Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei).
Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).
A. Streik in der Metallindustrie. I. Verteilung der Bundesmittel für die Steigerung der Wirtschaftskraft und für die Beseitigung von Wirtschaftsschäden in den Grenzbezirken (Bundesgrenzhilfeprogramm). II. Personalangelegenheiten. III. Benennung des Regierungsdirektors im Staatsministeriurn des Innern Dr. Hofmann als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für innere Angelegenheiten des Bundesrats. IV. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V. in München vom 24. bis 27. September 1954. V. Entwurf eines Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG). VI. Deutsche Himalaya-Expedition 1954. VII. Veräußerung des Anteils des Bayerischen Staates an der Anorgana.
Dr. Oechsle einen kurzen Überblick über die Streiklage.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt auf Ersuchen des Herrn Ministerpräsidenten Herr StaatsministerDr. Oechsle führt aus, daß nach 19stündiger Dauer ein Schiedsspruch gefällt worden sei. Der Inhalt dieses Schiedsspruchs decke sich praktisch mit dem zweiten Vermittlungsvorschlag, der von ihm gemacht worden sei. Es sei damit zu rechnen, daß der Schiedsspruch auch von der Arbeitgeberseite angenommen werde.2
StaatsministerDr. Hoegner ergänzt diese Ausführungen dahin, daß in den letzten Streiktagen der Einsatz von Polizeikräften nicht mehr notwendig gewesen sei.3
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard nimmt Bezug auf den Vorschlag des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr über die Verteilung der 27,9 Mio DM Bundesmittel. Er führt aus, daß der Vorschlag die Billigung aller Staatsministerien mit Ausnahme der Obersten Baubehörde und des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gefunden habe.
MinisterpräsidentDr. Brenner führt in eingehenden Darlegungen aus, daß die Kultusverwaltung durch den Verteilungsvorschlag benachteiligt sei. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fachschulen sei der für die landwirtschaftlichen Schulen und die handwerklichen Fachschulen vorgesehene Betrag zu hoch.
StaatssekretärDr. Guthsmuths tritt diesen Ausführungen entgegen mit der Feststellung, daß nach den Bundesrichtlinien eine enge Auslegung des Begriffs „unmittelbare Förderung der Wirtschaftskraft“ notwendig sei und daß daher die Verplanung eines höheren Betrags für das Schulwesen sich nicht habe ermöglichen lassen. Hinzu komme die Tatsache, daß der Sektor der Kultusverwaltung Zuschüsse des Bundes aus anderen Programmen erhalte. Schließlich könne im nächsten Jahr voraussichtlich den Wünschen des Kultusministeriums Rechnung getragen werden; denn es sei vorgesehen, im nächsten Jahr die Aufwendungen des Bundes für die Frachthilfe aus einem Sonderfonds zu übernehmen, so daß das Bundesgrenzhilfeprogramm um 6 Mio DM entlastet werde. Ein entsprechendes Schreiben des Herrn Staatsministers für Wirtschaft und Verkehr an den Herrn Bundesfinanzminister sei bereits ausgelaufen. Im übrigen sei die Verteilung der 27,9 Mio DM in Übereinstimmung mit den Wünschen der Regierungen erfolgt. Es sei allerdings festzustellen,5 daß von den Regierungen für den Kultussektor wesentlich weniger beansprucht worden sei als vom Kultusministerium. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr sehe keine Möglichkeit, andere Posten zu Gunsten des Kultussektors zu kürzen.
StaatssekretärDr. Brenner erklärt, die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Guthsmuths könnten ihn nicht von der Überzeugung abbringen, daß bei der Verteilung des Bundesgrenzhilfeprogramms die Kultusverwaltung wieder einmal ins Hintertreffen geraten sei. Er müsse seine Forderung nach wie vor aufrecht erhalten, denn später würden wieder Vorwürfe laut, daß der Schulbau mit der übrigen Entwicklung des Wirtschaftslebens nicht Schritt gehalten habe.
StaatssekretärDr. Brenner, dem Wunsche des Kultusministeriums auf Erhöhung der für das Schulwesen vorgesehenen Mittel nicht zuzustimmen, sondern es insoweit bei dem Vorschlag des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr zu belassen.
Der Ministerrat beschließt hierauf gegen die Stimme des Herrn StaatssekretärsDr. Hoegner berichtet, daß auch von seinem Ministerium zwei Bedenken gegen den Verteilungsplan erhoben würden. Einmal sei die Oberste Baubehörde mit Mitteln für den landwirtschaftlichen Wegebau und den Wasserbau überhaupt nicht berücksichtigt, Außerdem stehe die Gesundheitsabteilung seines Ministeriums auf dem Standpunkt, daß von den für landwirtschaftliche Zwecke vorgesehenen Mitteln 1,5 Mio DM für Zwecke der Gesundheitspflege abgezweigt werden sollten.
Stv. MinisterpräsidentStaatssekretär Dr. Guthsmuths erklärt hierzu, zur Förderung der Grenzgebiete seien gegenwärtig drei Programme im Laufen.
6 nicht vorgesehen, dagegen wohl in dem Sanierungsprogramm. Bezüglich der Wünsche für die Förderung des Gesundheitswesens schlage er vor, im bayerischen Grenzhilfeprogramm den für Straßenbau vorgesehenen Ansatz von 485 000 DM zu streichen und diese Mittel zur Förderung des Gesundheitswesens zur Verfügung zu stellen.
Nämlich die erwähnten 27,9 Mio DM aus dem Bundesgrenzhilfe-Programm, ferner 10 Mio DM aus dem Grenzhilfeprogramm des Bayerischen Staates und schließlich noch 7,8 Mio DM aus dem Bundessanierungsprogramm. In letzterem Programm sei der Wirtschaftswegebau enthalten. Eine Förderung der Wasserwirtschaft sei in den Bundesrichtlinion für die GrenzhilfeStraßenbau vorgesehenen 485 000 DM Darlehen nicht für diesen Zweck zu verwenden, sondern zur Förderung des Gesundheitswesens zur Verfügung zu stellen.
Der Ministerrat beschließt hierauf, die 27,9 Mio DM Bundesmittel aus dem Grenzhilfeprogramm entsprechend dem Vorschlag des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr zu verteilen, im übrigen die im bayerischen Grenzhilfeprogramm für den gemeindlichen7
Der Ministerrat beschließt ferner, daß insgesamt der Betrag von 2,4 Mio DM aus dem Bundessanierungsprogramm und dem bayerischen Grenzhilfeprogramm für Zwecke der Wasserwirtschaft und den Wegebau zur Verfügung gestellt werden.8
Besetzung der Stelle des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts BayernDr. Oechsle erklärt, er habe an den Herrn Ministerpräsidenten den Antrag gerichtet, den Arbeitsgerichtsdirekter Dr. Günther Schmidt9 zum Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Bayern zu ernennen. Er bitte, die Angelegenheit in dieser Sitzung des Ministerrats zu behandeln.
StaatsministerDr. Ehard gibt einen Überblick über den Lebenslauf und die bisherige Tätigkeit des vorgeschlagenen Richters. Er erklärt, im Hinblick auf das Alter10 des Vorgeschlagenen und die Tatsache, daß dieser sich jetzt noch in der Besoldungsgruppe A 2 b befinde, bestünden gegen die Ernennung schwerste Bedenken. Die sofortige Beförderung eines Beamten von der Besoldungsgruppe A 2 b in die Besoldungsgruppe B 7 a liege so außerhalb des Rahmens einer normalen Laufbahn, daß er hierzu seine Zustimmung nicht erteilen könne.
MinisterpräsidentDr. Oechsle weist darauf hin, daß nach seiner Auffassung Dr. Schmidt der einzige für die Stelle in Betracht kommende Richter sei. Für seinen Vorschlag spreche auch, daß sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmerseite mit der Ernennung Schmidts sich einverstanden erklärt hätten.
StaatsministerDr. Koch erwähnt, daß Dr. Schmidt sich während seiner Tätigkeit in der ordentlichen Gerichtsbarkeit als Verbindungsmann zwischen der Justiz und den Amerikanern bewährt habe. Er wolle allerdings nicht bestreiten, daß die rasche Beförderung Dr. Schmidts zum Präsidenten des Landesarbeitsgerichts bei den Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu Verärgerungen führen werde
StaatssekretärDr. Ringelmann erklärt, auch das Finanzministerium müsse sich im Hinblick darauf seine Zustimmung vorbehalten, daß durch die Beförderung die Laufbahnvorschriften verletzt würden.
StaatssekretärDr. Ehard schlägt vor, angesichts der geltend gemachten Bedenken heute noch keinen Beschluß zu fassen.
MinisterpräsidentDr. Oechsle fügt hinzu, wenn Dr. Schmidt schon nicht als Präsident in Betracht komme, so könne man ihn doch wenigstens zum Stellvertreter des Präsidenten ernennen.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, dies sei durchaus möglich.
Ministerpräsident11
Der Ministerrat beschließt hierauf, in der Angelegenheit heute noch keinen Beschluß zu fassenDr. Hofmann12 als stellvertretendes Mitglied des Innenausschusses des Bundesrats benannt wird. Die bisherige Benennung des Staatssekretärs Dr. Nerreter und des Ministerialrats Dr. Feneberg als stellvertretende Mitglieder des Innenausschusses soll hierdurch nicht berührt werden.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß RegierungsdirektorKrehle ihre Vertretung bei der Eröffnung des Kongresses am 26. September 1954, 10 Uhr 30, übernimmt.
Dia Bayerische Staatsregierung beschließt, daß Herr StaatssekretärDr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat bei seiner letzten Sitzung beschlossen habe, den Gesetzentwurf dem Landtag und dem Senat „zur etwaigen gutachtlichen Stellungnahme“ gleichzeitig zuzuleiten. Der Senat empfinde es nun als eine Zurücksetzung, wenn ihm Gesetzentwürfe, welche so bedeutend und umfangreich seien wie der vorstehende, nur zur „etwaigen“ Stellungnahme zugeleitet würden. Er schlage daher vor, daß in dem Ministerratsbeschluß vom 24. August 1954 das Wort „etwaigen“ gestrichen werde.
Stv. Ministerpräsident14
Der Ministerrat erklärt sich hiermit einverstanden.Dr. Hoegner kommt auf den Beschluß vom letzten Ministerrat zu sprechen, der deutschen Himalaya-Expedition unter bestimmten Auflagen einen Staatszuschuß in Höhe von 30 000 DM zu bewilligen. Zwischenzeitlich sei die Sektion München des Deutschen Alpenvereins gehört worden. Diese habe sich für das Unternehmen ausgesprochen und die Bewilligung eines Staatszuschusses befürwortet. Ebenso habe sich der Deutsche Alpenverein in Stuttgart, dem auch ein Mitglied der Expedition angehöre, für einen Zuschuß ausgesprochen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Brenner weist darauf hin, daß Dr. Heizer,16 der Geschäftsführer des Verwaltungsausschusses, also der Spitze des Alpenvereins, sich gegen das Unternehmen ausgesprochen habe mit der Begründung, daß die wissenschaftlichen Belange nicht genügend gefördert würden.17 Zwischenzeitlich habe sich allerdings herausgestellt, daß Dr. Herrligkoffer wissenschaftliche Mitarbeiter an der Expedition beteilige, wenn er die fehlenden 30 000 DM noch erhalte. Auch seitens des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus bestünden daher keine Bedenken mehr, den Zuschuß des Bayerischen Staates in Höhe von 30 000 DM zu bewilligen.
StaatssekretärDr. Ringelmann erklärt, daß das Staatsministerium der Finanzen bereit sei, den Zuschuß zu Lasten allgemeiner Haushaltsmittel zu zahlen.
StaatssekretärHimalaya-Expedition 1954 einen Staatszuschuß in Höhe von 30 000 DM zu gewähren.18
Der Ministerrat beschließt hierauf mit Zustimmung des Vertreters des Finanzministeriums, der deutschenDr. Ringelmann berichtet, daß der Bayerische Staat den Geschäftsanteil der IG-Farben an der Anorgana um den Preis von 3 Mio DM gekauft habe in der Erwartung, ihn baldmöglichst wieder abstoßen zu können. Der Ankauf habe nur bezweckt, eine Stillegung des Werkes zu verhindern. Der vom Bayerischen Staat erworbene Geschäftsanteil sei daher nicht Bestandteil des Grundstockvermögens des Bayerischen Staates geworden. Die Münchner Grundstücksverwaltungsgeseilschaft habe nunmehr den bisher der Industrieverwaltungsgesellschaft20 zustehenden Pachtbesitz an der Anorgana21 um den Preis von 9,2 Mio DM erworben. Damit sei eine Reprivatisierung und eine Abstoßung der staatlichen Anteile möglich geworden. Das Staatsministerium der Finanzen habe einen Vertrag mit der Bayer. Vereinsbank vorbereitet, durch welchen der Geschäftsanteil des Bayerischen Staates an der Anorgana um den Preis von 3,3 Mio DM an die Bayer. Vereinsbank verkauft werde. Die IG-Farben in Liquidation, der bei dem seinerzeitigen Erwerb durch den Bayerischen Staat ein Rückkaufrecht zugestanden worden sei, habe auf die Ausübung dieses Rechts verzichtet. Der Stichtag für den Verkauf solle auf den 1. Januar 1954 zurückdatiert werden. Die Kosten des Vertrags und die Grunderwerbssteuer sollten von beiden Vertragsschließenden je zur Hälfte übernommen werden. Um den bayerischen Geschäftsanteil habe sich noch eine Hamburger Erdölfirma beworben. Dem Angebot habe aber nicht näher getreten werden könne, weil über die Hintermänner der Gesellschaft nichts zu erfahren gewesen sei.22
StaatssekretärBayer. Vereinsbank verkauft wird.
Der Ministerrat bcschließt hierauf, dem Vertrag zuzustimmen, durch welchen der Geschäftsanteil des Bayerischen Staates an der Anorgana an dieDr. Guthsmuths erwähnt, daß von der Bayer. Landesanstalt für Aufbaufinanzierung an die Anorgana ein Darlehen in Höhe von 5 Mio DM zu günstigsten Zinsen gewährt worden sei. Mit der Reprivatisierung des Unternehmens seien die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Darlehens wohl weggefallen. Er beantrage daher, daß anläßlich des Verkaufs des bayerischen Geschäftsanteils an der Anorgana das Darlehen gekündigt werde.
StaatssekretärDr. Ringelmann erklärt hierauf, daß die Bayerische Vereinsbank bereit sei, das Darlehen abzulösen.
StaatssekretärBayer. Vereinsbank die Ablösung des von der Landesanstalt gewährten Kredits in Höhe von 5 Mio DM bindend übernimmt.
Der Ministerrat beschließt hierauf, die Zustimmung zu dem Vertrag von der Auflage abhängig zu machen, daß dieDr. Ringelmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Farbwerke Hoechst planen würden, für die in Bayern gelegenen Werke eine Holdinggesellschaft mit dem Sitz in Bayern zu gründen, um damit zu erreichen, daß die Steuern aus dem Gewinn der Werke künftig dem Lande Bayern zugute kämen.23
Staatssekretär