Ministerpräsident Dr. Hoegner, Stv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Innenminister Dr. Geislhöringer, Justizminister Dr. Koch, Kultusminister Rucker, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Bezold, Arbeitsminister Stain, Staatssekretär Vetter (Innenministerium), Staatssekretär Eilles (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Meinzolt (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Panholzer (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Simmel (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Weishäupl (Arbeitsministerium), Staatssekretär Dr. Haas (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), zu Punkt I der Tagesordnung: Ministerialdirigent Bachl (Finanzministerium).
I. Versorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung. II. Regelung des Dienstes an den Tagen vor Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten. III. Benennung eines neuen Mitglieds der Staatsregierung im Rundfunkrat. IV. Übersicht über die nicht erledigten Vorgänge aus der vergangenen Legislaturperiode. V. Übertragung von Zuständigkeiten in der Energieaufsicht vom Staatsministerium des Innern auf das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr. VI. Personalangelegenheiten. VII. Aufhebung von Finanzämtern (Finanzamt Riedenburg). VIII. CSU-Flugblatt aus Mittelfranken. IX. Äußerungen von Bistumsblättern. X. Einweihung von Brücken usw.. XI. Überleitung der Abt. V und VI des Staatsministeriums des Innern in das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge. XII. Fernsehsendung. XIII. Weitere Verwendung des Dienstkraftwagens vom Typ Mercedes 300.
Zu Beginn der Sitzung gibt Ministerpräsident Dr. Hoegner ein Glückwunschtelegramm des Vorsitzenden des Landesverbandes der bayerischen Industrie, Herrn Dr. Otto Seeling, Fürth, bekannt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines lebenslänglichen Ruhegehalts an die ausgeschiedenen Mitglieder der bisherigen Bayerischen Staatsregierung in Art. 7 des Gesetzes über Gehalt, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung vom 5. September 1946 (GVBl. S. 369) i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 19. Januar 1953 (GVBl. S. 9)1 enthalten seien. Er persönlich sei der Meinung, daß für das hier vorgesehene Ermessen eine gewisse Regelmäßigkeit zugrunde gelegt werden müsse. Man könne z.B. daran denken, als Ausgleich für die besondere Beanspruchung von Kabinettsmitgliedern das Ruhegehalt jährlich um etwa 4% zu erhöhen. Bekanntlich sei das Minimum 35%, sodaß man beispielsweise bei vierjähriger Amtszeit auf 51% komme. Jedenfalls halte er es für notwendig, feste Richtlinien zu finden, die auch für die Zukunft zu gelten hätten. Württemberg-Baden scheine in seiner Regelung 5% zugrunde legen zu wollen.
Staatsminister Zietsch erwidert, genaue Einzelheiten über den badisch-württembergischen Entwurf seien noch nicht bekannt. Das Bayer. Staatsministerium der Finanzen schlage in seiner Note vom 20. Dezember 1954 eine Vorrückung um jährlich 3% vor. In der Tabelle, die der erwähnten Note beiliege, würden die Versorgungsbezüge bei einer Steigerung um 2% und um 3% errechnet. Er bitte, sich heute sowohl über den Prozentsatz schlüssig zu werden, wie über das Vorfahren, das für die Zukunft festgelegt werden solle.
Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt dann auf die Frage zu sprechen, ob auch der bisherige Staatsminister der Justiz, Herr Weinkamm, Anspruch auf Versorgungsbezüge habe. Nach seinen Unterlagen sei Herr Weinkamm, abgesehen von einer dreijährigen Referendarzeit, sieben Jahre Rechtsrat in Augsburg gewesen und schließlich von 1952–1954 Staatsminister der Justiz. Seine Amtszeit als Rechtsrat könne selbstverständlich angerechnet werden, darüber hinaus sei er der Meinung, man müsse auch seine Referendarzeit anrechnen, nachdem dies auch ganz allgemein bei der Dienstzeitberechnung von Beamten geschehe.
Ministerialdirigent Bachl führt aus, nach Art. 7 des Ministerversorgungsgesetzes sei bekanntlich eine Amtszeit von zehn Jahren als Beamter (einschließlich der Amtszeit als Mitglied der Staatsregierung) Voraussetzung für die Gewährung von Versorgungsbezügen. Das Finanzministerium habe schon bisher die Bedingung der zehn Jahre so weit wie möglich ausgelegt, darüber hinaus könne es aber nicht gehen. Selbst wenn man im Anschluß an die Bestimmungen über die ruhegehaltfähige Dienstzeit der Beamten die Referendarzeit wie Beamtendienstzeit behandle, so werde doch die Dienstzeit als Referendar nur dann angerechnet, wenn sie nach dem 30. Lebensjahr verbracht worden sei. Ebenso wie heute seien ja unter der Geltung des alten bayerischen Beamtengesetzes von 1908 Referendare nicht Beamte gewesen.2 Auch die Tatsache, daß die Referendare vereidig worden seien, ändere daran nichts.
Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß Staatsminister a.D. Weinkamm eine Gesamtdienstzeit von neun Jahren und fünf Monaten aufzuweisen habe und daß es sich also nur noch darum handle, ob die Referendarzeit angerechnet werden könne. Er sei der Meinung, daß die günstigste Auslegung zugrunde gelegt werden müsse. Wenn sich die Gesetzgebung im Laufe der Zeit geändert habe, so sei es durchaus vertretbar, die günstigste Rechtslage anzunehmen, Er schlage deshalb vor, einen Beschluß zu fassen, daß die Referendarzeit des Herrn Staatsministers a.D. Weinkamm angerechnet wird.
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.
Dabei wird aber noch nicht festgelegt, wie hoch sich der Prozentsatz der Vorsorgungsbezüge nunmehr beläuft.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt dann, die Festsetzung der Versorgungsbezüge bei den übrigen ausgeschiedenen Mitgliedern der Staatsregierung könne ohne Schwierigkeit vorgenommen werden, es frage sich nur, ob eine Steigerung von 2% oder 3% beschlossen werde.
Staatsminister. Zietsch bemerkt, das Finanzministerium habe zwar beide Möglichkeiten durchgerechnet, sein Vorschlag laute aber auf 3%.
Der Ministerrat beschließt diesem Vorschlag entsprechend.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt dann an Hand der vom Staatsministerium der Finanzen ausgearbeiteten Tabelle folgende Beträge bekannt:
| 1. Ministerpräsident Dr. Ehard | - Höchstbetrag = | 75% |
| 2. Staatsminister Dr. Schwalber | - (35 + 21) = | 56% |
| 3. Staatsminister Dr. Schlögl | - (35 + 20) = | 55% |
| 4. Staatsminister Dr. Seidel | - (35 + 21) = | 56% |
| 5. Staatsminister Dr. Oechsle | - (35 + 12) = | 47% |
| 6. Staatssekretär Dr. Ringelmann | - Beamtenpension | |
| + 12% = | 65% | |
| 7. Staatssekretär Maag | - (35 + 12) = | 47% |
| 8. Staatssekretär Krehle | - (35 + 27) = | 62% |
| 9. Staatssekretär Dr. Brenner | - (35 + 12) = | 47.96% |
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt dann vor, bei Herrn Staatssekretär a.D. Dr. Nerreter, der die Voraussetzungen des Art. 7 nicht erfülle, von der Möglichkeit des Art. 8 Gebrauch zu machen, nämlich die Höchstdauer des zeitlichen Ruhegehalts auf drei Jahre zu erhöhen. Zur Begründung wolle er erwähnen, daß sich Herr Dr. Nerreter in schwierigen Familienverhältnissen befinde, sich vollständig umstellen und erst wieder eine Rechtsanwaltspraxis aufbauen müsse. Er schlage deshalb vor, ihm die vollen Bezüge auf die Dauer von sechs Monaten zu gewähren und im übrigen das zeitliche Ruhegehalt auf drei Jahre zu verlängern.
Ministerialdirigent Bachl bemerkt, bei Art. 8 sei keine Ausnahme hinsichtlich der Weiterzahlung der vollen Bezüge über drei Monate hinaus zugelassen.
Staatsminister Zietsch regt an, zunächst das zeitliche Ruhegehalt für zwei Jahre zu gewähren, über eine Weiterverlängerung könne dann nach Ablauf dieser zwei Jahre entschieden werden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt sich damit einverstanden, worauf der Ministerrat beschließt, Herrn Staatssekretär a.D. Dr. Nerreter zeitliches Ruhegehalt zunächst für die Dauer von zwei Jahren zu gewähren.
Abschließend ersucht Ministerpräsident Dr. Hoegner Herrn Staatsminister Zietsch, die heute festgesetzten Bezüge möglichst bald anzuweisen.
Staatsminister Zietsch erwidert, die Anweisung werde noch in diesem Jahr vorgenommen werden.3
Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest den Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen in der Note vom 23. November 1954 mit der in der Note vom 13. Dezember 1954 enthaltenen Abänderung.
Nach der Mitteilung des Finanzministeriums sei die Stellungnahme der Gemeinsamen Ausschüsse der Betriebsräte nicht einheitlich, zugestimmt hätten diejenigen des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Unterricht und Kultus und des Innern. Was das Innenministerium betreffe, so sei er selbst allerdings dahin unterrichtet worden, daß auch der Betriebsrat dieses Ministeriums mit den Vorschlägen des Finanzministeriums nicht einverstanden sei.
Staatsminister Zietsch erwidert, er habe die Zustimmungserklärung erhalten.
In erster Linie dürfe er feststellen, daß es sich nicht um die Regelung vor dem Weihnachtsfest und dem Neujahrsfest 1954 handle, sondern darum, für die Zukunft eine endgültige Regelung zu treffen. Diese habe für die Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst den Vorteil, von vornherein zu wissen, daß z.B. der Karsamstag in jedem Jahr freier Samstag sei.
Staatsminister Dr. Koch hält den Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen für zweckmäßig.
Staatsminister Zietsch fährt fort, außerdem sei die günstige Wirkung nicht zu übersehen, die darin liege, daß jeder an einer Behörde Tätige z.B. an Ostern 4 freie Tage hintereinander habe.
Staatssekretär Vetter gibt zu bedenken, daß die besondere Stellung der Verheirateten nicht berücksichtigt worden sei. Er halte es für besser, eine Regelung zu treffen, die an den Tagen vor den großen Festen einen Jourdienst einführe, ohne daß diese Tage auf den freien Samstag im Monat angerechnet würden.
Er glaube auch, daß die weitaus überwiegende Mehrheit der Beamten und Angestellten damit einverstanden sei.
Staatsminister Bezold erwidert, gerade diese Frage sei schon bei der Erörterung des freien Samstag in den Betrieben eingehend geprüft worden, er stimme Herrn Staatsminister Zietsch zu, daß zusammenhängende dienstfreie Tage von besonderem Vorteil seien.
Auch Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich der Meinung des Finanzministeriums an. Er glaube wohl das Einverständnis des Kabinetts annehmen zu können, wenn er feststelle, daß es für dieses Jahr bei der bisherigen Übung bleibe, daß aber in Zukunft nach den Vorschlägen des Finanzministeriums verfahren werde.
Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, den Vorschlägen des Staatsministeriums der Finanzen in den Noten vom 23. November und 13. Dezember 1954 zuzustimmen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß nach § 5 des Gesetzes über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ vom 10. August 19485 die Staatsregierung eines ihrer Mitglieder in den Rundfunkrat entsende. Bisher sei Herr Staatsminister Dr. Schwalber Vertreter der Staatsregierung gewesen. Es sei nun notwendig, heute durch einen Beschluß des Kabinetts einen neuen Vertreter zu benennen.
Der Ministerrat beschließt, als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung im Rundfunkrat Herrn Staatsminister Rucker zu benennen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, gemäß § 5 Abs. 3 des Rundfunkgesetzes müssen diejenigen Herren Minister und Staatssekretäre aus dem Rundfunkrat ausscheiden, die ihm bisher als Vertreter der in § 5 Abs. 2 Nr. 2 bis 12 des Gesetzes aufgeführten Organisationen angehört hätten.
Es wird festgestellt, daß keines der Mitglieder des jetzigen6 Kabinetts bisher dem Rundfunkrat angehört hat.
Ministerpräsident Dr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß eine Reihe von zum Teil wichtigen Gesetzen im letzten Landtag nicht mehr verabschiedet worden seien.
Im einzelnen handle es sich um folgende Gesetzentwürfe:
1) Landesplanungsgesetz (Beilage 2219)7
Staatssekretär Dr. Guthsmuths teilt mit, im wesentlichen handle es sich noch um den § 11 des Entwurfs.8 Hier werde das Staatsministerium eine völlig neue Fassung vorlegen, die tatsächlich das Wesen des Gesetzes bedeutend verändern werde.
2) Entwurf eines Gesetzes über die Forstrechte (Beilage 3137)9
Staatsminister Dr. Baumgartner bemerkt, dieser Gesetzentwurf werde neu eingebracht werden müssen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert in diesem Zusammenhang daran, daß im Hinblick auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs auch das Forstgesetz geändert werden müsse.10
3) Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung der Land- und Forstwirtschaft (Beilage 3825)11
Staatsminister Dr. Baumgartner stellt fest, er habe zunächst nicht vor, diesen Gesetzentwurf nochmals vorzulegen, er beabsichtige vielmehr, noch einige Monate zuzuwarten, bis die Entwicklung übersehen werden könne.
Staatsminister Zietsch schließt sich an und empfiehlt zu überlegen, ob man nicht ähnlich wie in Niedersachsen wieder zu einem System der Landwirtschaftskammern mit Selbstverwaltungsaufgaben zurückkehren könne.12
4) Entwurf eines Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Beilage 5781)13
Staatsminister Dr. Koch gibt bekannt, dieser Gesetzentwurf befinde sich zur Zeit beim Senat, wesentliche Änderungen seien nicht zu erwarten. Allerdings sei noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Strafbarkeit des Konkubinats ausständig. Wenn diese rechtzeitig ergehe, werde für die Bayerische Staatsregierung die Lage erheblich erleichtert.14
5) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bayer. Ärztegesetzes15
Staatsminister Dr. Geislhöringer teilt mit, auch dieser Gesetzentwurf werde nochmals vorgelegt werden.
Staatssekretär Weishäupl meint, gegen die jetzige Fassung seien erhebliche Bedenken vorgetragen worden, vielleicht sei es doch zweckmäßig, den Entwurf nochmals zu überarbeiten.16
6) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Dienststrafordnung17
Staatsminister Zietsch erklärt, dieser Gesetzentwurf, der besonders wichtig sei, werde dem Landtag neuerdings vorgelegt werden.
Staatsminister Bezold nimmt Bezug auf die Koalitionsverhandlungen, in denen die Übertragung dieser Zuständigkeiten eingehend behandelt worden sei. Bekanntlich habe der Ministerrat am 3. November 1954 nach langwierigen Beratungen und Erwägungen beschlossen, die Energieaufsicht auf das Wirtschaftsministerium zu übertragen. Wie ihm mitgeteilt worden sei, sei dieser Beschluß mit großer Mehrheit zustande gekommen,
Er habe nun eigentlich vermutet, daß es keine weiteren Schwierigkeiten geben werde. Er höre nun aber von den Beamten seines Hauses, daß eine Verständigung mit dem Staatsministerium des Innern noch nicht zustande gekommen sei. Für sein Ministerium sei die Lage dadurch außerordentlich schwierig, da die Akten noch nicht eingetroffen seien, andererseits aber eine Reihe von Anträgen in kürzester Frist entschieden werden müßten. Er bitte deshalb dringend, dafür Sorge zu tragen, daß die Übersendung der Akten sofort erfolgt und daß dem Wirtschaftsministerium auch die erforderlichen Sachbearbeiter zur Verfügung gestellt werden, Benötigt würden im Gegensatz zu den 13 im Staatsministerium des Innern beschäftigten Herrn nur 4 und zwar für die gleichen Aufgaben. Herrn Staatsminister Dr. Geislhöringer wäre er für ein befreiendes Ja zu besonderem Dank verbunden.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, eine wichtige Frage, auf die er auch im damaligen Ministerrat hingewiesen habe, sei die, ob zur Übertragung ein Gesetz notwendig sei oder nicht.
Er halte es doch für erforderlich, diesen Punkt nochmals zu prüfen, auch wenn das Kabinett sich am 3. November 1954 auf den Standpunkt gestellt habe, ein Gesetz sei nicht notwendig.
Staatsminister Dr. Geislhöringer führt aus, es liege ihm fern, nach den abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen noch Bedenken anzumelden, die Überführung sei aber tatsächlich nicht ganz einfach. Die Entwicklung auf dem ganzen Gebiet der Energiewirtschaft sei ihm wohl bekannt, er sei deshalb auch zu der Überzeugung gekommen, der seinerzeitige Ministeratsbeschluß sei etwas übereilt gewesen. Außerdem gebe es eine Reihe von anderen wichtigen Fragen, z.B. diejenigen, die mit dem Wasserrecht zusammenhingen, sodaß, wie gesagt, der Vollzug des Beschlusses recht schwierig sei. Er sei aber gerne bereit, sich mit Herrn Staatsminister Bezold noch über Einzelheiten zu unterhalten, damit das Staatsministerium für Wirtschaft nach dem Übergang auch wirklich aktionsfähig sei.
Staatssekretär Dr. Guthsmuths unterstreicht gleichfalls die Notwendigkeit für das Wirtschaftsministerium, sofort die Akten zu erhalten. So müsse z.B. noch bis 31. Dezember 1954 ein Energielieferungsvertrag für die Stadt Passau fertiggestellt werden.
Staatsminister Bezold ersucht wiederholt, an dem Beschluß vom 3. November 1954 festzuhalten und warnt davor, nochmals eine Aussprache zu beginnen. Es stehe doch fest, daß auch der Herr Innenminister im Grundsatz für die neue Lösung sei.
Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, daß die Einzelheiten zwischen den beiden Herren Staatsministern im Sinne des Beschlusses vom 3. November 1954 abgesprochen werden,
Staatssekretär Vetter macht darauf aufmerksam, daß Entscheidungen, bei denen kommunale Interessen berührt würden, nur im Einvernehmen mit dem Innenministerium getroffen werden könnten. Dabei ergebe sich aber auch die Frage, ob die Übertragung in der Tat ohne Gesetz möglich sei. Jedenfalls müsse bei den Zuständigkeitsvereinbarungen genau festgelegt werden, wie das Einvernehmen in den einzelnen Punkten zu regeln sei.
Abschließend stellt Ministerpräsident Dr. Hoegner fest, daß Herr Ministerialdirektor Platz vom Staatsministerium des Innern schon seit längerer Zeit damit beauftragt worden sei, die Einzelheiten über den Vollzug des Beschlusses festzulegen.19
1. Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten des Bayer. Obersten Landesgerichts Dr. Franz Gipser
Staatsminister Dr. Koch schlägt vor, die Amtszeit des Präsidenten des Bayer. Obersten Landesgerichts, Dr. Franz Gipser, der am 25. Januar 1955 das 65. Lebensjahr vollende, für die Dauer eines Jahres zu verlängern.
Nachdem sich auch Ministerpräsident Dr. Hoegner für die Verlängerung entscheidet, beschließt der Ministerrat, dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Koch entsprechend zu verfahren.
Stv. Ministerpräsident Dr. Baumgartner bemerkt, er habe im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten festgestellt, daß eigentlich eine Reihe von Leuten überflüssig seien; er wundere sich deshalb über die Verlängerungen, die noch dazu den Nachteil hätten, daß der junge Nachwuchs nicht entsprechend zum Zuge komme. Er wolle deshalb die Frage stellen, ob man von dem System der Verlängerungen nicht allmählich abgehen könne?
Staatsminister Dr. Koch erwidert, die Justiz halte sich streng an die Altersgrenze, Ausnahmen würden nur bei Spitzenstellungen vorgenommen. Der Ministerrat habe schon in der vergangenen Zeit bei Verlängerungen einen scharfen Maßstab angelegt.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt zu bedenken, daß es sich bei der jetzigen Auseinandersetzung zwischen Bundestag und Bundesrat um die Altersgrenze der Richter nur darum handle, ob diese vorüberghend20 auf 68 oder 70 Jahre festgelegt werden solle.
Staatsminister Zietsch äußert grundsätzliche Bedenken gegen die Verlängerungen von Amtszeiten, räumt aber ein, daß im Fall des Präsidenten des Obersten Landesgerichts besondere Umstände gegeben seien. Grundsätzlich sei er aber der Meinung, daß durch die Verlängerung der Amtszeit von Richtern nach dem Ermessen der Verwaltung die richterliche Unabhängigkeit gefährdet werden könne.
Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, im zukünftigen Richtergesetz sei auch vorgesehen, daß aus diesem Grunde keine Verlängerungen mehr im Verwaltungsweg vorgenommen werden dürften.
2. Ernennung des Regierungsdirektors im Bayer. Staatsministerium der Justiz August Gernet zum Ministerialrat
Staatsminister Dr. Koch begründet diesen Vorschlag des Staatsministeriums der Justiz und betont, daß Herr Gernet vom Befreiungsgesetz nicht betroffen sei und in der Zeit des Nationalsozialismus eine Reihe von Nachteilen zu erleiden gehabt habe.
Der Ministerrat beschließt, der Ernennung zuzustimmen.
Staatssekretär Dr. Meinzolt kommt dann auf die Notwendigkeit, die Beförderungen in den einzelnen Ministerien zu koordinieren, zu sprechen. Früher sei es üblich gewesen, daß im Staatsministerium des Innern mindestens über die Beamten der höheren Verwaltung eine einheitliche Liste geführt worden sei.
Staatsminister Dr. Koch stimmt diesem Vorschlag zu.
3. Ernennung des Vizepräsidenten des Landessozialgerichts Dr. Hermann Miesbach zum Präsidenten des Landessozialgerichts
Staatsminister Stain bittet, die Beschlußfassung in diesem Punkt um acht Tage zu verschieben.
4. Ernennung des Landgerichtsdirektors Heinrich Gratzl zum Ministerialrat beim Bayer. Obersten Rechnungshof
Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß die Ernennungen beim Obersten Rechnungshof durch den Ministerpräsidenten allein zu erfolgen hätten, der lediglich dem Ministerrat davon Kenntnis zu geben habe. Er bitte also zur Kenntnis zu nehmen, daß Landgerichtsdirektor Gratzl zum Ministerialrat beim Bayer. Obersten Rechnungshof ernannt worden sei.
In diesem Zusammenhang müsse er aber auf Art. 53 der Bayer. Verfassung verweisen, wonach jede Aufgabe der Staatsverwaltung einem Geschäftsbereich zuzuteilen sei.21 Mit dieser Verfassungsbestimmung stehe nicht im Einklang, daß sowohl das Landespersonalamt wie der Verwaltungsgerichtshof der Dienstaufsicht des Ministerpräsidenten unterstellt seien. Früher oder später werde es wohl notwendig sein, die Gesetze entsprechend zu ändern. Er bitte deshalb, daß das Staatsministerium des Innern das Verwaltungsgerichtsgesetz22 in dieser Richtung überprüfe und das Finanzministerium das Beamtengesetz hinsichtlich des Landespersonalamts.
Staatsminister Zietsch schlägt vor, daß sich Herr Ministerialrat Dr. Gerner mit den zuständigen Beamten seines Hauses deshalb in Verbindung setze.23
Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, er habe ein Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Riedenburg vom 20. Dezember 1954 erhalten, mit dem er gebeten werde, dafür einzutreten, daß die Aufhebung des Finanzamts Riedenburg unterbleibe. Ähnliche Befürchtungen bestünden übrigens auch in Simbach am Inn.
Staatsminister Zietsch antwortet, die Nachrichten über die Aufhebung von Finanzämtern stimmten nicht. Allerdings seien Überlegungen im Gang, die aber im Augenblick nicht aktuell seien.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, gestern sei übrigens Herr Staatsrat Dr. Kollmann wegen der Verwaltungsvereinfachung zu einer längeren Aussprache bei ihm gewesen. Wenn diese Vereinfachung durchgeführt werden könne, so müsse sie natürlich das gesamte Gebiet der Verwaltung umfassen, insbesondere die innere Verwaltung, die Justiz und die Finanzverwaltung.25
Staatssekretär Dr. Meinzolt meint, in jedem Ministerium sollte ein Beamter sein, der für Vereinfachungen und Einsparungen verantwortlich sei.26
Staatsminister Dr. Geislhöringer überreicht dem Herrn Ministerpräsidenten ein von der CSU in Mittelfranken herausgebenes Flugblatt, das schärfste Angriffe gegen die Staatsregierung und die Koalitionsparteien enthalte. Es sei die Frage aufgeworfen worden, ob man gegen dieses Flugblatt einschreiten soll. Er persönlich sei aber der Meinung, nichts dagegen zu unternehmen.
Der Ministerrat schließt sich dieser Auffassung an.
Stv. Ministerpräsident Dr. Baumgartner verweist auf die in verschiedenen Bistumsblättem, insbesondere in dem der Diözese Würzburg, erschienenen Artikel, die in der Tat Beleidigungen der Mitglieder der Staatsregierung enthalten. Im Würzburger Bistumsblatt habe es z.B. geheißen, „ein Mann mit anständigem Charakter wird sich für eine solche Regierung nicht zur Verfügung stellen". Er fühle sich persönlich beleidigt und bitte zu überlegen, ob gegen derartige Angriffe nicht etwas getan werden solle.
Der Ministerrat stellt sich übereinstimmend auf den Standpunkt, daß es zweckmäßiger sei, derartige Angriffe einfach totzuschweigen.
Staatsminister Dr. Koch gibt die Anregung, einen Beschluß zu fassen, der ungefähr folgenden Wortlaut tragen könne:
„Um für die Zukunft unliebsame Zwischenfälle zu vermeiden, werden die nachgeordneten Staatsbehörden angewiesen, sich vorher rechtzeitig davon zu überzwugen, daß bei Einweihung von Brücken usw. Einvernehmen zwischen den kirchlichen Stellen beider Konfessionen besteht. Ist dies nicht der Fall, sollen die staatlichen Stellen getrennt auftreten.”
Staatssekretär Dr. Meinzolt begrüßt eine solche Verlautbarung und meint, beide christlichen Kirchen würden es begrüßen, wenn die kirchlichen Weihen von staatlichen oder sonstigen Bauwerken auf ein Mindestmaß beschränkt würden. Es könne auch nicht Aufgabe der Staatsregierung sein, Schiedsrichter zwischen den Kirchen zu werden.
Staatsminister Bezold hält den Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Koch in dieser Form für nicht ganz glücklich. Vielleicht könne man im Text die Worte „Um … zu“ durch das Wort „weil“ ersetzen.
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt zu überlegen, ob man an die Regierungspräsidenten eine Richtlinie herausgeben oder es besser ihrer Klugheit und ihrem Takt überlasse, wie man sich bei derartigen Fällen zu verhalten habe. Wenn sich der Ministerrat entschließe, eine Verlautbarung im Sinne des Vorschlags von Herrn Staatsminister Dr. Koch herauszugeben, sei jedenfalls vorher noch eine Stellungnahme des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erforderlich. Im übrigen27 glaube er, daß heute noch keine Entscheidung getroffen werden müsse, er bitte aber, sich über die Anregung Gedanken zu machen. Auf alle Fälle28 wolle er vermeiden, daß der Staatsregierung der Vorwurf des Laizismus gemacht werde.
Ministerpräsident Dr. Hoegner erkundigt sich, ob der Übergang dieser Abteilungen schon vorgenommen worden sei.
Staatsminister Stain erwidert, die Besprechungen seien noch im Gang, der Übergang selbst habe noch nicht stattfinden können.
Ministerialrat Dr. Gerner schlägt unter Bezugnahme auf Art. 49 Abs. 3 der Bayer. Verfassung30 ein dreiaktiges Verfahren vor, nämlich einen Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten, sodann einen Landtagsbeschluß und schließlich ein Gesetz. Bei ähnlichen Organisationsänderungcn in der Vergangenheit habe man auch dieses Verfahren geübt.
Ein Beschluß zu diesem Punkt wird nicht gefaßt.31
Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Bayer. Rundfunks bekannt, in dem der Wunsch ausgesprochen werde, die Mitglieder der neuen Staatsregierung den Fernsehzuschauern vorzustellen. Als Termin werde der 3. Januar 1955 vorgeschlagen.
Es wird festgestellt, daß den Kabinettsmitgliedern verschiedene Termine vom Rundfunk mitgeteilt worden sind und beschlossen, der Einladung Folge zu leisten.32
Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, der Dienstkraftwagen der Bayer. Staatskanzlei vom Typ Mercedes 300 werde nicht mehr benötigt. Er frage deshalb, ob für diesen Wagen, der in sehr gutem Zustand sei und dessen Verkauf für unrentabel gehalten werde, Interesse bestehe.
Staatsminister Zietsch empfiehlt dem Herrn Ministerpräsidenten den Wagen, den er für weitere Fahrten dringend benötigen werde, zu behalten.
Ein Beschluß über die Verwendung des Wagens wird nicht gefaßt.
Zum Schluß des Ministerrats wünscht Ministerpräsident Dr. Hoegner allen Mitgliedern des Kabinetts gute Weihnachtsfeiertage.
Stv. Ministerpräsident Dr. Baumgartner dankt für die Glückwünsche und erwidert sie im Namen des Kabinetts für den Herrn Ministerpräsidenten.
Die nächste Sitzung des Ministerrats wird für Dienstag, den 28. Dezember 1954, vormittags 9 Uhr, festgesetzt.