Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Regierungsdirektor Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium).
I. Bundesratsangelegenheiten. II. Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte und der Bürgermeister (Gemeindewahlgesetz). III. Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes. IV. Anträge auf vorgriffsweise Bewilligung von Mitteln des ao. Haushalts 1951. V. Antrag des Rechtsanwalts Dr. Karl Pokorny, Straubing, auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §2 der Oberpolizeilichen Vorschriften über die Öffentliche Verbreitung von Plakaten, Flugblättern und Flugschriften. VI. Besprechung der Pfalzfrage. VII. Entwurf eines Landesplanungsgesetzes. VIII. Entwurf eines Gesetzes über die Ernennung von Beamten auf Zeit bei den Oberversicherungsämtern. IX. Finanzlage des Bayer. Roten Kreuzes. X. Strafanzeige gegen Josef Punzet in München wegen Beleidigung der Staatsregierung. XI. Aufführung eines Stückes über Admiral Canaris. XII. [Minister-Fahrer]. [XIII. Dirnenunwesen]. [XIV. Deutsche Angestelltengewerkschaft]. [XV. Verhaftung von deutschen Staatsangehörigen durch die CID]. [XVI. Treckvereinigung Kulmbach]. [XVII. Anschluss von Waschbecken im Neubau des Innenministeriums]. [XVIII. Ausbau von Kraftwerken an der Loisach]. [XIX. Norwegisch-Schweizerische Lotterie]. [XX. Lager Föhrenwald]. [XXI. Einweihung des neuen Börsensaales in München].
A) Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrats vom 18. Januar 1952
1. Entwurf eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen1
Dr. Gerner weist darauf hin, daß die Frage der Zuständigkeit des Bundes von den beteiligten Bundesministerien und vom Wirtschaftsausschuß gegen die Auffassung Bayerns bejaht worden sei. Der Koordinierungsausschuß empfehle, hinsichtlich der §§3 und 4 keinen Antrag zu stellen, vorausgesetzt, daß der Ministerrat die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht für so schwerwiegend erachte, daß der Entwurf grundsätzlich abgelehnt werden müsse.2
Regierungsdirektor3
Es wird beschlossen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und keine Einwendungen zu erheben.2. Entwurf eines Gesetzes über das erste Protokoll vom 27. Oktober 1951 über zusätzliche Zugeständnisse zum allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Südafrikanische Union und Bundesrepublik Deutschland)4
Bedenken werden nicht erhoben.
3. Außerkraftsetzung der Verordnung PR 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29.11.1951 ( BGBl. I S. 920)5
Dr. Gerner führt aus, der Rechtsausschuß habe empfohlen, den hessischen Antrag auf Außerkraftsetzung der Mietpreisverordnung PR 71/51 wegen mangelnder Zustimmung des Bundesrats abzulehnen. Er selbst habe sich dabei der Stimme enthalten, da noch kein Kabinettsbeschluß Vorgelegen habe.
Regierungsdirektor6 auf den Standpunkt gestellt, daß die Zustimmung des Bundesrats erforderlich sei und deshalb der hessische Antrag unterstützt werden müsse.7
Der Koordinierungsausschuß habe sich mit Ausnahme der Vertreterin des WirtschaftsministeriumsDr. Oechsle erklärt, die Frage, ob diese Verordnung grundlegende Auswirkungen auf die Lebenshaltungskosten habe, könne nicht vom Rechtsausschuß entschieden werden.
StaatsministerDr. Seidel entgegnet, auch der Wirtschaftsausschuß habe dies geprüft, er habe darüber im letzten Ministerrat berichtet.8 Der Wirtschaftsausschuß sei zu der Auffassung gekommen, daß keine grundlegenden Veränderungen zu erwarten seien, insbesondere was die Ladenmieten betreffe.
StaatsministerDr. Ehard stellt fest, der Antrag Hessens gehe dahin, die Verordnung für rechtsunwirksam zu erklären; damit hoffe man, daß die Bundesregierung die Verordnung von sich aus aufhebe. Er halte es aber für richtig, wenn Hessen von sich aus das Bundesverfassungsgericht anrufe.
MinisterpräsidentDr. Gerner fügt hinzu, Hessen lege offensichtlich Wert auf die Meinung des Bundesrats und zwar in der Richtung, daß die Verordnung rechtsunwirksam sei, weil die gesamte Lebenshaltung betroffen werde.
RegierungsdirektorDr. Hoegner wirft ein, auch das Innenministerium stehe auf dem Standpunkt, daß die Zustimmung des Bundesrats notwendig sei.
Stv. MinisterpräsidentDr. Seidel glaubt, man müsse zu einer Verneinung der grundlegenden Bedeutung kommen, weil die Verordnung nur einzelne Maßnahmen enthalte. Im übrigen würden zum Teil die Bestimmungen nachträglich wieder erheblich eingeschränkt.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, der erste Antrag Hessens störe ihn eigentlich nicht, da man ja daraufhin sagen könne, Hessen solle sich an das Bundesverfassungsgericht wenden. Der Antrag allerdings auf Außerkraftsetzung der Mietpreisverordnung sei weit schwieriger.
MinisterpräsidentDr. Seidel berichtet anschließend im einzelnen über die Bestimmungen der Verordnung und ihre voraussichtlichen Auswirkungen. Auch ihm sei die Verordnung nicht ungenehm, er befürchte aber, es werde nicht viel erreicht, wenn man sich dem hessischen Antrag anschließe.
StaatsministerDr. Gerner schlägt daraufhin vor, folgendermaßen zu verfahren:
Regierungsdirektor1. Die Verordnung ist nach Meinung des Bundesrats rechtsunwirksam, darüber entscheiden müsse aber das Bundesverfassungsgericht;
2. der Antrag auf Außerkraftsetzung kann erst dann gestellt werden, wenn das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat.
Der Ministerrat erklärt sich gegen die Stimme des Herrn Staatsministers Dr. Seidel mit diesem Vorschlag einverstanden.
Dr. Gerner fährt fort, auch hinsichtlich der im BGBl. I 1951, S.926 veröffentlichten Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz9 halte der Koordinierungsausschuß daran fest, daß zu ihrem Erlaß die Zustimmung des Bundesrats nach Art. 80 Abs. 2 GG erforderlich gewesen wäre.10 Außerdem werde die aus §53 Abs. 2 des Mieterschutzgesetzes11 abgeleitete Ermächtigung für zu unbestimmt gehalten.
RegierungsdirektorDr. Koch wendet ein, seiner Meinung nach könne man sich nicht auf Art. 80 Abs. 2 berufen, da „ausführen“ im Sinne dieser Bestimmung rein verwaltungsmäßig aufgefaßt werden müsse.
StaatssekretärDr. Gerner antwortet, denselben Einwand haben auch die Vertreter des Bundesjustizministeriums gebracht. Der Koordinierungsausschuß glaube aber doch, an seiner Auffassung festhalten zu müssen.
Regierungsdirektor12
Der Ministerrat beschließt, der Meinung des Koordinierungsausschusses beizupflichten.4. Entwurf einer Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen (Überleitungs- und Einrichtungsverordnung)13
Dr. Gerner führt aus, im Gegensatz zum Wirtschaftsausschuß schlage der Finanzausschuß erneut vor, die Beschlußfassung über diesen Entwurf zurückzustellen.14
RegierungsdirektorDr. Koch hält die Zurückstellung für notwendig und schlägt vor, dies im Bundesrat zu erklären.
Auch Staatssekretär15
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.5. Benennung von fünf Mitgliedern des Verwaltungsrates der deutschen Bundesbahn16
Dr. Gerner weist darauf hin, daß dieser Punkt voraussichtlich von der Tagesordnung abgesetzt werde.
RegierungsdirektorDer Verkehrsausschuß werde übrigens am 24. Januar zur Vorbereitung der Wahl zusammentreten.
17
Der Ministerrat erhebt gegen die Absetzung keine Bedenken.6. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten18
Dr. Gerner fährt fort, der Koordinierungsausschuß empfehle, nach Maßgabe der Änderungsvorschläge des Ausschusses für Innere Angelegenheiten und des Rechtsausschusses keine Einwendungen zu erheben.19
RegierungsdirektorDr. Hoegner erklärt dagegen, durch dieses Gesetz werde die Tätigkeit der Polizei erneut beschränkt, die bisher wenigstens die Möglichkeit gehabt habe, die Dirnen von bestimmten Örtlichkeiten fernzuhalten.20 In diesem Entwurf stehe aber davon nichts mehr drin, so daß er sich nicht viel davon erwarten könne.
Stv. MinisterpräsidentDr. Müller spricht sich dafür aus, wenigstens den Versuch zu machen, eine derartige Bestimmung wieder hineinzubringen.
StaatsministerDr. Ehard regt an, von Bayern aus ein eigenes Gesetz zu machen.
MinisterpräsidentDr. Hoegner stimmt zu, meint aber, vorher sollte man sich erkundigen, ob die Bundesregierung etwas derartiges vorbereite.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard erwidert, er werde Herrn Ministerialdirektor Leusser21 beauftragen, sich nach den Absichten der Bundesregierung zu erkundigen, ferner festzustellen, ob schon Pläne bei anderen Ländern bestünden.
Ministerpräsident22
Der Ministerrat beschließt, gegen das Gesetz keine Einwendungen zu erheben, aber nach entsprechender Erkundigung den Erlaß eines bayerischen Gesetzes vorzubehalten.7. Entwurf einer Dritten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen23
24
Der Ministerrat beschließt, den Entwurf nach Maßgabe der sich aus der Bundesratsdrucksache Nr. 798/1/51 ergebenden Änderungen zuzustimmen.8. Entwurf einer Vierten Verordnung zur Bekämpfung der Papageienkrankheit25
Es wird festgestellt, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird.
9. Entwurf einer Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Änderung der Gebührenordnung)26
27
Der Ministerrat beschließt, der Empfehlung des Koordinierungsausschusses entsprechend weiter an der ablehnenden Stellungnahme festzuhalten.10. Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes28
29
Es wird beschlossen, die Abänderungsvorschläge des Finanzausschusses zu übernehmen, im übrigen aber keine weiteren Einwendungen zu erheben.11. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts30
Dr. Gerner berichtet, der Koordinierungsausschuß habe sich grundsätzlich den Empfehlungen des Finanzausschusses angeschlossen.31 Der Vertreter des Finanzministeriums32 habe allerdings erklärt, in seinem Ministerium bestünden Bedenken gegen die Vorschläge des Finanzausschusses.33
RegierungsdirektorZietsch stellt fest, daß diese Bedenken nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Staatsminister34
Der Ministerrat beschließt daraufhin, sich den Empfehlungen des Finanzausschusses anzuschließen.12. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Grundsteuer-Durchführungsverordnungen35
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Es wird beschlossen, dem Verordnungsentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage unverändert zuzustimmen und sich für die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 23. November 1951 auszusprechen.13. Entwurf einer Verwaltungsanordnung über die Durchführung einer Einkommen- und Körperschaftsteuerstatistik für das Kalenderjahr 195037 Bedenken werden nicht erhoben.
14. Bestellung eines Erbbaurechts an einem reichseigenen Grundstück Mariensiel bei Wilhelmshaven38
und
15. Belastung eines Teils der Liegenschaft der durch Entmilitarisierungsmaßnahmen zerstörten ehemaligen Torpedoversuchsanstalt Nord in Eckernförde mit einem Erbpachtrecht zugunsten der Jagd- und Sportwaffenfabrik J.P. Sauer & Sohn AG in Eckernförde39
Auch hier werden keine Bedenken erhoben.
16. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen40
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Der Ministerrat beschließt, nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge des Rechtsausschusses keine Einwendungen zu erheben.17. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht42
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Dem Vorschlag des Rechtsausschusses und des Koordinierungsausschusses entsprechend wird beschlossen, von einer Äußerung und einem Beitritt abzusehen.18. Benennung der 19 vom Bundesrat zu bestellenden Mitglieder für die Aufnahme- und Beschwerdeausschüsse im Notaufnahmeverfahren Berlin44
Dr. Gerner weist darauf hin, daß eine entsprechende Drucksache noch nicht vorliege und eine Stellungnahme deshalb nicht möglich sei. Voraussichtlich werde man aber die Vorschläge des Ausschusses für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen übernehmen können.45
RegierungsdirektorB) Sitzung des Bundesratsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Auswärtige Ausschuß werde am Donnerstag, den 17. Januar zusammentreten und sich insbesondere mit dem Schuman-Plan befassen.46 Bekanntlich habe der Bundesrat seinerzeit fünf Vorbehalte gemacht, von denen die meisten inzwischen aus der Welt geschafft seien.47 Übrig bleibe eigentlich nur die Forderung des Bundesrats auf Mitwirkung, die vom Bundestag abgelehnt worden sei.48 Anscheinend habe man Nordrhein-Westfalen, das ja in erster Linie interessiert sei, eine nochmalige Besprechung im Bundeskabinett zugesichert. Man müsse nun die Frage entscheiden, ob der Bundesrat versuchen könne oder wolle, die Ratifizierung des Schuman-Plans zu verzögern. Dabei bleibe die Frage, ob es sich hier um ein Zustimmungsgesetz handle, noch offen. Persönlich halte er es aber für sehr zweifelhaft, ob man tatsächlich an der Meinung, hier liege ein Zustimmungsgesetz vor, festhalten könne. Solle man nun wegen der nicht erreichten Mitwirkung des Bundesrats etwas unternehmen, z.B. den Vermittlungsausschuß anrufen?
Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, die erste Frage sei wohl die, ob ein Zustimmungsgesetz vorliege oder nicht.
Ministerpräsident Dr. Ehard antwortet, wenn ja, komme das Gesetz erst zustande, wenn der Bundesrat zustimme, Nordrhein-Westfalen habe eine Reihe von Gutachten eingeholt, die seinen Standpunkt erhärteten. Jedenfalls verlasse Bayern seine grundsätzliche Meinung nicht, wenn es sich auf den Standpunkt stelle, daß es sich hier um ein Zustimmungsgesetz handle.
Regierungsdirektor Dr Gerner fügt hinzu, was die zweite Frage, nämlich die Mitwirkung der Länder betreffe, so sei es möglich, daß Nordrhein-Westfalen beantragen werde, der Bundesrat möge einen Initiativantrag wegen des Mitwirkungsrechts stellen.
Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich dafür aus, einen solchen Antrag von Bayern aus zu unterstützen.
Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu, meint aber, zunächst müsse man wohl abwarten, wie sich die Beratungen im Auswärtigen Ausschuß abwickeln würden.
Staatssekretär Dr. Koch erkundigt sich, was zu geschehen habe, wenn ein solcher Antrag von Nordrhein-Westfalen nicht gestellt werde.
Ministerpräsident Dr. Ehard antwortet, sein Bestreben sei, dahin zu kommen, daß alle Probleme im Ausschuß schon klargestellt würden; die Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetz aber unter allen Umständen davon abhängig zu machen, daß die Mitwirkung der Länder zustande komme, halte er doch für etwas bedenklich.
Regierungsdirektor Dr. Gerner gibt zu bedenken, daß der Vermittlungsausschuß nur angerufen werden könne, wenn es sich um die Änderung des Ratifikationsgesetzes handeln würde, das sei aber nicht möglich.
Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß die Entscheidung, ob der Bundesrat jetzt nach der Abstimmung im Bundestag noch ablehnen könne, rein politischer Art sei.
Staatssekretär Dr. Koch meint, wenn überhaupt keine Möglichkeit der Mitwirkung der Länder bestehe, sei der Föderalismus erledigt.
Staatsminister Dr. Seidel hält einen Initiativantrag nicht für zweckmäßig, die Bundesregierung habe aber die Möglichkeit, in irgend einer Form die Länder einzuschalten.
Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, folgendermaßen zu verfahren:
Zunächst werde abgewartet, wie die Verhandlungen im Ausschuß verliefen; hier könne man erklären:
1. es handle sich um ein Zustimmungsgesetz,
2. wenn ein Initiativgesetzentwurf von Nordrhein-Westfalen vorgelegt werde, schließe sich Bayern an. Dabei könne wegen der Zustimmung gesagt werden, diese werde wesentlich davon abhängen, wie sich die Mitwirkung der Länder gestalten werde.
Staatsminister Dr. Seidel ist der Auffassung, daß es sich hier doch um einen sehr schwerwiegenden Beschluß handle.
Ministerpräsident Dr. Ehard antwortet, sein Vorschlag sei nur unverbindlich als Richtlinie für das Vorgehen im Auswärtigen Ausschuß, dessen Entscheidung werde ja wesentlich von Nordrhein-Westfalen abhängen.
Der Ministerrat erklärt sich mit dem vorgeschlagenen Weg einverstanden.49
Dr. Hoegner führt aus, Art. 119 Abs. 3 der neuen Gemeindeordnung bestimme,51 daß das Gemeindewahlgesetz vom 27. Februar 194852 unter Anpassung an die Vorschriften der neuen Gemeindeordnung neu zu erlassen sei. Die sich aus der neuen Gemeindeordnung ergebenden Änderungen seien im anliegenden Entwurf in den Art. 6, 17, 29, 30, 31, 33 und 34 Abs. 2 berücksichtigt. Wahrscheinlich werde sich zu Art. 29 noch eine Änderung ergeben, da der Senat einen Zusatz vorgeschlagen habe, der voraussichtlich vom Landtag berücksichtigt werde. Außerdem werde bestimmt bei den Beratungen im Landtag auch die Frage auftauchen, ob nicht eine 5% Klausel eingeführt werden solle. Er sei aber der Meinung, daß man diesen Punkt dem Landtag überlassen und den Entwurf in der vorliegenden Fassung weitergeben könne.
Stv. Ministerpräsident53
Was den ebenfalls schon ausgearbeiteten Entwurf eines neuen Landkreiswahlgesetzes betreffe, so sei es wohl zweckmäßig, mit dessen Beratung noch zuzuwarten.54
Der Ministerrat beschließt, den Entwurf des neuen Gemeindewahlgesetzes in der vorliegenden Form an den Landtag zu geben.Dr. Ehard teilt mit, diese Verordnung solle an die Stelle der bisherigen Durchführungsverordnung zum Flüchtlingssiedlungsgesetz vom 11. November 1949 treten,56 deren Neufassung sich aus den Erfahrungen der Praxis heraus als notwendig erwiesen habe.57 Der Entwurf sei mit den beteiligten Ministerien und Organisationen besprochen worden, wobei allgemeines Einverständnis erzielt worden sei. Die Angelegenheit sei deshalb eilig, weil die Verordnung noch vor dem 1. Februar 1952, an welchem Tag sie in Kraft treten solle, verkündet werden müsse,
Ministerpräsident58
Der Ministerrat erklärt sich mit dem Entwurf einverstanden.Der Ministerrat beschließt auf Vorschlag des Staatsministeriums des Innern beim Präsidenten des Bayer. Landtags einen Antrag vorzulegen, wonach das Staatsministerium des Innern durch Beschluß ermächtigt werden soll
a) zum Ausbau der ehemaligen Jägerkaserne in Eichstätt für die Bayerische Bereitschaftspolizei vorgriffsweise vor Verabschiedung des Staatshaushalts 1951 einen weiteren Betrag von 800000 DM und
59
b) zur Fertigstellung der Bauarbeiten zum Ausbau des Arbeitshauses Rebdorf für die Bayerische Bereitschaftspolizei vor Verabschiedung des Staatshaushalts 1951 einen Gesamtbetrag bis zu 600000 DM zu verausgaben.Dr. Ehard ersucht um Zustimmung des Ministerrats, den vom Staatsministerium des Innern vorgeschlagenen Regierungsdirektor Dr. Mayer61 zum Vertreter der Staatsregierung in der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 1952 in der oben bezeichneten Sache zu bevollmächtigen.
MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt, so zu verfahren.
Dr. Seidel führt aus, seines Erachtens seien Reisen usw. in die Pfalz nicht so wichtig,62 wie eine intensive Beschäftigung mit dem Art. 29 des Grundgesetzes. Nach diesem Artikel habe die Neugliederung des Bundesgebiets unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges zu erfolgen.63 Von Bayern aus sei im allgemeinen die Beweisführung leicht mit Ausnahme der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit, da sich in den letzten Jahren doch ein weitgehender Strukturwandel vollzogen habe. Er rate deshalb, gerade diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit zu widmen und rege einen Ministerratsbeschluß an, daß wegen der Voraussetzungen in Art. 29 Vorbereitungen in den einzelnen Ressortministerien eingeleitet würden, damit nach etwa 1/2 Jahr vernünftiges Material vorliege, das man zunächst für die Propaganda und später für die Beratungen in den gesetzgebenden Körperschaften verwenden könne.
StaatsministerDr. Ehard stimmt diesem Vorschlag zu, der im wesentlichen wohl Wirtschafts-, Kultus- und Arbeitsministerium betreffe.
MinisterpräsidentDr. Seidel empfiehlt, der Staatskanzlei die Federführung zu übertragen, damit zunächst in Referentenbesprechungen der allgemeine Plan für diese Arbeiten aufgestellt werden könne.
StaatsministerDer Ministerrat faßt folgenden Beschluß:
29 Abs. 1 GG notwendigen Vorbereitungen, wobei der Staatskanzlei die Federführung übertragen wird.64
Die einzelnen Ressortministerien treffen die aus Art.und
Der Ministerrat beschließt, die Beratung dieser beiden Gesetzentwürfe noch zurückzustellen.
Dr. Ehard teilt mit, der Präsident des Bayer. Roten Kreuzes68 habe ihm eine Denkschrift über die Lage seines Verbands überreicht, wonach der Etat mit einem Defizit von 440000 DM abschließt, der sich durch einen staatlichen Zuschuss auf 190000 DM mindern werde.69
MinisterpräsidentZietsch berichtet im einzelnen über die Zuschüsse an das Rote Kreuz und teilt mit, der Bund habe eine Million DM als Zuschuß für das gesamte Deutsche Rote Kreuz vorgesehen. Die bayerischen Mittel, die zur Verfügung gestellt würden, seien recht beachtlich, er glaube nicht, daß man sie erhöhen könne; er werde aber den Antrag des Herrn Präsidenten Dr. Geßler nachprüfen lassen.
StaatsministerDr. Ehard verliest eine Vormerkung, der zufolge der Ministerrat zu entscheiden habe, ob gegen einen Josef Punzet Strafantrag wegen Beleidigung der Mitglieder der Staatsregierung gestellt werden solle.
MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt, keinen Strafantrag wegen Beleidigung der Staatsregierung zu stellen, dagegen das Ministerium des Innern zu beauftragen, gegen Punzet diesen Antrag wegen Beleidigung der Regierung von Oberbayern zu stellen.
Dr. Müller stellt fest, daß die Darstellung der „Neuen Zeitung“ über seine Unterredung mit dem Autor des Stückes absolut unrichtig sei; insbesondere sei von Staatsanwalt, Verfassungsschutz usw. überhaupt keine Rede gewesen.71 Die Witwe des Admirals Canaris habe noch ein weiteres Telegramm geschickt, in dem sie ihren Einspruch gegen die Aufführung aufrecht erhalte. Nach wie vor betone er, daß die Aufführung des Stückes an einer anderen Bühne nicht verhindert werden könne. Die Frage, ob das Stück eine Verunglimpfung darstelle, sei rein privatrechtlicher Natur.
StaatsministerDr. Schwalber erwidert Ministerpräsident Dr. Ehard, auf eine etwaige Anfrage im Landtag sei wohl am besten zu antworten: Von einem Verbot könne keine Rede sein, das Kabinett habe sich aber auf den Standpunkt gestellt, es sei unzweckmäßig und nicht erwünscht, auf einer staatlichen Bühne ein Stück zur Aufführung zu bringen, bei dem Schwierigkeiten verschiedenster Art zu erwarten seien.
Auf Frage von StaatsministerDr. Müller regt an, dieser Antwort vielleicht noch hinzuzufügen, es handle sich hier nicht um ein dramatisches sondern um ein politisches Experiment, das man nicht fördern könne.
StaatsministerDr. Schwalber fügt noch hinzu, auch im Rundfunkrat stehe die Uraufführungsbühne, die mit 8000 DM unterstützt worden sei, zur Debatte. Der Rundfunkrat habe sich alles Weitere Vorbehalten.72
StaatsministerZietsch ersucht, ihm die Äußerungen zu dem Vorschlag des Finanzministeriums bald zuzuleiten. Sie fehlten noch von der Staatskanzlei, dem Innen- und dem Wirtschaftsministerium.74
StaatsministerDr. Ehard teilt mit, Herr Penzel76 habe sich mit den Amerikanern in Verbindung gesetzt und es sei gelungen, vernünftige Abmachungen zu treffen. Er höre aber, daß die Polizei es bitter vermisse, daß sie keine Möglichkeit mehr habe, Razzien abzuhalten, diese seien nämlich auf Verlangen der Amerikaner aufgehoben worden.77 Er bitte den Herrn Staatsminister des Innern zu prüfen, ob man nicht doch die Razzien wieder einführen könne.
MinisterpräsidentDr. Hoegner sichert zu, diese Prüfung sobald als möglich durchzuführen.78
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard verliest ein Schreiben der Deutschen Angestelltengewerkschaft, in dem er gebeten werde, ähnlich wie der Herr Bundeskanzler einen Aufruf an die bayerische Industrie zu erlassen, nach Möglichkeit auch ältere Angestellte zu beschäftigen.79
MinisterpräsidentDr. Oechsle erklärt dazu, in der nächsten Woche werde bei ihm eine Besprechung mit allen beteiligten Verbänden und den Gewerkschaften stattfinden. Er bitte zunächst, das Ergebnis abzuwarten.80
StaatsministerDr. Ehard gibt ein Schreiben bekannt, wonach ohne Angabe von Gründen und ohne Verständigung der örtlichen Polizei in Würzburg ein Ehepaar verhaftet und - wie jetzt nach mehreren Wochen hervorgehe - in ein Gefängnis nach Salzburg gebracht worden sei.
MinisterpräsidentDr. Müller spricht sich dafür aus, offiziell bei der Besatzungsmacht nach diesem Fall anzufragen.
StaatsministerDr. Ehard meint, zunächst werde er sich bei den zuständigen Stellen erkundigen, notfalls könne dann immer noch eine offizielle Anfrage gemacht werden.
MinisterpräsidentDr. Ehard teilt mit, vor kurzem habe er ein Schreiben der sogenannten Treckvereinigung Bayern, die ihren Sitz in Kulmbach habe und um die Unterstützung der bayerischen Staatsregierung nachsuche, an Herrn Staatssekretär Dr. Oberländer gegeben.82 Dieser Tage sei nun ein weiterer Brief dieser Vereinigung eingelaufen.
MinisterpräsidentDr. Oberländer erwidert, im Augenblick seien diese Bestrebungen für die Verhandlungen in Bonn sehr wertvoll; zu den Eingaben der Treckvereinigung werde er in den nächsten Tagen Stellung nehmen.83
StaatssekretärDr. Hoegner erklärt, das Finanzministerium habe den Betrag von 6500 DM für den Anschluss von Waschbecken nicht genehmigt, eine Entscheidung, die er für nicht recht verständlich halte.
Stv. MinisterpräsidentZietsch antwortet, ihm sei davon nichts bekannt, er könne sich aber jetzt schon damit einverstanden erklären, daß dieser Betrag für den Einbau verwendet werde.
StaatsministerDr. Hoegner stellt fest, daß also 6500 DM bewilligt seien.
Stv. MinisterpräsidentDr. Hoegner gibt bekannt, die Oberste Baubehörde beabsichtige, den Ausbau der Loisach unterhalb Beuerberg der Isarwerke GmbH zu übertragen, das Bayernwerk habe aber ältere Zusicherungen. Er sei auch der Meinung, man müsse sich unbedingt auf den Standpunkt stellen, daß das Bayernwerk überhaupt als staatliche Aktiengesellschaft den Vorzug haben müsse. Er schlage deshalb einen Beschluß des Ministerrats vor dahingehend, daß der Ministerrat der Meinung sei, der Ausbau müsse der Bayernwerk AG übergeben werden, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen vorlägen.
Stv. Ministerpräsident85
Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.Dr. Oberländer teilt mit, die Norwegische Europahilfe86habe sich mit der Schweizer Europahilfe in Verbindung gesetzt und beabsichtige, in Bayern eine Lotterie mit bayerischer Hilfe zu veranstalten. Er könne feststellen, daß von diesen Organisationen schon bisher sehr viel geleistet worden sei. Bei dem Antrag handelt es sich darum, daß dieser Lotterie die Genehmigung erteilt werde.
StaatssekretärDr. Hoegner äußert Bedenken, da die Zahl der Sammlungen und Lotterien immer mehr zunehme, trotzdem glaube er, daß man die Sache nicht gut ablehnen könne.
Stv. MinisterpräsidentDr. Müller regt an, diese Lotterie im Zusammenwirken mit der Europa-Union87 zu machen.
Staatsminister88
Der Ministerrat beschließt, die Lotterie zu genehmigen.Dr. Oechsle macht darauf aufmerksam, der Präsident der Vereinigung der israelitischen DPs, Herr Weinberger,90 sei bei ihm gewesen um zu erklären, daß die Verhältnisse in Föhrenwald nicht erfreulich seien. Er habe angeregt, einen gemeinsamen Ausschuß für dieses Lager zu bilden.
StaatsministerDr. Oberländer erwidert, heute Morgen sei der Beirat von Föhrenwald bei ihm gewesen und habe eingehend seine Klagen vorgebracht, die zum Teil berechtigt gewesen seien. Das Ergebnis sei an sich befriedigend gewesen, das Lager bleibe aber ein neuralgischer Punkt, deshalb sei er sehr dafür, diesen Ausschuß zu bilden.91
StaatssekretärDer Ministerrat beschließt, Herrn Staatsminister Dr. Müller zu dieser Einweihung als Vertreter der Bayer. Staatsregierung zu entsenden.