrn Ministerpräsidenten die besten Glückwünsche des Kabinetts für das Jahr 1955 aus.

Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert die Glückwünsche.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Dr. Albrecht Haas Staatssekretär