Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), zu Punkt IV der Tagesordnung: Ministerialrat Dr. Nibler (Wirtschaftsministerium).
Justizminister Weinkamm, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).
I. Haushaltsaufstellung 1955. II. Ausschuß zur Neugliederung des Bundesgebietes. III. Bergwerk Marienstein. IV. Mietwagen- und Ausflugswagen-Verkehr mit Omnibussen. V. Personalangelegenheiten. VI. Tag der Kriegsgefangenen. VII. Tagesordnung von Ausschuß-Sitzungen des Bayer. Landtags in der Zeit vom 18. bis 22. Oktober 1954. VIII. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank. IX. Bierpreisregelung. X. Durchführung der Entschädigung für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung in Bayern. XI. Besuch einer jugoslawischen Reisegruppe im ehemaligen Konzentrationslager Dachau.
Dr. Ehard verweist auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 7. Oktober 1954 und wirft die Frage auf, ob heute schon dem darin enthaltenen Vorschlag entsprechend ein Beschluß gefaßt werden könne.
MinisterpräsidentZietsch führt aus, es komme vor allem darauf an, schon jetzt durch das Kabinett Richtlinien für die Aufstellung des Haushaltsplans festlegen zu lassen. Die Note vom 7. Oktober 1954 stehe im engen Zusammenhang mit dem an alle Ministerien gerichteten Schreiben seines Haushaltsreferenten, Ministerialdirigenten Dr. Barbarino, vom 2. Oktober 1954.
StaatsministerDer Ministerrat brauche sich heute im wesentlichen wohl nur mit den auf S. 4 und 5 enthaltenen Vorschlägen zu befassen.
(1) bestimme, daß die Voranschlags-Ausgabesummen des o.Haushalts 1955 bei den Einzelpl. 01 bis 11 die Haushaltsausgabesummen 1954 nicht überschreiten dürften;
in (2) werde dann vorgeschlagen, einen Beschluß zu fassen, wonach für jeden der Einzelpl. 01 bis 11 die Summe des Zuschußbedarfs nicht höher sein dürfe, als nach dem gekürzten Haushaltsplan 1954.
Ziff. (3) und (4) schließlich beschäftigten sich mit Stellenplänen und Eingruppierungen.
Auch wenn man den Vorschlägen des Staatsministeriums der Finanzen folge, werde der Haushaltsplan nicht ausgeglichen werden können. Immerhin bestehe aber dann eine gewisse Übersicht. Die Lage sei jedenfalls so, daß über die Ansätze des Haushaltsplans 1954 nicht hinausgegangen werden dürfe.
Dr. Ehard weist auf die Problematik solcher schematischen Festlegungen hin und erklärt an Hand von Beispielen, daß sich in zahlreichen Fällen zwangsläufig Änderungen gegenüber 1954 ergeben müßten.
MinisterpräsidentDr. Schwalber fügt hinzu, dem einzelnen Minister bleibe kaum mehr eine Möglichkeit, sein Ressort zu gestalten, da bereits auf der Referentenebene mehr oder weniger alles entschieden werde.
StaatsministerGerade im Staatsministerium für Unterricht und Kultus ergäben sich jedes Jahr zahlreiche Änderungen, z.B. durch Beschlüsse des Landtags, neue Schulen zu errichten usw. Bei Berufungsverhandlungen komme man nicht darum herum, daß neue Stellen angefordert würden. In dieser Hinsicht sei er an sich so zurückhaltend wie möglich, man könne aber nicht alle Forderungen ablehnen.
Dr. Seidel erklärt, in seinem Ressort seien Einnahmeminderungen zu verzeichnen, er könne aber deshalb nicht einfach eine Kürzung des Zuschußbedarfs in Kauf nehmen. Sei es denn nicht möglich, für 1955 einen Überrollungshaushalt aufzustellen?
Auch StaatsministerZietsch begründet nochmals seinen Vorschlag, einen Beschluß zu fassen, wonach über die Ansätze im Haushaltsjahr 1954 nicht hinnusgegangen werden dürfe. Jedes Ministerium müsse versuchen, innerhalb seines Bereichs zurecht zu kommen. Sicher gebe es unabwendbare Veränderungen, diese müßten aber im Gesamthaushalt ausgeglichen werden. Es komme ihm in erster Linie darauf an, ein bestimmtes Haushaltsvolumen verbindlich festzustellen. Der Steuerausfall werde etwa 60 Mio DM betragen, auch wenn es gelinge, mit der Tarifsenkung am 1.1.1955 zurecht zu kommen. Auch er sei der Meinung, daß es nicht angehe, die Entscheidung auf die Referentenebene zu verlagern, deshalb bitte er um den in der Note vom 7. Oktober 1954 vorgeschlagenen Beschluß. Selbstverständlich könnten dann im Einzelfall noch weitere Verhandlungen stattfinden, Er betone, daß die einzelnen Ressorts gegenüber 1954 einen Betrag von 250 Mio DM mehr angefordert hätten, sodaß ein Beschluß unumgänglich sei.
StaatsministerDr. Nerreter gibt zu bedenken, daß eine unerträgliche Erstarrung eintreten werde, wenn keine Ausnahmen zugelassen würden. Gestehe man aber Ausnahmen zu, müsse sich der Ministerrat mit jeder einzelnen Differenz beschäftigen.
StaatssekretärEr glaube, daß auf diese Weise dem Finanzministerium nicht gedient sei.
Dr. Ehard empfiehlt dann, folgende Regelung zu treffen:
Ministerpräsident1. Die Note des Herrn Staatsministers der Finanzen vom 7.10.1954 wird zur Kenntnis genommen. Ein formeller Beschluß über die darin enthaltenen Vorschläge wird jedoch nicht gefaßt.
2. Die Staatsministerien werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß über die Ausgabeansätze des Haushaltsplans 1954 nicht hinausgegangen wird.
3. Falls es notwendig werden sollte, trotzdem die Ausgabeansätze des Haushaltsplans 1954 zu überschreiten, muß diese Überschreitung besonders dargelegt und begründet werden.
Zietsch stellt fest, daß ihm ein solcher Beschluß des Ministerrats ausreichend erscheine. Damit sei immerhin eine Richtlinie gegeben, von der ausgegangen werden könne. Er bitte aber, daß Überschreitungen von den einzelnen Herren Staatsministern selbst vertreten werden sollten.
StaatsministerDr. Seidel stellt die Frage, warum der vorläufig errechnete Fehlbetrag von 476 Mio DM veröffentlicht worden sei. Die Öffentlichkeit werde diese Mitteilung so auslegen, daß seitens der Ressorts überhöhte Forderungen gestellt würden, während es sich doch im wesentlichen um zwangsläufige Verschlechterungen handle. Gerade was den Haushalt betreffe, müsse darauf geachtet werden, daß die Tatsachen einleuchtend dargestellt würden und keine Mißverständnisse aufträten.
StaatsministerMit dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten sei er im übrigen einverstanden.
Dr. Hoegner stimmt dieser Empfehlung zu.
Auch Stv. MinisterpräsidentDr. Schwalber erklärt, in seinem Ministerium ergäben sich automatisch Erhöhungen auf Grund von Landtagsbeschlüssen, wozu noch andere unvermeidbare Mehrungen träten.
StaatsministerDr. Ehard fügt hinzu, daß sein Vorschlag derartige Veränderungen umfasse. Er dürfe seinen Vorschlag nochmals wie folgt zusammenfassen:
Ministerpräsident1. Die Ministerien sollen sich bemühen, über die Ausgabeansätze des Haushalts 1954 nicht hinauszugehen,
2. Soweit dies doch notwendig ist und Veränderungen vorgenommen werden müssen, müßten diese eingehend begründet werden, ganz gleich, ob es sich um Mehrungen auf Grund von Landtagsbeschlüssen oder automatische Mehrungen oder sog. Verbesserungen handle.
3. Gleichzeitig soll sorgfältig geprüft werden, ob Einsparungen vorgenommen werden können.
Der Ministerrat stimmt diesem Vorschlag einstimmig zu.
Dr. Schwend kommt in diesem Zusammenhang auf den Wahlaufruf der FDP zu sprechen, der sich mit der angeblichen finanziellen Mißwirtschaft der Koalitionsregierung befasse.
MinisterialdirektorStain meint, die FDP werde ihren Wahlkampf wesentlich mit diesen Vorwürfen bestreiten, es empfehle sich deshalb wohl, eine Zusammenstellung zu machen, wie sich die Staatsschulden zusammensetzen und in welcher Form die Beträge investiert seien.
StaatssekretärZietsch antwortet, diese Zusammenstellung liege vor, er werde sie den Herren Kabinettsmitgliedern zugänglich machen.2
StaatsministerDr. Seidel berichtet, am vergangenen Donnerstag und Freitag habe eine Sitzung des Ausschusses zur Neugliederung des Bundesgebietes stattgefunden, an der er teilgenommen habe.4 Mit wachsendem Erstaunen habe er den Verhandlungen gefolgt. Zunächst sei ein Bericht über die Probleme in Hessen und ein Memorandum des Landes Hessen erörtert worden, dann sei ein Bericht des Vorsitzenden über Niedersachsen gefolgt, sowie der Bericht über ein Memorandum des Landes Nordrhein-Westfalen. Schließlich sei der Bericht über die Bereisung von Baden-Württemberg verlesen worden.
StaatsministerBaden-Württemberg und Bayern. Er halte es für dringend erforderlich, die bayerische Denkschrift bald fertigzustellen.
Von allen bisher bereisten Ländern lägen Denkschriften vor mit Ausnahme vonSoweit Berichte vorgelegen hätten, seien sie in erster Lesung behandelt worden, d.h. der Berichterstatter habe den Inhalt kurz skizziert, die Probleme dargestellt und seine Meinung dazu abgegeben. Diese sei dann zur Abstimmung gestellt worden.
Hessen fordere in seiner Denkschrift den Kreis Montabaur, Worms und schließlich das Untermain-Gebiet um Aschaffenburg. Daraus ergäben sich eine Fülle von Problemen für die bayerischen Vertreter. In harter Auseinandersetzung sei es gelungen, eine Mehrheit für den Standpunkt zu gewinnen, daß trotz der Scheidung des Untermain-Gebiets vom übrigen Unterfranken durch den Spessart und trotz landsmannschaftlicher Zugehörigkeit der Bevölkerung zu Rheinfranken und wirtschaftlicher Verflechtungen das Gebiet bei Bayern bleiben solle. Er habe nachgewiesen, daß ein Zeitraum von 150 Jahren größeres Gewicht habe, als frühere historische Zusammenhänge. Immerhin habe die Abstimmung für den bayerischen Standpunkt keine allzu große Mehrheit ergeben. Wie das Ergebnis bei der Schlußabstimmung sein werde, könne er noch nicht mit Sicherheit angeben.
Hessen hinaus hätten zwei Mitglieder des Ausschusses, nämlich die Universitätsprofessoren Dr. Metz,5 Freiburg, und Dr. Aubin6 plötzlich von Miltenberg und Amorbach gesprochen und erklärt, es sei an der Zeit, auch dieses Problem zu revidieren.
Über das Verlangen vonWeiterhin habe sich folgende Frage ergeben:
Montabaur und Worms entsprochen werde und Nordrhein-Westfalen Anspruch auf das jetzt zu Rheinland-Pfalz gehörige Gebiet der ehemaligen Rheinprovinz erhebe, sei kaum mehr Raum für ein selbständiges Land Rheinland-Pfalz. An sich könne das vielleicht im bayerischen Interesse liegen, andererseits habe sich bei der Erörterung der Verhältnisse in Baden-Württemberg ergeben, daß immerhin überlegt werde, zumindest das Gebiet um Mannheim-Ludwigshafen als selbständige wirtschaftliche Einheit zu betrachten und es entweder Baden-Württemberg zuzuschlagen oder durch Errichtung der sog. Kurpfalz zu lösen. Es könne sein, daß die Wiedervereinigung der Pfalz mit Bayern nicht gelingen werde, daraus ergebe sich die schwerwiegende Frage, ob uns ein Land Rheinland-Pfalz nicht lieber sei als eine weitere Verstärkung von Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Er habe deshalb bei den anderen hessischen Fragen keine Stellung genommen, aber gegen die Verbindung von Koblenz und Trier mit Nordrhein-Westfalen gestimmt. Andererseits habe er sich aber auch gegen die Aufteilung von Nordrhein-Westfalen ausgesprochen, da in diesem Fall der Anspruch auf Koblenz und Trier nicht mehr zurückgewiesen werden könne.
Wenn dem hessischen Anspruch aufBaden-Württemberg sei die Sprache auch auf Neu-Ulm gekommen. Hier sei die bayerische Position nicht günstig. Eine erhebliche Zahl von Mitgliedern des Ausschusses habe sich für die Vereinigung von Ulm und Neu-Ulm ausgesprochen. Er habe daraufhin entgegnet, diese Frage gehöre überhaupt nicht zur Kompetenz des Ausschusses und eine Reihe von Gründen für das Verbleiben bei Bayern hinzugefügt. Damit sei es immerhin gelungen zu erreichen, daß kein Beschluß gefaßt und Ermittlungen angeregt worden seien, die wirtschaftliche Bedeutung von Ulm und Neu-Ulm noch genauer zu untersuchen.
Bei der Beratung der Verhältnisse inArt. 29 GG gemacht werden.7
Im großen und ganzen werde der Ausschuß zweifellos für Bayern eine Gefahr sein. Wie gesagt, müsse mit größter Dringlichkeit und Sorgfalt die bayerische Denkschrift zusammengestellt werden. Darin müsse in erster Linie auf die kulturellen Fragen hingewiesen und ferner grundsätzliche Bemerkungen über denDr. Schwend fügt hinzu, der badisch-württembergische Wirtschaftsminister Dr. Veit habe in einer Rede in Mannheim Ansprüche auf die Pfalz erhoben,8 die Regierung in Stuttgart habe der bayerischen Staatsregierung aber ausdrücklich mitgeteilt, daß Herr Veit als Privatmann gesprochen habe. Trotzdem sei es sicher richtig, daß der Neugliederungsausschuß für Bayern eine gewisse Gefahr bedeute.
MinisterialdirektorDr. Seidel meint, die Gefahr läge wohl nicht bei Reichskanzler a.D. Dr. Luther selbst, sondern bei seiner rechten Hand, Dr. Kühl,9 der schon vor 1933 im Bund zur Erneuerung des Reiches10 eine wichtige Rolle gespielt habe.
StaatsministerDr. Hoegner stellt fest, daß bei der Schaffung des Art. 29 GG niemand an eine Abtretung bayerischen Gebiets gedacht habe. Er halte es für notwendig, daß die nächste bayerische Staatsregierung in ihrer Regierungserklärung darüber grundsätzliche Ausführungen mache und keinen Zweifel darüber lasse, daß Bayern niemals Gebietsteile abtreten werde; hiefür liege auch keinerlei sachlicher Grund vor.
Stv. MinisterpräsidentDr. Seidel teilt noch mit, der Ausschuß habe die Städte Tauberbischofsheim und Wertheim Bayern zusprechen wollen. Er habe sich aber aus dem Gedanken heraus dagegen gewehrt, daß Bayern keinen Gebietszuwachs fordern dürfe, wenn es sich mit Entschiedenheit gegen Abtretungen wende. Im übrigen dürfe er nochmals auf die Denkschrift zu sprechen kommen; er glaube, es werde seinen Eindruck nicht verfehlen, wenn darin mit Entschiedenheit erklärt werde, jüngere historische Zusammenhänge seien gegenüber früheren Verknüpfungen, die nur zum Vergleich herangezogen werden könnten, entscheidend.
StaatsministerStain macht noch auf die ungünstigen Rückwirkungen aufmerksam, die hinsichtlich der früheren deutschen Gebiete im Osten entstehen könnten, wenn man allzu sehr in die frühe geschichtliche Vergangenheit zurückgreife.
StaatssekretärDr. Seidel wird zur Kenntnis genommen.11
Der Bericht des Herrn StaatsministersDr. Ehard erinnert an den Beschluß des Ministerrats vom 14. September 1954, der ungefähr dahin gelautet habe, daß die Staatsregierung zwar große Bedenken trage, noch weitere Mittel für die Erschließung neuer Schächte des Bergwerks aufzuwenden, ihr aber daran gelegen sei, Sicherheit über die dortigen Kohlenvorkommen zu gewinnen.
MinisterpräsidentNachdem leider mit einem negativen Ergebnis zu rechnen sei, schlage die Staatsregierung vor, den Versuch zu unternehmen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Immerhin sei also beschlossen worden, für die Erschließung Mittel aufzuwenden, deren Höhe auf etwa DM 750 000,– geschätzt worden sei. Nachträglich habe sich allerdings herausgestellt, daß dieser Betrag keinesfalls ausreiche, vielmehr 1,75 Mio DM benötigt würden.
Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr in dieser Woche den Dringlichkeitsantrag der Abg. Simmel, v. Knoeringen usw. betreffend Bereitstellung von Haushaltsmitteln zur Durchführung von Aufschlußarbeiten in Marienstein behandle,13 zum anderen der Herr Finanzminister mit Schreiben vom 28.9.1954 mitgeteilt habe, daß Mittel für die zusätzlichen Arbeiten im Haushalt nicht veranschlagt seien und deshalb auf Art. 79 BV14 hingewiesen werden müsse.15
Er bringe die Angelegenheit heute nochmals zur Sprache, weil einerseits derMit dieser Note sei praktisch der Beschluß vom 14.9.1954 gegenstandslos geworden; der Ministerrat müsse aber wissen, wie er dem Landtag gegenüber dran sei und ob an dem Beschluß festgehalten werden könne oder nicht.
Dr. Seidel bestätigt, daß am 14.9.1954 beschlossen worden sei, trotz erheblicher Bedenken Mittel in Höhe von DM 300 000,– aufzuwenden, gleichzeitig aber andere Möglichkeiten für Marienstein zu prüfen. Der interministerielle Ausschuß, der sich mit den Fragen zu beschäftigen habe, werde in diesen Tagen zusammentreten, Was die Finanzierung der Pläne zur Neuerrichtung von Betrieben betreffe, so werde sie wohl nicht allzu schwierig sein, weil über die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung ein größerer Betrag freigemacht werden könnte. Seiner Meinung nach werde man bis zum Beginn des neuen Etatjahres klar sehen. Er bitte deshalb, übrigens auch in Anbetracht der bevorstehenden Wahlen, an dem Beschluß festzuhalten.
Auch StaatsministerDr. Guthsmuths fügt hinzu, die Vertreter des Finanz- und Wirtschaftsministeriums hätten sich auf der von Herrn Staatsminister Dr. Seidel skizzierten Richtlinie verständigt und auch Verbindungen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Abg. Dr. Schedl, aufgenommen. Sie würden deshalb dem Antrag nicht widersprechen und sich auf den Ministerratsbeschluß berufen. Soweit dies bis jetzt zu übersehen sei, kämen die ersten Anforderungen wahrscheinlich erst im März oder April.
StaatssekretärZietsch erklärt ausdrücklich, auch zustimmen zu können, daß an dem Beschluß festgehalten werde. In seinem Schreiben vom 28.9.1954 habe er lediglich auf die Bedenken hinweisen wollen.16
StaatsministerDr. Nibler verweist zunächst auf § 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBG),17 wonach Unternehmer von Linienverkehr und von Gelegenheitsverkehr einer behördlichen Genehmigung bedürften. Nach § 9 Abs. 1 PBG dürfte die Genehmigung nur erteilt werden, wenn der Antragsteller zuverlässig, die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet sei und das Unternehmen den Interessen des öffentlichen Verkehrs nicht zuwiderlaufe. Dazu bestimme § 9 Abs. 2, daß die Genehmigung zu versagen sei, wenn kein Bedürfnis vorliege. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof habe in einer Anzahl Entscheidungen den Begriff „Bedürfnis“ als öffentliches Verkehrsbedürfnis interpretiert. Nun habe in einem in Bayern spielenden Fall (Bader, Grainau) das Bundesverwaltungsgericht die Bestimmung des § 9 Abs. 2 mit dem Recht auf die Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 GG für nicht vereinbar und deshalb als grundgesetzwidrig nicht mehr anwendbar erklärt.18
Ministerialratnehmer Bayern als Fahrziel wählen und hier weitere Ausflugsfahrten durchführen würden. Die Folge werde ein völlig ungeregelter Wettbewerb sein. Damit werde genau das Gegenteil erreicht, was mit den zur Zeit dem Bundestag vorliegenden Verkehrsgesetzentwürfen der Bundesregierung bezweckt werde.19 Begreiflicherweise sei durch diese Urteile sowohl im Bundesverkehrsministerium wie in den Ländern eine erhebliche Unruhe ausgelöst worden. In einer Besprechung der Verkehrsreferenten am 28. September 1954 habe man deshalb vereinbart, daß sowohl die Bundesregierung als auch Bayern gegen das Urteil Bader, Grainau, das Bundesverfassungsgericht anrufen sollte. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG20 in Verbindung mit den §§ 13 Ziff. 6 und 76 Ziff. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes.21 Allerdings habe sich das Bundeskabinett mit der Frage, ob die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht anrufen solle, noch nicht beschäftigt.
Dieses Urteil vom 29.6.1954 bedeute zusammen mit einem weiteren vom 9.3.1954, daß künftig jedermann Miet- und Ausflugswagen-Verkehr betreiben könne, wenn nur die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 gegeben seien. Dies werde gerade in Bayern, wo der Miet- und Ausflugswagen-Verkehr eine besondere Rolle spiele, unabsehbare Auswirkungen zur Folge haben. Man müsse erwarten, daß bei einer künftig praktisch unbeschränkten Zulassung alle UnterDr. Seidel spricht sich für die Anrufung aus mit dem Hinweis, daß in Zukunft jeder Unternehmer, wie und wo er wolle, Mietwagenverkehr durchführen könne.
StaatsministerDr. Ehard stellt fest, daß in erster Linie geprüft werden müsse, ob die Klage beim Bundesverfassungsgericht zulässig sei.
MinisterpräsidentDr. Gerner unterstreicht die Bedeutung dieser Frage und bemerkt, im Katalog sei nicht vorgesehen, daß gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Bundesverfassungsgericht angerufen werden könne.
MinisterialratDr. Nibler verweist demgegenüber nochmals auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG.
MinisterialratMinisterpräsident Dr. Ehard meint, man könne höchstens sagen, das Bundesverwaltungsgericht habe sein Urteil auf die Auslegung des Grundgesetzes gestützt, diese Auslegung werde für falsch gehalten, sodaß eine Meinungsverschiedenheit bestehe, die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden sei. Wenn die Anrufung tatsächlich erfolge, müsse aber die Begründung der Zuständigkeit sehr sorgfältig überlegt werden.
Dr. Gerner empfiehlt vorher zu klären, ob die Bundesregierung ihrerseits bereit sei, einen Antrag zu stellen.
MinisterialratDr. Seidel stimmt diesem Vorschlag zu.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, Bayern werde sich jedenfalls anschließen, wenn die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht anruft.
Auch MinisterpräsidentDr. Nerreter bemerkt, der Begriff „Meinungsverschiedenheit“ bringe gewisse Schwierigkeiten mit sich; wenn ein Gericht gesprochen habe und der Instanzenzug erschöpft sei, halte er es für zweifelhaft, ob man noch von einer Meinungsverschiedenheit sprechen könne.
StaatssekretärAuf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird dann folgender Beschluß gefaßt:
Bundesverfassungsgericht anruft.
1. Die Bayerische Staatsregierung schließt sich der Bundesregierung an, wenn diese dasDabei wird besonderes Gewicht darauf gelegt, die Frage der Zuständigkeit zu prüfen.
Bundesverfassungsgericht anzurufen, wird die Bayerische Staatsregierung diesen Schritt selbst tun, vorher aber die Zuständigkeitsfrage mit ganz besonderer Sorgfalt untersuchen.
2. Sollte die Bundesregierung wider Erwarten es ablehnen, dasDr. Nibler erkundigt sich, was in der Zwischenzeit geschehen könne.
MinisterialratDr. Ehard erwidert, zunächst bleibe nichts anderes übrig, als beim Bundesverkehrsministerium auf eine möglichst baldige Entscheidung der Bundesregierung zu drängen.
MinisterpräsidentDr. Seidel empfiehlt noch, inzwischen die Regierungen über den Sachverhalt zu unterrichten.
StaatsministerDr. Hoegner teilt mit, das Staatsministerium des Innern habe eine Ministerrialratsstelle frei und könne auf diese Stelle Herrn Riedmayr, der mit Beschluß vom 5. Oktober 1954 zum Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz bestellt worden sei, setzen, bis die vom Herrn Staatsminister der Finanzen zugesagte Stellenhebung erfolgt sei. Er bitte um das Einverständnis des Ministerrats.22
1. Stv. MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt, Herrn Martin Riedmayr zum Ministerialrat zu ernennen.
Dr. Ludwig Dürrwaechter zum Ministerialdirektor zu ernennen.23
2. Auf Vorschlag des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird ferner beschlossen, den Ministerialdirigenten in diesem Ministerium,Dr. Ehard erinnert daran, daß der Ministerrat die Durchführung des Tages der Kriegsgefangenen in einer der letzten Sitzungen besprochen habe. Dabei sei aber noch kein Beschluß über die vom Verband der Heimkehrer angeregte Verkehrsstille am Samstag, den 23. Oktober, gefaßt worden.
MinisterpräsidentDr. Hoegner erklärt, im vergangenen Jahr sei die Verkehrsstille nicht angeordnet worden, was zu Vorwürfen gegen die Staatsregierung geführt habe. Wenn es auch schwer sein werde, die gewünschte Verkehrsstille von zwei Minuten durchzusetzen, so sei er doch dafür, in diesem Jahr eine entsprechende Empfehlung herauszugeben.
Stv. MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
a)Sozialpolitischer Ausschuß25
Dr. Ehard teilt mit, der Sozialpolitische Ausschuß habe gestern folgenden Antrag des Abg. v. Knoeringen26 und Fraktion behandelt:
MinisterpräsidentWeihnachtsbeihilfe gewährt wird.“
„Die Staatsregierung wird ersucht, durch den Bundesrat beschleunigt zu erwirken, daß Empfängern von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung und allen wirtschaftlich gleichstehenden Empfängern von versicherungsmäßuger Arbeitslosenunterstützung, von Renten aus der Sozialversicherung, von Renten aus der Kriegsopfervorsorgung, von Unterhaltshilfe für Angehörige von Kriegsopfern und von Kriegsschadenrente nach dem Lastenausgleichsgesetz zu Lastendes Bundes eineBundestag auch schon mit ähnlichen Fragen befaßt, das Ergebnis sei ihm aber nicht bekannt.
Soviel ihm bekannt sei, habe sich derStaatsminister Dr. Schwalber bemerkt, wie er gehört habe, sei die Erörterung dieses Antrags im Sozialpolitischen Ausschuß bis zum nächsten Freitag zurückgestellt worden.
Dr. Ehard bittet festzustellen, welche Beschlüsse in den Bundestagsausschüssen gefaßt worden seien.27
MinisterpräsidentDr. Ringelmann antwortet, der Bundesfinanzminister erkläre, die Länder könnten Weihnachtsbeihilfen gewähren, der Bund werde aber diese Lasten nicht übernehmen.
Staatssekretär28
Das Finanzministerium habe sich an die übrigen Finanzministerien gewandt, um eine einheitliche Linie zu erreichen.b)Ausschuß für Sicherheitsfragen
Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß der Ausschuß für Sicherheitsfragen am kommenden Freitag, den 22. Oktober, 8 Uhr 30, tage.
MinisterpräsidentDr. Gerner berichtet, diesem Verwaltungsrat gehörten sechs Ländervertreter an; Bayern habe die Möglichkeit, einen Vertreter zu benennen.30
MinisterialratDr. Seidel, schlägt als bayerischen Vertreter Herrn Staatssekretär Dr. Guthsmuths vor.
StaatsministerDer Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu.
Dr. Guthsmuths bittet, als seinen Vertreter Ministerialrat Gaschott vom Staatsrainisterium der Finanzen zu ernennen.
Staatssekretär31
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.Dr. Seidel wird beschlossen, die Behandlung dieser Angelegenheit bis auf weiteres zurückzustellen.
Auf Anregung von StaatsministerDr. Ehard verweist auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 20.7.1954,33 die sich eingehend mit den Vorwürfen beschäftige, die gegen die Durchführung der Entschädigung in Bayern erhoben würden. Er halte es für notwendig, in der nächsten Kabinettssitzung die darin aufgeworfenen Fragen eingehend zu besprechen und, wo es notwendig sei, einen Ministerratsbeschluß zu fassen. Dabei mache er u.a. auf die Ausführungen auf S. 7 und S. 23 der Note aufmerksam.34
MinisterpräsidentDr. Ringelmann teilt mit, morgen werde eine Besprechung der Wiedergutmachungsminister der Länder in Bad Dürkheim stattfinden. Dabei werde auch die Frage erörtert, ob die Finanzministerien ermächtigt worden könnten, in bestimmten Fällen ohne vorherige Feststellung der Gründe Vorschüsse auf Ansprüche nach § 21 Abs. 3 BEG zu leisten. Die Schwierigkeit des Problems liege darin, daß sich der Bund bisher noch weigere, Vorschüsse zu geben. Er bitte, die Entscheidung im Ministerrat im Hinblick auf die morgige Sitzung, die sich auch mit weiteren in der Note vom 20.7.1954 angeschnittenen Fragen beschäftigen werde, zurückzustellen.
Staatssekretär35
Es wird vereinbart, die Behandlung dieses Punktes zurückzustellen.Zagreb zufolge werde am Mittwoch, den 20. Oktober, eine etwa 400 Personen umfassende jugoslawische Reisegruppe nach München kommen, um u.a. die Gedächtnisstätten im ehemaligen Konzentrationslager Dachau sowie auf dem Leitenberg zu besichtigen. Das Konsulat bitte, die Reisegruppe durch Behördenvertreter begrüßen zu lassen.
Ministerialrat Frhr.v. Gumppenberg berichtet, einer Mitteilung des Deutschen Konsulats inDer Ministerrat beschließt, die Begrüßung der Gruppe dem Vizepräsidenten des Landesentschädigungsamtes, Herrn Meier,36 sowie einem Vertreter der Bayer. Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen und einem Vertreter der Bayer. Staatskanzlei zu übertragen.
Abschließend wird beschlossen, die Behandlung des Punktes „Rückgabe eines in das Eigentum des bayerischen Staates übergegangenen Bildes an die Stadt Köln“ mit Rücksicht auf die Abwesenheit der Vertreter des Justizministeriums in der heutigen Kabinettsitzung auf die nächste Sitzung am Dienstag, den 26. Oktober, zu verlegen.37