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Nr. 152MinisterratssitzungDienstag, 21. April 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Beschluß des Bayer. Landtags vom 15. April 1953 betr. Abstandnahme von der 15%igen Kürzung der Zuschüsse für nichtstaatliche Theater im Haushaltsjahr 1952 (Beilage 3807). III. Genehmigung der Produktenbörse e.V. Nürnberg. IV. Personalangelegenheiten. V. Anschaffung von Milchseilwagen im Kreis Lindau . VI. Einladungen.

I. Bundesratsangelegenheiten

und

b) Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 4

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß der Bundesrat am 20. Juni 1952 beschlossen habe, zu den Verträgen endgültig erst dann Stellung zu nehmen, wenn die Ausschüsse ihr Gutachten abgegeben hätten.5 Damals sei bekanntlich schon ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig gewesen,6 auch das Ersuchen des Bundespräsidenten um ein Gutachten habe schon vorgelegen.7 Der Bundesrat habe beschlossen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, auch im Auswärtigen Ausschuß habe man sich darüber wiederholt unterhalten.

Das erste Verfahren sei dann durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts als unzulässig zurückgewiesen worden mit der Begründung, eine Normenkontrolle könne erst dann stattfinden, wenn beide gesetzgebende Körperschaften sich mit den Verträgen beschäftigt und Beschlüsse gefaßt hätten.8 Das Bundesverfassungsgericht habe davon gesprochen, daß die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrats gewahrt bleiben und das Gesetzgebungsverfahren in vollem Umfang abgeschlossen sein müsse, ausgenommen die Unterschrift des Bundespräsidenten.

Das Ersuchen des Bundespräsidenten um ein Gutachten sei in der Folge9 erweitert, im Dezember aber zurückgenommen worden, das zweite von der Koalition gegen die Opposition anhängig gemachte Verfahren sei ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen worden.10 Im Augenblick sei also beim Bundesverfassungsgericht nichts anhängig, nachdem der von der Opposition angemeldete Antrag auf eine einstweilige Verfügung wieder zurückgenommen worden sei.11

In der Zwischenzeit habe der Bundestag in dritter Lesung beschlossen, den Gesetzentwürfen über die Verträge zuzustimmen.12 Der Bundesrat stehe auf dem Standpunkt, daß diese Ratifizierungsgesetze in vollem Umfang zustimmungsbedürftig seien, während die Bundesregierung diesen Standpunkt nicht teile. Diese habe vielmehr nur für den Generalvertrag und den EVG-Vertrag zwei wesentliche Teile als zustimmungsbedürftig bezeichnet.

Wenn man zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze kommen wolle, was doch wohl erwünscht sei, so könne dies nur dadurch geschehen, daß der Bundesrat den Gesetzentwürfen zustimme; nur dann nämlich sei es möglich, die Normenkontrolle zu beantragen. Soviel ihm bekannt sei, habe der Bundeskanzler der Opposition gegenüber die Zusicherung gegeben, daß er die Ratifizierungsurkunde erst als letztes Land in Washington hinterlegen werde, es sei denn, daß vorher eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen sei.13 Der Bundespräsident selbst habe zugesichert, die Normenkontrolle unter allen Umständen abwarten zu wollen. Wie gesagt, sei dies die einzige Möglichkeit, zu einer wirklichen Entscheidung zu kommen. Allerdings werde auch erwogen, wieder ein Rechtsgutachten einzuholen und zwar entweder durch den Bundespräsidenten oder durch Bundestag und Bundesrat zusammen mit der Bundesregierung. Er verspreche sich davon nichts, glaube auch nicht, daß tatsächlich ein Gutachten eingeholt werde. Wenn der Bundesrat seine Entscheidung aussetze, um das Gutachten abzuwarten, so würde er sich damit selbst aufgeben, da er seinen Beschluß von der Entscheidung eines Gerichts abhängig machen würde. Ministerpräsident Maier habe deshalb auch gesagt, wenn man die Sache schon auf die Rechtsebene verschiebe, dürfe man sie nicht wieder auf die politische Ebene zurückschieben lassen. Er habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß er es für unmöglich halte, eine politische Entscheidung zu umgehen und sich hinter eine gerichtliche Entscheidung zurückzuziehen. Soviel ihm bekannt sei, stimme damit auch die Opposition überein.

Der Ministerrat müsse jedenfalls heute beschließen, welchen Standpunkt er einnehmen wolle. Sich über alle Einzelheiten nochmals zu unterhalten, halte er kaum mehr für erforderlich.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt, daß es wenig Zweck mehr habe, heute im Ministerrat lange Ausführungen zu machen, nachdem die Gründe, die für oder gegen die Verträge sprächen, hinreichend bekannt seien. Die Entscheidung sei deshalb so schwierig, weil Deutschland als Land der Mitte Objekt der Großmächte sei. Jeder der beiden Standpunkte: Zustimmung oder Ablehnung könne eingenommen werden. Er halte es für seine Pflicht, nochmals kurz die Gründe gegen die Zustimmung zusammenzufassen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika erwarteten sich eine Stärkung des militärischen Potentials durch die Aufstellung einer deutschen Heeresmacht. Man dürfe aber nicht übersehen, daß ein deutsches Heer in der Bundesrepublik die Aufstellung von gleichfalls deutschen Verbänden im Osten mit sich bringen könne, eine Aussicht, die allein schon den EVG-Vertrag problematisch machen könne.

Die Bundesrepublik andererseits erwarte sich einen Schutz Deutschlands durch die Militärmacht der USA. Nach den Vorbereitungen, die jetzt getroffen würden, sei dieser Schutz aber nicht vorhanden, denn die Amerikaner dächten nicht daran, Deutschland an der Elbe zu verteidigen, Sie bauten vielmehr Verteidigungslinien in der Pfalz auf, so daß Deutschland östlich des Rheins mehr oder weniger preisgegeben werde. Deutschlands Truppen blieben dann höchstens übrig, den Rückzug zu decken.

Weiter müsse die Frage gestellt werden, ob die Wiedervereinigung Deutschlands durch den Abschluß der Verträge gefördert oder aufgehalten werde. Der Bundeskanzler stehe auf dem Standpunkt, daß das erstere der Fall sei, weil der Westen eine Anziehungskraft ausüben könne. Es handle sich hier aber nicht um die Sowjetzone sondern um Sowjetrußland, er sei der Auffassung, daß für eine Wiedervereinigung durch die Änderung der russischen Politik nach dem Tode Stalins gewisse Hoffnungen in weiten Volkskreisen entstanden seien. Auch Premierminister Churchill 14 habe in einer eindrucksvollen Rede erklärt, im gegenwärtigen Zeitpunkt sei Weile besser als Eile; das heiße wohl, daß Churchill es für richtig halte zu verhandeln.15 Weite Kreise des Deutschen Volkes meinten, man müsse jetzt den letzten Versuch zu Verhandlungen machen, um dabei vielleicht doch die Wiedervereinigung herbeizuführen. Der englische Premierminister habe auch geraten, man solle im jetzigen Zeitpunkt die Russen nicht durch unbedachte Äußerungen reizen.

Er habe das Gefühl, man gehe von deutscher Seite aus zu weit, wenn man, wie der Bundeskanzler, feststelle, daß solchen Verhandlungen von vornherein Mißtrauen entgegengebracht werden müsse.

Ein weiterer Punkt sei die Wiederaufstellung eines Heeres. Zunächst werde nur an freiwillige Verbände gedacht. Darin sehe er die große Gefahr, daß früher oder später eine Militärdiktatur entstehen könne. Eine Volksmiliz nach Schweizer Muster sei das beste, diese sei militärisch ausgezeichnet, ohne die Möglichkeit, zum Militarismus zu führen.

Schließlich müsse man sich fragen, ob die Vorteile der Verträge tatsächlich so bedeutend seien, wie man sie hinstelle.

Es bleibe doch ein großes Stück Abhängigkeit bestehen. Deutschland werde nicht völlig frei und erhalte nicht die Stellung, die es z.B. nach der Niederlage des ersten Weltkriegs behalten habe.

Natürlich sei er überzeugt, daß jedes Bedenken durch Gegenbedenken ausgeräumt werden könne. Es handle sich in der Tat, wie schon der Herr Ministerpräsident gesagt habe, um eine Willensentscheidung, die ungeheuer schwer falle.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, Herr Staatsminister Dr. Hoegner gehe davon aus, daß die Amerikaner die Verteidigung an der Elbe nicht durchführen wollten und stütze sich dabei auf die Errichtung militärischer Anlagen in der Pfalz. Darauf wolle er antworten, wenn es zum Krieg kommen sollte, werde Deutschland so oder so zum Schauplatz, ganz gleich, ob es einen Pakt mit dem Westen oder mit den Sowjetrussen habe.

Es spreche einiges dafür, daß die Amerikaner gewillt seien, an der Elbe zu verteidigen, zumal es sich in der Pfalz um reine Versorgungsanlagen16 handle.

Was die Wiedervereinigung betreffe, so werde diese durch Nichtstun genau so wenig gefördert wie verhindert. Der Bundeskanzler habe recht, wenn er meine, daß durch eine Einbeziehung Deutschlands in das westliche System Rußland doch zum Überlegen gezwungen werde. Das Wort Churchills: Weile statt Eile sei sicher richtig, es werde aber gar nicht übereilt, nachdem ja die Verträge noch lange nicht in allen Ländern ratifiziert seien. Bis diese endgültig zum Abschluß kämen, werde noch viel Zeit vergehen, jedenfalls genug, um die Möglichkeiten der russischen Erklärungen auszuschöpfen.

Die Bedenken gegen ein Wiederaufkommen des Militarismus habe er genau so wie Herr Staatsminister Dr. Hoegner, er glaube aber, man müsse dafür sorgen, daß das zukünftige deutsche Heer anders werde wie das frühere.

Daß die Verträge nicht die völlige Freiheit mit sich brächten, treffe zu, man müsse aber doch wohl daran denken, daß 1945 niemand auch nur im entferntesten habe vermuten können, Deutschland werde 1953 wieder einen solchen Grad von Freiheit erlangt haben. Auch die anderen Mächte würden in einem Ausmaß gebunden, daß es z.B. für französische Vorstellungen kaum erträglich sei. Er empfinde die Bindungen nicht schmerzlich, da dadurch immerhin verhindert werde, daß die Deutschen wieder in Extreme verfielen, er spreche sich für die Zustimmung aus, wobei er der Überzeugung sei, daß schon innerhalb weniger Monate eine gemeinsame Außenpolitik in Deutschland möglich wäre, wenn nicht unglücklicherweise die Bundestagswahlen bevorstünden.

Staatssekretär Dr. Koch stellt fest, daß er dem Herrn Ministerpräsidenten in rechtlicher Hinsicht völlig beistimme. In der politischen Beurteilung unterstütze er aber den Standpunkt des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner. Herr Staatsminister Dr. Seidel habe so sachlich geantwortet, daß man nur bedauern könne, wenn in der Vergangenheit der Ton der Erklärungen nicht überall so sachlich gewesen sei.

Er habe den Eindruck, daß man doch im Begriff sei, die Dinge zu übereilen; daher resultiere auch der Widerstand in Frankreich, der seit dem Ja des Bundestags immer stärker geworden sei.17 Er glaube, daß ohne die deutsche Opposition Frankreich zu den Verträgen bestimmt Nein sagen würde. Er halte es für taktisch falsch und bedenklich, so schnell und rückhaltslos Ja zu sagen.

Staatssekretär Dr. Oberländer erklärt, der Wunsch nach Einheit und Freiheit sei allen gemeinsam. Er und seine Freunde hätten ihre Stellung nicht gewechselt, sich aber nach reiflicher Überlegung entschlossen, Ja zu sagen.

Der BHE fordere eine Generalamnestie und kämpfe um die Auslegung der sogenannten Bindungsklausel.18 Es komme jetzt mit Bestimmtheit ein russisches Angebot, dabei sei es von größter Bedeutung, daß Deutschland mit befragt werde. Die Amerikaner hätten zugesichert, dies zu tun, jedenfalls werde also nichts ohne deutsche Zustimmung geschehen. Dies habe den Ausschlag gegeben, daß der BHE für die Ratifizierung der Verträge eintrete. Ein Nachgeben werde der deutschen Bevölkerung in der Sowjetzone nicht helfen, wenn er auch bedauere, daß der Bundeskanzler in den USA Äußerungen gemacht habe, die fast nach einem Abschreiben der Sowjetzone geklungen hätten.

Man wisse noch nicht, was aus Rußland komme, deshalb scheine es ihm auch nicht richtig zu sein, grundsätzlich nur Ja oder nur Nein zu sagen. Deutschland müsse zwischen den Völkern des Ostens und dem dort herrschenden System unterscheiden und wieder versuchen, Brücke zwischen Ost und West zu werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er würdige die Gründe, die gegen die Zustimmung vorgebracht worden seien. Jeder einzelne müsse entscheiden, was er für das beste halte. Er halte es für tragisch, daß man nicht zu einer gemeinsamen außenpolitischen Linie komme, wenn man z.B. bedenke, daß Herr Ollenhauer 19 kürzlich in Paris gesagt habe, er sei eigentlich mit allem in der Außenpolitik einverstanden, nämlich mit der Anlehnung an den Westen und mit der Notwendigkeit, bereit zu sein, für eine Verteidigung etwas zu tun. Er gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß es doch noch möglich werde, sich in Deutschland über die Außenpolitik zu einigen, wenn er auch vor den Wahlen dafür keine Aussicht sehe. Notwendig sei es freilich, daß alle Fragen so sachlich wie möglich erörtert würden.

Wenn diese Verträge jetzt abgelehnt würden, so sei die Folge, daß Deutschland überhaupt keine außenpolitische Linie mehr habe und eine grundsätzlich andere Konzeption versucht werden müsse. Er sehe aber keine andere Alternative, wenn er im Prinzip auch grundsätzlich dafür sei, sie zu beschreiten, falls dadurch eine Verständigung erreicht werden könne. Persönlich sei er überzeugt, daß es notwendig sei, zu Verhandlungen mit Rußland zu kommen, denn anders könne eine Wiedervereinigung nicht erzielt werden. Die Gefahr, die von Rußland drohe, scheine im Augenblick geringer als früher zu sein, so daß die Aussicht der Verhandlungen nicht ungünstig sei. Dabei habe Deutschland aber das große Interesse, nicht Objekt zu sein, sondern eingeschaltet zu werden, damit keine Entscheidungen über seinen Kopf hinweg getroffen würden. Es sehe so aus, daß wir im Augenblick in eine Position kämen, die eine Garantie dafür biete, daß man keine Entscheidungen ohne uns treffen werde. Wenn man aber ablehne, sei die Möglichkeit groß, daß von den Alliierten erklärt werde, mit Deutschland könne man nun einmal nicht verhandeln und in Zukunft werde die Politik von den Westmächten allein gemacht.

Wenn man sage, Deutschland werde auch nach der Ratifizierung der Verträge nicht völlig frei und souverän, so sei das richtig; wenn man aber drei Schritte zu einem endgültigen Ergebnis habe, so halte er es für besser, zunächst wenigstens einen oder zwei Schritte zu tun, wenn dies möglich sei.

Ein Argument könne er nicht recht gelten lassen, nämlich das, daß man Rußland jetzt nicht reizen solle, er erinnere daran, daß bei Besprechungen in den vergangenen Jahren General Clay 20 wiederholt geäußert habe, die Amerikaner seien durch das Abkommen von Potsdam gebunden und dürften die Russen nicht reizen. Schließlich habe dann General Clay ausdrücklich zugegeben, mit dieser Politik komme man den Russen gegenüber nicht weiter, diese verstünden nur eine Sprache, nämlich die der Festigkeit und Stärke. Er glaube, daß gerade jetzt die Russen diese Sprache noch mehr verstehen würden als früher, nachdem sie in einer inneren Krise seien.

Selbstverständlich sei auch er der Meinung, daß man zu einem Volksheer, keinesfalls aber zu einem Berufsheer kommen müsse. Dazu sei es aber notwendig, daß unter allen Umständen eine Hypertrophie des Zentralismus vermieden werde. Was Frankreich betreffe, so liege in seinem ewigen Mißtrauen in der Tat ein Grund für die Tragik der europäischen Situation. Die Franzosen übersähen, daß auch ihr Land verloren sei, wenn Deutschland nicht gehalten werden könne. Was Amerika anlange, so müsse dieses Europa und England halten, wenn es sich selbst verteidigen wolle; er glaube deshalb mit Herrn Staatsminister Dr. Seidel, daß die USA nicht gewillt sei, Europa und Deutschland in irgend einer Form preiszugeben.

Alles in allem könne er sagen, daß ihm an den Vorträgen auch manches nicht gefalle, ferner daß er aufrichtig bedauere, wenn keine Einigung zu erzielen gewesen sei. Trotzdem spreche er sich aber für die Zustimmung zu dem Vertragswerk aus.

Staatsminister Zietsch bezieht sich auf die Äußerung des Herrn Ministerpräsidenten, daß keine Alternative bestehe und meint, diese sei gerade darin gegeben, daß man jetzt nichts überstürze. Zweifellos sei das Verhältnis zu Frankreich durch Äußerungen, wie sie im Bundestag gefallen seien, nur verschlechtert worden, wobei wenig Aussicht bestehe, daß es wieder gebessert werden könne.

Deutschland, das nur ein Brückenkopf des eurasischen Kontinents sei, sei nicht in der Lage, eine selbständige Außenpolitik zu treiben, auch nicht nach dem Abschluß der Verträge. Die Zustimmung zu diesen bedeute die Festlegung der Bundesrepublik auf die westliche Politik, also auf die Politik der Vereinigten Staaten. Es sei nicht zu bestreiten, daß wirkliche selbständige Politik nur in Washington und Moskau gemacht werden könne, so daß also eine Zustimmung mit der absoluten Unterwerfung Deutschlands unter die amerikanische Politik gleichbedeutend sei. Die wirklichen Interessen Amerikas lägen nicht im Brückenkopf Europa sondern im fernen Osten, während es für Deutschland gefahrvoll sei, sich als Land der Mitte einseitig festzulegen. Im Schlepptau der USA sei Deutschland nicht mehr in der Lage, seine eigene geschichtliche Rolle zu spielen, nämlich Mittler zu sein. Dabei sei er überzeugt, daß der Tod Stalins tatsächlich eine Wende in der politischen Entwicklung bedeute.

Ministerpräsident. Dr. Ehard stellt fest, daß eine selbständige Politik jetzt in Deutschland überhaupt nicht betrieben werden könne. Entweder müsse es sich an die westlichen Mächte anschließen oder an die östlichen ausliefern. Man müsse sich ganz bewußt die Frage vorlegen, ob wir uns tatsächlich der Hoffnung hingeben könnten, in absehbarer Zeit eine selbständige Macht zu sein, die von sich aus Entscheidungen treffen könne.

Er sei fest überzeugt, daß keine andere Möglichkeit übrig bleibe, als sich den westlichen Mächten anzuschließen.

Staatsminister Dr. Seidel fügt hinzu, daß eine Position nur erworben werden könne durch eine Orientierung nach Westen. Dann könne später vielleicht auch wieder die Möglichkeit bestehen, eine Mittlerrolle zu spielen.

Staatsminister Weinkamm führt aus, allein könne Deutschland nie mehr eine entscheidende Rolle in Europa spielen, während z.B. durch die Vereinigung mit anderen das Gewicht von Ländern, die nur klein seien, gesteigert werden könne. Im gegenwärtigen Zeitpunkt bleibe nichts anderes übrig, als sich mit dem Westen zu verbinden. Wenn die Integration Europas wirklich durchgeführt sei, könne Deutschland auch dazu beitragen, daß europäische Politik gemacht werde.

Er glaube auch nicht, daß Verhandlungen mit den Russen durch die Zustimmung zu den Verträgen gestört werden könnten. Denn wenn die Russen tatsächlich die Absicht hätten, bessere Beziehungen herzustellen, so hätten sie in der Vergangenheit genug Gelegenheit dazu gehabt. Die russischen Expansionsbestrebungen könnten nur durch die vereinigte Kraft des Westens eingedämmt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt dann darauf zu sprechen, ob es noch möglich sei, durch Zuwarten noch bessere Bedingungen zu erreichen. Man müsse sich aber darüber klar sein, daß sich die Vereinigten Staaten absolut festgelegt hätten, es also nicht anzunehmen sei, daß bei einer Ablehnung der Verträge bei den USA irgendeine Bereitschaft bestehe, andere Bedingungen einzuräumen. Was er besonders an den Verträgen begrüße, sei die Tatsache, daß sie entwicklungsfähig seien und durch das Gewicht der Verhältnisse in einer Reihe von Punkten bald überholt sein könnten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner betont, es gebe niemand, der glaube, durch den Anschluß an Rußland sei irgend etwas zu gewinnen. Es sei auch eine Utopie zu meinen, die Politik von Rapallo könne wiederholt werden. Die Frage sei, ob für den unvermeidbaren Anschluß an den Westen durch Zuwarten bessere Bedingungen eingehandelt werden könnten. Er glaube, daß gerade die Reise des Bundeskanzlers nach den USA bewiesen habe,21 daß auch die Amerikaner Deutschland brauchten, so daß vielleicht doch noch mehr erreicht werden könne. Man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben, daß ein Volk von 65 Millionen eine politische Rolle spielen könne.

Dar Ministerrat beschließt mit 10 gegen 6 Stimmen den Gesetzentwürfen unter 1a, b, sowie 2a, b zuzustimmen.

Auf Vorschlag von Herrn Staatsminister Dr. Hoegner wird noch beschlossen, daß die Mitglieder des Kabinetts der Presse keinerlei Mitteilung machen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt noch unter Zustimmung des Ministerrats, von Bayern aus alles zu tun, damit die Gegensätze nicht weiter verschärft werden.22

3. Entwurf eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) 23

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, im Koordinierungsausschuß sei man übereinstimmend der Meinung gewesen, daß dem Entwurf trotz gewisser Bedenken zugestimmt werden sollte.24

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt, an sich stehe § 70, der die Zulassung zur Kassenpraxis behandle, in Widerspruch zu einem Beschluß des Bayer. Landtags.25 Der Sozialpolitische Ausschuß habe aber eine besondere Klausel für Bayern abgelehnt, so daß es aussichtslos wäre, nochmals den Versuch zu machen, etwas zu erreichen. Jedenfalls sei die Angelegenheit nicht bedeutend genug, um den Vermittlungsausschuß anzurufen.

Staatssekretär Dr. Oberländer führt aus, das Gesetz enthalte viele Kann- und Sollvorschriften, so daß bei der Durchführung erhebliche Schwierigkeiten entstehen könnten. Ganz abgesehen von der Frage aber, ob sich eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses finden werde, müsse man schon deshalb zustimmen, weil der Gesetzentwurf sonst in diesem Bundestag nicht mehr verabschiedet werden könne. Dafür könne aber niemand die Verantwortung übernehmen.

Staatsminister Dr. Schlögl fügt hinzu, das Gesetz sei zwar nicht befriedigend, nachdem aber Herr Staatssekretär Dr. Oberländer seine Zustimmung erklärt habe, werde er auch keine Bedenken mehr erheben.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.26

4. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes 27

Es wird beschlossen, entsprechend dem früheren Beschluß des Ministerrats vom 24. März 1953 den Vermittlungsausschuß anzurufen.28

6. Entwurf eines Gesetzes über die Lastenausgleichsbank (Bank für Vertriebene und Geschädigte) 31

Ministerialrat Dr. Gerner erläutert die in der BR-Drucks. Nr. 161/1/53  zusammengefaßten Empfehlungen, insbesondere diejenigen zu 3a und 3b. Im Koordinierungsausschuß habe sich der Vertreter des Wirtschaftsministeriums dafür ausgesprochen, in § 7 Abs. 1 Nr. 9 das Wort „sieben“ durch „vier“ zu ersetzen,32 während der Vertriebenenausschuß eine Festsetzung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf fünf für erforderlich halte.

Nachdem sich Staatsminister Dr. Seidel mit der Erhöhung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf fünf einverstanden erklärt, wird beschlossen, insoweit dem Vorschlag des Vertriebenenausschusses zu folgen.

Ferner wird beschlossen, die Empfehlungen unter Ziff. 4a und 4b nicht zu unterstützen.33

7. Benennung von Mitgliedern für die Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse im Notaufnahmeverfahren Berlin 34

Der Ministerrat schließt sich dem Vorschlag des Ausschusses für Flüchtlingsfragen vom 16. April 1953 an.

8. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des Steueranpassungsgesetzes35

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß es sich hier um einen Rückläufer handle. Die Empfehlungen unter Ziff. II 1, 2, 4a und 5 könnten nach Meinung des Koordinierungsausschusses unterstützt werden.36

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Was die Empfehlungen unter Ziff. 3 betreffe, so schlage das Finanzministerium auch hier die Unterstützung vor, da es die Heraufsetzung der Buchführungsgrenze auf 9 000 DM ablehne; anderer Meinung sei dagegen der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums gewesen.37

Staatsminister Zietsch betont, daß die jetzige Buchführungsgrenze von 6 000 DM an sich schon sehr hoch sei und eine weitere Erhöhung größte Nachteile mit sich bringen werde.

Staatssekretär Maag tritt dafür ein, es hinsichtlich des Art. I Ziff. 7 bei dem Beschluß des Bundestags zu belassen, nachdem die Gründe, die für die Begrenzung der Buchführungspflicht auf 6 000 DM gesprochen hätten, nicht mehr vorhanden seien. Nachdem die Buchführungsgrenze 1942 bereits auf 12 000 RM erhöht worden sei, sei jetzt eine von 9 000 DM berechtigt, zumal die Landwirte häufig gar nicht in der Lage seien, ihrer Buchführungspflicht zu genügen.

Nachdem Staatsminister Zietsch, unterstützt von Staatssekretär Dr. Guthsmuths, nochmals den Standpunkt des Staatsministeriums der Finanzen dargelegt hat, wird beschlossen, Ziff. 3 der Empfehlungen zu unterstützen, demnach bei der Buchführungsgrenze von 6 000 DM festzuhalten.38

9. Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarkts 39

Der Ministerrat beschließt, entsprechend der in der BR-Drucks. Nr. 144/1/53  unter Ziff. II enthaltenen Empfehlung des Innenausschusses den Vermittlungsausschuß anzurufen.40

11. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begünstigung von Zuschüssen und Darlehen zur Vorfinanzierung des Lastenausgleichs 43

Staatssekretär Dr. Oberländer erinnert daran, daß er sich am 24. März 1953 im Ministerrat dem Beschluß, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, angeschlossen habe. In der Zwischenzeit habe er aber festgestellt, daß der Gesetzentwurf doch notwendig sei, da die Reserve des Lastenausgleichsfonds erheblich gesunken sei. Er befürchte, daß man besonders bei den Baumaßnahmen in Schwierigkeiten komme, wenn das Gesetz nicht angenommen werde.

Staatsminister Zietsch verweist auf einen Antrag Hamburgs und empfiehlt, diesen zu unterstützen.44

Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß nach Maßgabe des zu erwartenden Antrags der Freien und Hansestadt Hamburg anzurufen.45

12. Entwurf eines Tabaksteuergesetzes 46

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß die Bedenken des Finanzausschusses sich vor allem gegen die §§ 12, 18 und 28 richteten und die Anrufung des Vermittlungsausschusses für notwendig gehalten werde.47

Der Ministerrat beschließt, den Vermittlungsausschuß anzurufen.48

13. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes 49

Einwendungen werden nicht erhoben.

15. Entwurf einer Verwaltungsanordnung über die Änderung und Ergänzung der Einkommensteuer-Richtlinien 1951 für die Veranlagung zur Einkommensteuer 1952 51

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums52 zwar empfohlen, der Verwaltungsanordnung zuzustimmen, jedoch unter Berücksichtigung der vom Agrarausschuß empfohlenen Abänderungsvorschläge.53 Das Finanzministerium sei jedoch anderer Meinung,54 weil die in dem Vorschlag behandelte Frage erneut durch den Bundesfinanzhof überprüft werde.55

Der Ministerrat schließt sich der Auffassung des Finanzministeriums an und beschließt, zuzustimmen.56

16. Entwurf einer Verwaltungsanordnung über die Änderung und Ergänzung der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1951 für die Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1952 57

Von den Empfehlungen in der BR-Drucks. Nr.150/1/53  werden diejenigen unter 1, 2 und 3 unterstützt, dagegen nicht die unter Ziff. 4 und 5.58

17. Richtlinien zu § 323 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes59

Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird.60

18. Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1950 – Einzelplan XX61

Dem Vorschlag des Finanzausschusses entsprechend wird beschlossen, die erbetene Entlastung zu erteilen.

19. Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichtsordnung – SGO) 62

Ministerialrat Dr. Gerner erläutert die in der BR-Drucks. Nr. 117/1/53  zusammengefaßten Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse,63 worauf der Ministerrat beschließt, sämtliche Empfehlungen zu unterstützen mit Ausnahme der folgenden:

Ziff. II 48a und b, 50a, 53a und 54.

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß damit die Empfehlungen unter Ziff. II 2, 4b und 17b entfallen.64

20. Entwurf eines Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung 65

Der Ministerrat beschließt, die Empfehlung unter Ziff. I b zu unterstützen, dagegen nicht diejenigen unter Ziff. I a und II 2.66

Die weiteren Empfehlungen unter Ziff. II werden unterstützt, soweit sie nicht durch I b ihre Erledigung gefunden haben.67

21. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Einkommensgrenze für das Erlöschen der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung 68

Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Oechsle wird beschlossen, die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik BR-Drucks. Nr.155/1/53  abzulehnen und dafür den zu erwartenden Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen auf Abänderung des Gesetzes zu unterstützen.69

22. Entwurf eines Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) 70

Zustimmung.71

23. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank Deutscher Länder 72

Von den Empfehlungen der BR-Drucks. Nr. 125/1/53  werden diejenigen unter Ziff. 1 unterstützt, dagegen nicht die unter Ziff. 2.73

24. Entwurf eines Gesetzes über den Vertrieb von Blindenwaren 74

Der Ministerrat beschließt, sich den in der BR-Drucks. Nr. 147/1/53  enthaltenen Empfehlungen des Wirtschafts- und des Rechtsausschusses anzuschließen.75

25. Entwurf eines Gesetzes über das Meistbegünstigungsabkommen vom 31.10.1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik El Salvador 76

Bedenken werden nicht erhoben.

Ministerialrat Dr. Gerner macht noch darauf aufmerksam, daß die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes noch geprüft werde.77

26. Benennung von drei Mitgliedern für den Verwaltungsbeirat der Bundesanstalt für Flugsicherung 78

Es wird beschlossen, die Benennung der von Hessen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen vorgeschlagenen Personen zu unterstützen.

28. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit 81

Nach Vortrag von Ministerialrat Dr. Gerner beschließt der Ministerrat, die Empfehlungen unter Ziff. 1a, c, 2, 3, 4a, b, 5, 7 mit 11 zu unterstützen.82

Die Empfehlung unter Ziff. 1b wird nicht unterstützt, zu der unter Ziff. 6 wird beschlossen, sich der Stimme zu enthalten. Außerdem wird vereinbart, einen eigenen Antrag auf Neufassung des § 13 Abs. 3 nicht zu stellen.83

29. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken 84

Der Ministerrat beschließt, nach wie vor den Gesetzentwurf abzulehnen.85

30. Entwurf einer Siebenten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131  GG fallenden Personen 86

Es wird beschlossen, dem Verordnungsentwurf zuzustimmen, wenn der Bundesrat nicht die Absetzung dieses Punktes von der Tagesordnung beschließt.87

33. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen 91

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, die Bedenken zu § 7 Abs. 1 Satz 1 seien zwar nicht ausgeräumt, trotzdem wolle das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von einem Antrag nach Art. 77 Abs.  GG absehen.

Der Ministerrat beschließt, zuzustimmen.92

34. Entwurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1953/54 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1953/54) 93

Es wird beschlossen, die in Ziff. III der BR-Drucks. Nr. 153/1/53  enthaltenen Abänderungsvorschläge zu unterstützen, sowie sich der in Ziff. IV der genannten Drucksache enthaltenen Entschließung des Agrarausschusses anzuschließen.94

36. Ausgabe von nom. 20 Millionen 7½%-igen Schuldverschreibungen der Landwirtschaftlichen Rentenbank 97

Zustimmung.

38. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 100

Von einer Äußerung und einem Beitritt wird abgesehen.

39. Ersuchen an die Bundesregierung wegen Aufhebung der Kohlepreisvergünstigung für Seeschiffahrt und nicht bundeseigene Eisenbahnen101

Bedenken werden nicht erhoben.

II. Beschluß des Bayer. Landtags vom 15. April 1953 betr. Abstandnahme von der 15%igen Kürzung der Zuschüsse für nichtstaatliche Theater im Haushaltsjahr 1952 (Beilage 3807)102

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Vorsitzende des Landtagsausschusses für den Staatshaushalt, Herr Abg. Dr. Lacherbauer, habe sich in einem Schreiben vom l5. April mit dem Beschluß des Landtags betreffend Abstandnahme von der 15%-igen Kürzung der Zuschüsse für die nichtstaatlichen Theater im Haushaltsjahr 1952 (Beilage 3807) auseinandergesetzt und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß dieser Beschluß mit den bestehenden Vorschriften unvereinbar sei.103 Er selbst habe daraufhin eine Abschrift des Briefes an den Herrn Staatsminister der Finanzen übersandt und mit diesem vereinbart, daß ein Gutachten des Obersten Rechnungshofs eingeholt werden solle.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, Ministerialrat Dr. Barbarino habe mit Herrn Dr. Lacherbauer gesprochen, der die Möglichkeit aufzeigen wollte, unter Umständen von Art. 78 Abs. 5 der Bayer. Verfassung Gebrauch zu machen.104 Dr. Lacherbauer selbst wolle keine weiteren Schritte unternehmen, wenn die Staatsregierung dem Beschluß des Landtags entsprechen wolle. Das Finanzministerium sei nun der Meinung, daß es möglich sei, im vorliegenden Fall von der 15%-igen Kürzung der Zuschüsse abzusehen, so daß es nicht erforderlich sei, gem. Art. 78 Abs. 5 BV eine nochmalige Beratung des Beschlusses zu verlangen. Es werde aber für die Zukunft ein Gutachten des Obersten Rechnungshofs eingeholt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard und Staatsminister Dr. Hoegner sprechen sich trotzdem dafür aus, sofort ein Gutachten des Obersten Rechnungshofs einzuholen und davon die Entscheidung abhängig zu machen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.105

Subventionen

III. Genehmigung der Produktenbörse e.V, Nürnberg 106

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Börsengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Mai 1908 die Errichtung einer Börse der Genehmigung der Landesregierung bedürfe.107 Nachdem keinerlei sachliche oder rechtliche Bedenken erhoben worden seien, ersuche er, die Produktenbörse e.V. Nürnberg zu genehmigen.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.

Produktenbörse e.V. Nürnberg

IV. Personalangelegenheiten

1. Ernennung des Regierungsbaudirektors bei der Obersten Baubehörde August Syndikus zum Ministerialrat108

Der Ministerrat beschließt, der vom Staatsministerium des Innern vorgeschlagenen Ernennung des Regierungsbaudirektors bei der Obersten Baubehörde August Syndikus zum Ministerialrat zuzustimmen.

2. Versorgung des ehemaligen Staatssekretärs im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Adam Sühler 109

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß dem ehemaligen Staatssekretär Adam Sühler bei seinem Ausscheiden aus dem Amt eines Staatssekretärs gem. Art. 8 des Gesetzes vom 5.9.1946110 auf die Dauer von zwei Jahren, also für die Zeit vom 1.1.1951 bis 31.12.1952 ein zeitliches Ruhegehalt bewilligt worden sei.111 Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 3 des erwähnten Gesetzes könne im vorliegenden Fall die Höchstdauer des zeitlichen Ruhegehalts bis auf drei Jahre erhöht werden. Einem entsprechenden Antrag des Herrn Staatssekretärs a.D. Sühler habe das Staatsministerium der Finanzen zugestimmt. Er schlage daher vor, einen entsprechenden Beschluß zu fassen.

Der Ministerrat beschließt, dem ehemaligen Staatssekretär im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Adam Sühler für ein weiteres Jahr, d.h. bis 31. Dezember 1953, ein Ruhegehalt in Höhe der Hälfte seines früheren Amtsgehalts einschließlich Wohnungsentschädigung zu gewähren.

Versorgung ehem. Mitglieder

V. Anschaffung von Milchseilwagen im Kreis Lindau

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Sennereigenossenschaften im Kreise Lindau hätten sich wegen der Anschaffung von Milchseilwagen an das Finanzministerium gewandt. Dieses habe den Antrag mit der Begründung abgelehnt, Lindau gehöre nicht zu Bayern.112

Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert, die Verhandlungen seien noch im Gang, es gehe aber nicht an, daß dauernd Lasten für Lindau übernommen werden müßten, während andererseits der Kreis den Bayerischen Staat nicht an seinen Einkünften beteilige.

Das Finanzministerium habe erklärt, zunächst sollten die Genossenschaften die erforderlichen Mittel selbst aufbringen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, es handle sich nur um einen Betrag von 16 000 DM.

Staatsminister Weinkamm weist darauf hin, daß der Kreis Lindau manche Vergünstigung für sich in Anspruch nehme, andererseits müsse man aber bedenken, daß der Kreispräsident immer an Bayern festgehalten habe und auch im Kreis Lindau Erhebliches vorgeleistet habe.

Der Ministerrat beschließt, in der Frage der Milchseilwagen entgegenzukommen.

VI. Einladungen

a) Evangelischer Kirchentag auf dem Hesselberg bei Wassertrüdingen am 25. Mai 1953113

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt eine Einladung des Evang. Lutherischen Landeskirchenrats zum Kirchentag 1953 bekannt, der am zweiten Pfingstfeiertag, am Montag, den 25. Mai auf dem Hesselberg begangen werde. Er halte es für notwendig, zu dieser Veranstaltung ein Mitglied der Bayerischen Staatsregierung zu entsenden und bitte, vorläufig schon den Termin vorzumerken.114

b) Unfallkrankenhaus Murnau

Der Ministerrat vereinbart, daß die Bayerische Staatsregierung bei der Einweihung des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Murnau durch Herrn Staatsminister Dr. Oechsle vertreten werde.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor