Zu Beginn der Sitzung begrüßt Ministerpräsident Dr. Ehard Herrn Staatssekretär Dr. Konrad, der zum erstenmal an einer Kabinettssitzung teilnehme und übermittelt ihm die besten Wünsche für seine zukünftige Tätigkeit als Staatssekretär im Staatsministerium der Justiz.1
1Vgl. zur Zustimmung des Landtags zu seiner Berufung und der Vereidigung Konrads Nr. 90 Anm. 1.
Ministerpräsident Dr. Ehard teilt sodann mit, daß nach einer mündlichen Mitteilung des Landeskommissars für Bayern die Polizei wieder durch Handaufnahme grüßen könne. Eine schriftliche Ermächtigung seitens der Besatzungsmacht werde nicht erfolgen, das Ministerium des Innern könne aber diese mündlich gegebene Erlaubnis in geeigneter Form bekanntgeben.
Ministerpräsident Dr. Ehard teilt sodann mit, der französische Generalkonsul, Graf Keller,2 habe heute darauf hingewiesen, daß 2000 Urnen in einem Keller in Perlach gefunden worden seien, die nach ihren Aufschriften zweifellos die Asche von ehemaligen politischen Häftlingen enthielten. Angeblich sei der Stadt diese Angelegenheit schon seit 1945 bekannt. Graf Keller habe auch erklärt, die Stadt habe schon einmal einen größeren Betrag dafür ausgeworfen. Er bitte den Herrn Staatsminister des Innern, entsprechende Nachforschungen anzustellen und ihm dann deren Ergebnis zu berichten.2Louis Joseph Comte de Keller, geb. 1896, Diplomat, 1925 Attaché am Konsulat in Nürnberg, 1928 Attaché an der Gesandtschaft in München, 1933 Mitglied der franz. Delegation beim Völkerbund, 1933–1937 anschließend Deutschland-Referent im Außenministerium, 1938 Konsul in Leipzig, nach 1939 Konsul in Tripolis und Saloniki, 1941 Botschaftssekretär in Athen, Engagement in der franz. Widerstandsbewegung, 1945 franz. Geschäftsträger in Prag, 12. 6. 1947 bis 7. 3. 1950 franz. Generalkonsul in München, 1950 Versetzung nach Dakar. Zu seinen politischen Aktivitäten in München vgl. Kock, Bayerns Weg S. 191–194. S. StK 12114.
Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, er werde umgehend dieser Sache nachgehen.3
3Vgl. Ankermüller an Ehard, 19. 1. 1950, in der Anlage Abschrift Stadtrat Landeshauptstadt München an Regierung von Oberbayern, 27. 12. 1949. Darin hieß es u.a.: „Die in unserem Schreiben vom 12. 12. 1949 erwähnten 4111 Urnen sind frühestens seit April 1946 im Keller des Verwaltungsgebäudes des Friedhofes am Perlacher Forst verwahrt. Sie enthalten die Aschen von Personen folgender Gruppen: 1.) von Personen, die im KZ Dachau gestorben und ermordet worden waren und deren Leichen zur Verbrennung in das Krematorium im Ostfriedhof verbracht wurden; 2.) von Personen, die nach ihrem Ableben in den KZ-Lagern Dachau, Mauthausen u.a. in den seinerzeit in den KZ-Lagern selbst errichteten Verbrennungsöfen eingeäschert wurden und deren Aschen in geschlossenen Urnen sodann beim Krematorium im Ostfriedhof angeliefert wurde. 3.) von Insassen von Heilstätten und Kretinenanstalten, die in Linz vergast worden waren und deren Leichen zur Verbrennung in das Krematorium im Ostfriedhof verbracht oder deren Aschen nach Verbrennung in geschlossenen Urnen dort angeliefert wurden. Nach dem Bericht des städt. Bestattungsamtes handelt es sich bei den Fällen unter 1–2 fast ausschließlich um die Aschen von Polen und Russen, während bei der Gruppe 3 nur Deutsche in Frage kommen. Ein Verzeichnis über sämtliche Fälle ist vorhanden. Von den Urnen war in der Öffentlichkeit bereits bei der 1. Feier für die Verfolgten des Faschismus in München am 15. Juli 1945 die Rede. Die Stadt hat im Jahre 1946 einen Wettbewerb ‘zur Gestaltung eines Ehrenmales für die politischen Opfer im Friedhof am Perlacher Forst’ ausgeschrieben. Über den einschlägigen Beschluß wurde der Öffentlichkeit gelegentlich der Ansprache des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Scharnagl bei der Feier der Stadt München zum Tag der Opfer des Nationalsozialismus am 10. 3. 1946 Kenntnis gegeben. Zu dieser Feier waren sämtliche 4111 Urnen an der großen Freitreppe zum Krematorium im Ostfriedhof und an dessen Vorplatz aufgestellt. Die Presse hat über diese Feier unter Erwähnung der Urnen ausdrücklich berichtet. Die Urnen sollen nach dem vom Stadtbauamt geplanten Entwurf für das Ehrenmal auf der das Ehrenmal umgebenden, mit Blumen zu bepflanzenden Fläche im Umkreis von 10–20 qm beigesetzt werden. Das Bestattungsamt hatte deshalb den Auftrag, die Urnen für diese Beisetzung bereitzustellen und hat sie aus diesem Anlaß im Friedhof am Perlacher Forst, in dem das Ehrenmal errichtet werden wird, verwahrt“ (StK 13626). Der KZ-Ehrenhain wurde 1950 nach den Entwürfen des Baureferats-Hochbau geschaffen. In ihm sind unter 44 Platten in einem Lindenhain 3996 Urnen beigesetzt. Das Mosaik auf dem Boden des dort errichteten Brunnens stammt von Prof. Karl Knappe und stellt das Tor zum Jenseits mit dem Stern der Hoffnung dar; vgl. Schreibmayr, Karl: Letzte Heimat. Persönlichkeiten in Münchner Friedhöfen 1784–1984. München 1985, S. 364.
Anschließend wird die eigentliche Tagesordnung des Ministerrats beschlossen.
4Vgl. Nr. 55 TOP I, Nr. 56 TOP I, Nr. 58 TOP I und Nr. 70 TOP IV.
1Ministerialrat Dr. Kratzer
5 vom Staatsministerium für Wirtschaft führt aus, das bayerische Lizenzierungsgesetz Nr. 42 über die Errichtung gewerblicher Unternehmen vom 23. September 1946,6 das nach wie vor die Rechtsgrundlage für die Erlaubnispflicht der in der Entschließung des Staatsministeriums für Wirtschaft vom 13. April 1949 aufgeführten Gewerbebetriebe sei,7 trete gemäß seinem Art. 10 mit dem 31. Dezember 1949 außer Kraft. Wenn auch das Gesetz Nr. 42 durch die bekannten Direktiven der Besatzungsmacht zum größten Teil ausgehöhlt worden sei, so würden von der durch das Gesetz geregelten Erlaubnispflicht immer noch eine Reihe von Gewerbebetrieben berührt, z.B. Augenoptiker, Zahntechniker, Installateure für Gas, Wasser und Elektrizität, ärztliche Hilfsdienste, medizinische Laboratorien, Erholungsheime, Bestattungseinrichtungen usw., also immerhin eine Reihe von Unternehmen, bei denen eine Erlaubnispflicht durchaus notwendig sei. Mit dem Wegfall des Gesetzes Nr. 42 entfalle die gesetzliche Grundlage für diese Erlaubnispflicht. Das Gesetz Nr. 42 habe das bis dahin reichseinheitliche Gewerberecht abgeändert, so daß gemäß Art. 125 Nr. 28 des Grundgesetzes das Gesetz Nr. 42 Bundesrecht geworden sei. Er glaube nicht, daß Art. 72 Abs. 29 des Grundgesetzes entgegenstehe.5Zu seiner Person s. Nr. 56 TOP I.6Gesetz Nr. 42 über die Errichtung gewerblicher Unternehmen vom 23. September 1946 (GVBl. S. 299
).7Vgl. Ministerialentschließung des StMWi, 13. 4. 1949, betr. Gewerbefreiheit, an die Regierungen, Landräte und Stadträte der kreisfreien Städte; Bayer. Staatsanzeiger 29. 4. 1949.8Vgl. Nr. 85 TOP VI.9Vgl. Nr. 85 TOP VI.
2Wenn man annehmen müsse, daß das Gesetz Nr. 42 Bundesrecht geworden sei, bestehe auch keine Möglichkeit, für das Land Bayern eine Änderung vorzunehmen und auch eine Verlängerung sei rechtlich unmöglich. Jedenfalls sei das die Auffassung des Staatsministeriums für Wirtschaft. Er halte es auch für ausgeschlossen, daß die amerikanische Besatzungsmacht eine Verlängerung des Gesetzes zulassen würde. Leider habe sich der Bund mit dem Gewerberecht überhaupt nicht befaßt, dem Bundestag liege lediglich ein Antrag Dr. Solleder10 und Genossen vor,11 wonach die Bundesregierung beauftragt werden solle, dahin zu wirken, daß in den Ländern des Bundesgebiets die Gewerbegesetzgebung nach einheitlichen Gesichtspunkten geregelt werde. Mit diesem Antrag sei nicht viel anzufangen und er verkenne wohl auch die Rechtslage. Entscheidend sei, daß vorläufig dem Bundestag weder eine Regierungsvorlage noch sonst ein brauchbarer Vorschlag zugegangen sei.10Dr. jur. Max Solleder (1894–1966), Rechtsanwalt Regensburg, vor 1933 BVP (Geschäftsführer im Bezirk Oberpfalz), 1945 Mitgründer der CSU in Regensburg, 1949–1953 MdB, stellv. Vors. der CSU-Landesgruppe.11BT-Drs. I/94.
3Staatsminister Dr. Seidel macht noch darauf aufmerksam, das Gesetz Nr. 42 sei weggefallen und die Gewerbeordnung12 gelte wieder insoweit, als die Direktiven der Militärregierung dies zuließen; dabei sei aber nicht viel erreicht, weil trotzdem am 1. Januar 1950 die erlaubnispflichtigen Betriebe in der Luft hingen, weil sie durch die Gewerbeordnung nicht erfaßt seien.12Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 (RGBl. S. 245 ) in der Fassung der Bekanntmachung als Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 26. Juli 1900 (RGBl. S. 871 ).
4Ministerialrat Dr. Kratzer meint, auch der Ausweg, an den Bund heranzutreten und die Genehmigung für den Fortbestand des Gesetzes Nr. 42 einzuholen, sei nicht gangbar. Er glaube, man müsse sich damit abfinden, daß ab 1. Januar 1950 ein gesetzloser Zustand bestehe.
5Staatsminister Dr. Seidel bestätigt diese Auffassung und stellt fest, daß ab 1. Januar 1950 jeder Beliebige einen bisher genehmigungspflichtigen Betrieb anfangen könne. Damit werde der Zustand wieder eintreten, der bis 1935 in Deutschland geherrscht habe.
6Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob man nicht dem Bund mitteilen könne, Bayern beabsichtige ein Gesetz zu erlassen, das das Gewerbezulassungswesen regle, da ja zweifellos das Bedürfnis danach auf unserer Seite vorhanden sei. Solange der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe, stehe ja den Ländern selbst das Gesetzgebungsrecht zu, wenn er natürlich auch die Schwierigkeiten, die sich aus Art. 125 GG ergeben könnten, nicht verkenne. Der Streit über Art. 125 sei aber noch nicht ausgetragen und man könne sich wohl auf den Standpunkt stellen, dieser Artikel in Verbindung mit Art. 72 gebe die Möglichkeit, das Gesetzgebungsrecht auszuüben. Er empfehle, ein Gesetz auszuarbeiten, das auf die bisher erlaubnispflichtigen Gewerbebetriebe beschränkt sei, in der Begründung auf die nach bayerischer Auffassung gegebene Zuständigkeit hinzuweisen und gleichzeitig die Tatsache zu betonen, daß der Bund sich damit noch nicht befaßt habe. Vielleicht könnte man auch feststellen, wie die Verhältnisse in Württemberg und Hessen seien. Er halte es für durchaus möglich, einen solchen Gesetzentwurf dem Landtag vorzulegen und gleichzeitig dem Bund eine entsprechende Mitteilung zu machen.
7Ministerialrat Dr. Kratzer gibt zu bedenken, daß ein neues Gesetz Abweichungen von der gemäß Art. 125 des Grundgesetzes bereits zum Bundesrecht gewordenen Gewerbeordnung mit sich bringe. Solche mit dem Bundesrecht nicht im Einklang stehende Normen könne aber nach Art. 31 GG der Landesgesetzgeber nicht mehr erlassen.13
13Art. 31 GG lautet: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“
8Staatsminister Dr. Seidel erklärt, man lege ja ein neues Gesetz vor auf dem Gebiet, auf dem der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht noch keinen Gebrauch gemacht habe. Er glaube, daß man hier mit einer entsprechenden Begründung durchkommen könne.
9Der Ministerrat beschließt sodann, eine Gesetzesvorlage in dem besprochenen Sinn an den Landtag zu bringen u.z. mit einer genauen und ausführlichen Begründung. Gleichzeitig müsse dann eine entsprechende schriftliche Mitteilung an die Bundesregierung erfolgen.
10Ministerialrat Dr. Kratzer führt sodann aus, auf Grund eines Beschlusses des Bayer. Ministerrats vom 28. Juni 194914 sei dem Bayer. Landtag der Entwurf eines Gesetzes über die gewerbliche Freiheit zugeleitet worden, das für das Gebiet des gewerblichen Zulassungswesens wieder einen sicheren Rechtsboden schaffe. Der Entwurf hätte bis zum 7. September 1949, dem Tage des Zusammentritts des Bundestags, vom Landtag zum Gesetz erhoben werden können, dies sei aber nicht geschehen, weshalb das Staatsministerium für Wirtschaft es für richtig halte, die Gesetzesvorlage zurückzuziehen. Von der Zurückziehung müßte auch der Landeskommissar für Bayern verständigt werden.14Vgl. Nr. 70 TOP IV.
11Staatsminister Dr. Seidel schließt sich diesen Ausführungen an und erklärt, man müsse die Zurückziehung mit der bestehenden Rechtslage begründen.15 Im übrigen sei es kein Zweifel, daß sich über kurz oder lang der Bundestag mit der Frage des Gewerbezulassungswesens beschäftigen müsse.16
15Vgl. Ehard an den Landtagspräsidenten, 4. 1. 1950: „Auf Grund eines Beschlusses des Ministerrats habe ich dem Landtag am 30. Juni 1949 den Entwurf eines Gesetzes über die Gewerbefreiheit (Gewerbefreiheitsgesetz) übermittelt. Der Entwurf zielte auf eine umfassende und abschließende Neuregelung des gewerblichen Zulassungswesens auf der Grundlage der von der Militärregierung gegebenen Richtlinien ab. Eine solche Regelung des Gewerbewesens liegt seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr in der Gesetzgebungsmacht der Länder (Art. 74 Ziffer 11, 125, 72). Die Staatsregierung wird prüfen, wieweit etwa die Bedürfnisse des einen oder anderen Gewerbezweiges eine Sonderregelung erforderlich machen und ob sie mit den Bestimmungen des Grundgesetzes vereinbar erscheint. Den Entwurf eines Gewerbefreiheitsgesetzes bitte ich jedoch nicht weiter zu behandeln.“; vgl. BBd.
IV Nr. 3243 .16Vgl. Kabinettsprotokolle
1950 S. 838
.
1Staatsminister Dr. Seidel erinnert daran, daß er dem Herrn Ministerpräsidenten am 24. Oktober 1949 in dieser Angelegenheit geschrieben und einen Beschluß des Ministerrats vorgeschlagen habe, wonach das Staatsministerium für Wirtschaft als die für die Erteilung von Emissionsanträgen zuständige oberste Behörde anzusehen sei.17 Das Staatsministerium der Finanzen sei allerdings anderer Auffassung und nehme das Recht für sich in Anspruch.17Vgl. Nr. 87 TOP VI sowie Seidel an Ehard, 24. 10. 1949 (StK 14516).
2Staatsminister Dr. Kraus erklärt, man könne über die Frage der Erteilung der Genehmigung von Emissionsanträgen wohl zwischen den beiden Ministerien eine Vereinbarung treffen.
3Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß in dieser Angelegenheit das Staatsministerium für Wirtschaft federführend sei und sich mit dem Finanzministerium verständigen werde. Bis auf weiteres verbleibe es beim bisherigen Zustand.18
18Danach war das StMWi zwar federführend bei der Bearbeitung, die Entscheidung über Emissionsanträge lag jedoch weiterhin beim Ministerrat; vgl. die Vormerkung von Henle für Ehard, 4. 11. 1949, zu diesem TOP des Ministerrats: „Nach dem Gesetz über den Kapitalverkehr vom 2. September 1949 (WiGBl. S. 305) sind Emissionen genehmigungspflichtig. Die Genehmigung wird von der ‘zuständigen obersten Behörde des Landes’ (nach Zustimmung des Ausschusses für den Kapitalverkehr) erteilt. Welche Stelle ‘zuständige oberste Behörde des Landes’ ist, ist offen. Der Wirtschaftsminister beantragt durch einen Beschluß des Ministerrats, das Staatsministerium für Wirtschaft für zuständig zu erklären. Genehmigungspflichtig sind Emissionen, wenn ihr Betrag 1 Mill. DM übersteigt. Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Vorgangs, mindestens in Zeiten der Kapitalknappheit, dürfte es als notwendig erscheinen lassen, nicht ein einzelnes Ministerium für zuständig zu erklären, sondern die Entscheidung dem Ministerrat vorzubehalten. Dafür würde auch der enge Zusammenhang mit der Finanzpolitik sprechen, der das Finanzministerium in gleicher Weise beteiligt erscheinen läßt wie das Wirtschaftsministerium. Im Hinblick auf Art. 77 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung ist nicht ganz unbestreitbar sicher, ob ein Ministerratsbeschluß diese Zuständigkeitsfrage abschließend klären kann. Die federführende Bearbeitung von Kreditanträgen müßte allerdings beim Staatsministerium für Wirtschaft liegen; die Entscheidung über Anträge sollte aber dem Ministerrat vorbehalten bleiben“ (StK 14516). – Art. 77 (1) Satz 1 BV lautet: „Die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung, die Regelung der Zuständigkeiten und der Art der Bestellung der staatlichen Organe erfolgen durch Gesetz.“
19Vgl. Nr. 44 TOP II und Nr. 87 TOP VI. S. StK 14251.
1Staatsminister Dr. Seidel verweist zunächst auf das Börsengesetz von 1908,20 demzufolge die Landesregierung die Aufsicht über die Börsen ausübe. Die Wiedereröffnung der Münchner Produktenbörse, die in Zukunft die Bezeichnung „Bayerische Warenbörse“ führen solle, wäre eine dringende Notwendigkeit. Das Amt des Landeskommissars für Bayern habe laut Mitteilung vom 3. Oktober 1949 keine Bedenken mehr zu erheben. Er schlage vor, daß ein Staatskommissar eingesetzt werde, der die unmittelbare Aufsicht über die Warenbörse habe, die sofort genehmigt werde und ihren Betrieb aufnehmen könne.20Börsengesetz vom 27. Mai 1908 (RGBl. I S. 215 ).
2Strittig sei lediglich, ob die Aufsicht dem Staatsministerium für Wirtschaft zustehe. Sein Antrag gehe dahin, die Warenbörse zu genehmigen und die Aufsicht dem Wirtschaftsministerium zu übertragen. Über die Person des Staatskommissars werde er noch mit Herrn Staatsminister Dr. Schlögl verhandeln.
3Der Ministerrat faßt sodann folgenden Beschluß:
41.) Die Münchner Produktenbörse wird unter der Bezeichnung „Bayerische Warenbörse“ genehmigt.
52.) Die Aufsicht über die Bayerische Warenbörse München wird dem Staatsministerium für Wirtschaft übertragen.
63.) Die Staatsministerien für Wirtschaft und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten werden beauftragt, sich über die Person des Staatskommissars zu einigen, der vom Staatsministerium für Wirtschaft bestellt wird.21
21Nicht ermittelt.
22Vgl. das Gesetz über die Zahlung von Unterhaltsbeträgen an berufsmäßige Wehrmachtsangehörige und ihre Hinterbliebenen vom 12. August 1948 (GVBl. S. 147
). Zu diesem Gesetz s. im Detail StK-GuV 68, ferner Protokolle Ehard II (Band 1 1947/1948) Einleitung S. CXVIII. Vgl. ferner zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zahlung von Unterhaltsbeträgen an berufsmäßige Wehrmachtsangehörige und ihre Hinterbliebenen vom 12. August 1948 (GVBl. S. 147
) vom 28. September 1949 (GVBl. S. 271
) Nr. 70 TOP V. Vgl. zuletzt Nr. 87 TOP X.
1Staatsminister Dr. Kraus führt aus, der Entwurf habe zum Ziel, den Kreis der unterhaltsberechtigten Angehörigen von berufsmäßigen Wehrmachtsangehörigen23 zu erweitern24 u.z. durch Erleichterung der Voraussetzungen für die Gewährung der Unterhaltsbeträge an Witwen, ferner durch Einbeziehung der Frauen und Waisen von Kriegsgefangenen und schließlich Einbeziehung der sogenannten nachgeheirateten Witwen.25 Art. 3, der den letzten Punkt regle, sei eine Kann-Vorschrift, um Härten auszugleichen.26
23Zur Versorgung ehem. Wehrmachtsangehöriger s. StK 14912, 14913 und 14921.24Vgl. Kraus an Ehard, 6. 12. 1949, betr. Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zahlung von Unterhaltsbeträgen an berufsmäßige Wehrmachtsangehörige und ihre Hinterbliebenen; als Anlage Entwurf mit Begründung (ML 10776).
Vgl. mit entgegengesetzter Tendenz Van Wagoner an Ehard, 14. 9. 1949, betr. Maintenance Grants for Ex-Members of the German Armed Forces. Das Schreiben enthielt die Interpretation einer zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich am 16. 7. 1949 getroffenen entsprechenden Vereinbarung. Darin hieß es unter 1. „Maintenance grants for ex-Wehrmacht personnel should be paid to persons, who by virtue of their service in the regular armed services of Germany, would have been eligible to pensions prior to 20 August 1946, and who were professional members of the German armed forces prior to 30 September 1936, or their entitled dependents with the following exceptions: (a) Those persons deprived of their rights to pension as a result of legal action or applicable provisions of German Law. (b) Those persons who have been convicted of war crimes or crimes against humanity.“ Im letzten Absatz hieß es ferner: „Your attention is specifically invited to par 1 of the agreed paper stating that ‘maintenance grants for ex-Wehrmacht personnel should be paid …’ The word ‘should’ is not intended in a mandatory sense to require that a Land pay maintenance grants. It means rather that maintenance grants which are paid should be paid only to certain qualifying persons. The sentence intends merely to establish limitations upon the rigth to pay maintenance grants. This intended purpose would be served by construing the word ‘should’ as ‘may’. Accordingly you are advised that Bavaria is not required by Military Government or the Tripartite agreement to pay maintenance grants, but that any payments made must satisfy the conditions and limitations of the Tripartite agreement“ (StK 30838).25Vgl. die Begründung des Entwurfs in BBd.
IV Nr. 3237 : „Die Gewährung von Unterhaltsbeträgen an Witwen von berufsmäßigen Wehrmachtsangehörigen ist in Verfolg der von der Militärregierung gegebenen Richtlinien bisher auf Witwen begrenzt, die entweder das 60. Lebensjahr vollendet haben oder höchstens zu einem Drittel erwerbsfähig sind oder 3 oder mehr unterhaltsbetragsberechtigte Kinder oder 2 unterhaltsbetragsberechtigte Kinder unter 8 Jahren oder 1 unterhaltsbetragsberechtigtes Kind unter 3 Jahren aufziehen. Diese Abgrenzung entspricht im wesentlichen der ursprünglichen Regelung für die KB-Witwenrente. Der Kreis der KB-rentenberechtigten Witwen ist inzwischen durch das Gesetz vom 14. Juni 1949 (GVBl. S. 140
) [Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KB-Leistungsgesetz)] erweitert worden. Durch Art. 1 des Entwurfs soll die Neuregelung für die KB-Witwenrenten nunmehr auch für die Unterhaltsbeträge der Witwen der berufsmäßigen Wehrmachtsangehörigen übernommen werden. Art. 2 des Ges. soll die Zahlung von Unterhaltsbeträgen an Frauen und Kinder kriegsgefangener berufsmäßiger Wehrmachtsangehöriger ermöglichen. Nach Art. 2 Abs. 1 des Ges. über die Zahlung von Unterhaltsbeträgen an berufsmäßige Wehrmachtsangehörige und ihre Hinterbliebenen vom 12. August 1948 können Witwen aus einer nach dem Ausscheiden des Wehrmachtsangehörigen aus dem Dienst geschlossenen Ehe keine Unterhaltsbeträge erhalten. Art. 3 des Entwurfs will in Anlehnung an die früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften übergangsweise die Zahlung von Unterhaltsbeträgen bis zu 100 DM mtl. auch für Witwen aus einer nach dem Ausscheiden aus dem Dienst, jedoch noch vor dem 8. Mai 1945 geschlossenen Ehe zulassen. Auch für schuldlos geschiedene frühere Ehefrauen und für Witwen, die sich wieder verheiratet haben und wieder Witwe geworden sind, aus vor dem 8. Mai 1945 geschlossenen Ehen sollen künftig Unterhaltsbeträge gewährt werden können. Die im Entwurf vorgesehenen Änderungen werden die Zahl der unterhaltsberechtigten Witwen um etwa 2500 erhöhen. Die hieraus zu erwartende Mehrausgabe wird jährlich etwa 3 Mill. DM und unter der Voraussetzung, daß der Entwurf nicht vor dem 1. Januar 1950 in Kraft gesetzt wird, für das laufende Rechnungsjahr noch etwa 750000 DM ausmachen.“26Vgl. Anm. 25.
2Auf Frage von Staatssekretär Dr. Grieser erklärt Staatsminister Dr. Kraus, eine allgemeine Härteklausel sei bedenklich, man könne hier nicht die Grundsätze des allgemeinen Fürsorgerechts anwenden.
3Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, es werde immer wieder gesagt, auf Bundesebene werde eine Erhöhung der Unterhaltsbeträge für ehemalige Offiziere getroffen werden,27 bis dahin werde es aber noch einige Monate dauern und es sei unmöglich, noch so lange zu warten.28 Bestehe eine Möglichkeit, daß das Staatsministerium der Finanzen eine Übergangsregelung treffen könne?27S. Meyer, Situation S. 635–649; Meyer, Soldaten.28MPr. Ehard setzte sich intensiv für die Versorgung ehemaliger bayer. Offiziere und ihrer Hinterbliebenen ein; vgl. Ehard an Kraus, 19. 12. 1949: „Die Frage der Gewährung von Offizierspensionen wird in den letzten Wochen immer wieder an mich herangetragen und zwar meistens mit dem Bemerken, daß die frühere Außerkraftsetzung der Versorgung durch Kontrollratsgesetz [Kontrollratsgesetz Nr. 34: Auflösung der Wehrmacht vom 20. August 1946; Amtsblatt des Kontrollrats S. 172] schon seit längerer Zeit aufgehoben sei [durch Gesetz Nr. 16 der Alliierten Hohen Kommission: Ausschaltung des Militarismus vom 16. Dezember 1949, Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland 1949 S. 72]. Angeblich soll aber zunächst keine Regelung durch den Bund erfolgen, sondern die Anerkennung der Versorgungsansprüche und die Höhe, in der Versorgungsbezüge gewährt werden können, allein den Ländern überlassen bleiben. Ich habe schon vor einigen Wochen das Bayerische Staatsministerium der Finanzen gebeten, die Rechtslage eingehend zu überprüfen und eventuell Vorschläge zu machen und möchte heute diese Bitte wiederholen. Es scheint mir von besonderer Wichtigkeit zu sein, dabei festzustellen, ob nicht eine Möglichkeit besteht, diejenigen ehemaligen bayerischen Offiziere und ihre Hinterbliebenen besonders zur berücksichtigen, die durch ihr Alter oder aus sonstigen Gründen überhaupt keine Verbindungen mit der nationalsozialistischen Wehrmacht gehabt haben und auch sonst politisch völlig unbelastet sind. Ich bin übrigens wiederholt auch gefragt worden, ob überhaupt noch mit einer Bundesregelung zu rechnen ist und ob unter Umständen eine Abmachung mit dem Bund getroffen werden könnte, die eine Überbrückung für die Zwischenzeit darstellt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich möglichst bald eine eingehende Darstellung des ganzen Problems und aller damit zusammenhängenden Fragen erhalten könnte“ (StK 14913). In der StK sprachen in den Jahren 1948/1949 als Vertreter der ehemaligen aktiven Offiziere und Wehrmachtsbeamten mehrfach Generalmajor a.D. Hermann Ritter von Lenz und Oberst a.D. Engelbert Frank vor (StK 14913); zu ihnen s. Meyer, Situation S. 637, 642–645.
4Staatsminister Dr. Kraus erwidert, durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollten lediglich Härten beseitigt werden, man müsse es aber dem Bund überlassen, noch weiter zu gehen. Eine Übergangsregelung, beschränkt auf die ehemaligen bayerischen Offiziere, sei unmöglich, da dies die Besatzungsmacht sofort beanstanden werde. Immerhin sei Bayern das 1. Land gewesen, das überhaupt Unterhaltsbeträge gezahlt habe.
5Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es als sehr mißlich, daß mit einem gewissen Recht gesagt werden könne, ehemalige Parteigenossen bekämen wieder ihre vollen Bezüge oder doch wenigstens deren größten Teil, während völlig unbelastete ehemalige Offiziere und ihre Hinterbliebenen so gut wie nichts bekämen.29 Das gleiche gelte übrigens für die Polizei, wo man feststellen müsse, daß eine Reihe von alten bayerischen Polizeioffizieren, die im Gegensatz zum Nationalsozialismus gestanden seien, aus Bayern weg versetzt worden seien und nun keine Pension erhielten. Auf der anderen Seite kämen nichtbayerische Polizeioffiziere, die von den Nazis als zuverlässig nach Bayern gebracht worden seien, in den Genuß ihrer Pension, auch wenn sie hier nur kurze Zeit Dienst gemacht hätten.29Zum Versorgungsrecht für ehemalige Wehrmachtsangehörige vgl. auch Material in NL Ehard 1571, u.a. Heft 1 u. 2 der „Mitteilungen für ehem. Wehrmachtsangehörige und deren Hinterbliebene in Bayern“, Juli u. August 1949; s. ferner allg. StK 14913, 14924.
6Staatsminister Dr. Kraus meint, die Bereinigung dieser ganzen Dinge müsse der Bund machen, für Bayern bestehe keine Möglichkeit.
7Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich noch, ob das Staatsministerium des Innern und das Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf einverstanden seien.
8Staatsminister Dr. Ankermüller und Staatssekretär Dr. Grieser erklären, ihrer Ansicht nach müßte noch eine Besprechung zwischen den beteiligten Ministerien stattfinden, insbesondere über die Frage, wieweit durch Art. 2 des Gesetzes die schon bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Bezüge von Angehörigen deutscher Kriegsgefangener berührt würden.30
30Vgl. Nr. 59 TOP III und Nr. 62 TOP II.
9Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht daraufhin, sich nochmals zu besprechen. Wenn keine Differenz mehr bestehe, bitte er den Herrn Staatsminister der Finanzen, ihm dies mitzuteilen, damit er den Gesetzentwurf an den Landtag weiterleiten könne.
10Der Ministerrat beschließt sodann, dem Gesetzentwurf grundsätzlich zuzustimmen, mit der Zuleitung an den Landtag aber noch vorläufig zu warten.31
31Zum Fortgang s. Nr. 92 TOP III.
1Der Ministerrat beschließt, der Ernennung des beim Bundesministerium für Wirtschaft tätigen Präsidenten Dr. Otto Graf32 zum Ministerialdirektor im Staatsministerium für Wirtschaft zuzustimmen.32Dr. jur. et rer. pol. Otto Martin Graf (1894–1953), Jurist, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1923 große juristische Staatsprüfung und Eintritt in die bayer. Staatsverwaltung, 1923/1924 Bezirksamt Ludwigshafen, 1924 Regierungsassessor beim Staatskommissar für die Pfalz in Heidelberg, während der franz. Besetzung der Pfalz an der Bekämpfung der Separatisten beteiligt, vom Kriegsgericht der marokkanischen Division in Landau/Pfalz in Abwesenheit zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, 1. 12. 1924 Regierung von Mittelfranken, 1927 Bezirksamtmann Amberg, 1932 RR Bezirksamt Regensburg, bei der Regierung von Niederbayern und der Oberpfalz verwendet, BVP-Mitglied, Mai 1933 Kreisvors. der BVP in der Oberpfalz, Juli 1932-November 1933 MdR (BVP), 27. 6.-5. 7. 1933 in Schutzhaft, Hospitant in der Reichstagsfraktion der NSDAP (Hubert S. 76 Anm. 42), 1. 5. 1935 NSDAP-Mitglied, 1936 kommiss. im StMWi beschäftigt, 10. 12. 1936 Leiter der Außenstelle des Reichswirtschaftsministeriums Nürnberg-Fürth, 1. 4. 1938 ORR, 26. 9. 1938 kommiss. mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte des RegDir der Wehrwirtschaftl. Abt. für den Wehrwirtschaftsbezirk XIII (= Nordbayern) beauftragt, November 1939 RegDir und Leiter des Führungsstabes Wirtschaft sowie des Bezirkswirtschaftsamtes (seit 1941 Landeswirtschaftsamtes; vgl. Volkert S. 239) bei der Regierung für Ober- und Mittelfranken, Dienststelle Nürnberg, federführend beim Aufbau der Kriegswirtschaft in Franken, 26. 6. 1942 Leitender RegDir, 5. 5. 1945 von der Militärregierung zum Landrat des LKr. Fürth eingesetzt (Woller, Gesellschaft S. 46, 81), später Leiter der Außenstelle Fürth des Landeswirtschaftsamtes, 6. 12. 1947–1949 Präsident des Bayer. Landeswirtschaftsamtes in München, 1949–1953 MD im Bundeswirtschaftsministerium (zu seiner Bedeutung für Bayern in dieser Stellung vgl. Löffler, Konzeption S. 55; ferner Elmenau an Pfeiffer, 9. 9. 1949 (StK 13079); s. ferner Löffler, Marktwirtschaft). – Im Kabinett Schäffer war Graf als Staatssekretär im StMWi vorgesehen gewesen. Eine Berufung scheiterte am Veto der Militärregierung; vgl. Protokolle Schäffer Nr. 1 TOP II
. Im Kabinett Hoegner wurde er der amerikanischen Militärregierung für eine führende Stellung in der bizonalen Verwaltung vorgeschlagen, was ebenfalls an seiner Belastung scheiterte; vgl. Protokolle Hoegner I Nr. 52 TOP V
; SZ 5. 11. 1946. Vgl. ferner Protokolle Ehard II (Band 1 1947/1948) Nr. 8 TOP XII und Nr. 9 TOP XI. S. im Detail MInn 83678 und StK 11663. Zum Fortgang s. Nr. 123 TOP VIII.
1Staatsminister Dr. Seidel teilt mit, die Südwerke in Kulmbach,33 ein Zweigwerk der ehemaligen Kruppwerke, seien in finanziellen Schwierigkeiten.34 Sie seien vor einigen Jahren demontiert worden, durch erhebliche Demontage-Kredite aber wieder aufgebaut und auf den alten Maschinenbestand gebracht worden.35 Der bayerische Staat habe insgesamt über 3 Millionen an Krediten gegeben, wobei ein dritter Kreditantrag noch laufe. Das Werk sei an sich unrentabel und die Kruppwerke hätten sich bereiterklärt, sie zurückzunehmen und in Aussicht gestellt, daß das Land Nordrhein-Westfalen das Obligo für unsere Kredite übernehme. Das Kabinett müsse sich mit der Frage befassen, da es sich nicht nur um die Rückübersiedlung nach Essen handle, sondern weil Kruppvermögen in Frage stehe. Es müsse möglichst bald eine Entscheidung getroffen werden, weil die Firma am 15. Januar 1950 ihre Zahlungen einstellen müsse.33Vgl. Zeitler, Neubeginn S. 439–451.34Die Südwerke waren mit 1200 Beschäftigten in der Nachkriegszeit das größte Unternehmen in Kulmbach, das sich in den fünfziger Jahren mit der Herstellung von LKW-Motoren und Nutzfahrzeugen (Schwerlastwagen Titan) einen Namen machte.35Vgl. im Detail Zeitler, Neubeginn S. 446–449.
2Ministerialdirigent Dr. Heilmann
36 teilt mit, das Landesamt für Vermögensverwaltung habe sich eingeschaltet und versuche, über die hiesige Militärregierung in Frankfurt die Sache zu klären. Außer dem Maschinenwerk sei kein weiteres Vermögen vorhanden.36Zu seiner Person s. Nr. 77 TOP I.
3Ministerialrat Dr. Kiefer
37 macht darauf aufmerksam, unter Umständen könnten auch von französischer Seite Ansprüche gestellt werden, da das Werk vorübergehend einmal im Elsaß gewesen sei.37Dr. jur. Alfred Kiefer (1893–1977), Jurist, 1933–1937 Finanzdezernent bei der Reichsbahndirektion München, 1937–1945 Haushaltsreferent für Reichsbahn, Reichspost und Reichsverkehrsministerium sowie die Industriebeteiligungen des Reiches im Reichsfinanzministerium, seit September 1945 wieder im bayer. Staatsdienst, Leiter der Abteilung für die Verwaltung des Staatsvermögens im StMF. Nach dem Erlaß Hoegners, 9. 11. 1945, keine – auch keine nur nominellen – Nationalsozialisten in den Ministerien mehr zu beschäftigen und dem Verstreichen einer Übergangsfrist im Frühjahr 1946 mit einigen anderen Beamten des StMF zunächst zum Bayer. Obersten Finanzgerichtshof abgeordnet, vgl. Terhalle an Hoegner, 9. 3. 1946 (StK 11655), anschließend 1946–1947 Vizepräsident der Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, 1947 MinRat StMF (vgl. Protokolle Ehard I Nr. 26 TOP XIII
), Referent für die Schlösserverwaltung, 1. 4. 1952 – 31. 12. 1954 Präsident der Schlösserverwaltung, 1954–1958 MD und Amtschef im StMF, vgl. Die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen S. 35f. sowie Barbarino S. 40.
4Staatsminister Dr. Seidel erklärt weiter, im Augenblick würden 3 Millionen DM benötigt, die aber nur dazu dienen könnten, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu bereinigen, ohne das Werk endgültig rentabel zu machen. Man sei nicht in der Lage, dauernd in die Südwerke Geld hineinzustecken und er stimme dafür, mit der Rückkehr nach Essen sich einverstanden zu erklären.
5Auf Frage von Staatsminister Dr. Kraus erklärt Staatsminister Dr. Seidel, die Zurückzahlung der Demontage-Kredite sei sicher, auch für den Fall, daß das Werk nach Essen zurückgehe. Außerdem habe man die Zusicherung, daß auch der Arbeiterstand übernommen werde, der zum überwiegenden Teil in Essen beheimatet sei. Übrigens habe sich auch Herr Oberbürgermeister Hagen38 in Kulmbach desinteressiert erklärt, zumal auch der Betriebsrat für die Rückkehr nach Essen eingetreten sei.39
38Georg Hagen (1887–1958), 1945/46–1958 OB von Kulmbach, 1946 Mitglied des Bayer. Beratenden Landesausschusses und der Verfassunggebenden Landesversammlung, 1946–1958 MdL (SPD). – Zeitler, Peter: Georg Hagen (1887–1958) – ein fränkischer Nachkriegspolitiker. In: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 60 (2000), S. 786–797.39
Zeitler, Neubeginn S. 450.
6Der Ministerrat faßt sodann folgenden Beschluß: Die Versuche, die Südwerke nach Essen zurückzuführen, werden gefördert unter den Bedingungen, daß zunächst die Demontage-Kredite zurückgezahlt werden und außerdem auch die Arbeiter mit ihren Familien nach Essen zurückgesiedelt würden. Die Staatsministerien für Wirtschaft und der Finanzen werden ermächtigt, gemeinsam die bestmögliche Lösung anzustreben.40
40Die Genehmigung über die Rückführung wurde nach Verhandlungen zwischen britischer und amerikanischer Militärregierung sowie dem Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung am 5. 2. 1951 erteilt. Die Rückverlagerung der Südwerke von Kulmbach nach Essen wurde bis Ende Mai 1952 abgewickelt; ebd. S. 451.
41Vgl. Nr. 32 TOP IV und Nr. 34 TOP III. S. im Detail StK-GuV 38.
1Ministerpräsident Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß das Urlaubsgesetz am 31. Dezember 1949 ablaufe.42
42Gesetz zur Regelung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmer gemäß Art. 174 der Bayerischen Verfassung vom 27. August 1948 (GVBl. S. 159
).
2Staatssekretär Dr. Grieser erklärt, er werde der Sache nachgehen und feststellen, ob das Arbeitsministerium bereits eine Verlängerung des Urlaubsgesetzes vorbereitet habe oder eine andere Lösung vorschlage.43
43Zum Fortgang s. Nr. 99 TOP I.
44Vgl. Nr. 88 TOP IV.
1Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er halte eine Besprechung mit allen beteiligten Ministerien bezüglich der Organisation Steffen für dringend notwendig. Er werde für Mittwoch, den 28. Dezember, nachmittags 15 Uhr, zu einer Sitzung einladen45 und bitte, daß alle in Frage kommenden Ministerien, nämlich Landwirtschaft, Finanzen, Inneres, Wirtschaft und Arbeit, vertreten seien.46
45Vgl. die Einladungen in StK 14870.46Teilnehmer der Besprechung, 28. 12. 1949, 15–18 Uhr, waren: MPr. Ehard, Staatsminister Kraus und MinRat Barbarino (StMF), Staatsminister Seidel und MinRat Eggendorfer (StMWi), Staatsminister Schlögl und ORR Ziegler (StMELF), Staatssekretär Grieser (StMArb), MinDirig Adam und ORR Hausner (Flüchtlingsabt. StMI), Oberstlandesgerichtsrat Kuchtner (StMJu), Herr Steffen und Herr Simon von der Organisation Steffen sowie RegDir von Gumppenberg, der die Vormerkung über diese Besprechung (11 S.) in Form eines Ministerratsprotokolls verfaßte, die mit folgendem Communiqué über die Sitzung schloß: „Unter dem Vorsitz des Herrn Ministerpräsidenten fand am 28. 12. 1949 eine interministerielle Besprechung über Aufgaben und zukünftige Gestaltung der staatlichen Organisation der Lagerversorgung (Organisation Steffen) statt. Es wurde zunächst festgelegt, daß die Organisation Steffen auf ausschließlich öffentliche Zwecke beschränkt wird. Aus diesem Grunde wurden einzelne Maßnahmen, u. a. die sofortige Schließung von 5 außerhalb von Flüchtlingslagern errichteten Verteilerstellen im Regierungsbezirk Oberpfalz/Niederbayern, beschlossen. Ferner wurde die Abwicklung der Warenkredite in Höhe von ca. 100000 DM bzw. 70000 DM erörtert, die von der Organisation Steffen an zwei Flüchtlingsgenossenschaften gewährt worden sind. Die Durchführung des Ministerratsbeschlusses vom 3. September 1949, wonach Verteilerstellen nur innerhalb von Flüchtlingslagern und lediglich im Fall der Aufhebung der Gemeinschaftsverpflegung auf die Höchstdauer von 6 Monaten ab Aufhebung errichtet werden dürfen, wurde durch entsprechende Anordnungen gesichert. Außerdem wurde geklärt, daß die Organisation Steffen ihrer Rechtsform nach als staatlicher Regiebetrieb zu betrachten ist und künftighin der uneingeschränkten Anordnungsbefugnis des Bayer. Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten untersteht. Für die Dauer ihres Bestehens ist sie im Haushaltsplan dieses Ministeriums zu führen. Schließlich wurden die unbestreitbaren Verdienste der Organisation Steffen in der rückliegenden Zeit, namentlich auf dem Gebiet der Flüchtlingsbetreuung anerkannt, andererseits aber auch betont, daß nunmehr sorgfältig geprüft werden müsse, inwieweit ihre bisherigen Versorgungsaufgaben dem regulären Handel übertragen werden können. Die endgültige Entscheidung bleibt dem Ministerrat vorbehalten, bis dahin sollen noch verschiedene Fragen durch Einzelbesprechungen geklärt werden“ (StK 14870). Zum Fortgang s. Nr. 93 TOP IV.
47Vgl. Nr. 48 TOP VI. Am 11. Januar 1949 war der Bayer. Landtag feierlich in das Maximilianeum umgezogen.
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, das Landtagsamt habe im Auftrag des Herrn Landtagspräsidenten Dr. Horlacher gebeten, die Bauarbeiten am Landtag zu beschleunigen. Er werde dieses Schreiben in Abschriften den Staatsministerien der Finanzen und des Innern zuleiten, da es wohl notwendig sei, sich zu dieser Frage zu äußern. Soviel er wisse, sei manches im Landtagsgebäude so gut wie fertiggestellt und könnte beendigt werden.
48Vgl. Nr. 89 TOP VI.
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben des Herrn Staatssekretärs Ritter von Lex bekannt, wonach das Bundesinnenministerium dringend einen Referenten für Verfassungsfragen benötige.49 Gerade vom föderalistischen Standpunkt aus sei diese Stelle von größter Bedeutung. Er werde Abschrift dieses Schreibens dem Staatsministerium der Justiz und des Innern zuleiten und bitte dringend, sich möglichst um geeignete Persönlichkeiten zu bemühen.50
49Vgl. Lex an Ehard, 10. 12. 1949 (StK 10330).50Vgl. Ehard an Ankermüller und Staatssekretär Konrad, 23. 12. 1949 (StK 10330).
2Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt, er werde selbst über diese Frage mit Herrn Staatssekretär von Lex sprechen.51
51Als Generalreferenten für Verfassungsfragen im BMI konnte Lex schließlich ab Januar 1950 MinRat Kratzer gewinnen, der vom StMWi abgeordnet wurde; zu seiner Person s. Nr. 56 TOP I. Vgl. Jakob Kratzer: Die Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit der Länder, Bayer. Staatsanzeiger 1. 4. 1950 sowie Kratzer. Zu den finanziellen Aspekten seiner Abordnung s. im Detail MF 69378.
3Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert nochmals daran, die einzelnen Ministerien möchten einen Rechenschaftsbericht über ihre Tätigkeit im abgelaufenen Jahr ausarbeiten.52
52Vgl. Nr. 89 TOP V.
4Abschließend berichtet Stv. Ministerpräsident Dr. Müller über die letzte Bundesratssitzung, insbesondere über die Wahl des Geheimrats Katzenberger53 zum Direktor des Bundesrats.53Zu seiner Person s. Nr. 88 TOP I Anm. 41.
5Was die Flüchtlingsverordnung betreffe, so sei sie noch nicht entschieden und nochmals an den Rechts- und Flüchtlingsausschuß zurückverwiesen worden.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister