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Nr. 123MinisterratssitzungMontag, 18. September 1950 Beginn: 9 Urh 15 Ende: 12 Urh 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Müller, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Krehle, Verkehrsminister Frommknecht, Staatssekretär Dr. Konrad (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Schwalber (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Oberste Baubehörde), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Grieser (Arbeitsministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sühler (Landwirtschaftsministerium), Ministerialrat Leusser (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Barbarino (Finanzministerium), Oberstlandesgerichtsrat Dr. Kuchtner1 (Wirtschaftsministerium).

Entschuldigt:

Staatsminister Dr. Ankermüller, Kultusminister Dr. Hundhammer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesangelegenheiten. II. Entwurf eines Gesetzes über Steuergutscheine. III. Außerordentlicher Haushalt. IV. Beschlußfassung der Staatsregierung auf nochmalige Beratung von Landtagsbeschlüssen gern. Art. 78 Abs. 5 der Bayer. Verfassung. V. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung von Teilen der gemeindefreien Forstbezirke Buckenhof und Tennenlohe, Landkreis Erlangen, in die Stadt Erlangen. VI. Herbstbauprogramm. VII. Unterhaltszuschüsse für Referendare. VIII. Personalangelegenheiten. IX. [Anbringung einer Plakette für Kronprinz Rupprecht]. [X. Restfinanzierung von Eigenhilfe-Baumaßnahmen]. [XI. Baumaßnahmen im Lager Dachau]. [XII. Finanzierung der Constructa Ausstellung 1951 in Hannover]. [XIII. Armeemuseum]. [XIV. Jüdische Industrie- und Handelsbank in Frankfurt].

I. Bundesangelegenheiten

1. Gesetz zur Änderung des Konsulargesetzes2

Ministerialrat Leusser berichtet, hier bestünden keine Bedenken und der Bundesrat könne der Vorlage, die vom Bundestag bereits unverändert angenommen worden sei, ohne weiteres zustimmen.3

2. Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz)4

Ministerialrat Leusser führt aus, hier handle es sich natürlich um das wichtigste Gesetz, das auf der nächsten Bundesratsitzung behandelt werden soll. Rechts-, Wirtschafts- und Agrarausschuß, sowie der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik hätten den Entwurf bereits am 14. September beraten, wobei einige kleine Änderungen empfohlen worden seien. Auf Vorschlag des bayerischen Vertreters habe der Wirtschaftsausschuß die im § 10 festgesetzte Mindestzahl von Arbeitnehmern auf 10 erhöht, wovon 5 wählbar sein sollten.5 Der Koordinierungsausschuß empfehle, den vorgeschlagenen Änderungen des Rechts-, Wirtschafts- und Agrarausschusses zuzustimmen.6

Staatsminister Krehle erklärt, der soz. pol. Ausschuß sei mit dem Entwurf nicht völlig einverstanden und habe dem Bundesrat empfohlen, das Gesetz abzulehnen und zur nochmaligen Beratung an die Bundesregierung zurückzuverweisen.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, nachdem im Wirtschaftsausschuß der bayerische Vorschlag bezüglich der Mindestzahl angenommen worden sei, habe er auch noch verlangt, daß die Lehrlinge aus dem Entwurf herausgenommen würden. Gegen heftigen Widerstand sei auch dieser Vorschlag im Wirtschaftsausschuß angenommen worden.7

In § 77 Abs. 2 seien auf Anregung Bayerns die Worte „Kalkulationsgrundlagen, Investitionen, wesentliche Kapitalveränderungen, Kreditaufnahme“ zur Streichung empfohlen worden.8 § 75 enthalte eine Definition darüber, was wirtschaftliche Angelegenheiten seien,9 während § 76 bestimme, daß in einem Unternehmen, das mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftige, ein Wirtschaftsausschuß errichtet werden müsse.10 Hier sei eine Abweichung vom bayerischen Betriebsrätegesetz11 gegeben, allerdings habe dieser Wirtschaftsausschuß nicht die weitgehenden Berechtigungen wie in Bayern.12 Im übrigen habe der Wirtschaftsausschuß empfohlen, den Bundesrat aufzufordern, dem Gesetzesentwurf die Zustimmung zu geben, dabei habe der Vertreter von Niedersachsen keine Stellungnahme abgegeben. Im Bundesrat selbst werde es wahrscheinlich heftige Auseinandersetzungen geben, vom bayerischen Standpunkt aus aber könne man im wesentlichen zufrieden sein.

Staatsminister Krehle stellt fest, daß das Bundesarbeitsministerium den Gesetzentwurf erstellt habe, ohne die Länder auch nur im geringsten zu beteiligen. Der Entwurf sei wesentlich schlechter als alles, was bisher vorgeschlagen worden sei, deshalb sei auch der Ausschuß für Sozialpolitik zu dem Beschluß gekommen:

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung wird bejaht, der vorliegende Entwurf könne aber nicht als Lösung angesehen werden. Der Ausschuß schlage deshalb die Ablehnung vor, wenn nicht große und grundlegende Änderungen noch kommen sollten.

Staatsminister Dr. Seidel erwidert, der Wirtschaftsausschuß habe sich auch über die Frage unterhalten, ob besser keine Stellung bezogen oder nur Vorbehalten werde, im weiteren Verlauf Anregungen zu geben. Dies sei aber keine Lösung, denn zu diesem wichtigen Entwurf müsse der Bundesrat sofort Stellung nehmen. Sein Vorschlag, einen Unterausschuß zu bilden, habe keine Gegenliebe gefunden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, wer den bayerischen Standpunkt im Bundesrat vertreten soll.

Staatsminister Krehle antwortet, er möchte an der Sache nicht beteiligt sein, zumal das Gesetz unglaublich kurzfristig vorgelegt worden sei.

Staatsminister Dr. Seidel macht noch darauf aufmerksam, daß er vorgeschlagen habe, eine Reihe von Bestimmungen der bayerischen Regelung anzugleichen. Eine gewisse Gleichheit in vielen Punkten sei schon vorhanden, weshalb man s.E. im Prinzip dem Entwurf zustimmen könne. Immerhin sei er leichter hinzunehmen, als ein Gesetz, das im Bundestag selbst entstehen könnte. Er schlage vor, daß sich Staatsekretär Geiger das Gesetz sehr genau ansehe, die Verbindung mit dem Arbeitsministerium aufnehme und dann den bayerischen Standpunkt vertrete. Richtiger wäre es natürlich schon, wenn auch Herr Staatsminister Krehle anwesend wäre.

Der Ministerrat beschließt, die Vertretung im Bundesrat Herrn Staatssekretär Geiger zu übertragen.13

3. Sonderausschuß Lastenausgleich14

Staatsminister Dr. Seidel berichtet, der Bundesrat habe in seiner letzten Sitzung einen Sonderausschuß für den Lastenausgleich gebildet, in den er hineingewählt worden sei.15 Man habe für diesen Ausschuß, der ein politischer Ausschuß sein solle, einen Arbeitsausschuß gebildet, der den Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes untersuchen solle und den Sonderausschuß anzurufen habe, wenn eine Frage auftauche, die politisch zu entscheiden sei. Er bitte um Ermächtigung, in diesen Arbeitsauschuß einen Herrn seines Ministeriums zu delegieren. Der Arbeitsstab werde jeweils Sachverständige zuziehen und zwar im Landwirtschaftsministerium Herrn Oberregierungsrat Dr. Lauerbach,16 während vom Finanzministerium noch niemand bestimmt sei.

Staatssekretär Dr. Müller schlägt Herrn Regierungsdirektor Fürnrohr17 vor.

Staatsminister Dr. Seidel fährt fort, außerdem brauche er noch Sachverständige des Arbeitsministeriums und der Flüchtlingsverwaltung und bitte um Ermächtigung, auch hier jemand berufen zu können.

Der Ministerrat beschließt, diese Ermächtigung zu erteilen.18

Staatsminister Dr. Seidel macht sodann darauf aufmerksam, daß ein Ersatz für Professor Preller19 im Kapitalverkehrsausschuß gewählt werden müsse.20 Dieser Ausschuß sei von besonderer Wichtigkeit und es sei dringend notwendig, einen bayerischen Vertreter hineinzubekommen; er schlage Herrn Staatssekretär Dr. Müller vor.

Staatssekretär Dr. Müller antwortet, dies sei nicht mehr möglich, nachdem die Finanzministerien der Länder in dem Ausschuß schon vertreten seien. Er halte es für das richtigste, wenn Herr Staatsminister Dr. Seidel Mitglied dieses Ausschusses würde.

Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß auch andere Länder ihre Ansprüche anmeldeten und es wohl zweifelhaft sei, ob sich Bayern durchsetzen könne.21

4. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 195022

Ministerialrat Leusser berichtet, es handle sich im wesentlichen darum, das bisherige, bis 30. September befristete Gesetz23 bis 31. Dezember 1950 zu verlängern. Nachdem der Finanzausschuß dem Entwurf zugestimmt habe, empfehle der Koordinierungsausschuß gleichfalls die Zustimmung, wenn auch gewisse Bedenken bestünden24

Der Ministerrat beschließt, gegen den Gesetzesentwurf keine Einwendungen zu erheben.25

5. Entwurf einer Verordnung über die Änderung des Umfangs des Freihafens Kiel26

und

6. Entwurf einer Verordnung über die Anwendung der Verordnung über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe in den Ländern der französisch besetzten Zone und im Kreis Lindau27

Der Ministerrat beschließt, bezüglich der beiden Entwürfe Einwendungen nicht zu erheben.

7. Vorschlag des Bundesministers der Finanzen über die Verteilung des auszuprägenden Betrages auf die einzelnen Münzstätten und die gewährte Prägegebühr.28

Ministerialrat Leusser führt aus, die Verteilung sei nach der Kapazität der Münzstätten vorgesehen und man könne dagegen wohl nichts einwenden. Dagegen seien die Prägegebühren erstmals 1923 festgesetzt und 1933 erhöht worden. Wenn man nun beabsichtige, zu dem niedrigen Satz von 1923 zurückzukehren, so sei dies völlig willkürlich. Es sei daher zu empfehlen, gegen den Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zu stimmen.

Staatssekretär Dr. Müller fügt ergänzend hinzu, das B. Finanzministerium könne sich mit den Prägegebühren von 1923 keinesfalls abfinden, man müsse sich unbedingt dagegen wenden, wenn man auch wahrscheinlich überstimmt werde.29

8. Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen30

Ministerialrat Leusser stellt fest, daß dieser Entwurf noch zurückgestellt werden müsse, da er im Rechtsausschuß des Bundesrates noch nicht besprochen worden sei.31

9. Gesetzliche Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen32

Staatsminister Krehle berichtet über den Entwurf dieses Gesetzes und erklärt, Bayern sei sehr stark daran interessiert, daß die Bezahlung des Feiertages auch in anderen Ländern erfolge. Im großen und ganzen könne man dem Entwurf wohl zustimmen, bei dem es sich übrigens um keinen Regierungsentwurf handle.

Ministerpräsident Dr. Ehard betont, man habe noch keine Unterlagen, sei aber natürlich an der Regelung im Hinblick auf die Bayer. Verfassung sehr stark interessiert.

Staatsminister Krehle weist darauf hin, daß nur der Zahlungsmodus geregelt werden solle, während die Festsetzung der Feiertage selbst den Ländern Vorbehalten sei.

Ministerialrat Leusser stellt fest, daß die Bestimmung der Bayer. Verfassung durch ein einfaches Bundesgesetz außer Kraft gesetzt werden solle.

Staatsminister Krehle meint, dies sei nicht der Fall; außer Kraft gesetzt werde das, was über Bezahlung der Feiertage in Bayern bestimmt worden sei. Er sei aber damit einverstanden, daß das Gesetz nochmals an den Rechtsausschuß zurückverwiesen werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, es sei zweckmäßig, wenn ein Vertreter des Justizministeriums anwesend sei. Vielleicht könnte Herr Staatssekretär Dr. Konrad den bayerischen Standpunkt im Plenum vertreten, da es sich um sehr wichtige Dinge handle. Man komme nicht darum herum, daß eine Bestimmung der Bayer. Verfassung außer Kraft gesetzt werde.

Der Ministerrat beschließt, daß Herr Staatssekretär Dr. Konrad in Bonn an der Sitzung teilnehmen und eine formulierte Erklärung der bayerischen Regierung abgeben solle.33

10. Gesetz über eine Wirtschaftsbeihilfe für den Winter 1950/5134

Staatsminister Krehle teilt mit, die niedersächsische Regierung habe einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung und Heimkehrer, die Arbeitslosenunterstützung nach dem Heimkehrergesetz vom 19. Juni 195035 beziehen, aus Bundesmitteln eine Wirtschaftsbeihilfe zur Bestreitung der erhöhten Aufwendungen für den Winter beziehen sollen. Die Kosten solle zwar der Bund tragen, die Gefahr bestehe aber darin, daß der gleiche Antrag auch für alle Fürsorgeunterstützungsempfänger gestellt werde, wobei dann die Länder die Kosten zu tragen hätten.

Staatssekretär Dr. Müller stellt fest, daß derartige Mittel weder der Bund noch die Länder aufbringen könnten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, auf alle Fälle müßte die Frage der Kosten genau geprüft werden, vorher könne man sich nicht entscheiden.36

Abschließend teilt Ministerialrat Leusser mit, am Donnerstag, den 21. September 1950 trete der Vermittlungsausschuß zusammen, über die Tagesordnung sei aber noch nichts bekannt. Unbedingt notwendig wäre es wohl nicht, daß Bayern in dieser Sitzung vertreten werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Herrn Staatssekretär Dr. Schwalber, wegen einer evtl. Vertretung im Vermittlungsausschuß mit Herrn Staatsminister Dr. Ankermüller zu sprechen.

II. Entwurf eines Gesetzes über Steuergutscheine37

Ministerialrat Dr. Barbarino weist darauf hin, daß der Geldbedarf Bayerns für dringend notwendige Investitionen bei weitem größer als in früheren Jahren sei; der finanzwirtschaftlichen Übung früherer Zeit würde es entsprechen, sie durch langfristige, mindestens aber mittelfristige Kredite zu finanzieren. Da dieses aber aus bekannten Gründen nicht möglich sei, habe sich das Staatsministerium der Finanzen entschlossen, auf die Einrichtung der Steuergutscheine zurückzugreifen.

Das vorliegende Gesetz sei besonders deshalb wichtig, weil ein Instrument für die Finanzierung des außerordentlichen Etats gefunden werden müsse.38 Es sei beabsichtigt, die Steuergutscheine mit halbjähriger Laufzeit auszustatten, dabei sei vorgesehen, daß der Betrag 75 Millionen DM im Vierteljahr nicht überschreiten dürfe.39 Immerhin haben diese einen Kreditspielraum von 150 Millionen DM, der solange zur Verfügung stehe, als die Steuergutscheine umlaufen. Ein anderes Mittel stehe nicht zur Verfügung, deshalb seien auch die Einwendungen der Landeszentralbank nicht ganz zu verstehen. Die Bauwirtschaft warte bereits auf die Steuergutscheine, die Bauunternehmer seien ohne weiteres dazu bereit, sich damit bezahlen zu lassen. Allerdings bestehe nach § 3 des Gesetzes kein Annahmezwang,40 praktisch sei es aber doch so, daß eben kein Unternehmer einen Auftrag bekomme, der sich zur Annahme nicht bereit erkläre.

Staatssekretär Dr. Müller erklärt, die Landeszentralbank fürchte, daß die Steuergutscheine wieder an sie zurückkommen werden,41 eine Befürchtung, die er nicht teile. Zweifellos sei die ganze Regelung nicht unbedenklich, mit Rücksicht auf die Finanzlage habe er aber diese Bedenken zurückgestellt.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß er immer wieder erklärt habe, es müsse etwas geschehen. Die Landeszentralbank sei aber anscheinend auch nicht in der Lage, positive Vorschläge zu machen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Müller spricht sich ebenso wie Staatsminister Dr. Seidel dafür aus, diesen Versuch zu wagen. Der letztere schlägt lediglich vor, auf Seite 3 der Begründung unter B) zu §1 den Ausdruck „die klassische Form eines Vorgriffs“ zu ändern und statt dessen folgende Worte zu setzen:

„Der Steuergutschein ist eine geeignete und zulässige Form eines Vorgriffs auf zukünftige Einnahmen.“

Der Ministerrat beschließt sodann, den Gesetzesentwurf in der vorliegenden Form zu verabschieden und dem Landtag zuzuleiten. Mit der von Herrn Staatsminister Dr. Seidel vorgeschlagenen Änderung in der Begründung besteht Einverständnis42

III. Außerordentlicher Haushalt43

Staatssekretär Dr. Müllerbittet, den Entwurf des außerordentlichen Haushalts 1950 möglichst bald an den Landtag hinüber zu geben. Es sei wohl nicht notwendig, ihn noch im einzelnen zu besprechen.

Staatssekretär Dr. Sattlerstellt fest, daß für die Bauvorhaben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus 22,5 Millionen DM vorgesehen seien; vielleicht sei es möglich, mit diesem Betrag durchzukommen.44

Oberstlandesgerichtsrat Dr. Kuchtnerbegründet die Notwendigkeit, die für das Staatsministerium für Wirtschaft vorgesehenen Mittel von 135000 DM auf 320000 DM zu erhöhen. Dieser Betrag sei unbedingt notwendig, um die Sicherungsmaßnahmen, die bei den Bauvorhaben des Ministeriums durchgeführt werden müßten, zu finanzieren.

Ministerialrat Dr. Barbarinowendet ein, es sei überhaupt fraglich, ob die 50 Millionen DM, die für sämtliche Ministerien vorgesehen seien, realisiert werden könnten. Er erkläre sich aber damit einverstanden, den Betrag für das Staatsministerium für Wirtschaft um 150000 DM auf 285000 DM zu erhöhen und die allgemeine Rücklage von 750000 DM entsprechend zu kürzen. Übrigens sei beim Staatsministerium der Justiz ein Betrag von 1,5 Millionen DM für das Justizgebäude in Nürnberg in voller Höhe eingesetzt.

Staatsminister Dr. Seidelerhebt Bedenken gegen die Erhöhung des Grundkapitals der Bayernwerk A.G., zu der der bayerische Staat 15 Millionen DM übernehmen müsse. Das Argument des Finanzministeriums, daß die Kapitalerhöhung wegen des Ausbaus eines Dampfkraftwerkes bei Aschaffenburg45 notwendig sei, schlage nicht durch, da hierfür (vergl. Anlage A Seite 14) bereits 7 Millionen DM vorgesehen seien.

Staatssekretär Dr. Müllerbegründet die Notwendigkeit dieser Kapitalerhöhung und sichert zu, dem Kabinett eine Zusammenstellung über die im Bau befindlichen Anlagen des Bayernwerkes, die Preisentwicklung usw., vorzulegen.

Staatsminister Dr. Seidelhält es für möglich, daß man wegen dieser Kapitalerhöhung Schwierigkeiten im Landtag bekommen werde.

Staatssekretär Dr. Müllerweist nochmals darauf hin, daß ohne diese Kapitalerhöhung ein Teil der Bauten, vor allem das Dampfkraftwerk Aschaffenburg, eingestellt werden müßten.

Staatsminister Dr. Seidelwendet ein, die Projekte müßten doch sowieso finanziert sein, von einer Kapitalerhöhung könne das nicht abhängen.

Staatsminister Krehleunterstützt den Herrn Staatssekretär Dr. Müller und erklärt, 10000 Arbeiter seien in der Gefahr, arbeitslos zu werden, wenn die Bauvorhaben des Bayernwerks eingeschränkt würden.

Der Ministerrat beschließt, den Anteil des bayerischen Staates in Höhe von 15 Millionen DM nicht zu streichen.

Anschließend wird beschlossen, den außerordentlichen Haushalt mit der Änderung zu Gunsten des Staatsministeriums für Wirtschaft zu verabschieden und dem Landtag zuzuleiten.46

IV. Beschlußfassung der Staatsregierung auf nochmalige Beratung von Landtagsbeschlüssen gem. Art. 78 Abs. 5 der Bayer. Verfassung

Ministerialrat Dr. Barbarinoführt aus, der Landtag habe am 7. September das zweite Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes mit der Maßgabe verabschiedet, den Polizeikostenzuschuß für München um 10% zu erhöhen und diesen Zuschuß nicht mehr nach der Gemeindegröße zu staffeln, sondern einheitlich für alle Gemeinden unter 75000 Einwohner auf 3000 DM festzusetzen.47 Gegenüber dem Regierungsentwurf bedeute diese Abänderung eine Verschlechterung um etwa 1,36 Millionen DM, wovon auf die Stadt München allein 600000 DM entfielen. Es handle sich hier zweifellos um einen Zufallsbeschluß des Landtags, bei dem eine gewisse Aussicht bestehe, daß der Landtag seinen Beschluß wieder aufhebe. Gern. Art. 78 Abs. 5 habe die Regierung die Möglichkeit, eine nochmalige Beratung zu verlangen.48

Der Ministerrat beschließt, dem Vorschlag des Staatsministeriums der Finanzen zu entsprechen und in einem Schreiben an den Landtag um nochmalige Beratung dieses Beschlusses zu ersuchen49

V. Entwurf einer Verordnung über die Umgliederung von Teilen der gemeindefreien Forstbezirke Buckenhof und Tennenlohe, Landkreis Erlangen, in die Stadt Erlangen50

Der Ministerrat beschließt, der Verordnung, die vom Staatsministerium des Innern vorgelegt ist, zuzustimmen und sie unverändert an den Landtag zur Genehmigung gern. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung51 zuzuleiten.52

VI. Herbstbauprogramm

Staatssekretär Fischerberichtet, er habe wegen der Vorfinanzierung des Herbstbauprogramms am 30. August ein Schreiben an das Staatsministerium der Finanzen gerichtet. Insgesamt beschäftige die Oberste Baubehörde ca. 60 000 Arbeiter, deren Weiterbeschäftigung davon abhänge, daß das Herbstbauprogramm finanziert werden könne. 80% der gesamten Mittel seien bereits ausgegeben worden. Voriges Jahr hätten rund 60 bis 65000 Wohnungen fertig gestellt werden können, heuer würde man wohl Zurückbleiben, nachdem bis jetzt 40000 Wohnungen errichtet seien.

Zu einer Weiterführung vieler im Rohbau schon fertiggestellten Wohnungen reichten die bisherigen Mittel nicht mehr aus. Vor allem fehlten bayerische Mittel, was durch den Wegfall der Baunotgabe verursacht worden sei.53 Wenn es möglich sei, vom Finanzministerium aus den Umstellungsgrundschulden etwa 10 Millionen DM zu bekommen, dann könnte das Programm 1950 weitergeführt werden und zwar bis in den Winter hinein. Die Rückwirkungen auf die gesamte Bauwirtschaft seien natürlich sehr günstig. Mit dem Hauptamt für Soforthilfe54 sei eine Vereinbarung zustande gekommen, wonach 8,5 Millionen DM sofort bereitgestellt werden könnten; dieser Betrag reiche aber nicht aus. Wenn das Finanzministerium die 10 Millionen DM geben könnte, wäre die Oberste Baubehörde in der Lage, noch 2000 Wohnungen zu bauen.

Ministerialrat Dr. Barbarinoantwortet, er glaube, diese 10 Millionen DM und vielleicht noch 1 bis 2 Millionen DM aus der Baunotgabe freigeben zu können. Allerdings sei er im Augenblick nicht in der Lage, eine definitive Zusicherung zu geben.

Staatssekretär Fischerbezeichnet die Angelegenheit als sehr eilig, da die Kontingentsträger verständigt werden müßten.

Ministerpräsident Dr. Ehardersucht Herrn Ministerialrat Dr. Barbarino, die Frage möglichst sofort zu prüfen und sich dann mit Herrn Staatssekretär Fischer zu einigen. In diesem Zusammenhang halte er es für notwendig, eine Aufstellung über die Staatsbauten und ihre Finanzierung zu bekommen, es brauche sich dabei um keine große Denkschrift zu handeln.

Staatssekretär Fischersichert zu, diese Ausarbeitung so bald als möglich anfertigen zu lassen.

VII. Unterhaltszuschüsse für Referendare55

Staatssekretär Dr. Konradberichtet, die Herren Abg. Dr. Hoegner und Zietsch56 hätten sich im Haushaltsausschuß sehr stark der Referendare angenommen und sich gegen die beschlossene Kürzung der Unterhaltszuschüsse ausgesprochen. Der Haushaltsausschuß habe festgesetzt, daß künftig die Zahl der Referendare auf 500 beschränkt werden solle. Im übrigen sehe es jetzt so aus, als ob die Unterhaltszuschüsse in allen Ländern einheitlich geregelt werden sollten.57

Ministerialrat Dr. Barbarinoerklärt, es habe sich herausgestellt, daß die vorgesehene Kürzung auf 2,4 Millionen DM nicht durchgeführt werden könne. Das Finanzministerium habe deshalb vor, diesen Betrag um 600000 Millionen DM zu erhöhen. Natürlich müsse das Ziel, den Betrag auf 2,4 Millionen DM zu reduzieren, im Auge behalten werden; heuer brauche man aber noch eine Übergangslösung.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.58

VIII. Personalangelegenheiten

1. Peter Carl Lang,59 Angestellter der Landesversicherungsanstalt Oberbayern

Staatssekretär Dr. Müller erinnert daran, daß das Kabinett in seiner letzten Sitzung grundsätzlich der Ernennung des Herrn Peter Carl Lang zum Regierungsrat zugestimmt habe,60 obwohl das Landespersonalamt diese Ernennung abgelehnt habe. Bei der Prüfung der Rechtslage sei er nun zu dem Ergebnis gekommen, daß das Kabinett nicht gegen Beschlüsse des Landespersonalamts entscheiden könne.

Staatssekretär Dr. Konrad stimmt zu und weist darauf hin, daß im Beamtengesetz ausdrücklich eine entsprechende Bestimmung enthalten sei, für den Fall, daß es sich um nichtlaufplanmäßige Beförderungen handle.

Staatsminister Krehle stellt fest, daß er aufgrund des Ministerratsbeschlusses die Beförderung bereits ausgesprochen habe. Herr Lang sei ein besonders hervorragender und geeigneter Mann, der in der Landesversicherungsanstalt unentbehrlich sei. Das Landespersonalamt habe ihm die Eignung abgesprochen, obwohl es dies überhaupt nicht beurteilen könne.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, Herr Staatsminister Krehle möge sich mit Staatssekretär Dr. Konrad zusammensetzen, um einen Ausweg zu finden. Wahrscheinlich werde der Ausschuß des Landespersonalamts doch zustimmen, nur dürfe natürlich dabei von der schon erfolgten Beförderung keine Rede sein.

2. Ministerialdirektor Dr. Otto Graf61

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, die Ministerialdirektorstelle seines Ministeriums sei mit Herrn Dr. Otto Graf besetzt, der an das Bundeswirtschaftsministerium abgeordnet sei. Die Abordnung laufe am 30. September 1950 ab und er würde es gern sehen, wenn Dr. Graf zurückkehren würde, andererseits wolle Bundesminister Erhard Graf in den Bundesdienst übernehmen. Dieser sei an sich dazu bereit, wenn er eine ähnliche Zusicherung wie Ministerialdirektor von Lex 1949 bekommen würde.62 S. E. sei die Frage zu entscheiden, ob Graf besser in München oder in Bonn am Platze wäre und wo seine Tätigkeit wichtiger sei.

Es wird vereinbart, daß Herr Staatsminister Dr. Seidel mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Otto Graf sprechen solle und heute noch keine Entscheidung getroffen werde.

IX. Anbringung einer Plakette für Kronprinz Rupprecht

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, anläßlich des 80. Geburtstages63 des Kronprinzen Rupprecht64 im Jahre 1949 habe der Ministerrat beschlossen, eine Plakette mit dem Bildnis des Kronprinzen in einer der staatlichen Sammlungen anzubringen.65 Diese Plakette sei nunmehr fertiggestellt und solle vorläufig im Prinz-Carl-Palais angebracht werden. Man müsse nun die Frage entscheiden, wann und in welcher Form diese Feier stattzufinden habe.

Staatsminister Dr. Seidelmeint, es sei richtig, die Anbringung möglichst bald vorzunehmen und eine einfache Feier zu veranstalten.

Der Ministerrat beschließt, die Plakette im Rahmen einer kleinen Feier anzubringen, die in Verbindung mit dem Abschluß der Ars Sacra Ausstellung66 veranstaltet werden könne.67

[X.]Restfinanzierung von Eigenhilfe-Baumaßnahmen

Staatssekretär Fischerteilt mit, er habe an die Arbeitsgemeinschaft der Süddeutschen Hypothekenbanken und die übrigen Banken und Bankenverbände ein Schreiben gerichtet, in dem gebeten werde, durch Beisteuer aller Kreditinstitute etwa 5 Millionen DM aufzubringen, womit Wohnungen, die durch eigene Arbeit errichtet worden seien, fertiggestellt werden könnten. Er bitte den Herrn Ministerpräsidenten, diesen Appell an die Banken zu unterstützen,

Ministerpräsident Dr. Eharderklärt sich bereit, entsprechende Schreiben abzusenden.

[XI.]Baumaßnahmen im Lager Dachau

Ministerpräsident Dr. Ehardteilt mit, der Präsident des Landesentschädigungsamtes, Dr. Philipp Auerbach, habe ihn davon unterrichtet, daß die amerikanische Verwaltung des Lagers Dachau bereit sei, das Krematorium und seine Anlagen an die deutschen Verwaltungsbehörden zu übergeben. Dabei sei es allerdings notwendig, für gewisse Baumaßnahmen 40000 DM aufzuwenden.

Auf Vorschlag des Herrn Stv. Ministerpräsident Dr. Müllerwird beschlossen, zunächst nichts zu unternehmen, bis die zuständigen Stellen der Besatzungsmacht an die Bayerische Regierung herantreten.

[XII.] Finanzierung der Constructa Ausstellung 1951 in Hannover68

Staatssekretär Fischermacht darauf aufmerksam, daß nun der bayerische Anteil an der Bauausstellung 1951 in Hannover bezahlt werden müsse; insgesamt handle es sich um 118000 DM.

Ministerpräsident Dr. Ehardstellt fest, daß der Ministerrat die Beteiligung bereits beschlossen habe und sich Bayern nicht ausschließen könne.69

Es wird vereinbart, daß Herr Staatssekretär Fischer sich mit Herrn Staatssekretär Dr. Müller in Verbindung setzen solle.70

[XIII.] Armeemuseum

Staatssekretär Dr. Sattlerberichtet über die Verhandlungen mit dem Bayerischen Rundfunk wegen der Übernahme der Ruine des Armeemuseums.71 Schwierigkeiten seien dadurch entstanden, daß die hinter dem Armeemuseum befindliche Mühle den Betrieb des Rundfunks störe und dieser an dem Kaufangebot nur festhalten wolle, wenn die Frage der Mühle geregelt werde. Die einzige Möglichkeit sei nun, diese Mühle anzukaufen, der Besitzer sei aber dazu nur bereit, wenn er eine andere Mühle bekomme; vielleicht könnte er mit der Pfistermühle zufrieden gestellt werden.

Man habe nun einen Vermittlungsvorschlag ausgearbeitet, wonach der Staat für das Armeemuseum 1/2 Million DM weniger verlange, während der Rundfunk den Preis für die Mühle in Höhe von 1,2 Millionen DM übernehme.

Ministerpräsident Dr. Ehardspricht sich dafür aus, unter diesen Bedingungen den Kauf abzuschließen. Das vollkommen zerstörte Armeemuseum könne man doch nie mehr anders verwenden. Es wäre sinnlos, die Einigung an einigen hunderttausend Mark scheitern zu lassen.

Der Ministerrat beschließt, den Vorschlag des Herrn Staatssekretär Dr. Sattler anzunehmen und genehmigt entsprechende Verhandlungen mit dem Bayer. Rundfunk.

[XIV.] Jüdische Industrie- und Handelsbank in Frankfurt

Staatsminister Dr. Seidelbringt die Angelegenheit Jüdische Handelsbank in Frankfurt zur Sprache und teilt mit, daß auf Veranlassung des hessischen Finanzministers72 der Vorstand der Bank verhaftet worden sei.73 In diesem Zusammenhang stelle er fest, daß der bayerische Staat eine Gesellschaft für Häuserbau gegründet habe und zwar in der Form einer GmbH, an der der Staat, die Firma Wallner, Deggendorf, und die Jüdische Industrie- und Handelsbank beteiligt seien.74 Auf Antrag dieser Gesellschaft sei Ministerialrat Eckmaier75 zu Verhandlungen nach Australien gefahren. Andererseits habe das westdeutsche Handwerk ebenfalls einen Beauftragten nach Australien geschickt und beide bemühten sich nun gegenseitig ihre Preise zu unterbieten. Er bitte um Aufklärung, wieso der bayerische Staat dazu käme, eine Privatgesellschaft zu gründen bzw. sich daran zu beteiligen.

Staatssekretär Dr. Müller erwidert, die Gründung habe den bayerischen Staat nichts gekostet. Nachdem man zuerst eine Beteiligung abgelehnt habe, habe man schließlich doch zugestimmt, weil keine Persönlichkeiten mitgemacht hätten, gegen die Einwendungen zu erheben gewesen wären. Dem Finanzministerium sei mitgeteilt worden, dies sei die einzige Möglichkeit, sich an dem Australien-Geschäft zu beteiligen. Die Einlage des Bayerischen Staates sei sehr gering, praktisch handle es sich nur um eine formelle Beteiligung. Absicht sei gewesen, damit der Gesellschaft ein gewisses Ansehen zu geben, um ihre Versuche, in Australien Geschäfte abzuschließen, zu erleichtern.

Staatsminister Dr. Seidel weist darauf hin, daß er schon vor Monaten Herrn Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt habe, mit einem Mann wie Klibansky76 könne der Bayerische Staat nicht verhandeln.

Staatssekretär Dr. Müller stellt fest, Ministerialdirektor Dr. Ringelmann habe nie mit Klibansky verhandelt. Im übrigen sei früher noch nichts darüber bekannt gewesen, was jetzt bezüglich der Jüdischen Bank aufgekommen sei.77

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister