Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).
Kultusminister Dr. Schwalber, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).
I. Entwurf eines Gesetzes über versorgungsrechtliche Maßnahmen. II. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau. III. Zweite Verordnung zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes. IV. Teuerungszulagen für die Angestellten des Bayerischen Staatsopernorchesters. V. Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über den „Nationalen Gedenktag des deutschen Volkes“ am 7.9.1953. VI. Preissturz auf dem Zwetschgenmarkt in Unterfranken. VII. Lager Föhrenwald. VIII. Angriffe des Informationsblattes der Bayern-Partei „Bayern-Dienst“ gegen die Bayerische Staatsregierung. IX. Naumann-Versammlungen. X. Konkurs der Gemeinnützigen Baugenossenschaft der Erwerbslosen, Fliegergeschädigten und Heimatvertriebenen e. GmbH, München.
Zietsch führt aus, das Finanzministerium beabsichtige, in dieses Gesetz den § 33 des vom Landtag am 20.11.1950 verabschiedeten, aber wegen Einspruchs der Besatzungsmacht nicht verkündeten Gesetzes zur Änderung des Beamtengesetzes usw. aufzunehmen.2
StaatsministerDr. Ringelmann fügt hinzu, man könnte diese Bestimmung in den Abschnitt: Sonstige Bestimmungen als Art. 4a einfügen. Allerdings müsse noch geprüft werden, in welcher Form dies geschehen solle, auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens wäre noch festzusetzen. Infolgedessen bitte das Staatsministerium der Finanzen, diesen Punkt nochmals zurückzustellen.
StaatssekretärDr. Ehard verweist darauf, daß auch die von den Staatsministerien des Innern und der Justiz erhobenen Bedenken gegen Art. 2 Nr. 1 und Art. 3 Abs. 1 noch nicht ausgeräumt seien.3
MinisterpräsidentDr. Nerreter erklärt, seiner Meinung nach müsse auf das Bundesbeamtengesetz4 abgestellt werden. Er habe übrigens noch herausgebracht, daß eine zusätzliche Regelung für Polizeibeamte bestehe. Hier ordne der Bund die Einstufung, die Besoldung und die Versorgung der Polizeibeamten. Er empfehle, auch diese Bestimmungen zu prüfen und ihnen den vorliegenden Entwurf anzugleichen.
StaatssekretärDr. Ringelmann meint, zunächst müsse wohl die Frage entschieden werden, ob der Entwurf abgeändert werden müsse, nachdem das Bundesbeamtengesetz verkündet worden sei.
StaatssekretärDr. Ehard empfiehlt, diese Frage nochmals zu überprüfen, während
MinisterpräsidentDr. Nerreter betont, daß jedenfalls die bayerischen Polizeibeamten nicht schlechter als diejenigen des Bundes gestellt werden dürften.
StaatssekretärWeinkamm begründet seine Bedenken gegen Art. 3 Abs. 1. Seiner Ansicht nach hätte die Angleichung der Witwen von Gefallenen an die anderen Witwen sofort erfolgen können.
StaatsministerEs sei aber sehr mißlich, wenn nun plötzlich nachträglich eine sehr erhebliche Kürzung erfolge. Dagegen sei sowohl vom rechtlichen wie vom moralischen Standpunkt aus sehr viel einzuwenden.
Dr. Ringelmann wendet ein, daß nach § 39 der Reichsbesoldungsordnung5 Änderungen des Gesetzes erfolgen können.6
StaatssekretärStv. Ministerpräsident Dr. Hoegner gibt zu bedenken, daß auch mit dem Begriff der höheren Rechtsnorm und der wohlerworbenen Rechte sowie mit dem Begriff des begünstigenden Verwaltungsaktes dagegen Stellung genommen werden könne.
Dr. Ringelmann gibt dann einen eingehenden Überblick über die Rechtslage und stellt die Frage, ob nicht vielleicht eine Übergangsbestimmung getroffen werden könne.
StaatssekretärWeinkamm fährt fort, gegen eine geringere Kürzung sei vielleicht nichts einzuwenden, eine Herabsetzung um über die Hälfte sei aber nicht möglich.
StaatsministerDr. Ehard empfiehlt, die heute besprochenen Fragen nochmals genau zu überprüfen. Im einzelnen handle es sich wohl darum, festzustellen, ob überhaupt die Pensionen gekürzt werden könnten und wenn ja, in welcher Höhe, ferner ob es eine Möglichkeit gebe, statt der bisherigen Regelung die Unfallregelung zugrunde zu legen. Jedenfalls müsse angestrebt werden, daß für alle die gleiche Behandlung eintrete. Schließlich halte er es noch für angezeigt, sich darüber klar zu werden, ob eine Übergangslösung möglich sei, wenn allgemein heruntergestuft werde.
MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden und beschließt, die Behandlung des Gesetzentwurfs auf drei Wochen zurückzustellen.
Dr. Ehard kommt in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen vom 22.7.1953 zu sprechen, in dem der Begriff der „sachlichen Beteiligung“ sehr eng ausgelegt werde.7 Er halte dies nicht für zweckmäßig, zumal sich der Ministerrat doch darüber einig sei, daß die vorherige Zuleitung von Gesetzentwürfen den Zweck habe, diese Entwürfe in formeller verfassungsrechtlicher Hinsicht zu überprüfen und etwa bestehende Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Er empfehle, in allen Fällen Gesetzentwürfe allen beteiligten Ministerien und der Staatskanzlei8 zuzuleiten.
MinisterpräsidentZietsch erklärt sich damit einverstanden.9
StaatsministerDr. Ehard teilt mit, daß die Oberste Baubehörde ihre ursprünglich gegen den Gesetzentwurf bestehenden Bedenken zurückgezogen habe. Noch nicht ausgeräumt seien jedoch die Einwendungen der Bayerischen Staatskanzlei zu Art. 2. Hier heiße es in Abs. 1, daß das Gesetz mit Wirkung vom 7.6.1953 in Kraft trete, in Abs. 2, daß die Überleitungsvorschriften vom Staatsministerium der Finanzen im Benehmen mit dem Staatsministerium des Innern erlassen würden. In der Begründung sei aber vermerkt, daß in den Überleitungsvorschriften vorgesehen werde, daß es für die bis zum Tage der Verkündung dieses Gesetzes abgeschlossenen Geschäfte und Verhandlungen bei der bisherigen Befreiung nach § 8 GSW verbleibe. Es werde nun eingewendet, daß durch Art. 2 Abs. 2 die Exekutive geradezu ermächtigt werde, das Gesetz von seinem Inkrafttreten bis zu seiner Bekanntmachung nicht zu vollziehen.
MinisterpräsidentDr. Ringelmann entgegnet, er könne diese Bedenken nicht teilen und verweise insoweit auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 3.8.1953. Zunächst sei zu vermeiden, daß § 8 GSW stufenweise aufgehoben werde, deshalb solle sich das Änderungsgesetz an das Bundesgesetz vom 30. Mai 1953, das am 7.6.1953 in Kraft getreten sei, unmittelbar anschließen. Außerdem sei es billig, daß den Bauwerbern, die mit der Gebührenbefreiung nach dem Landesrecht rechnen durften, praktisch die Gebührenvergünstigung nicht rückwirkend entzogen werde. Er bitte deshalb, den vorgelegten Entwurf nicht abzuändern und auch die Begründung unverändert zu lassen.
Staatssekretär11
Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen.Dr. Oberländer führt aus, diese Durchführungsverordnung regle im wesentlichen die Ausstellung der Ausweise gemäß §§ 15, 16, 17 und 20 BVFG; u.a. werde bestimmt, daß über die Ausstellung eines Ausweises die für den Wohnsitz des Antragstellers zuständige Kreisverwaltungsbehörde entscheide. Nachdem die Ausweis-Aktion schon im Anlaufen sei, bitte er, die Verordnung heute zu verabschieden.
StaatssekretärMinisterpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß gegen den Entwurf keine Bedenken erhoben worden seien, schlägt aber vor, § 10 Abs. 1 abzuändern und folgendermaßen zu fassen:
„Diese Verordnung tritt am 5.6.1953 in Kraft.“
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Der Ministerrat beschließt, der Verordnung mit dieser Änderung zuzustimmen.Dr. Ehard erkundigt sich, ob dieser Punkt heute abgeschlossen werden könne, obwohl das Staatsministerium für Unterricht und Kultus nicht vertreten sei.
MinisterpräsidentZietsch erwidert, das Finanzministerium müsse an seinen Vorschlägen vom 6.8.1953 an den Herrn Staatsminister für Unterricht und Kultus festhalten, die darauf abzielten, daß gegen die Erhöhung der Teuerungszulagen zwar nichts eingewendet werde, der erforderliche Betrag aber aus den Ausgabebewilligungen des Kap. 0561 gedeckt werden müsse. Nachdem der Zuschuß an die Staatstheater 7,5 Millionen DM betrage, müßten Kultusministerium und Generalintendanz in der Lage sein, aus diesen Mitteln auch die Erhöhung der Teuerungszulagen zu bestreiten. Er bitte das Kabinett, sich mit diesem Vorschlag einverstanden zu erklären.
StaatsministerDer Ministerrat faßt folgenden Beschluß:
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Mit der Erhöhung der Teuerungszulagen für die Angestellten des Bayerischen Staatsopernorchesters auf 20% besteht Einverständnis. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus wird beauftragt, den erforderlichen Betrag aus den Ausgabebewilligungen des Kap. 0561 zu decken. Eine Nachzahlung für das abgelaufene Spieljahr erfolgt nicht.Dr. Ehard teilt mit, die Bundesregierung habe beschlossen, auch in diesem Jahr den 7. September als Erinnerungstag an die Konstituierung des ersten Bundestages und des Bundesrates zum nationalen Gedenktag zu erklären.
MinisterpräsidentBundesministerium des Innern habe daraufhin die Landesregierungen gebeten, für ihren Bereich eine allgemeine Beflaggung der öffentlichen Gebäude anzuordnen und zu veranlassen, daß in den Schulen am 7.9. unter Befreiung vom Schulunterricht Feiern abgehalten würden.
DasEin Entwurf für die Bekanntmachung liege bereits vor, es müsse dann aber noch aufgenommen werden, daß am 7.9. im übrigen der Unterricht ausfalle.
Der Ministerrat beschließt, der Bekanntmachung mit dieser Maßgabe zuzustimmen.
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Außerdem wird vereinbart. daß sich die Bayerische Staatskanzlei wegen des Ausfalls des Schulunterrichts und der Feiern in den Schulen noch mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Verbindung setzen solle.Maag berichtet, er habe sich in Unterfranken selbst davon überzeugt, daß die Lage für die Obstbauern recht ernst sei. Der Preis für den Zentner Zwetschgen betrage nur mehr DM 4,- während die Selbstkosten gering gerechnet auf DM 8,- beziffert würden.
StaatssekretärDr. Ehard fügt hinzu, nach den ihm zugegangenen Mitteilungen könnten die Zwetschgen nicht einmal mehr zu DM 4 abgesetzt werden. Verlangt werde u.a., daß Erleichterungen für die Herstellung von Schnaps gegeben würden, ferner der Absatz der Zwetschgen an Werkküchen, staatliche Anstalten usw. gefördert und die staatliche Monopolverwaltung zur Abnahme des Schnapses eingeschaltet werde.
MinisterpräsidentMaag weist daraufhin, daß das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schon am 13.8. an die zuständigen Bundesministerien geschrieben habe, nachdem sich herausgestellt habe, daß die Kosten der Einbringung der Ernte höher seien als der zu erzielende Preis. U.a. sei dem Bundesernährungsministerium vorgeschlagen worden, den sog. Ausbeutesatz beim Abbrennen von Zwetschgen von 4,5 l Weingeist je Hektoliter Maische auf 3 l herabzusetzen,18 womit das Verbrennen rentabler werde, ferner den ermäßigten Steuersatz auszudehnen und den Absatz der Zwetschgen in die Ostgebiete zu fördern. Mehr könne kaum getan werden, auch von dem Bemühen, den Absatz in Bayern zu steigern, halte er nicht sehr viel.
StaatssekretärMinisterpräsident Dr. Ehard meint, an sich habe man doch schon längere Zeit gewußt, daß eine Rekordernte bevorstehe, er müsse deshalb schon fragen, warum die bäuerlichen Genossenschaften nicht rechtzeitig eingegriffen hätten.
Dr. Nerreter empfiehlt, die innere Verwaltung einzuschalten, damit die Zwetschgen in staatlichen Betrieben usw. oder auch von den Bezirksfürsorgeverbänden zum Teil abgenommen würden.
StaatssekretärDr. Ringelmann meint, vielleicht könne man auch versuchen, Kredite zu geben, damit die Marmelade-Fabriken mehr Zwetschgen abnehmen könnten.
StaatssekretärOechsle schlägt vor, einen Aufruf an die Bevölkerung zu erlassen, jetzt die große Ernte aufzunehmen, ferner die Marmelade-Erzeugung zu steigern.
StaatsministerDr. Guthsmuths fügt hinzu, das Landwirtschaftsministerium solle sich sofort mit den Verbänden der Nahrungs- und Genußmittel-Industrie in Verbindung setzen und die Marmelade-Fabriken veranlassen, sich wegen eines Kredites an das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr zu wenden.
StaatssekretärMaag betont nochmals, daß der Erzeuger mindestens DM 8 für den Zentner bekommen müsse, wenn er auf seine Kosten kommen wolle.
StaatssekretärDr. Ringelmann weist darauf hin, daß man auch an eine Ermäßigung der Zuckersteuer zur Herstellung von Marmelade denken könne, dagegen habe es keinen großen Sinn, die Monopolverwaltung einzuschalten.
StaatssekretärDr. Ehard faßt die bisher gemachten Anregungen zusammen, worauf folgender Beschluß gefaßt wird:
Ministerpräsident1. Die bisher bei der Bundesregierung unternommenen Schritte werden wiederholt, ergänzt durch den Vorschlag auf Ermäßigung der Zuckersteuer.
2. Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird beauftragt, sich mit der Nahrungs- und Genußmittel-Industrie und den Marmeladefabriken in Verbindung zu setzen.
3. Das Staatsministerium des Innern wird beauftragt, festzustellen, inwieweit die innere Verwaltung beim Absatz der Zwetschgen mitwirken kann. In Betracht kommen dabei in erster Linie staatliche Betriebe, Krankenhäuser usw., ferner die Bezirksfürsorgeverbände.
Dr. Nerreter teilt mit, gestern habe die dritte Besprechung zwischen Vertretern der Bundesministerien und der bayerischen Ministerien wegen des Lagers Föhrenwald stattgefunden.20 Er erinnere daran, daß vor mehreren Monaten durch ein Versehen der Deutschen Botschaft in Paris 200 Juden illegal nach Föhrenwald gekommen seien. In der Zwischenzeit habe sich der Zustrom verstärkt, so daß jetzt insgesamt 650 Illegale dort seien, die von der bayerischen Regierung fürsorgemäßig betreut würden. Bei der gestrigen Besprechung habe es sich hauptsächlich darum gedreht, welche Maßnahmen jetzt zu ergreifen seien und wie die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Bund und Bayern vor sich gehen solle.
StaatssekretärJoint Verhandlungen geführt mit dem Ergebnis, daß diejenigen Illegalen, die sich bis gestern Abend registrieren ließen, innerhalb des nächsten halben Jahres nicht mit zwangsweisem Eingreifen zu rechnen hätten. Bayern müsse aber dafür sorgen, daß jeder weitere Zuzug abgestoppt werde. Man habe daran gedacht, die Registrierten, deren Zahl noch nicht feststehe, in die Funkkaserne zu bringen, dort sei aber nur Platz für 2 – 300 Personen, so daß diese Verlegung an sich schon kaum in Frage gekommen wäre; dazu habe heute früh das Bundesfinanzministerium mitgeteilt, daß es keine Räume in der Funkkaserne frei gebe. Es bleibe also nichts anderes übrig, als die Einwanderer in Föhrenwald zu belassen.21
Der Bund habe mit demDr. Hoegner spricht sich dafür aus, alle jetzt noch kommenden Illegalen rücksichtslos abzuschieben. Es sei deshalb auch ein Trupp der Landespolizei nach Föhrenwald gelegt worden.
Stv. MinisterpräsidentStaatssekretär Dr. Nerreter fährt fort, wer bis gestern Abend nicht registriert worden sei, werde angezeigt, dann nach seiner Verurteilung zunächst eingesperrt und schließlich abgeschoben.
BGB22 Ansprüche geltend machen, da zweifellos Beamte der Deutschen Botschaft23 in Paris ihre Amtspflicht verletzt hätten.
Was die Finanzierung betreffe, so beliefen sich die Kosten jetzt schon auf DM 600 000. Rechtlich könne Bayern gegen den Bund aus § 839Dr. Hoegner meint, das sei aber wohl nur wegen der 200 Illegalen möglich, während wegen der übrigen der Sachzusammenhang bewiesen werden müsse, was sicher nicht einfach sei.
Stv. MinisterpräsidentDr. Nerreter stimmt zu und stellt fest, daß die Sache hinsichtlich der 200 durchaus klar sei, wegen der übrigen aber unter Umständen Bayern ein mitwirkendes Verschulden entgegengehalten werden könne.
StaatssekretärBei den gestrigen Besprechungen hätten die Herren der Bundesministerien sich bereit erklärt, die entstandenen Kosten als Kriegsfolgelasten anzusehen, das bedeute, daß der Bund 85% der entstandenen Kosten übernehme. Die Schwierigkeit sei aber die, daß die bayerische Regierung dem Bund Material dafür liefern müsse, daß es sich in der Tat um Kriegsfolgelasten handle. Ob dies möglich sei, stehe allerdings dahin. Seiner Meinung nach könne man höchstens insoferne von Kriegsfolgelasten sprechen, als sich Bayern als nicht souveräner Staat gegen die illegale Einwanderung nicht habe wehren können.
Dr. Ringelmann gibt zu bedenken, daß sich der Bundesrechnungshof einschalten könne, der die Möglichkeit habe, festzustellen, was eine Kriegsfolgelast sei und was nicht.
StaatssekretärDr. Ehard empfiehlt, eine bindende Vereinbarung zu treffen, die unabhängig davon sei, welche Auffassung der Bundesrechnungshof zu ihr habe.
MinisterpräsidentDr. Nerreter betont noch, daß die Vertreter des Bundes eine Verpflichtung aus § 839 BGB abgelehnt hätten, trotzdem glaube er aber, daß sich Bayern diesen Anspruch vorbehalten müsse. Eine feste Vereinbarung hinsichtlich der 85% sei gestern noch nicht getroffen worden. Auch die Schadenshöhe sei noch nicht unbestritten.
StaatssekretärAlles in allem glaube er folgendes vorschlagen zu können:
BGB.
Grundsätzlich sei die Rechtsbasis der bayerischen Staatsregierung die Forderung auf Schadensersatz nach § 839Man könne sich aber bereit erklären, im Vergleichsweg zuzustimmen, daß der Bund 85% der entstandenen Kosten bezahle, wobei man diesem überlassen könne, mit welcher Begründung er das tun wolle.
Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner unterstreicht nochmals die Notwendigkeit, nicht registrierte Zuwanderer rücksichtslos abzuschieben.
Dr. Oberländer führt aus, er sei von Anfang an für die Trennung der legalen und illegalen Juden gewesen. Wenn man die letzteren jetzt sechs Monate in Föhrenwald lasse, habe er große Bedenken, ob nachher noch der Abtransport erzwungen werden könne. Die Verlegung in die Funkkaserne hätte aber auch Nachteile mit sich gebracht, vor allem, da in München höhere Richtsätze der sozialen Fürsorge bestünden. Er habe alles versucht, das Lager Föhrenwald aufzulösen, dies werde aber jetzt außerordentlich erschwert. Vor allem sei es, wie schon Herr Staatssekretär Nerreter gesagt habe, dringend notwendig, eine Einigung mit dem Bund zu treffen; er halte es aber für unmöglich, das von diesem gewünschte Material zu beschaffen, zumal bei dem Großteil der Illegalen nicht davon gesprochen werden könne, daß es sich um eine Kriegsfolgenlast handle. Er jedenfalls halte es für richtig, jeden annehmbaren Kompromiß mit dem Bund abzuschließen. Nur so könne es gelingen, das Lager aufzulösen, wenn die Illegalen endgültig fort seien.
StaatssekretärDr. Ehard stellt24 fest, daß der Plan, das Lager Föhrenwald aufzulösen, nicht aufgegeben werden dürfe.
Auch MinisterpräsidentDr. Nerreter einverstanden.25
Der Ministerrat erklärt sich abschließend mit den Vorschlägen des Herrn StaatssekretärsDr. Ehard verliest Auszüge aus einem im „Bayern-Dienst“ erschienenen Angriff der Bayern-Partei gegen die bayerische Staatsregierung, in dem u.a. behauptet werde, daß nicht eine der Versprechungen aus der seinerzeitigen Regierungserklärung eingehalten worden sei.26 Es sei keine Schwierigkeit, in zahlreichen Fällen nachzuweisen, daß die Angriffe völlig unberechtigt seien. Er bitte deshalb alle Mitglieder des Kabinetts, die bisherigen Leistungen der Staatsregierung zusammenzustellen und sie dem Presseamt der Bayer. Staatskanzlei zuzuleiten, die dann eine entsprechende Gegenerklärung herausgeben werde.
MinisterpräsidentDr. Guthsmuths darauf hin, daß entgegen den aufgestellten Behauptungen gerade auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs sehr viel geschehen sei,27 ebenso bei der Förderung des mittelständischen Handwerks. Bemerkenswert sei, daß z.B. die 2. Tranche des Handwerkerkredites noch gar nicht abgerufen worden sei.
Bei der Besprechung der Einzelheiten weist StaatssekretärDer Ministerrat beschließt, das Material sobald als möglich zusammenzustellen.
Dr. Hoegner stellt die Frage, ob Versammlungen mit Naumann in Bayern zugelassen werden sollten?28
Stv. MinisterpräsidentEr sei unbedingt für dieses Verbot, da man solche Leute in Bayern nicht reden lassen sollte.
Der Ministerrat beschließt, das Staatsministerium des Innern zu ermächtigen, von Fall zu Fall Versammlungen mit Naumann in Bayern zu verbieten.29
Dr. Ehard gibt eine Resolution der geschädigten Genossen dieser Baugenossenschaft bekannt, in der verschiedene Änderungen im Konkursverfahren gefordert würden. Es sei natürlich nicht möglich, die bestehenden Bestimmungen über den Konkurs abzuändern oder auf die Konkursverwaltung Einfluß zu nehmen.
MinisterpräsidentDr. Hoegner teilt dazu mit, die Oberste Baubehörde sei der Meinung, daß die halbfertigen Bauten zusammen mit der Stadt übernommen werden sollten.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard empfiehlt, der Genossenschaft dies mitzuteilen, vielleicht in der Form, daß zuerst auf die bestehenden Konkursbestimmungen hingewiesen und dann mitgeteilt werde, welche Pläne die Oberste Baubehörde habe.
MinisterpräsidentObersten Baubehörde gegeben werden.
Die Antwort werde am besten vom Staatsministerium der Justiz in Verbindung mit derDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Zum Schluß der Sitzung wird auf Vorschlag von Herrn Staatsminister Dr. Hoegner vereinbart, die nächste Ministerratssitzung am 25. August 1953, 9.30 Uhr, im Bayernheim in Tegernsee, Neureuthstr., abzuhalten.