Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayerische Staatskanzlei), Dr. Baumgartner (Bayerische Staatskanzlei).
Ministerpräsident Dr. Ehard, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).
I. Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (Kirchensteuergesetz). II. Entwurf eines Gesetzes über die Anerkennung juristischer Personen und nicht rechtsfähiger Personen-Vereinigungen als Verfolgte. III. Durchführung des 2. Bundessanierungsprogramms in den bayerischen Sanierungsgebieten. IV. Überführung des Haushalts des bisherigen Staatsministeriums für Sonderaufgaben aus dem Einzelplan VI in den Einzelplan IV vom Rechnungsjahr 1953 ab. V. Personalangelegenheiten. VI. [Verwendung des Gebäudes der ehemaligen Bayerischen Handelsbank]. [VII. 100-Jahr-Feier des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg]. [VIII. Statistisches Jahrbuch]. [IX. Grunderwerbsteuer für das vom US State Department erworbene Gelände in Erching bei Freising]. [X. Zuschuß für die Instandhaltung des Eisstadions in Garmisch-Partenkirchen]. [XI. Vorübergebende Unterbringung von Sowjetzonen-Flüchtlingen]. [XII. Bindung der Staatsregierung an die Beschlüsse des Senats].
Dr. Hoegner weist darauf hin, daß im allgemeinen gegen den Entwurf keine Bedenken erhoben worden seien, mit Ausnahme des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das sich gegen die Wiedereinführung der Kirchengrundsteuer in Art. 6 Abs. 1 b wende.2
Stv. MinisterpräsidentDr. Schlögl führt aus, Kultusministerium und Landwirtschaftsministerium hätten sich an sich über den Art. 6 bereits geeinigt gehabt, er sei nun erstaunt, in dem endgültigen Entwurf festzustellen, daß den Bedenken seines Ministeriums doch nicht Rechnung getragen worden sei.3 So wie Art. 6 Abs. 1 b laute, stelle er eine Sonderbesteuerung der Landwirtschaft dar. An sich habe er nichts dagegen, wenn in allen Fällen, in denen keine Einkommensteuer bezahlt werde, ein Grundsteuermeßbetrag festgesetzt werde, nur dürfe sich dies nicht auf die Landwirtschaft allein beziehen.
StaatsministerDr. Hoegner gibt kurz den Standpunkt des Kultusministeriums bekannt, meint aber, daß der Einwand des Herrn Staatsministers Dr. Schlögl doch wohl zu beachten sei.4 Vielleicht könne ein Ausweg dadurch gefunden werden, daß man in Art. 6 Abs. 1 Ziffer b einfach die Worte „land- oder forstwirtschaftliches“ streiche.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ringelmann wendet dagegen ein, daß dadurch insoferne eine Unklarheit entstehen könnte, als in anderen Fällen die Steuerfreiheit auf Gründe zurückzuführen sei, die anderer Art seien wie diejenigen bei der Landwirtschaft.
StaatssekretärDr. Hoegner entgegnet, hier bestehe doch die Möglichkeit, die Steuer in besonderen Fällen zu erlassen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Schlögl unterstützt den Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner und betont noch die Schwierigkeiten, in denen sich zahlreiche kleinere Landwirte befänden.
StaatsministerDer Ministerrat beschließt daraufhin, in Art. 6 Abs. 1 b die Worte „land- oder forstwirtschaftliches“ zu streichen.
Dr. Ringelmann kommt dann auf Art. 8 des Entwurfs zu sprechen und trägt die Bedenken des Staatsministeriums der Finanzen gegen diese Bestimmung vor.5 Er für seine Person glaube aber, daß man den Art. 8 beibehalten könne. Er sei auch nicht dafür, in Abs. 1 dieser Bestimmung noch einzubauen, daß die Höhe der Umlagensätze von den gemeinschaftlichen Steuerverbänden nur in Verbindung mit den Staatsministerien der Finanzen und für Unterricht und Kultus festgesetzt werden könnten. Man müsse hier doch an dem Gesichtspunkt der Selbstverwaltung festhalten.
StaatssekretärDr. Oechsle erkundigt sich, ob man nicht doch den Umlagensatz auf 8% senken könne, da ihm 10% reichlich hoch erscheine.
StaatsministerDr. Ringelmann antwortet, das Kultusministerium habe eingehende Erhebungen durchgeführt, die zu dem Ergebnis geführt hatten, daß ein Umlagensatz von 8% im Hinblick auf die Senkung der Einkommensteuer nicht mehr ausreiche.
StaatssekretärWeinkamm darauf hin, daß der Text der Art. 21 ff., in denen das Kirchgeld geregelt werde, mit der Begründung des Entwurfs nicht übereinstimme.6
Im Zusammenhang mit der Beratung des Art. 8 weist StaatsministerDr. Ringelmann fügt hinzu, daß insoweit auch Bedenkendes Staatsministeriums der Finanzen bestünden.
StaatssekretärDr. Hoegner schließt sich der Meinung von Staatsminister Weinkamm an und stellt fest, daß es in der Begründung heiße:
Stv. Ministerpräsident„Umlagen- und Kirchgeldpflicht bestehen also nicht nebeneinander.“
Dadurch ergebe sich in der Tat ein Widerspruch zu den Art. 21 ff.
Dr. Ringelmann erklärt weiter, auch Art. 18 Abs. 1 Satz 2 gebe zu Bedenken des Finanzministeriums Anlaß.7 Vielleicht könnte auch die Frage der Verwaltung der Kirchen-Einkommensteuer durch die Finanzämter noch einmal überlegt werden.
StaatssekretärDer Ministerrat beschließt, die Behandlung des Gesetzentwurfs aus folgenden Gründen zurückzustellen:
1. insbesondere müsse noch geklärt werden, ob das Kirchengeld anstelle der Kirchenumlage oder neben dieser Umlage erhoben werde; entsprechende Verhandlungen mit den Kirchen müßten noch geführt werden;
2. müsse die Bestimmung des Art. 18 Abs. 1 Satz 2 durch Verhandlungen zwischen dem Staatsministerium der Finanzen und dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus geklärt werden.
Weinkamm wird noch beschlossen, in die Verhandlungen auch noch den Art. 24 (Staffelung des Kirchgeldes)8 einzubeziehen.9
Auf Vorschlag von Herrn StaatsministerDr. Hoegner erklärt, Bedenken gegen diesen Entwurf seien nicht geltend gemacht worden, lediglich das Staatsministerium der Justiz habe vorgeschlagen, die Bezeichnung „nicht rechtsfähige Personen-Vereinigungen“ abzuändern in „nicht rechtsfähige Vereine und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts“. Das Finanzministerium habe in Übereinstimmung mit der Staatskanzlei diesem Einwand nicht Rechnung getragen, auch er selbst sei der Meinung, daß man die ursprüngliche Fassung beibehalten solle.
Stv. MinisterpräsidentWeinkamm führt aus, das Justizministerium lege auf diese Änderung keinen besonderen Wert, es schlage aber vor, § 1 des Gesetzentwurfs wie folgt zu formulieren:
Staatsminister§ 1 Abs. 1:
„Juristische Personen oder nicht rechtsfähige Personen-Vereinigungen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen aufgelöst, zur Selbstauflösung gezwungen oder nicht nur geringfügig geschädigt wurden, erhalten auf Antrag vom Landesentschädigungsamt einen Ausweis über die Anerkennung als Verfolgte.“
Abs. 2:
124 ) finden entsprechende Anwendung.“
„Die §§ 3 Abs. 1 und 3, 5 bis 8 des Gesetzes über die Anerkennung als Verfolgte vom 27.3.1952 (GVBl. S.Dr. Ringelmann erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.
Staatssekretär11
Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf mit der Maßgabe zuzustimmen, daß § 1 dem Vorschlag des Herrn Staatsministers der Justiz entsprechend formuliert wird.Dr. Hoegner führt aus, das Staatsministerium für Wirtschaft habe in einer Note an den Ministerrat eine Aufteilung der Sanierungsmittel des Bundes vorgenommen, wobei von insgesamt 7,8 Millionen DM 800000,- DM für die Landwirtschaft bestimmt seien. Das Landwirtschaftsministerium habe dagegen Einspruch erhoben und beantrage eine Erhöhung auf 1,1 Millionen DM.
Stv. MinisterpräsidentDr. Guthsmuths weist darauf hin, daß es sich hier um verlorene Zuschüsse handle, die unbedingt so verwendet werden müßten, daß ein möglichst großer Nutzen erzielt werde. Die Aufteilung sei in einer interministeriellen Besprechung vorgenommen worden, wobei sich mit Ausnahme des Landwirtschaftsministeriums sämtliche Ministerien geeinigt hatten. Was die Forderung betreffe, den Betrag für die Landwirtschaft auf 1,1 Millionen DM zu erhöhen, so könne er hier leider nicht zustimmen, er mache aber darauf aufmerksam, daß auch in den übrigen Beträgen auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft Rücksicht genommen worden sei. So seien beispielsweise von den 2,5 Millionen DM für den Straßenbau DM 900 000,- für den Bau von Wirtschaftswegen bestimmt. Von den 0,8 Millionen DM für Wasserversorgung entfielen 50% auf die Behebung der Wassernot von landwirtschaftlichen Anwesen. Für die Energieversorgung werde ferner ein Betrag von 1,4 Millionen DM bereitgestellt, wovon etwa 40% der Landwirtschaft zugute kommen würden. Wenn man dann schließlich noch berücksichtige, daß ja die Landwirtschaft auch Vorteile von der Instandsetzung der Privatbahnen habe, wofür 0,8 Millionen DM zur Verfügung stehen, könne man wirklich nicht sagen, daß sie benachteiligt sei.
StaatssekretärDr. Schlögl entgegnet, er könne seine Bedenken noch nicht zurückstellen, da z.B. Schleswig-Holstein der Landwirtschaft 27% der Sanierungsmittel zur Verfügung stelle, während es in Bayern nur rund 10% seien. Eine Erhöhung von 0,8 auf 1,1 Millionen DM halte er nach wie vor für notwendig.
StaatsministerDr. Guthsmuths hält an seinem Vorschlag fest und betont, daß auf die Landwirtschaft etwa 26% entfielen, wenn man alle Beträge zusammenrechne.
StaatssekretärMaag schließt sich den Ausführungen von Staatsminister Dr. Schlögl an und erklärt, zumindest müsse eine schriftliche Mitteilung des Staatsministeriums für Wirtschaft vorliegen, aus der hervorgehe, inwieweit außer den 0,8 Millionen DM noch weitere Beträge für die Landwirtschaft bereitgestellt würden.
StaatssekretärDr. Hoegner stellt abschließend fest, daß über die Verteilung des Betrages von 7,8 Millionen DM Übereinstimmung besteht unter der Voraussetzung, daß das Staatsministerium für Wirtschaft die Berücksichtigung der Landwirtschaft noch in einem eigenen Schreiben festlegt.
Stv. MinisterpräsidentDr. Guthsmuths kommt dann auf die vorliegenden Anträge, den Oberpfälzer Jura in das Bundessanierungsprogramm einzubeziehen, zu sprechen und verweist im einzelnen auf die Darlegungen in der Vorlage des Staatsministeriums für Wirtschaft unter II.
StaatssekretärDr. Hoegner schlägt vor, daß das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Wirtschaftsministerium eine Denkschrift über die Verhältnisse im Jura zuleitet.
Stv. MinisterpräsidentDamit wird die Angelegenheit zunächst als abgeschlossen erklärt.
Dr. Hoegner teilt mit, das Staatsministerium der Finanzen habe im Haushaltsausschreiben die Abwicklungsstelle des bisherigen Staatsministeriums für Sonderaufgaben aufgefordert, ihren Voranschlag für das Rechnungsjahr 1953 an das Staatsministerium der Justiz einzureichen. Dieses Ministerium lehne es aber ab, die betreffenden Kapitel des Einzelplans VI in seinen Haushalt zu übernehmen, so daß jetzt eine Entscheidung des Ministerrats notwendig geworden sei.13
Stv. MinisterpräsidentDr. Ringelmann führt aus, die Bedenken des Staatsministeriums der Justiz gingen dahin, daß durch die Übernahme sein Zuschußbedarf erheblich erhöht werde und daß außerdem die politische Natur des Geschäftsbereichs des Ministers für politische Befreiung gegen eine solche Übernahme spreche. Das Finanzministerium stehe aber auf dem Standpunkt, daß nach der Übertragung der Aufgaben des Ministers für politische Befreiung auf den Staatsminister der Justiz in der bloßen Übernahme der haushaltmäßigen Betreuung der Abwicklungsstelle keine politische Belastung der Justiz erblickt werden könne.14
StaatssekretärDie Übernahme bedeute auch keine wesentliche Erhöhung des Zuschußbedarfs, nachdem die Abwicklungsstelle schon 1952 nur mehr einen Zuschußbedarf von DM 261 700,- aufweise, der sich 1953 noch bedeutend verringern werde.
Zu bedenken sei auch, daß tatsächlich heute noch alle leitenden Beamten der Abwicklungsstelle von der Justizverwaltung abgestellt seien.
Weinkamm erklärt, er sehe nicht ein, warum gerade am Ende des Sonderministeriums noch diese Notwendigkeit aufgetreten sei. Das Justizministerium habe mit der Abwicklungsstelle gar nichts zu tun, wenn auch eine gewisse Personalunion bestehe; er müsse sich deshalb gegen den Vorschlag aussprechen.
StaatsministerDr. Ringelmann erwidert, mit der Bekanntmachung vom 28.11.1951 habe der Ministerpräsident die Wahrnehmung der noch verbleibenden Aufgaben des Ministers für politische Befreiung dem Staatsminister der Justiz übertragen.15 Das habe zur Folge, daß auch entsprechende Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden müßten und auch die Abwicklungsstelle aus Einzelplan VI in Einzelplan IV überwiesen werde. Wenn die Übertragung durchgeführt sei, könne das Justizministerium alles Notwendige in eigener Zuständigkeit durchführen.
StaatssekretärDr. Hoegner meint, daß unter diesen Umständen das Staatsministerium der Justiz seinen Widerstand wohl aufgeben könne.
Stv. MinisterpräsidentWeinkamm stimmt zu, worauf beschlossen wird, dem Antrag des Staatsministeriums der Finanzen entsprechend den Haushalt der Abwicklungsstelle aus dem Einzelplan VI in den Einzelplan IV zu überführen.
Staatsminister16 zum Ministerialrat zu ernennen.
Der Ministerrat beschließt, den Regierungsdirektor bei der Obersten Baubehörde, Dr. Karl Weinisch,Dr. Hoegner führt aus, sowohl das Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge wie die Stadt München beanspruchten das Gebäude der ehemaligen Handelsbank in München, das von der Bayerischen Vereinsbank vermietet werde.17 Er frage den Herrn Staatsminister für Arbeit und Soziale Fürsorge, ob eine Verständigung möglich sei, nachdem die Stadt München durch Herrn Bürgermeister v. Miller18 ein Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten gerichtet habe.
Stv. MinisterpräsidentDr. Oechsle antwortet, er brauche das Gebäude der Handelsbank mit Ausnahme der Tresorräume und der Schalterhalle, da dort unbedingt das Landessozialgericht untergebracht werden müsse, das in ungefähr 3–4 Monaten seine Tätigkeit aufnehmen werde.19 Er könne leider der Stadt München nicht entgegenkommen und habe deren Vertretern erklärt, sie sollten sich mit der StEG20 in Verbindung setzen, die noch über geeignete Räume verfüge.
StaatsministerEr glaube auch, daß die Stadt die Tresorräume, die Schalterhalle und ein Stockwerk erhalten könne. Wenn die Stadt mit Nachdruck versuche, Baracken zu bekommen, könnte er vielleicht für die nächste Zeit noch ausweichen. Jedenfalls werde er alles versuchen, um zu einer Einigung zu gelangen und bitte, ihm das Schreiben der Landeshauptstadt zuzuleiten.
Dr. Hoegner sichert zu, dieses Schreiben sofort zu übersenden.
Stv. MinisterpräsidentDr. Hoegner macht darauf aufmerksam, daß nun doch der Herr Bundespräsident22 nach Nürnberg kommen werde; es frage sich nun, ob ein Staatsminister die Möglichkeit habe, die Staatsregierung dort zu vertreten, nachdem er selbst verhindert sei.
Stv. Ministerpräsident23
Es wird vereinbart, Herrn Staatsminister Dr. Seidel zu bitten, zusammen mit Herrn Staatssekretär Dr. Brenner die Vertretung der Staatsregierung zu übernehmen.Dr. Hoegner gibt bekannt, daß der Präsident des Bayerischen Statistischen Landesamtes gebeten habe, durch eine Bekanntmachung der Staatsregierung den unterstellten Behörden, ferner den Landratsämtern, Gemeinden und Schulen die Anschaffung des Statistischen Jahrbuchs für Bayern 1952 zu empfehlen.
Stv. MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß die gewünschte Bekanntmachung erlassen wird.
Dr. Hoegner gibt ein Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen vom 25.7.1952 bekannt, wonach die Regierung der Vereinigten Staaten von den Geschwistern Selmayr in Erching ein Grundstücksgelände von 75 ha erworben habe, wofür eine Grunderwerbsteuer in Höhe von ca. 22000,- DM festgesetzt worden sei.25 Auf Grund eines Rundfunk-Abkommens vom 11.6.1952 bitte das Bundesfinanzministerium, die Grunderwerbsteuer im Billigkeitswege zu erlassen.26
Stv. MinisterpräsidentDr. Ringelmann erklärt, trotz des Wunsches des Bundesfinanzministeriums müsse das Staatsministerium der Finanzen daran festhalten, daß die Grunderwerbsteuer entrichtet werden müsse. Im einzelnen verweise er auf die schon erwähnte Note vom 25.7.1952, insbesondere darauf, daß die Bundesrepublik hinsichtlich der Grunderwerbsteuer keine bindende Verpflichtung für die Länder eingehen könne. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß Art. 4 des Rundfunk-Abkommens besage, daß sich die Bundesregierung bei Steuern, deren Aufkommen ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden zufließe, verpflichte, die Befreiung herbeizuführen.27
StaatssekretärDr. Hoegner stellt fest, daß die Befreiung im Sinne des Art. 4 nur darin bestehen könne, daß die Bundesregierung anstelle der Vereinigten Staaten diese Steuern entrichte.
Stv. Ministerpräsident28
Der Ministerrat beschließt, die Grunderwerbsteuer in dem Fall Erching nicht zu erlassen.Dr. Hoegner teilt mit, die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen habe über Herrn Staatssekretär Dr. Brenner das Ersuchen gestellt, für die Instandhaltung des Eisstadions einen Zuschuß von ca. DM 30000,- zu gewähren.30
Stv. MinisterpräsidentDr. Ringelmann führt aus, das Finanzministerium habe in einer Note vom 17.7.1952 an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus diesen Zuschuß an sich abgelehnt.31 Es fänden aber zur Zeit Verhandlungen statt mit dem Ziel, daß der Bund 60% der Unterhaltungskosten übernehme, wählend der verbleibende Rest je zur Hälfte von der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen und dem bayerischen Staat getragen werden solle.
StaatssekretärDr. Brenner fügt hinzu, er habe mit den Vertretern der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen gesprochen und erfahren, daß tatsächlich die Olympia-Sportanlagen teilweise nicht mehr zu benutzen seien, besonders das Eisstadion, das zu 1/3 erneuert werden müsse. Die Schwierigkeiten rührten davon her, daß die Anlagen niemals ganz fertig gebaut worden seien. Der Zuschuß solle ausschließlich dazu dienen, das Eisstadion so wieder herzustellen, daß es im Winter 1952/53 benützt werden könne. Ein Ausfall dieser Anlagen könne nicht verantwortet werden, deshalb müsse man versuchen, eine Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund, dem bayerischen Staat und der Gemeinde zu erreichen.
StaatssekretärBisher sei es noch nicht gelungen, einen Überbrückungszuschuß bereit zu stellen. Für die dringendsten Maßnahmen sei ein Betrag von ca. DM 220000,- erforderlich, von dem auf Bayern auf Grund des schon von Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann erwähnten Verteilungsschlüssels DM 44000,- entfielen. Die Gemeinde erwarte DM 30000,-, um mit den Arbeiten beginnen zu können, das Kultusministerium verfüge aber über keine entsprechenden Haushaltsmittel. Die Möglichkeit, wie im vergangenen Jahr einen einmaligen Zuschuß aus Totomitteln zu gewähren, bestehe heute nicht. Die Gemeinde bitte dringend, ihr in irgendeiner Form möglichst bald zu helfen. Er schließe sich dieser Bitte an, weil tatsächlich in Garmisch-Partenkirchen aus eigenen Mitteln viel geleistet worden sei. Der Zuschuß von DM 30000,- sei deshalb jetzt schon notwendig, weil erst im September die Verhandlungen mit dem Bund wieder aufgenommen werden könnten.
Dr. Ringelmann erwidert, das Finanzministerium habe zunächst eine Beteiligung abgelehnt und sich über die Steuerkraft der Gemeinde unterrichtet. Die Gesamtkosten für die Instandhaltung der Olympia-Sportstätten in Garmisch-Partenkirchen beliefert sich auf 1275000, - DM.32 Unter der Voraussetzung, daß der Bund davon 60% übernehme, könnte man damit einverstanden sein, daß der Rest von 40% zwischen der Gemeinde und dem Staat geteilt werde. Wenn diese Einigung zustande komme, wäre es unter Umständen auch möglich, den gewünschten Zuschuß von DM 30000,- zu gewähren.
StaatssekretärDr. Guthsmuths weist darauf hin, daß die Hauptschwierigkeit in Garmisch-Partenkirchen darin bestehe, daß immer noch rund 1100 Betten dem Fremdenverkehr entzogen seien, und zwar zum weitaus größten Teil von den Amerikanern. Er halte es für notwendig, daß die Gemeinde einen genau detaillierten Vorschlag vorlege, in dem die einzelnen Bauten aufgeführt seien.
Staatssekretär33
Aus einem Brief, den er erhalten habe, gehe hervor, daß zunächst nicht DM 220000,-, sondern nur DM 168 000,- benötigt würden, wovon Garmisch-Partenkirchen selbst DM 25000,- übernehmen wolle. Die Gemeinde schlage vor, daß der bayerische Staat bis zur Einigung mit dem Bund in den nächsten 14 Tagen DM 35000,-, im September weitere DM 35000,- und den Rest dann im Oktober beisteuere.Dr. Ringelmann meint, zunächst müssten wohl die neuen Vorschläge geprüft werden, wenn eine klare Aufstellung vorliege.
StaatssekretärDr. Hoegner stimmt zu und erklärt, heute könne noch keine Entscheidung getroffen werden.
Stv. MinisterpräsidentDr. Brenner spricht sich nochmals dafür aus, möglichst bald einen Weg zu finden, um Garmisch-Partenkirchen zu helfen.
StaatssekretärDr. Hoegner wird beschlossen, die Staatsministerien der Finanzen, für Unterricht und Kultus und für Wirtschaft zu beauftragen, entsprechende Verhandlungen zu führen und dem Ministerrat in absehbarer Zeit einen Vorschlag zu unterbreiten.34
Auf Vorschlag des Herrn Stv. MinisterpräsidentenDr. Hoegner stellt fest, daß in dieser Angelegenheit die Entscheidung bereits gefallen sei, nachdem der Bundesrat einer „Rechtsverordnung über die Unterbringung der Sowjetzonen-Flüchtlinge“ zugestimmt habe.36 Es bleibe jetzt wohl nichts anderes übrig, als weitere Schritte des Bundes abzuwarten.37
Stv. MinisterpräsidentDr. Hoegner gibt bekannt, daß das vom Ministerrat angeforderte Gutachten des Staatsministeriums der Justiz über die Frage, inwieweit die Staatsregierung an Beschlüsse des Senats gebunden sei, vorliege. Das Gutachten stelle sich ebenso wie eine bereits früher ausgearbeitete Stellungnahme der Staatskanzlei auf den Standpunkt, daß der Senat nicht berechtigt sei, Anträge und Eingaben zu behandeln. Es sei allen Mitgliedern des Kabinetts zugegangen, er bitte, davon Kenntnis zu nehmen. Außerdem schlage er vor, daß die Staatskanzlei beauftragt werde, das Gutachten des Staatsministeriums der Justiz dem Senat zuzuleiten.
Stv. MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Abschließend wird noch vereinbart, in der nächsten Ministerrats-Sitzung u.a. den Gesetzentwurf zur Ergänzung des Gesetzes zur Durchführung des §413 der StPO zu behandeln.