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Nr. 182MinisterratssitzungDienstag, 17. November 1953 Beginn: 9 Uhr 15 Ende: 11 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Gesetzes über verunstaltende Außenwerbung. II. Beteiligung des Bayer. Senats an der Gesetzgebung. III. Entsendung eines Vertreters des Landes Bayern in das Kuratorium der Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover. IV. Vorlage eines neuen Landesjugendplanes an den Bayerischen Landtag. V. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesevakuiertengesetzes. VI. Nordbayerische Flughafen GmbH. VII. Bayerisches Ausführungsgesetz zum Jugendgerichtsgesetz. VIII. Personalverhältnisse am Bayer. Verfassungsgerichtshof. IX. Zuschuß an den Landesverband Bayern der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken – für die Durchführung des internationalen Jugendlagers 1952 in Schwangau. X. Fall Arno Fischer.

I. Entwurf eines Gesetzes über verunstaltende Außenwerbung1

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß der Landtag nach langwierigen Beratungen der Ausschüsse am 15. Oktober 1953 beschlossen habe, die Behandlung des Gesetzentwurfs über verunstaltende Außenwerbung vorläufig zurückzustellen.2 Damals habe Herr Staatsminister Dr. Hoegner erklärt, der Ministerrat wolle zu dem durch die Ausschußberatungen völlig veränderten Entwurf noch einmal Stellung nehmen, um ihn allenfalls zurückzuziehen.

Das Staatsministerium des Innern habe dann in einer Note vom 26. Oktober 1953 ausgeführt, der Landtag entscheide am besten durch Abstimmung über die beiden Alternativen: Genehmigungspflicht oder Beseitigungsanordnungsbefugnis.3 Dieser Note entsprechend sei nun ein Schreiben an den Präsidenten des Bayer. Landtags ausgearbeitet worden, das er nunmehr vorlese. Darin werde also vorgeschlagen, die Aussprache im Plenum des Landtags über den Entwurf in der Fassung der Ausschußbeschlüsse abzuschließen und dann über die Alternativen: Genehmigungspflicht oder Beseitigungsanordnungsbefugnis abzustimmen.4 Allerdings müßte dann Art. 2 entsprechend neu gefaßt werden.

Staatsminister Zietsch hält es für richtig, von der Genehmigungspflicht abzusehen und der Alternative: Anordnung der Beseitigung, den Vorzug zu geben, da seiner Meinung nach der Initiative der Landräte möglichst freier Raum gelassen worden solle. Allerdings verkenne er nicht, daß es oft schwierig sein werde, schon bestehende Reklametafeln usw. wieder zu beseitigen.

Ministerpräsident Dr. Ehard wendet ein, daß dann allerdings die Gefahr bestehe, daß besonders verunstaltende Außenwerbungen von großen Firmen betrieben würden, die mit den Landkreisen überhaupt nichts zu tun hätten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stimmt zu und weist darauf hin, daß zwar in vielen Fällen die Landräte von sich aus schon versucht hätten, das Richtige zu tun, daß aber andererseits erfahrene Landräte der Meinung seien, die Genehmigungspflicht müsse unbedingt beibehalten werden, weil man auf diese Weise wirksamer einschreiten könne. Dieser Meinung sei z.B. auch der Oberbürgermeister von Würzburg 5 und der Wiederaufbaureferent der Stadt München.6 Wenn man sich der Auffassung der Ausschüsse anschließe, so werde das dazu führen, daß jede zahlungskräftige Firma die Verwaltungsgerichte anrufe, wenn die Beseitigung angeordnet werde,

Staatsminister Weinkamm schließt sich diesen Ausführungen mit dem Hinweis auf seine Erfahrungen bei der Stadt Augsburg an. Wenn lediglich die Beseitigung angeordnet werden könne, müßten zum mindesten genaue Richtlinien darüber aufgestellt werden, was beseitigt werden könne oder nicht.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt dann die Frage, ob der Gesetzentwurf ersatzlos zurückgezogen werden solle.

Der Ministerrat beschließt keine Zurückziehung, sondern dem vom Herrn Ministerpräsidenten verlesenen Schreiben an den Präsidenten des Landtags zuzustimmen.7

Gesetz über verunstaltende Außenwerbung vom 2. März 1954

II. Beteiligung des Bayer. Senats an der Gesetzgebung

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben des Präsidenten des Bayer. Senats, Dr. Singer, bekannt, in dem eine stärkere Beteiligung des Senats an der Gesetzgebung gewünscht werde. Herr Dr. Singer sei insbesondere der Meinung, daß beim Landfahrer- und Arbeitsscheuengesetz,8 beim Polizeiorganisations- und Polizeiaufgabengesetz9 der Senat vor der Befassung des Landtags hätte eingeschaltet werden können. In der Tat sei es ja so gewesen, daß in den meisten Fällen Gesetzentwürfe lediglich gleichzeitig mit der Zuleitung an den Landtag dem Senat zur gutachtlichen Stellungnahme übersandt worden seien.

Jedenfalls halte er es für notwendig, jetzt mit Herrn Präsidenten Dr. Singer zu sprechen und ihn darauf aufmerksam zu machen, daß die Übung des letzten Jahres, häufig Gesetzentwürfe dem Senat zur gutachtlichen Stellungnahme zuzuleiten, eine stärkere Einschaltung des Senats wie bisher bedeute. Außerdem werde Abt. III der Bayer. Staatskanzlei jeweils prüfen, in welchen Fällen vor der Zuleitung an den Landtag eine gutachtliche Stellungnahme des Senats eingeholt werden könne.

Er bitte auch in den einzelnen Ressorts festzustellen, wann dies möglich und zweckmäßig sei.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Vorschlägen einverstanden.

Senat, Bayer.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt in diesem Zusammenhang auf das Polizeiaufgabengesetz zu sprechen. Auch die Vertreter der Koalitionsparteien im Landtag stünden leider auf einem Standpunkt, der allzusehr das Gewicht auf die Freiheit des Staatsbürgers lege, nicht aber darauf, daß die Polizei zum Schutze des Staatsbürgers da sei und nicht als dessen Feind betrachtet werden könne. Wenn z.B. der Vertreter des Innenministeriums im Ausschuß zutreffend auf die Strafprozessordnung und Reichsgerichtsentscheidungen hinweise, wonach die Polizei Zeugen z.B. eines Unfalls feststellen dürfe, so sei es unschön, wenn trotzdem der Ausschuß eine entsprechende Bestimmung im Entwurf einfach streiche. Er halte es für dringend notwendig, den Entwurf des Polizeiaufgabengesetzes in einer Koalitionssitzung zu besprechen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und regt an, diese Besprechung vielleicht nach der ersten Lesung abzuhalten.

Staatssekretär Dr. Koch betont, daß in der Frage der Zeugenvernehmung das Staatsministerium der Justiz durchaus der gleichen Auffassung wie das Staatsministerium des Innern sei,

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwähnt dann eine in der Abendzeitung vom 16. November erschienene Notiz, wonach der „Rheinische Merkur“ behauptet habe, auch das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz10 habe Verbindungen mit dem kürzlich in der Schweiz wegen Spionage verurteilten Rößler.11 Er stelle fest, daß an dieser Behauptung kein wahres Wort sei.12

Ministerpräsident Dr. Ehard nimmt diese Feststellungen des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner zum Anlaß, um darauf hinzuweisen, daß das Landesamt für Verfassungsschutz von ihm und dem Herrn Staatsminister des Innern angewiesen sei, keinerlei Erhebungen über Abgeordnete oder sonstige im politischen Leben an führender Stelle tätigen Personen durchzuführen. Das schließe allerdings nicht aus, daß vereinzelt Nachrichten, welche solche politische Persönlichkeiten betreffen, dem Landesamt für Verfassungsschutz zugeleitet würden. Das Landesamt habe keinerlei Einfluß auf die Nachrichten, die es ohne besonderen Auftrag erhalte. Solche Nachrichten würden daher nur abgelegt, irgendwelche Folgerungen würden daraus nicht gezogen. In diesem Zusammenhang stelle er fest, daß die Nachrichten über den Abg. Dr. Schier ihm nicht vom Landesamt, sondern von anderer Seite zugeleitet worden sei.13 Erst auf Grund dieser von anderer Seite ihm zugegangenen Nachrichten sei er von sich aus an das Landesamt herangetreten, um festzustellen, ob auch dort Unterlagen über Dr. Schier vorhanden seien.14

Der Ministerrat nimmt die Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten mit Zustimmung zur Kenntnis.

III. Entsendung eines Vertreters des Landes Bayern in das Kuratorium der Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover15

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt kurz den Inhalt des Schreibens des niedersächsischen Ministers des Innern16 vom 2. September 1953 bekannt. Über die Frage, ob der Bitte des niedersächsischen Ministers des Innern entsprochen werden solle, einen Vertreter des Landes in das Kuratorium zu entsenden, seien die Staatsministerien für Unterricht und Kultus und der Finanzen einerseits und das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr andererseits verschiedener Meinung. Die erstgenannten Ministerien sprächen sich für die Entsendung eines Vertreters aus, das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr dagegen. Da Bayern sich über das Königsteiner Staatsabkommen17 auch an der Finanzierung der Akademie beteilige, sei er der Meinung, daß Bayern auf jeden Fall einen Vertreter in das Kuratorium entsenden solle. Man setze sich in einen gewissen Widerspruch, wenn man einerseits sich an der Finanzierung der Akademie beteilige, andererseits aber keinen Vertreter in das Kuratorium entsenden wolle,

Staatssekretär Dr. Guthsmuths legt die Gründe dar, die das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr zu seiner ablehnenden Haltung veranlassen. Zunächst bestünde neben der Akademie in Hannover noch ein Institut in Godesberg, das vom Bund finanziert werde und mit dem sich die Aufgaben der Akademie weitgehend überschneiden würden. Daneben gebe es noch ein weiteres Bundesinstitut in Remagen mit ähnlichen Aufgaben.18 Nun habe kürzlich eine Sitzung zwischen den Vertretern des Bundes und der Länder stattgefunden, bei welcher die Vorsitzenden des Godesberger Instituts und der in Hannover bestehenden Akademie aufgefordert worden seien, die Voraussetzungen für eine Zusammenlegung der beiden Einrichtungen zu prüfen und auf eine solche hinzuarbeiten. Die Aussichten auf eine tatsächliche Zusammenlegung der beiden Einrichtungen müßten als aussichtslos angesehen werden, wenn die Länder die Selbständigkeitsbestrebungen der Akademie in Hannover durch eine Teilnahme am Kuratorium weiterhin unterstützen würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist demgegenüber darauf hin, daß für eine Zusammenlegung der Institute wohl solange keine Aussicht bestehe, als die Akademie in Hannover durch das Königsteiner Abkommen finanziert werde. Deshalb halte er auch bei Würdigung der vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr geltend gemachten Gründe die Entsendung eines bayerischen Vertreters in das Kuratorium der Akademie in Hannover für angebracht. Zugleich könne der Versuch gemacht werden, die Akademie bei nächster sich bietender Gelegenheit aus dem Königsteiner Abkommen herauszunehmen.

Der Ministerrat pflichtet mit Mehrheit den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten bei und beschließt, einen bayerischen Vertreter in das Kuratorium zu entsenden.

Der Ministerrat beauftragt die Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Wirtschaft und Verkehr, sich wegen der Benennung des bayerischen Vertreters für das Kuratorium ins Benehmen zu setzen.

Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hannover)

IV. Vorlage eines neuen Landesjugendplanes an den Bayerischen Landtag19

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, daß das Bayer. Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge dem Präsidenten des Bayer. Landtags am 30. Oktober 1953 entsprechend einem Beschluß des Landtags von 15. Oktober 1953 einen Bericht der Staatsregierung über die in den Jahren 1951/52 durchgeführten Jugendnotprogramme und über Vorschläge für die Durchführung eines weiteren Programms im Haushaltsjahr 1954 zugeleitet habe.20 Der Herr Landtagspräsident habe ihn nun daraufhin angesprochen, daß in diesem Bericht auf Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Finanzministerium und dem Arbeitsministerium zu einzelnen Fragen der Durchführung des Programms hingewiesen werde.21 Da es nicht angebracht erscheine, daß die Staatsregierung vor dem Landtag nicht einheitlich auftrete und die einzelnen Staatsministerien versuchen würden, sich22 im Landtag gegeneinander auszuspielen, sei der Landtagspräsident bereit, den Bericht nochmals an die Staatsregierung zurückgehen zu lassen. Er, der Ministerpräsident, sei der Auffassung, daß dieser Bericht den Landtag in der vorliegenden Fassung nicht vorgelegt werden könne und sei daher für die Zurückziehung des Berichts und eine nochmalige Überarbeitung.23

Nachdem durch Rückfrage bei der Landtagsdruckerei festgestellt worden ist, daß der Bericht noch nicht in Druck gegeben worden ist, beschließt die Staatsregierung, den Bericht zurückzuziehen und ihn in der kommenden Ministerratssitzung nochmals zu beraten.

Ministerpräsident Dr. Ehard wiederholt in diesem Zusammenhang sein bereits früher an das Kabinett gerichtetes Ersuchen, Berichte an den Landtag, welche politische Fragen betreffen oder mehrere Staatsministerien berühren, durch ihn dem Landtag vorlegen zu lassen. In diesem Falle würden vor Auslaufen des Berichts an den Landtag Unstimmigkeiten zwischen einzelnen Staatsministerien durch die Staatskanzlei ausgeglichen werden.24

Landesjugendplan

V. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesevakuiertengesetzes25

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert an die Beratung des Gesetzentwurfs in der Ministerratssitzung vom 27. Oktober 1953. Die damals aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Staatsministerium des Innern und dem Staatsministerium der Finanzen hätten sich nicht bereinigen lassen. Das Staatsministerium des Innern habe an ihn daher die Bitte gerichtet, über die Meinungsverschiedenheiten einen Beschluß des Ministerrats herbeizuführen.26

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, das Staatsministerium der Finanzen vertrete die irrige Auffassung, daß die Durchführung der Registrierung keine neue Aufgabe im Sinne des Art. 83 Abs. 3 der Bayer. Verfassung27 sei und daß daher die Kosten hierfür von den Gemeinden selbst zu tragen seien. Demgegenüber stehe nach Auffassung des Innenministeriums fest, daß es sich bei der Durchführung der Registrierung um eine neue Aufgabe handle, für welche die Mittel den Gemeinden vom Staat zur Verfügung gestellt werden müßten. Da der Betrag, der für die Durchführung der Registrierung den Gemeinden zu erstatten sei, nur insgesamt 20 000 DM betrage, sei es nicht verständlich, daß das Staatsministerium der Finanzen der vorgeschlagenen Fassung des Gesetzentwurfs nicht zustimme.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erklärt hierzu, das Staatsministerium der Finanzen sei zwar der Auffassung, daß die im Bundesevakuiertengesetz vorgesehene Rückkehr der Evakuierten in ihre früheren Heimatgemeinden eine vom Staate zu finanzierende Aufgabe sei; hierfür würden auch den Gemeinden die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Anders läge es allerdings bei der der Rückführung vorausgehenden Registrierung. Hier handle es sich nach Auffassung des Staatsministeriums der Finanzen um eine ausschließlich die Gemeinden berührende Aufgabe, für die die Mittel von diesen selbst aufzubringen seien. Hinzu komme, daß die Registrierung der Evakuierten von den hier in Frage kommenden Gemeinden bisher schon durchgeführt worden sei, so daß von einer Kosten verursachenden Verwaltungsmehrarbeit der Gemeinden nicht die Rede sein könne.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, daß die Registrierung der Einwohner schon immer allein eine Gemeindeaufgabe gewesen sei. Dies treffe im vorliegenden Falle umso mehr zu, als es sich hier lediglich um die Wiederherstellung der von früher her noch bestehenden Verbindung zwischen Gemeindebürger und Heimatgemeinde handle.

Staatsminister Zietsch und Staatssekretär Dr. Ringelmann beantragen daher, in Art. 2 Abs. 1 des Gesetzentwurfs die Worte „zur Besorgung namens des Staates“ zu streichen28 und den Abs. 3 des Art. 229 als zwei weitere Sätze dem Abs. 2 anzufügen,30 so daß der bisherige Abs. 3 sich nur auf Abs. 2, nicht aber auch auf Abs. 1 bezieht.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß, wenn wirklich der Ministerrat sich entschließen sollte, den Vorschlägen des Finanzministeriums zu entsprechen, im Landtag doch wieder die ursprüngliche Fassung des Gesetzes hergestellt werden würde, da die im Landtag befindlichen Landräte und Oberbürgermeister auf dieser Fassung bestehen würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt hierzu, auch wenn damit zu rechnen sei, daß der Landtag das Gesetz wieder ändere, so halte er doch die vom Finanzministerium vorgeschlagene Fassung für die bessere; auch wenn das Bundesevakuiertengesetz keine ausdrückliche Bestimmung geschaffen hätte, könnten die Gemeinden sich wohl nicht der Verpflichtung entziehen, ihre evakuierten Gemeindebürger zu registrieren. Hier handle es sich um eine Aufgabe, die den Gemeinden in gewisser Hinsicht als moralische Verpflichtung zufalle. Man solle daher auf jeden Fall den Gemeinden einmal zeigen, daß nach Auffassung der Staatsregierung die Registierung eine ausschließlich die Gemeinde treffende Verpflichtung sei.

Staatssekretär Dr. Koch vertritt die Auffassung, daß die Gemeinden formalrechtlich im Recht seien, daß aber materiell ihnen wohl die Verpflichtung zukomme, die Kosten für die Registrierung der Evakuierten selbst zu tragen.

Staatsminister Weinkamm unterstützt vollinhaltlich die Auffassung des Innenministeriums.

In der Abstimmung des Ministerrats über die Beibehaltung der Fassung des Innenministeriums bzw. die Annahme der vom Staatsministerium der Finanzen beantragten Änderungen wird gegen die Stimmen des Innen- und des Justizministeriums beschlossen, in Art. 2 Abs. 1 die Worte „zur Besorgung namens des Staates“ zu streichen und den Abs. 3 des Art. 2 als Satz 2 und 3 dem Abs. 2 anzufügen.31

Gesetz zur Ausführung des Bundesevakuiertengesetzes (AGBEvG) vom 2. März 1954

VI. Nordbayerische Flughafen GmbH32

Staatssekretär Dr. Guthsmuths teilt mit, daß am 20. November 1953 die konstituierende Sitzung des Aufsichtsrats der neu zu gründenden Bayer. Flughafen GmbH stattfinde. Auch im neuen Aufsichtsrat würden dem Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr zwei und dem Staatsministerium der Finanzen ein Sitz zukommen. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr beabsichtige, für die beiden von ihm zu besetzenden Aufsichtsratsposten Ministerialdirektor Brunner und Regierungsdirektor Finck33 zu benennen. Die Benennung solle allerdings auf die Anlaufzeit der Gesellschaft beschränkt sein; denn es könnte später erforderlich werden, daß der Herr Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr bei der wachsenden Bedeutung des nordbayerischen Flughafens selbst die Rechte eines Aufsichtsratsmitgliedes wahrnehme.

Staatsminister Zietsch erklärt, für das Finanzministerium werde Ministerialrat Bensegger als Aufsichtsratsmitglied vorgeschlagen.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Vorschlägen einverstanden.

Nordbayerische Flughafen GmbH

VII. Bayerisches Ausführungsgesetz zum Jugendgerichtsgesetz34

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, die vom Bundestag beschlossene Novelle zum Jugendgerichtsgesetz sehe die Einrichtung eines hauptamtlich oder ehrenamtlich tätigen Bewährungshelfers vor, der bei Aussetzung einer Strafvollstreckung in Tätigkeit zu treten habe. Die Novelle enthalte die Bestimmung, daß ein hauptamtlicher Bewährungshelfer für den Bezirk eines jeden Jugendgerichts aufgestellt werden solle, wobei die nähere Regelung durch Landesgesetz getroffen werden müsse. Es sei daher ein Landesgesetz über den Bewährungshelfer notwendig. Die Novelle des Jugendgerichtsgesetzes sei am 1. Oktober 1953 in Kraft getreten.35 Es sei daher notwendig, das bayerische Landesgesetz über die Bewährungshelfer baldigst dem Landtag zuzuleiten. Der Erstellung des Gesetzentwurfs stehe nun das Hindernis entgegen, daß zwischen Innen- und Justizministerium noch keine Einigung über die Frage erzielt worden sei, ob die Bewährungshelfer von den Justizbehörden oder von den Jugendämtern angestellt werden sollen. Die Justizministerkonferenz habe sich für die Anstellung bei den Gerichten ausgesprochen. Doch könne man dagegen erhebliche Bedenken anmelden.36

Ministerpräsident Dr. Ehard spricht sich dafür aus, die Bewährungshelfer den Jugendämtern zuzuteilen.

Die gleiche Meinung vertritt Staatssekretär Dr. Koch.

Auch Staatsminister Dr. Schwalber unterstützt diese Regelung durch den Hinweis, daß der Bewährungshelfer wohl fruchtbarer wirken könne, wenn er im Jugendamt tätig sei.

Staatsminister Weinkamm erklärt, noch keine Stellungnahme abgeben zu können, und bittet, die Beschlußfassung bis zum nächsten Ministerrat zurückzustellen.

Diesem Antrag wird entsprochen.37

Ausführungsgesetz zum Jugendgerichtsgesetz

VIII. Personalverhältnisse am Bayer. Verfassungsgerichtshof38

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, Oberlandesgerichtspräsident Walther39 habe ihm am vergangenen Samstag mitgeteilt, daß die Wahl von Stellvertretern für den Präsidenten des Verassungsgerichtshofes unbedingt notwendig sei, da er selbst seinen Dienstsitz in Nürnberg habe, die Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofs aber in München errichtet sei. Aus diesem Grunde sei es zweckmäßig, zwei Münchner Richter als Stellvertreter des Präsidenten zu wählen, Walther habe hierfür den Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Wintrich und den Senatspräsidenten am Verwaltungsgerichtshof Adam40 vorgeschlagen. Er, Ministerpräsident Dr. Ehard, habe dann Walther gebeten, seinen Vorschlag ihm schriftlich zu unterbreiten.

Es wird festgestellt, daß dieser schriftliche Vorschlag bereits in der Staatskanzlei eingelaufen ist.

Der Ministerrat ist mit der Weitergabe der Vorschläge an den Landtagspräsidenten einverstanden.

Ministerpräsident Dr. Ehard bringt in diesem Zusammenhang die Sprache auf die Frage, ob nicht gleichzeitig auch Landgerichtspräsident Herrmann (Deggendorf) dem Landtag zur Wahl als neues Mitglied des Verfassungsgerichtshofs vorgeschlagen werden soll.

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, gegen die Benennung Herrmanns als Mitglied des Verfassungsgerichtshofs bestünden keinerlei Bedenken. Er habe diesbezüglich auch bereits mit seiner Fraktion Fühlung genommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard bittet das Staatsministerium der Justiz, ihm spätestens bis zum nächsten Ministerrat den Vorschlag für die Wahl Herrmanns als berufsrichterliches Mitglied des Verfassungsgerichtshofs zu übermitteln.

Ferner bittet Ministerpräsident Dr. Ehard das Staatsministerium der Justiz um Prüfung, ob nicht noch ein weiterer Richter dem Landtag zur Wahl in den Verfassungsgerichtshof vorgeschlagen worden solle. Ihm sei bereits der Name des Landgerichtsdirektors Bechert41 in Hof genannt worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt ferner vor, noch eine offizielle Verabschiedung des in den Ruhestand getretenen bisherigen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Welsch, durchzuführen und diese mit einer offiziellen Amtseinführung des neuen Präsidenten und der neuen berufsrichterlichen Mitglieder zu verbinden.

Das Kabinett stimmt diesem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten zu.

Es wird beschlossen, daß die Staatsministerien der Justiz und des Innern die erforderlichen Vorbereitungen treffen und dem Kabinett einen Vorschlag über die Ausgestaltung des Staatsaktes unterbreiten.42

Wahl richterlicher Mitglieder

IX. Zuschuß an den Landesverband Bayern der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken – für die Durchführung des internationalen Jugendlagers 1952 in Schwangau43

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt kurz den Inhalt des Schreibens des Herrn Staatsministers der Finanzen vom 6. November 1953 an die Bayer. Staatskanzlei bekannt. Er fügt hinzu, daß aus Mitteln der Staatskanzlei der vom Landesverband Bayern der Sozialistischen Jugend Deutschlands erbetene Zuschuß nicht gewährt werden könnte, weil in den einschlägigen Haushaltstiteln die erforderlichen Mittel nicht mehr zur Verfügung stünden.

Staatsminister Zietsch erklärt hierauf, er sei bereit, zu Lasten des Einzelplanes XIII den Betrag von 10 000 DM bereitzustellen unter der Voraussetzung, daß das Kabinett zustimme.

Das Kabinett beschließt hierauf, dem Landesverband Bayern der Sozialistischen Jugend Deutschlands für die Durchführung des Internationalen Jugendlagers 1952 in Schwangau noch nachträglich aus Mitteln des Einzelplans XIII 10 000 DM zu bewilligen.

X. Fall Arno Fischer44

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, der ehemalige Leiter der Obersten Baubehörde, Arno Fischer,45 mit dem sich der Ministerrat schon öfters befaßt habe, werde jetzt durch die Rechtsanwälte Dr. Bastian46 und Dr. Müller-Meiningen jun.47 vertreten. Erstaunlicherweise werde von den Anwälten erklärt, Fischer, der große Aufträge von Frankreich und von der Regierung des Saargebiets erhalten habe, sei Unrecht geschehen.

Sie schlügen vor, daß sich der Leiter der Obersten Baubehörde, Herr Ministerialdirektor Fischer,48 selbst in Saarbrücken von dem Umfang der Projekte, die Arno Fischer durchführe, überzeuge. Leider seien den Anwälten die Spruchkammerakten Fischer ausgehändigt worden, bei denen sich auch die Personalakten befunden hätten.

Er halte die Zumutung, Ministerialdirektor Fischer nach Saarbrücken zu schicken, für unannehmbar.

Staatsminister Zietsch meint, es komme Arno Fischer anscheinend mit Rücksicht auf seine Verbindungen in Frankreich und auch in Spanien darauf an, in Bayern rehabilitiert zu werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Fall Arno Fischer bereits im Jahre 1946 eine große Rolle gespielt habe.49 Damals sei versucht worden, den von Fischer mit dem RWE abgeschlossenen Vertrag, bei dem auch die ehemaligen Gauleiter Schwede50 und Wagner51 beteiligt gewesen seien, im Wege einer Anfechtungsklage rückgängig zu machen. Später sei dann ein Vergleich mit dem RWE abgeschlossen worden, welches darin auf seine Ansprüche an die untere Isar verzichtet habe.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, Fischer habe als damaliger Leiter der Obersten Baubehörde unter Ausnutzung seiner Stellung den Vertrag abgeschlossen. Jetzt verlange er eine Pension als Ministerialdirektor und stelle den Anspruch, wieder Vorstandsmitglied der Rhein-Main-Donau AG zu werden.

Der Ministerrat beschließt, Ministerialdirektor Franz Fischer nicht nach Saarbrücken zu entsenden.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
In Vertretung [ab TOP III]
gez.: Hans Kellner
Oberregierungsrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor