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Nr. 217MinisterratssitzungDienstag, 22. Juni 1954 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 15
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über das Staatsschuldbuch des Freistaates Bayern (Staatsschuldbuchgesetz). II. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. Juli 1953 (BGBl. I S. 700). III. Individuelle Privatwaldbetreuung; hier: Schreiben des Obersten Rechnungshofs an den Herrn Ministerpräsidenten vom 18.12.1953 Nr. F – 2000/1253 (mit Abdruck an sämtliche Staatsministerien) betreffend Herbeiführung einer gesetzlichen Regelung. IV. Entwurf eines Bundesgesetzes über die Gewährung von Straffreiheit. V. Wiederaufbau der ehemaligen Alten Akademie, München, Neuhauserstraße 51: hier: Einbau einer Gaststätte. VI. Personalangelegenheiten. VII. Hilfswerk Berlin. VIII. Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft. IX. Oberster Rechnungshof. X. Bayerische Grenzpolizei. XI. Neubau eines Kurhotels in Bad Kissingen. XII. Veranstaltungen usw..

I. Entwurf eines Gesetzes über das Staatsschuldbuch des Freistaates Bayern (Staatsschuldbuchgesetz)1

Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß dieser Gesetzentwurf bereits am 22. Dezember 1953 im Ministerrat behandelt und dann dem Senat zur gutachtlichen Äußerung zugeleitet worden sei.2 In der jetzigen Fassung seien die überwiegend formellen Anregungen des Senats berücksichtigt, dagegen habe das Finanzministerium dem Vorschlag, Art. 3 Abs. 2 zu ändern, nicht entsprochen. Hier werde unter anderem nämlich bestimmt, daß in bestimmten Fällen an Stelle des Reichskanzlers das Staatsministerium der Finanzen trete, während der Senat der Auffassung sei, die Zuständigkeit der Staatsregierung zu übertragen. Das Staatsministerium der Finanzen habe sich in der Note vom 16. Juni 1954 mit dieser Anregung auseinandergesetzt; er selbst sei gleichfalls der Meinung, daß diese Bestimung nicht abgeändert werden solle.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen und ihn dem Landtag und dem Senat, letzterem zur Kenntnisnahme, zuzuleiten.3

Gesetz über das Staatsschuldbuch des Freistaates Bayern (Staatsschuldbuchgesetz) vom 8. November 1954

II. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. Juli 1953 (BGBl. I S. 700)4

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, das Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sehe vor, daß die Kosten bestimmter Maßnahmen „aus öffentlichen Mitteln“ zu tragen seien und die Länder zu bestimmen hätten, wer diese Mittel aufzubringen habe. Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf des Staatsministeriums des Innern seien die Kosten zum Teil von den Gesundheitsämtern, zum Teil von den Landesfürsorgeverbänden zu tragen. Einwendungen seien von keiner Seite erhoben worden.5

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen.6

III. Individuelle Privatwaldbetreuung; hier: Schreiben des Obersten Rechnungshofs an den Herrn Ministerpräsidenten vom 18.12.1953 Nr. F – 2000/1253 (mit Abdruck an sämtliche Staatsministerien) betreffend Herbeiführung einer gesetzlichen Regelung7

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert an das Schreiben des Obersten Rechnungshofs vom 18. Dezember 1953, in dem dieser Wahrnehmungen und Vorschläge hinsichtlich der Privatwaldbetreuung mitgeteilt und um Beschlußfassung des Ministerrats gemäß § 19 des Rechnungshofgesetzes vom 6. Oktober 19518 gebeten habe.

Die wesentlichsten Gesichtspunkte des Schreibens des Obersten Rechnungshofs seien folgende:

a) Die individuelle Betreuung bezw. Bewirtschaftung des bäuerlichen Waldbesitzes werde in steigendem Maße als Aufgabe der Staatsforstverwaltung durchgeführt, ohne daß die hierfür auf gewendeten Staatsausgaben (nach Schätzung des ORH jährlich 7–8 Mio DM, nach Schätzung der Ministerialforstabteilung jährlich 3,6 Mio DM ) im Haushaltsplan irgendwie ersichtlich seien, so daß die Grundsätze der Etatwahrheit und -klarheit verletzt würden.

b) Diese Bewirtschaftungstätigkeit stelle eine ungerechtfertigte Bevorzugung bestimmter Interessentenkreise dar, die ohne eine derzeit nicht vorhandene gesetzliche Grundlage nicht zulässig sei.

c) Eine unentgeltliche Leistung unmittelbarer Bewirtschaftungsmaßnahmen durch den Staat an den bäuerlichen Waldbesitz sei in Anbetracht der Holzpreise und einer Ertragsminderung der Staatsforstverwaltung um 54% gegenüber 1952 nicht zu vertreten.

d) Eine gesetzliche Regelung der Materie sei auch zur Beseitigung des „Nebeneinanders“ von sieben mit der Privatwaldbetreuung befaßten Organisationen notwendig.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt zu a), es habe sich herausgestellt, daß die vom Obersten Rechnungshof angegebenen Zahlen nicht stichhaltig seien.

Staatsminister Zietsch erklärt, die für die Betreuung bezw. Bewirtschaftung des bäuerlichen Waldbesitzes aufgewendeten Mittel beliefen sich jedenfalls auf etwa 4 Mio DM.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, das Staatsministerium der Finanzen sei der Auffassung des ORH beigetreten und habe ebenfalls eine gesetzliche Regelung für notwendig erklärt, „in dem die Leistungen des Staates auf der einen Seite und die Gegenleistungen der Waldbesitzer auf der anderen Seite festgelegt werden.“

Auch das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr erkläre, eine möglichst baldige gesetzliche Regelung sei notwendig und zweckmäßig. Zugleich werde aber auf die erhebliche und für die Volkswirtschaft bedeutungsvolle Steigerung des Holzaufkommens durch die Betreuung des Privatwaldes hingewiesen.

Dieser Auffassung müsse er zustimmen, zumal der Oberste Rechnungshof nicht einmal andeute, daß tatsächlich der Verbesserung des bäuerlichen Waldes größte Bedeutung zukomme und hier doch auch das Interesse des Staates mitbeteiligt sei.

Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stelle dem Bericht des Obersten Rechnungshofes gegenüber in Noten vom 5. und 24. Mai 1954 folgendes fest:

a) Die Förderung des Privatwaldes sei eine gesetzlich festgelegte Aufgabe der Staatsforstverwaltung, eine Trennung von allgemeiner und individueller Betreuung sei nicht möglich.

Hier sei allerdings zu bemerken, daß es sehr zweifelhaft sei, ob die individuelle Privatwaldbetreuung nach dem derzeitigen Rechtszustand tatsächlich eine gesetzliche Pflichtaufgabe des Staates sei.

Staatssekretär Maag verweist demgegenüber auf eine Reihe von Anordnungen, die über die Privatwaldbetreuung bestünden.

Ministerpräsident Dr. Ehard entgegnet, dies treffe aber keinesfalls auf die individuelle Betreuung zu.

Das Saatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fahre dann fort:

b) Die fachtechnische Förderung des Privatwalds durch die Staatsforstverwaltung sei infolge der Gemengelage von Staatswald und Kleinprivatwald die billigste Lösung. Die Aufklärung der Waldbesitzer durch neu eingesetzte staatliche Stellen habe zu einer in diesem Ausmaß nicht erwarteten Inanspruchnahme dieser Forstbeamten geführt.

c) Für die Arbeiten von Forstdienststellen im Auftrag privater Waldbesitzer, die über den Rahmen der Beratung und Ausbildung hinausgehen, seien feste Gebührensätze vorgeschrieben, die zugunsten der Staatskasse verrechnet würden.

Zu diesem Punkt halte er eine Aufklärung notwendig, aus der hervorgehe, was tatsächlich an Gebühren eingenommen werde, ob diese Gebühren angemessen seien und wie sie erhoben werden. Zweifellos könnten die größeren Waldbesitzer im Hinblick auf die hohen Einnahmen aus dem Wald feste Gebühren entrichten, während es bei kleineren Waldbauern unter Umständen andere sein könne.

Unter d) werde dann erklärt, der Nutzen aus der Mehrerzeugung komme zwar in erster Linie dem Waldbesitzer zugute, doch gebe das gegenüber dem volkswirtschaftlichen Nutzen der erheblichen Holzerzeugung nicht den Aasschlag.

e) Eine rechnerisch genaue Ausscheidung der Aufwendungen für die individuelle Privatwaldbetreuung durch staatliche Forstkräfte sei nicht möglich. Ein gangbarer Weg werde sich jedoch finden. Haushaltsrechtliche Bedenken dürften aber die Förderung nicht gefährden.

f) Es gebe nicht sieben selbständig mit der Privatwaldbetreuung befaßte Stellen, sondern außer zwei mit amerikanischen Mitteln eingesetzten Landesberatern nur die Staatsforstverwaltung und den Landesverband.

Zu diesem Punkt stellt Staatsminister Zietsch fest, daß nach dem Bericht des Obersten Rechnungshofes in der Tat eine Vielzahl von Organisationen sich mit der Privatwaldbetreuung befaßten, außer den beiden genannten z.B. auch der Bauernverband und der Verein Waldbauernschule Hohenkammer.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, Buchstabe g) laute wie folgt:

Es werde zur Zeit an einer Verordnung gearbeitet, die eine möglichst klare Trennung sowohl der hoheitlichen und der nicht-hoheitlichen Aufgaben als auch der Tätigkeit der Staatsforstverwaltung und der Berufsverbände vornehmen, eine offizielle Vertretung der Privatwaldbesitzer bei der Ministerialforstabteilung schaffen und deren Befugnisse festlegen, ferner Bestimmungen über die Kostendeckung treffen“ werde.

Inzwischen sei auch eine Erhebung über die für die Privatwaldförderung durch die Staatsforstverwaltung im Rechnungsjahr 1953 angefallenen Kosten angeordnet worden. Es werde daher gebeten, die Angelegenheit noch solange zurückzustellen.

Er halte es in der Tat für notwendig, nun einmal klare Verhältnisse zu schaffen und zwar in erster Linie die dem Staat erwachsenden Kosten festzustellen und dann die Gebührenfrage zu klären. Die Frage sei aber, ob es zweckmäßig sei, schon jetzt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu treffen oder vielmehr zunächst Erhebungen zu pflegen, um dann durch, eine Anordnung soweit als möglich Ordnung zu schaffen. Er glaube, daß eine verfrühte gesetzliche Regelung die Unsicherheit nur vermehren könne, ganz abgesehen davon, daß der Landtag sich wahrscheinlich mit einem derartigen Gesetzentwurf außerordentlich lang beschäftigen werde. Er halte es für besser, einen Weg zu suchen, auf dem eine Unterlage geschaffen werden könne, die eine befriedigende vorläufige Regelung ermögliche.

Außerdem müsse dem Obersten Rechnungshof jetzt eine Antwort gegeben werden, vielleicht in der Art, daß sich der Ministerrat mit der Angelegenheit gefaßt und die und die Beschlüsse gefaßt habe, also die jetzt besprochenen Punkte. Außerdem könne man mitteilen, die Staatsregierung strebe an, eine befriedigende Lösung zu finden, halte aber eine gesetzliche Regelung im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht für möglich.

Staatsminister Zietsch betont, dem Staatsministerium der Finanzen komme es darauf an, klarzustellen, daß die Einwendungen des Obersten Rechnungshofs im Grunde richtig seien und die Angelegenheit nicht in der bisherigen Form weitergehen könne. Den Anregungen des Obersten Rechnungshofs müsse nachgegangen und eine Grundlage geschaffen werden, die eine spätere gesetzliche Regelung ermögliche. Vielleicht könne dies den vom Herrn Ministerpräsidenten skizzierten Punkten für die Antwort an den Obersten Rechnungshof hinzugefügt werden.9

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und bemerkt, das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe selbst festgestellt, daß die Inanspruchnahme der Forstbeamten in einem nicht erwarteten Ausmaß erfolgt sei.

Jedenfalls werde er also mit Einverständnis des Ministerrats dem Obersten Rechnungshof eine Antwort erteilen. Er bitte die Herren Staatsminister der Finanzen und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, gemeinsam einen Entwurf für diese Antwort auszuarbeiten.

Der Ministerrat erklärt sich einverstanden.

IV. Entwurf eines Bundesgesetzes über die Gewährung von Straffreiheit10

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, im Ministerrat vom 25. Mai 1954 sei beschlossen worden, diesen vom Bundestag veränderten Gesetzentwurf nicht abzulehnen, jedoch festzustellen, wie die Meinung der übrigen Länder sei und dann in einer Reihe von Punkten den Vermittlungsausschuß anzurufen.

Bei den Beratungen im Unterausschuß des Rechtsausschusses habe sich ergeben, daß die Länder, die den Gesetzentwurf überhaupt ablehnen wollten, in der Minderheit geblieben seien. Übereinstimmung habe aber geherrscht, den Vermittlungsausschuß jetzt anzurufen und zwar wegen folgender Punkte:

a) § 1:

Hier handle es sich um den Stichtag, der nach der Regierungsvorlage der 9. September 1953 gewesen sei, während ihn der Bundestag auf den 1. Januar 1954 verlegt habe. Hier sei sich alles darüber einig gewesen, daß die Verlegung keinesfalls richtig sei und der Vermittlungsausschuß angerufen werden müsse, um wieder auf den 9. September 1953 zurückzukommen.

Ministerialdirektor Schwend teilt mit, Ministerialdirektor Roemer11 habe im Auftrag des Staatssekretärs Dr. Strauß12 gebeten, die Länder möchten den Vernittlungsausschuß nicht anrufen, damit nicht eine weitere Verzögerung eintrete.

Ministerialrat Dr. Gerner gibt zu bedenken, daß Bayern allein sich nicht durchsetzen könne, wenn die Auffassung der übrigen Länder so bleibe wie bisher. Außerdem werde durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses keinesfalls eine wesentliche Verzögerung eintreten.

Staatsminister Weinkamm stellt fest, auch die Justizminister seien der Meinung, daß die Amnestie abgeschlossen werden solle, trotzdem komme man seiner Meinung nicht daran vorbei, den Vermittlungsausschuß wegen verschiedener Punkte anzurufen, eine Verzögerung von 14 Tagen könne auch durchaus hingnommen worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich gleichfalls dafür aus, wegen des Stichtages (§ 1) den Vermittlungsausschuß anzurufen, Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

b) § 8:

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der zweite strittige Punkt sei der § 8, verbotene Nachrichtentätigkeit, also die sogenannte Platow-Affäre.13 Auch hier seien einige Länder dafür, diese Bestimmung überhaupt zu streichen. Er glaube aber, daß es genüge, auf die Regierungsvorlage zurückzugehen, die einen Ausschließungskatalog vorgesehen habe.

Staatsminister Dr. Seidel empfiehlt, die Fassung des Bundestags anzunehmen, während die Staatsminister Dr. Hoegner und Zietsch für eine Beschränkung, also für die Regierungsvorlage eintreten.

Auch Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich dieser Auffassung an, worauf beschlossen wird, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziele, die Regierungsvorlage wieder herzustellen, anzurufen, falls sich alle übrigen Länder ebenfalls dafür erklären.

c) § 9:

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, der Unterausschuß sei der Auffassung gewesen, daß neben Hoch- und Landesverrat, Mord und Totschlag usw., auch Richterbestechung, schwere Bestechlichkeit, Verkehrsvergehen usw. ausgenommen werden sollten, wie es auch die Regierungsvorlage vorgesehen habe.

Staatsminister Weinkamm bezeichnet es als völlig unmöglich, Richterbestechungen ebenfalls zu amnestieren.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, für die Anrufung des Vermittlungsausschusses einzutreten mit dem Ziele, zu § 9 die Regierungsvorlage wieder herzustellen.

d)

Hier rege der Unterausschuß an, einen Unterschied nach der Höhe der Geldbußen zu machen. Diesem Punkt komme aber keine besondere Bedeutung zu.

Der Ministerrat spricht sich dafür aus, zu diesem Punkt den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen.

e) § 28:

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, hier handle es sich um eine Bestimmung, zu der vermutlich eine neue Formulierung kommen werde, die unterstützt werden könne.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

f) § 4:

Staatsminister Zietsch erklärt, daß; er auch in diesem Punkt für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage eintreten müsse, die lediglich Ordnungswidrigkeiten usw. unter die Amnestie fallen lassen wolle, aber keine Steuervergehen.

Der Ministerrat beschließt, auch zu diesem Punkt den Vermittlungsausschuß mit dem Ziele, die Regierungsvorlage wieder herzustellen, anzurufen,

g)

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, bekanntlich sei das Erste Straffreiheitsgesetz, die sogenannte Lex Platow niemals verkündet worden,14 die Bestimmungen seien aber zum Teil in das jetzt vorliegende Straffreiheitsgesetz hineingearbeitet worden. Der Bundestag wolle nun in diesem Entwurf eine Bestimmung aufnehmen, wonach sein früherer Gesetzesbeschluß aufgehoben werde. Dies sei natürlich völlig unnötig. Wenn das erste Gesetz nicht verkündet worden sei, so werde es allgemein für unmöglich gehalten, dies im neuen Gesetz festzustellen.

h) § 6:

Ministerialrat Dr. Gerner bemerkt abschließend, der letzte Punkt betreffe den § 6 (früher § 8), die sogenanntenNS-Gewalttaten. Wenn man die Tötungsdelikte ausnehmen wolle, müsse man eigentlich den ganzen § 6 aufgeben. Im Unterausschuß seien keine Vorschläge gemacht worden, es wäre also zu überlegen, welchen Standpunkt Bayern einnehmen wolle.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, es handle, sich zum Teil um sehr schwerwiegende Fälle, die nicht amnestiert werden könnten.

Staatsminister Weinkamm bestätigt dies und bemerkt, leider hätte sich die Mehrzahl dieser Fälle in Bayern abgespielt. Auch er halte es für unmöglich, derartige Dinge einfach straffrei zu lassen.

Der Ministerrat stimmt dieser Auffassung zu, so daß also auch zu diesem Punkt der Vermittlungsausschuß angerufen werden soll.15

Gesetz über den Erlaß von Strafen und Geldbußen und die Niederschlagung von Strafverfahren und Bußgeldverfahren (Straffreiheitsgesetz 1954) vom 17. Juli 1954

V. Wiederaufbau der ehemaligen Alten Akademie, München, Neuhauserstraße 51; hier: Einbau einer Gaststätte16

Ministerpräsident Dr. Ehard nimmt Bezug auf die Note des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 14. Juni 1954, in der der Sachverhalt geschildert und der Standpunkt, der von den einzelnen Staatsministerien eingenommen werde, mitgeteilt werde.17

Staatsminister Zietsch berichtet dann über die Verhandlungen mit den Münchner Brauereien, aus denen hervorgegangen sei, daß es sich mehr oder weniger um eine Prestigefrage handle.18 Ein konkreter Vorschlag der Brauereien sei bisher noch nicht gemacht worden. Wenn man an dem Grundsatz des freien Wettbewerbs festhalte, könne Weihenstephan nicht daran gehindert werden, hier eine Gaststätte zu eröffnen, zumal diese Staatsbrauerei früher ihr Bier im Hotel Roter Hahn ausgeschenkt habe, bis sie durch Überangebote einer Münchner Brauerei die Bierlieferung verloren habe. Mit der Verpachtung der Gaststätte in der Alten Akademie an die Weihenstephaner Staatsbrauerei werde also nur der alte Zustand wieder hergestellt.

Staatsminister Dr. Seidel erinnert daran, daß der Ministerrat zunächst beschlossen habe, prüfen zu lassen, ob die Einrichtung einer Gaststätte überhaupt zweckmäßig sei. Die ihm vorliegenden Unterlagen besagten, daß diese Räume ohne jede Schwierigkeit auch einem anderen Zweck zugeführt werden könnten. Die Münchner Brauereien seien in der Lage, ernsthafte Bewerber dafür zu benennen, falls die Firma Hettlage die Räume nicht selbst übernehmen wolle. Wenn die Staatsbrauerei Weihenstephan erkläre, eine Jahrespacht von 105 000 DM entrichten zu können, so müsse er feststellen, daß zu einer derart hohen Pacht tatsächlich nur ein Staatsbetrieb in der Lage sei.

Staatsminister Zietsch betont, er müsse daran festhalten, daß bei den Verhandlungen des Staatsministeriums der Finanzen mit den Münchner Brauereien diese keine Gründe dafür vorgebracht hätten, daß Weihenstephan ausgeschlossen werden solle. Wenn allerdings, wie jetzt erklärt werde, Hettlage sich neuerdings für die in Betracht kommenden Räume interessiere, so werde die Situation verändert.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt ein Schreiben der Firma Hettlage vom 18. Juni 1954 bekannt, daß die Firma Hettlage die Räume übernehmen wolle und bereit sei, eine angemessene Miete von etwa 30–40 000 DM zu zahlen.19Was die bisher eingebauten 61 000 DM betreffe, so habe die Firma noch kein bestimmtes Angebot gemacht, mit einer Einigung könne aber wohl gerechnet werden.

Staatsminister Dr. Seidel ist überzeugt, daß man mit Hettlage zu einem Ergebnis kommen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es gleichfalls für die beste Lösung, wenn in der Alten Akademie überhaupt keine Gaststätte eingebaut werde. Er bitte das Innenministerium, weiter mit der Firma Hettlage zu verhandeln.

Staatsminister Dr. Schwalber betont, auf alle Fälle sei es aber notwendig, der Staatsbrauerei Weihenstephan in der Landeshauptstadt eine geeignete Gaststätte zu verschaffen.

Staatsminister Zietsch erklärt sich bereit, diese Forderung zu unterstützen.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist abschließend darauf hin, daß die Münchner Brauereien ausdrücklich erklärt hätten, gegen die Errichtung eines Ausschanks der Staatsbrauerei Weihenstephan im freien Wettbewerb an anderer Stelle der Stadt sei nichts einzuwenden.20

Alte Akademie

VI. Personalangelegenheiten

1. Ernennung des Generalstaatsanwalts beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof Dr. Jakob Kratzer21 zum Präsidenten des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs22

Der Ministerrat beschließt, den Generalstaatsanwalt bein Bayer. Verwaltungsgerichtshof Dr. Jakob Kratzer zum Präsidenten des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs zu ernennen.23

2. Verlängerung der Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten in Bamberg August Schaefer24

Ferner wird beschlossen, die bereits mit Beschluß vom 23. Juni 1953 um ein Jahr verlängerte Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten August Schaefer, Bamberg, am ein weiteres Jahr, also bis 31. Juli 1955 zu verlängern.

3. Bestätigung der neu gewählten Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz durch die Staatsregierung25

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß die Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz den Oberregierungsrat Dr. Josef Lippert26 zum 2. und den Verwaltungsoberinspoktor Helmut Gerber27 zum 3. Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt gewählt habe. Nach § 8 Abs. 1 c des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen, von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung i.d.F. vom 13. August 195228 bedürfe die Wahl der Bestätigung29 durch die Landesregierung.

Der Ministerrat beschließt, die Bestätigung zu erteilen.

VII. Hilfswerk Berlin30

Ministerialdirektor Schwend teilt mit, das Hilfswerk Berlin habe sich kürzlich an die Bayerische Staatsregierung gewandt und gebeten, ebenso wie im vergangenen Jahr Berliner Kindern einen Ferienaufenthalt in Bayern zu ermöglichen.31 1953 habe der Herr Ministerpräsident Freiplätze für zehn Kinder aus Berlin gestiftet, wodurch Kosten von 1 650 DM entstanden seien.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, voriges Jahr habe sich die Wohlfahrtsabteilung des Innenministeriums um diese Aktion gekümmert. Man dürfe aber nicht übersehen, daß allmählich die Bevorzugung Berlins zu Bedenken Anlaß gebe, zumal ja in Bayern auch Notstandsgebiete vorhanden seien.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, daß jeder Ressortminister aus seinem Dispositionsfonds die Kosten für den Ferienaufenthalt eines Kindes übernimmt.

Es wird dann vereinbart, daß die Herren Staatsminister Dr. Hoegner, Zietsch und Dr. Seidel, sowie Herr Staatssekretär Krehle für Herrn Staatsminister Dr. Oechsle je 200 DM zeichnen, die Herren Staatsminister Weinkamm und Dr. Schlögl je 100 DM, zusammen also 1 000 DM.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich bereit, aus seinen Verfügungsmittein weitere 1 000 DM zur Verfügung zu stellen und teilt abschließend mit, die Staatskanzlei werde diesen Beschluß dem Oberbürgermeister von Berlin32 mitteilen.

VIII. Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft33

Ministerialdirektor Schwend erinnert daran, daß in vergangenen Jahr für die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft ein Betrag von 6 300 DM genehmigt worden sei, allerdings unter der Voraussetzung, daß sich alle anderen Länder der Bundesrepublik daran beteiligten. In der Zwischenzeit habe sich herausgestellt, daß die meisten Länder der Arbeitsgeneinschaft entweder überhaupt nicht beigetreten seien oder keine Beiträge entrichtet hätten.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für mißlich, daß nur Hessen und Bayern die Arbeitsgemeinschaft unterstützen und empfiehlt, sich jedenfalls noch mit Baden-Württemberg in Verbindung zu setzen.

Ministerialdirektor Schwend erwidert, Baden-Württemberg habe selbst jetzt festgestellt, daß nur einzelne Länder an der Arbeitsgemeinschaft beteiligt seien.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird vereinbart, auch in diesem Jahr einen Betrag von 6 300 DM zu bewilligen.

Die Zahlung wird aber davon abhängig gemacht, daß sich auch die übrigen Länder beteiligen.34

Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft

IX. Oberster Rechnungshof35

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob der Antrag des BHE auf Wahl des Präsidenten des Obersten Rechnungshofs durch den Landtag zurückgezogen worden sei.

Staatssekretär Stain bejaht diese Frage.

Ministerpräsident Dr. Ehard empfiehlt daraufhin, vom Obersten Rechnungshof selbst Vorschläge für die Ernennung des künftigen Präsidenten einzuholen. Er sei der Meinung, daß ein Mitglied des Obersten Rechnungshofs zum Nachfolger des Präsidenten Kallenbach ernannt werden soll.

Staatsminister Zietsch meint, dann käme wohl der bisherige Vizepräsident Schellhorn36 in Frage.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, er werde sich noch eine Bestätigung des Landtagsamtes geben lassen, daß der Antrag des BHE zurückgezogen sei.37

X. Bayerische Grenzpolizei38

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt bekannt, Staatssekretär von Lex39 im Bundesinnenministerium warne davor, die bayerische Grenzpolizei aufzugeben. Am besten sei es wohl, diese Frage überhaupt jetzt auf sich beruhen zu lassen. Bedauerlich sei nur, daß der Senat anderer Meinung sei und sich den Argumenten des Bayer. Innenministers nicht zugänglich gezeigt habe.40 Die Meinung, durch die Aufhebung der Grenzpolizei könnten 13 Mio DM eingespart werden, sei völlig unhaltbar.

Zweifellos sei die Tätigkeit der bayerischen Grenzpolizei, gerade was das Hereinkommen von Agenten betreffe, sehr erfolgreich. Interessanterweise habe jetzt auch Hamburg im Bayer. Innenministerium nachgefragt, wie die Grenzpolizei in Bayern organisiert sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß auch seiner Meinung nach die Grenzpolizei beibehalten werden müsse.

XI. Neubau eines Kurhotels in Bad Kissingen

Staatsminister Dr. Seidel erkundigt sich, ob es richtig sei, daß jetzt das Staatsministerium der Finanzen beabsichtige, ein neues Kurhotel in Bad Kissingen zu erbauen.

Staatsminister Zietsch antwortet, es hätten zwar Vorbesprechungen stattgefunden, die Frage sei aber in keiner Weise akut.

XII. Veranstaltungen usw.

a) Deutscher Raiffeisentag

Staatssekretär Maag erwidert auf Frage des Herrn Ministerpräsidenten, Staatsminister Dr. Schlögl werde am Deutschen Raiffeisentag 1954 in München teilnehmen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fügt hinzu, soviel ihm bekannt sei, werde auch der Bundespräsident und Bundesernährungsminister Dr. Lübke nach München kommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, wenn dies der Fall sei, werde er natürlich auch teilnehmen.41

b) Besuch des griechischen Ministerpräsidenten, Marschall Papagos in München42

Ministerialdirektor Schwend teilt die Einzelheiten des für den Besuch des griechischen Ministerpräsidenten und des griechischen Außenministers43 in München vorgesehenen Programms mit.44

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor