Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Arbeitsminister Dr. Oechsle.
I. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung und Ergänzung des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes. II. Entwurf einer Verordnung über die Bestimmung der Landwirtschaftsbehörde nach § 32 des Bundesgesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen vom 21. Juli 1953 (BGBl. I S. 667 ). III. Personalangelegenheiten. IV. Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über die bayerische Staatsflagge und die Dienstflaggen der Kraftfahrzeuge. V. Bewilligung eines zusätzlichen Heimkehrergeldes von 100 DM an die nach Bayern entlassenen Kriegsgefangenen . VI. Kriegsgefangenen-Gedenkwoche . VII. Bildung eines Beratungsausschusses zur Ausarbeitung von Empfehlungen für die Begnadigung deutscher Kriegsverurteilter in Landsberg, Werl und Wittlich . VIII. Pfalzreise des Pfalzausschusses des Bayer. Landtags . IX. Aufführung eines Films über das Leben Hitlers . X. Entnazifizierung der Heimkehrer . XI. Grenzen der Elektrizitätsbezirke . XII. Errichtung eines Atomwerks in der Nähe Münchens. XIII. Anfrage der FDP im Landtag zur Lehrerbildung . XIV. Verteilung der Fremdenverkehrsförderungsmittel . XV. Gewährung einer Weihnachtszuwendung an die Angehörigen des öffentlichen Dienstes. XVI. Regelung des Ladenschlusses vor Weihnachten. XVII. Globalabfindung der SPD und verschiedener Verlage. XVIII. Entwurf eines Gesetzes über die Altersgrenze der Richter . XIX. Besichtigung des Speichersees .
Vor Eintritt in die Tagesordnung berichtet Ministerpräsident Dr. Ehard kurz über die am vergangenen Freitag stattgefundene Besprechung mit dem Bundeskanzler über die Regierungsbildung.1
Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, er habe beim Kanzler die Erwartung ausgesprochen, daß die Regierungserklärung positive Ausführungen über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern bringe. Insbesondere erwarte Bayern die Zusicherung, daß eine Zuständigkeitserweiterung des Bundes auf Kosten der Länder nicht beabsichtigt sei. An das Verhältnis Bund – Länder anknüpfend, habe er auch die Bedenken Bayerns gegen eine Vermehrung bzw. Teilung der Bundesministerien ausgesprochen. Die zu große Zahl von Ministerien führe einerseits dazu, daß die mit nur geringfügigen Aufgaben betrauten Bundesministerien ihre Zuständigkeiten nach unten, d.h. auf Kosten der Länder, zu erweitern versuchten. Andererseits aber würde der Verkehr der Landesregierungen mit der Bundesregierung dann2 außerordentlich erschwert, wenn niemand mehr wisse, welches Bundesministerium für die Bearbeitung einer Einzelsache zuständig sei und wenn mehrere Bundesministerien für sich dieselbe Zuständigkeit beanspruchen würden.
Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, sowohl er als auch der ebenfalls an der Besprechung teilnehmende Ministerpräsident Arnold hätten die Forderung erhoben, daß jede Verfassungsänderung zu unterbleiben habe, durch welche der föderalistische Aufbau der Bundesrepublik gestört werde. Es sei sowohl von ihm wie als auch von Arnold darauf hingewiesen worden, daß eine derartige Verfassungsänderung auf jeden Fall am Bundesrat scheitern werde, wenn auch im Bundestag sich die erforderliche Mehrheit dafür finden sollte. Von der Aufstellung einzelner Forderungen an den Bundeskanzler habe er abgesehen. Die diesbezüglich von norddeutschen Zeitungen aufgestellten Behauptungen seien aus der Luft gegriffen. Doch habe er die Berechtigung der von Finanzminister Schäffer gestellten Forderungen unterstrichen, daß der Bundeskanzler dem Finanzminister bei allen Maßnahmen zur Stützung der Währung und zum Ausgleich des Haushalts unterstützen müsse. Was die Zahl der Ministerposten betreffe,3 so habe er auf den schlechten Eindruck hingewiesen, den ein zu großes Kabinett in der Öffentlichkeit hervorrufen müsse. Er habe daher erklärt, daß seine Partei sich mit zwei Ministerien zufrieden geben werde, wenn auch die FDP kein drittes Ministerium verlange und die übrigen in Betracht kommenden Koalitionsparteien sich mit je einem Ministerium begnügen würden.4
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Der Ministerrat stellt fest, daß die bisherigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Staatsministerien nunmehr bereinigt sind.Der Ministerrat beschließt daraufhin die Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Landtag.7
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Der Ministerrat stimmt der Verordnung zu.Oberbayern und der Oberpfalz Josef Reissig 10 und Michael Norgauer 11 zu Regierungsdirektoren der Besoldungsgruppe A 1 a.
Ernennung der Leiter der Regierungsforstämter vonDr. Ehard teilt mit, daß im Haushaltsplan 1953 die Stellen für die Leiter der Regierungsforstämter von Oberbayern und der Oberpfalz von der Besoldungsgruppe A 1 b in die Besoldungsgruppe A la gehoben worden sind. Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantrage nunmehr, die beiden Beamten unter gleichzeitiger Beförderung zum leitenden Regierungsdirektor in diese Stellen einzuweisen.
MinisterpräsidentVom Staatsministerium der Finanzen seien Bedenken dagegen erhoben worden, die bisher in Bayern nicht übliche Amtsbezeichnung „Leitender Regierungsdirektor“ einzuführen. Deshalb habe die Staatskanzlei angeregt, die Beamten zwar in die neuen Planstellen einzuweisen, dabei jedoch Urkunden auszufertigen, in welchen lediglich die Ernennung zum Regierungsdirektor der Besoldungsgruppe A 1 a ausgesprochen wird.
Zietsch und Staatssekretär Dr. Ringelmann machen geltend, daß in der Bayer. Besoldungsordnung Stellen für Regierungsdirektoren der Besoldungsgruppe A 1 a nicht vorgesehen seien und daß daher, streng genommen, die Beförderung der Beamten erst erfolgen könne, wenn die Besoldungsordnung entsprechend berichtigt sei. Es sei zu erwägen, für die Regierungsdirektoren der Besoldungsgruppe A 1 a neue Amtsbezeichnungen einzuführen.
StaatsministerDemgegenüber stellt sich der Ministerrat auf den Standpunkt, daß die Einführung neuer Amtsbezeichnungen weder erforderlich noch zweckmäßig ist, da es auch Oberstudiendirektoren, Landgerichtsdirektoren usw. gibt, die verschiedenen Besoldungsgruppen angehören.
Der Ministerrat hält es für unbedenklich, die beiden Beamten bereits jetzt zu Regierungsdirektoren der Besoldungsgruppe A 1 a zu ernennen und die Berichtigung der Besoldungsordnung nachzuholen.
Der Ministerrat faßt einen entsprechenden Beschluß.
Dr. Ehard führt aus, daß die Grundsätze für die Bekanntmachung bereits im Ministerrat vom 11. August 1953 festgelegt worden seien. Das Staatsministerium des Innern habe nunmehr eine entsprechende Bekanntmachung ausgearbeitet. Diese weiche allerdings insoweit von den vom Ministerrat festgelegten Grundsätzen ab, als in ihr vorgesehen sei, daß für die Dienstflaggen an Kraftfahrzeugen nur die Streifenflagge, nicht aber auch daneben die Rautenflagge zugelassen werden sollte. Das Staatsministerium des Innern begründet diese Abweichung damit, daß sie nicht nur aus Gründen der Einheitlichkeit erwünscht sei, sondern auch deshalb, weil auf einem gerauteten Flaggentuch das große bayerische Staatswappen, das zudem noch den Herzschild mit den weiß-blauen Rauten enthalte, nur schlecht zur Geltung komme. Hinzu komme noch nach seiner Meinung der Umstand, daß bei fahrenden Kraftfahrzeugen die Streifenflagge leichter erkennbar sei als die Rautenflagge. Er empfehle daher, der Bekanntmachung in der vom Staatsministerium des Innern erstellten Fassung zuzustimmen.
MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt hierauf, der Bekanntmachung in der vom Staatsministerium des Innern erstellten Fassung zuzustimmen.13
Dr. Ehard führt aus, gelegentlich seines Vortrags über die Amerikareise14 vor dem Kabinett sei vereinbart worden, den künftig noch nach Bayern zur Entlassung kommenden Kriegsgefangenen ein zusätzliches Entlassungsgeld in Höhe von 100,- DM auszuzahlen. Es sei damals, da es sich um keine Kabinettssitzung gehandelt habe, allerdings ein formeller Beschluß nicht gefaßt worden. Er bitte daher, diesen Beschluß noch nachzuholen.
MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt entsprechend dem Antrag des Herrn Ministerpräsidenten.
Dr. Ehard gibt den Inhalt eines Schnellbriefes des Bundesministers für Vertriebene vom 7. Oktober 1953 bekannt, in welchem die vom Heimkehrerverband beabsichtigte Durchführung einer Kriegsgefangenengedenkwoche in der Zeit vom 19. – 25. Oktober 1953 den Landesregierungen mitgeteilt und um Unterstützung der Veranstaltungen gebeten wird.16
MinisterpräsidentAusstellung „Wir mahnen“ am 19. Oktober und der Kundgebung im Herkulessaal der Residenz am 25. Oktober vertreten sein soll.
Der Ministerrat beschließt, bezüglich der Beflaggung und der Straßenverkehrsstille sich der Bundesregelung anzuschließen. Ferner beschließt der Ministerrat, daß die Staatsregierung bei den in der Landeshauptstadt München durchgeführten Veranstaltungen, nämlich der Eröffnung derDr. Ehard teilt mit, er beabsichtige, sowohl an der Eröffnung der Ausstellung als auch an der Kundgebung im Herkulessaal selbst teilzunehmen.
MinisterpräsidentKrehle erklärt sich bereit, dem Herrn Ministerpräsidenten entsprechende Unterlagen zuzuleiten.
StaatssekretärDr. Ehard berichtet, daß der Heimkehrerverband bei einer persönlichen Vorsprache die Bitte um Bewilligung eines Zuschusses zu den Kosten der Veranstaltungen der Gedenkwoche in Höhe von 5 000 DM vorgetragen habe. Die von der Staatskanzlei getroffenen Feststellungen hatten ergeben, daß im Vorjahre aus den Mitteln des Staatsministeriums der Finanzen 1 500 DM bewilligt worden seien.
Ministerpräsident17
Der Ministerrat beschließt, in diesem Jahr zu Lasten des Haushalts der allgemeinen Finanzverwaltung einen Zuschuß von 3 000 DM zu bewilligen.Dr. Ehard erinnert an die vom Ministerrat beschlossene Benennung des Landgerichtspräsidenten Dr. Meuschel (Landshut) als Vertreter der bayerischen Justizverwaltung für den Beratungsausschuß zur Ausarbeitung von Empfehlungen zur Begnadigung deutscher Kriegsverurteilter. Landgerichtspräsident Dr. Meuschel habe an einer vorbereitenden Sitzung in Bonn teilgenommen. Hierbei habe sich ergeben, daß drei Ausschüsse und zwar je einer für die drei Besatzungszonen gebildet werden sollen. Bei der Beratung über die Verteilung der Sitze in den drei Ausschüssen habe sich dann herausgestellt, daß die Zahl der für den amerikanischen Ausschuß in Betracht kommenden Richter größer sei als die Zahl der für den französischen Ausschuß verfügbaren Richter. Dr. Meuschel habe sich daher persönlich bereiterklärt, allenfalls auch im französischen Ausschuß mitzuarbeiten. Er habe jedoch die Bayer. Staatskanzlei darauf aufmerksam gemacht und gebeten, es möchte die Frage geprüft werden, ob nicht die Bayerische Staatsregierung ein besonderes Interesse daran habe, durch einen aus ihrer Justizverwaltung stammenden Richter in dem für die amerikanische Zone, d.h. das Gefängnis Landsberg, errichteten Ausschuß vertreten zu sein.
MinisterpräsidentDr. Ehard erklärt, nach seiner Auffassung müsse die Frage auf jeden Fall bejaht werden. Er beabsichtige deshalb, ein Schreiben an das Auswärtige Amt zu richten, in welchem er den Wunsch ausspreche, daß Dr. Meuschel dem für die amerikanische Zone zuständigen Ausschuß zugeteilt werde.
Ministerpräsident19
Der Ministerrat billigt die Auffassung des Herrn Ministerpräsidenten.Dr. Ehard verweist auf den zwischenzeitlich in der Presse veröffentlichten Brief des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz an den Bayer. Landtagspräsidenten, in welchem gegen die Absicht des Pfalzausschusses, auch in diesem Jahre wieder eine Bereisung der Pfalz durchzuführen, schärfstens Verwahrung eingelegt werde.21 Ihm sei ein Abdruck dieses Briefes zugestellt worden. Er beabsichtige jedoch nicht, hierauf irgend etwas zu unternehmen. Vielmehr habe er keine Möglichkeit, dem Landtag irgendwelche Vorschriften zu machen, und es sei daher ausschließlich Aufgabe des Landtagspräsidenten, zu dem Brief Stellung zu nehmen. Die ihm hinterbrachte Behauptung des Ministerpräsidenten Altmeier, er habe in Bonn diesem gegenüber selbst erklärt, daß er die Pfalzreise des Pfalzausschusses nicht für glücklich halte, sei falsch. Er habe in Bonn mit Ministerpräsident Altmeier überhaupt nicht gesprochen, sondern ihn lediglich begrüßt. Er sei der Meinung, daß sich die Staatsregierung in diese Auseinandersetzung nicht einmischen solle.22
MinisterpräsidentMinisterpräsident Dr. Ehard gibt in diesem Zusammenhang noch bekannt, daß Bundeskanzler Adenauer an den Reichskanzler a.D. Luther in dessen Eigenschaft als Vorsitzenden des Sachverständigenausschusses für den Vollzug des Art. 29 GG23 ein Schreiben gerichtet habe, in welchem er um Absetzung der geplanten Pfalzreise des Sachverständigenausschusses bitte.24 Diese Bitte sei damit begründet, daß beim Pfalzproblem auch die Saarfrage eine Rolle spielen könne und daß eine Erörterung der Saarfrage im gegenwärtigen Zeitpunkt aus außenpolitischen Gründen unterbleiben sollte.25 Zugleich habe auch die Regierung von Rheinland-Pfalz die an den Sachverständigenausschuß ergangene Einladung zur Bereisung der Pfalz rückgängig gemacht.26
Dr. Ehard führt aus, er habe dieser Tage die Ankündigung eines Films über das Leben Hitlers erhalten, der in etwa 40 Filmtheatern der Bundesrepublik in den nächsten Wochen gleichzeitg anlaufen solle. Der Film enthalte verschiedene Amateuraufnahmen, die von der Schwester Eva Brauns auf dem Obersalzberg aufgenommen worden seien. Es frage sich, ob gegen die Aufführung des Films etwas unternommen werden soll.
MinisterpräsidentDer Ministerrat ist der Auffassung, daß die Frage, ob die Aufführung des Films die öffentliche Sicherheit gefährde, erst beantwortet werden könne, wenn man den Film selbst kenne.
Der Ministerrat beschließt daher, sich den Film zunächst anzusehen. Der Herr Staatsminister des Innern wird das Weitere veranlassen.28
Dr. Ehard gibt von dem Beschluß des Rechts- und Verfassungsausschusses des Landtags Kenntnis, ein Gesetz zu erlassen, in welchem die Heimkehrer als nicht betroffen erklärt würden, und wirft die Frage auf, wie die Staatsregierung sich zu diesem Gesetzentwurf verhalten solle, der noch in der laufenden Sitzungsperiode dem Plenum des Landtags zur Beschlußfassung zugeleitet werde.29
MinisterpräsidentWeinkamm erklärt, die Bedeutung der Entnazifizierung der Heimkehrer sei durch Presseveröffentlichungen weit übertrieben worden. Der wahre Sachverhalt sei der, daß die Spruchkammer München bisher sechs Fälle behandelt habe, davon seien fünf Beamte und einer ein General gewesen. Es habe sich also bei allen Fällen um solche gehandelt, in welchen die Entscheidung der Spruchkammer die notwendige Voraussetzung für die Geltendmachung von Beamten- bzw. Versorgungsrechten gewesen sei. In allen sechs Fällen sei das Spruchkammerverfahren in kürzester Zeit durchgeführt worden. Im übrigen werde heute von den Polizeibehörden die Ausfüllung des durch das Befreiungsgesetz eingeführten Meldebogens nicht mehr verlangt, so daß praktisch nur diejenigen noch sich einer Spruchkammerentscheidung zu unterwerfen hätten, die gegen den Staat irgendwelche Rechte geltend machen wollten.30 Die Frage der Entnazifizierung der Rußlandheimkehrer sei überhaupt nur deshalb entstanden, weil das von ihm schon lange geforderte Gesetz zum endgültigen Abschluß der politischen Befreiung immer noch nicht in Kraft getreten sei.31 Er wiederhole daher seinen Wunsch, die Verabschiedung dieses Gesetzes voran zu treiben.
StaatsministerDr. Ehard weist darauf hin, daß die gegenwärtig aktuelle Frage der Entnazifizierung der Rußlandheimkehrer von dem allgemeinen Abschluß der politischen Befreiung zu trennen sei. Nur die erste Frage sei Gegenstand der heutigen Kabinettssitzung. Er sei der Auffassung, daß gegen die Verabschiedung des vom Rechts- und Verfassungsausschuß vorgeschlagenen Gesetzes keine Bedenken bestehen und daß daher von Seiten der Regierung diesem Gesetzentwurf auch nicht entgegengetreten werden sollte. Man könnte noch die Frage prüfen, ob eine Beschränkung auf Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft angebracht sei.
MinisterpräsidentDr. Nerreter regt außerdem eine Prüfung der Frage an, ob nicht eine Beschränkung des Gesetzes auf die Heimkehrer, die unter ihrem richtigen Namen in die Heimat kämen, angezeigt sei.
StaatssekretärNach kurzer Erörterung spricht sich der Ministerrat dagegen aus, dem Landtag irgendwelche Beschränkungen des Gesetzes vorzuschlagen. Eine Ausdehnung des Gesetzes auf alle heute noch aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Deutschen ist nach Auffassung des Ministerrats ungefährlich. Ebenso ist der Ministerrat der Auffassung, daß es unter den Kriegsgefangenen Fälle geben könnte, in welchen für den Gebrauch eines falschen Namens berechtigte Gründe vorgelegen hätten.
Der Ministerrat beschließt hierauf, gegen das Gesetz im Landtag seitens der Staatsregierung keinerlei Einwendungen zu erheben.
Dr. Hoegner schlägt in diesem Zusammenhang noch vor, daß den Heimkehrern aus russischer Kriegsgefangenschaft ein etwa 4 – 6 wöchiger Aufenthalt in einem Versorgungskrankenhaus angeboten werden soll.
Stv. MinisterpräsidentKrehle macht darauf aufmerksam, daß die Versorgungsämter angewiesen seien, die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft auf eine entsprechende Zeitdauer in Versorgungskrankenhäuser einzuweisen, wenn diese den Wunsch nach einer solchen Einweisung äußern würden.
StaatssekretärHeimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft die Möglichkeit hätten, sich auf die Dauer von 4 – 6 Wochen in ein Versorgungskrankenhaus oder in eine Versorgungskuranstalt einweisen zu lassen, wenn sie einen entsprechenden Wunsch äußern. In der Erklärung soll besonders auf die Frauenabteilungen in den Versehrtenkrankenhäusern hingewiesen werden. Ferner soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Einweisungen durch die zuständigen Versorgungsämter vorgenommen werden.32
Der Ministerrat beschließt hierauf, eine Erklärung der Staatsregierung zu veröffentlichen, wonach alleDr. Seidel erinnert daran, daß er im letzten Ministerrat nach dem gegenwärtigen Stand der Abgrenzung der Elektrizitätsbezirke gefragt worden sei. Er könne diese Frage nunmehr beantworten. Das vom Kabinett gebilligte Schreiben des Herrn Ministerpräsidenten an den Bundeswirtschaftsminister 34 sei am 20. August 1953 von Staatssekretär Westrick beantwortet worden.35 Nach diesem Schreiben werde nunmehr den bayerischen Wünschen über die Abgrenzung der Elektrizitätsbezirke nahezu vollständig Rechnung getragen. Der einzige Fall, in welchem das Bundeswirtschaftsministerium sich nicht in der Lage gesehen habe, den bayerischen Vorschlägen zu entsprechen, sei das Lindauer Gebiet. Das Bundeswirtschaftsministerium begründe seine Ablehnung damit, daß zwischen Bayern und dem Lindauer Gebiet noch keine ausreichende Leitungsverbindung bestehe. Dagegen sei Württemberg in der Lage, den Raum von Lindau jederzeit zu versorgen. Die Gründe, die das Bundeswirtschaftsministerium gegen die Eingliederung des Lindauer Gebiets in den Bayerischen Elektrizitätsbezirk vorbringe, würden aber in etwa ¼ Jahr gegenstandslos sein, da gegenwärtig vom Allgäuer Überlandwerk eine Leitung nach Lindau gebaut werde.36
StaatsministerDer Landeslastverteiler habe nunmehr vom Allgäuer Überlandwerk und von den Lindauer Stadtwerken Unterlagen über die künftige Energieversorgung angefordert. Es empfehle sich, das Eintreffen dieser Unterlagen abzuwarten und dann den Entwurf eines Schreibens an das Bundeswirtschaftsministerium im Einvernehmen zwischen den zuständigen Ministerien des Innern und für Wirtschaft und Verkehr zu erstellen.
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Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Sachbehandlung einverstanden.Dr. Seidel gibt bekannt, die Deutsche Atomkommission plane die Errichtung einer Atomanlage in Bayern, Leiter dieser Anlage solle Professor Heisenberg werden, Träger die Deutsche Atomkommission. Die Vorarbeiten würden von der Max-Planck-Gesellschaft ausgeführt. Für die Errichtung einer Atomanlage käme außerdem noch die Umgebung der Städte Freiburg im Breisgau und Karlsruhe in Betracht. Doch würde Professor Heisenberg die Errichtung der Anlage bei München vorziehen. Er habe in Aussicht gestellt, dann mit seinen Instituten aus Göttingen nach München umzuziehen.39 Das Atomwerk solle in enger Verbindung mit der Universität und der Technischen Hochschule in München arbeiten. Für eine Herstellung von Atomwaffen komme das Werk nach den Angaben Professor Heisenbergs nicht in Betracht. Eine solche sei auch nicht im Wege der Erweiterung der Anlage möglich. Bezüglich des Standortes der Anlage sei zunächst an ein Geländestück in der Nähe des Seehamer Sees, später an ein solches in der Nähe des Speichersees40 gedacht worden. Das erstere Gelände komme wegen der zu großen Entfernung von München, das letztere wegen der schwierigen Fundierungsarbeiten nicht in Betracht. Andererseits werde für das Atomwerk ein Gelände von mindestens 1 qkm Größe in möglichst unbesiedeltem Gebiet mit ausreichender Strom- und Wasserversorgung benötigt. Wenn das Werk nicht im unmittelbaren Stadtbereich errichtet werde, so würden für die Bevölkerung der Stadt durch eine radioaktive Verseuchung der Luft keine Gefahr entstehen, da in angemessenem Umkreis der Anlage die Verseuchung der Luft laufend gemessen werde und die Anlage jederzeit abgestellt werden könne. Dieser letztere Umstand schließe auch jede Katastrophengefahr aus, da die Anlage im Falle eines Streiks oder dergleichen jederzeit mühelos abgeschaltet werden könne. Insoweit müsse man sich auf die Angaben Professor Heisenbergs verlassen. Finanzielle Forderungen würden für die Errichtung des Werkes nicht erhoben, da der Betrag von 30 – 60 Millionen DM, der hierfür notwendig sei, vom Bund und der Industrie bereitgestellt werde. Doch werde selbstverständlich erwartet, daß der Bayerische Staat dem Atomwerk im übrigen entgegenkomme, z.B. durch Errichtung von Wohnungen. Die Fragen, die vom Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft an Professor Heisenberg bzw. seinen Beauftragten wegen der möglichen Gefahren eines Atomwerks für die Sicherheit der Bevölkerung gerichtet worden seien, hätten nun offenkundig bei Professor Heisenberg den Eindruck hervorgerufen, als werde von der Bayerischen Staatsregierung die Errichtung eines Atomwerks in Bayern nicht gewünscht. Dies sei jedoch unzutreffend. Er schlage daher einen Ministerratsbeschluß des Inhalts vor, daß die Bayer. Staatsregierung die Errichtung einer Atomanlage in angemessener Entfernung von München begrüße. Durch diesen Beschluß sollten lediglich die Grundlagen für weitere Verhandlungen geschaffen werden. Die Einzelheiten müßten bei diesen weiteren Verhandlungen erst festgelegt worden.
Staatsminister Der Ministerrat beschließt entsprechend dem Vorschlag desDr. Ehard teilt mit, soeben erfahre er von einer Anfrage der FDP, welche diese in der Fragestunde zur Lehrerbildung stellen wolle.42 Aus der Frage ergebe sich, daß die Beantwortung für die Fragestunde viel zu umfangreich sei. Denn in der Anfrage werde nicht mehr und nicht weniger als die Bekanntgabe des vollen Inhalts der Gutachten der bayerischen Landesuniversitäten zur Frage einer Übernahme der Lehrerbildung verlangt. Die Anfrage solle nach seiner Auffassung durch den Herrn Kultusminister dahin beantwortet werden,43 daß die Gutachten dem Vorsitzenden des Kulturpolitischen Ausschusses vorlägen und bei diesem jederzeit eingesehen worden könnten.
Ministerpräsident44
Der Ministerrat billigt die Auffassung des Herrn Ministerpräsidenten.Dr. Seidel gibt bekannt, eine weitere Anfrage betreffe die Verteilung der zur Förderung des Fremdenverkehrs vorgesehen Mittel.45 Auch diese Anfrage könne nicht in der Fragestunde erledigt werden. Über die Verteilung der zur Förderung des Fremdenverkehrs vorgesehenen Staatsmittel bestehe ein beständiger Streit zwischen den einzelnen örtlichen Verkehrsverbänden, denen jedes Verständnis für eine gemeinschaftliche Werbung fehle. Alle Bemühungen des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr, die widerstreitenden Interessen zu koordinieren, seien bisher gescheitert. Besonders beanstandet werde von den nordbayerischen Verbänden seine Absicht, von den Fremdenverkehrsmitteln 150 000 DM für den Ausbau einer weiteren Ausstellungshalle in München zur Verfügung zu stellen. Dem sei entgegenzuhalten, daß für das gesamte Bayern ein erhebliches Interesse daran bestehe, künftig internationale Kongresse, besonders auf medizinischem Gebiet, nach München zu bringen, und daß hierfür der Ausbau einer weiteren Ausstellungshalle in München Vorbedingung sei. Da die Stadt München sich zur restlichen Finanzierung bereit erklärt habe, müsse das Land Bayern auch seinen Beitrag leisten. Im Haushalt des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr seien an anderer Stelle keine Mittel für diesen Zweck verfügbar. Insbesondere kamen die Gewerbeförderungsmittel nicht in Frage, weil von ihnen bereits 150 000 DM für Nürnberg vorgesehen seien. Schließlich werde von den Fremdenverkehrsverbänden die Absicht des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr nicht gebilligt, den Betrag von 40 000 DM aus den Fremdenverkehrsmitteln an den Bruckmann-Verlag als Darlehen zur Herausgabe eines Bayernbuches zur Verfügung zu stellen. Die Verhandlungen, insbesondere mit dem Fremdenverkehrsverband Nordbayem, würden sich dadurch außerordentlich schwierig gestalten, daß die Verhältnisse bei der Geschäftsführung in Nürnberg sehr unübersichtlich seien. Dies alles müsse bei Beantwortung der kurzen Anfrage gesagt werden. Daher habe er die Absicht, bezüglich der Beantwortung der Anfrage auf die Einzelverhandlungen im Haushalts- und Wirtschaftsausschuß zu verweisen.
Staatsminister Der Ministerrat billigt die Ausführungen desZietsch führt aus, er müsse dieser Tage eine Erklärung darüber abgeben, wie Bayern sich zur Gewährung einer Weihnachtsgratifikation an die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes in diesem Jahre verhalte. Hier müsse vorausgeschickt werden, daß die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestelltengewerkschaft eine auf zwei Jahre befristete Abmachung getroffen hätte, so daß die kommunalen Bediensteten auch in diesem Jahr ohne weiteres wieder die vereinbarten Weihnachtsgratifikationen von 60 bzw. 40 DM erhalten würden. Dagegen habe die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, deren Vorsitzender er sei, nur für ein Jahr abgeschlossen, so daß für die Länder in diesem Jahre von neuem die Frage auftauche, ob Weihnachtsgratifikationen gewährt werden sollten. Der Bundesfinanzminister sei nunmehr an die Finanzminister der Länder mit dem Ansinnen herangetreten, von sich aus zu erklären, daß sie in diesem Jahre Weihnachtsgratifikationen nicht zahlen würden. Er müsse es ablehnen, eine solche Erklärung abzugeben, weil er im vergangenen Jahr damit die schlechtesten Erfahrungen gemacht habe. Damals habe das Bundesfinanzministerium sich ähnlich verhalten. Nachdem von den Ländern zunächst48 die Gewährung der Weihnachtsgratifikation abgelehnt worden sei, habe sich herausgestellt, daß der Bund den Verbänden bereits bindende Zusicherungen gemacht hatte. Er, der Finanzminister, schlage daher vor, in diesem Jahr wieder Weihnachtsgratifikationen in gleicher Höhe wie im vergangenen Jahr zu gewähren und allenfalls die Weihnachtsgratifikationen auf den Betrag zu erhöhen, der zwischen der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaft öffentlicher Dienste, Transport und Verkehr und der DAG ausgehandelt worden sei.
StaatsministerDr. Ehard pflichtet den Ausführungen des Herrn Staatsministers der Finanzen bei und erklärt, es müßte auf jeden Fall abgewartet werden, wie der Bund sich verhalte. Er sei der Meinung, daß man dem Bundesfinanzminister erkläre, er solle für seinen Bereich einmal eine Entscheidung treffen, die Länder würden sich dann allenfalls dieser Entscheidung anschließen.
Ministerpräsident49
Der Ministerrat stellt hierauf fest, daß er sich nicht in der Lage sehe, die Gewährung der Weihnachtsgratifikation bereits jetzt abzulehnen. Er halte es für das Richtige, sich noch nicht festzulegen, sondern die Entscheidung des Bundes abzuwarten. Wenn der Bund sich für eine endgültige Ablehnung entscheide, sei der Ministerrat bereit, sich mit der Sache nochmals zu befassen.Krehle kommt nochmals auf die Besprechung des Ladenschlusses vor Weihnachten im Ministerrat vom 29. September 1953 zu sprechen. Es sei damals vereinbart worden, lediglich an zwei Sonntagen vor Weihnachten die Geschäfte offen zu halten und den Ladenschluß am Hl. Abend auf 15 Uhr festzulegen. Diese Regelung sei wohl umso mehr deshalb zu vertreten, weil voraussichtlich an vier Samstagen vor Weihnachten die Geschäfte den ganzen Tag über offen gehalten werden sollen. Er sei der Auffassung, daß der Ministerrat bereits am 29. September 1953 die Offenhaltung der Geschäfte lediglich an zwei Sonntagen vor Weihnachten beschlossen habe. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr sei, wie sich aus Äußerungen des zuständigen Referenten ergebe, jedoch anderer Meinung.
StaatssekretärDr. Seidel und Staatssekretär Dr. Guthsmuths stellen fest, daß in der Ministerratssitzung vom 29. September 1953 ein endgültiger Beschluß noch nicht gefaßt worden sei. Vielmehr könne Bayern die Regelung mit den zwei Sonntagen nur dann annehmen, wenn alle übrigen Länder der Bundesrepublik die gleiche Regelung durchführen würden.
StaatsministerKrehle erklärt, bisher hätten bereits alle Länder der Bundesrepublik mit Ausnahme Hamburgs sich auf die Regelung mit den zwei Verkaufssonntagen geeinigt.
StaatssekretärDr. Seidel erklärt, ihm sei dies noch nicht bekannt. Im übrigen stehe auch noch nicht fest, ob an allen vier Samstagen vor Weihnachten die Geschäfte bis abends geöffnet seien. Die diesbezüglichen Verhandlungen fänden erst dieser Tage statt, er empfehle daher, das Ergebnis dieser Verhandlungen abzuwarten.51
StaatsministerDr. Ehard unterstützt den Vorschlag des Herrn Staatsministers für Wirtschaft und Verkehr.
Ministerpräsident52
Der Ministerrat beschließt hierauf, die endgültige Beschlußfassung noch bis zum Vorliegen des Ergebnisses der gegenwärtig stattfindenden Besprechungen zurückzustellen.Zietsch verweist auf ein Schreiben, das er am 7. Oktober an den Herrn Ministerpräsidenten gerichtet habe.
Staatsminister54
Es wird festgestellt, daß dieses Schreiben in der Bayer. Staatskanzlei noch nicht eingelaufen ist. Die Angelegenheit soll in der nächsten Ministerratssitzung behandelt worden.Weinkamm erinnert im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer Entscheidung über die Amtszeitverlängerung des Präsidenten des Obersten Landesgerichts Dr. Konrad 56 an den Gesetzentwurf über die Altersgrenze der Richter.
StaatsministerDer Ministerrat beschließt, diesen Gesetzentwurf in der nächsten Sitzung des Ministerrats zu behandeln.57
Zietsch gibt dem Ministerrat Kenntnis von einer Einladung des Bayernwerks an das Kabinett zur Besichtigung des Speichersees. Hierfür eigne sich im Hinblick auf die Ablassung des Sees besonders die mit dem 2. November beginnende Woche.
Staatsminister59
Der Ministerrat beschließt, die Entscheidung darüber, ob der Einladung Folge geleistet werden soll, zurückzustellen, bis feststeht, ob in der am 2. November beginnenden Woche der Landtag tagt.