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Nr. 27MinisterratssitzungDienstag, 15. Mai 1951 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Dr. Müller, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Dr. Zorn, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirigent Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner.

Tagesordnung:

I. Residenztheater. II. Gehaltserhöhung für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst. III. Gaswerk Ingolstadt. IV. Tabaksteuer. V. Landtagswahl in Markt Oberdorf-Füssen. VI. [Landeslastverteiler]. [VII. Konferenz der moralischen Aufrüstung in Amerika].

I. Residenztheater1

Staatsminister Dr. Zorn führt aus, das Finanzministerium sei völlig von der Tatsache überrascht worden, daß 4 Millionen [DM] mehr, wie ursprünglich vorgesehen, verbraucht worden seien. Es werde wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als diese Mittel aufzubringen, dafür sei aber die Genehmigung des Landtags erforderlich.

Staatsminister Dr. Schwalber erklärt, durch ein Gutachten müsse festgestellt werden, welche Arbeiten noch zwingend notwendig seien. Immer wieder sei etwas Neues bei dem Bau des Residenztheaters in Angriff genommen worden, und Mitte Februar2 habe er zum erstenmal erfahren, wie die Verhältnisse tatsächlich seien. Am 21. Februar 1951 habe er daraufhin angeordnet, daß die Haushaltsüberschreitung von damals 2 Millionen [DM] sofort eingehend geklärt werden müsse; gleichzeitig habe er überhaupt einen Bericht seines Ministeriums eingefordert und Vorschläge über eventuell mögliche Einsparungen verlangt.3 Übrigens habe er schon bei seinem Amtsantritt dem Obersten Rechnungshof vorgeschlagen, eine Überprüfung des Neubaues des Residenztheaters und des Schulbuchverlages vorzunehmen.

Am 28. Februar 1951 habe er dann Herrn Staatsrat Meinzolt eine Vormerkung geschickt, in der er seine Anordnung vom 21. Februar mitgeteilt und auf die Überschreitung von jetzt insgesamt 3,9 Millionen DM hingewiesen habe. In der Vormerkung habe er Herrn Staatsrat Meinzolt noch gebeten, den ganzen Vorgängen seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.4 Vor 14 Tagen habe eine neuerliche Besprechung im Baubüro des Residenztheaters stattgefunden mit dem Ergebnis, daß Staatsrat Dr. Meinzolt dem Intendanten Lippl5 die bauherrlichen Befugnisse entzogen habe.6 Jedenfalls habe er den Eindruck, daß Herr Lippl einfach darauflos gebaut habe.

Es sei sicher richtig, daß man zur Ausnützung des Residenztheaters auch ein Requisitenhaus habe bauen müssen, das später auch für Zwecke des Nationaltheaters dienen könne. Damit könnten aber die Überschreitungen nicht gerechtfertigt werden. Wie weit der frühere Staatssekretär, Herr Dr. Sattler, verantwortlich sei, müsse geklärt werden. Immerhin könne sich dieser auf die Zustimmung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses berufen.7

Er wiederhole nochmals, daß jetzt zunächst ein Gutachten erforderlich sei, welche Arbeiten unbedingt durchgeführt werden müßten, um das neue Haus völlig ausnutzen zu können. Vorsorglich habe er zunächst einmal alle Arbeiten einstellen lassen, es würden jetzt nur mehr einige wenige Arbeiter beschäftigt. Wahrscheinlich sei im großen Ausmaß mit Regiearbeiten gearbeitet worden.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für dringend notwendig, eine Antwort auf eine zu erwartende Interpellation im Landtag vorzubereiten.8

Staatsminister Dr. Schwalber erwidert, rechnungsmäßig sei wohl alles in Ordnung, zu klären sei aber die Frage, ob die Arbeiten wirklich notwendig gewesen seien und ob es zulässig sei, ohne die erforderliche Deckung weiter zu arbeiten. Jedenfalls stehe die Tatsache fest, daß die Bauleitung weiter gearbeitet habe, obwohl die vom Landtag bewilligten Mittel erschöpft gewesen seien.

Staatsminister Dr. Oechsle erkundigt sich, wer die neuen Bauabschnitte angeordnet habe und ob dies vielleicht vom Landbauamt9 ausgegangen sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält es für notwendig, daß Bauarbeiten in der Verantwortung der einzelnen Ministerien lägen, weil man dann auch die Möglichkeit habe, jeweils die Oberste Baubehörde zum Bericht zu veranlassen.

Staatssekretär Dr. Nerreter wirft ein, eine sofortige Klärung sei unbedingt erforderlich und er werde das Notwendige in der Obersten Baubehörde veranlassen. Zunächst müsse festgestellt werden, wer fortwährend Aufträge gegeben habe, obwohl die Mittel erschöpft gewesen seien.

Staatsminister Dr. Schwalber wiederholt nochmals, daß die ganze Sache nicht abgeschlossen sei, noch weiter gebaut werden müsse, weshalb er auch ein Gutachten brauche.

Staatsminister Dr. Zorn erklärt, man müsse sich wohl überlegen, was zu tun sei, um jedenfalls für die Zukunft solche Vorfälle zu vermeiden. Leider kämen ja immer wieder Haushaltsüberschreitungen vor.

Staatsminister Dr. Schwalber gibt einen Überblick über den bisherigen Verlauf der Bauarbeiten und weist u. a. darauf hin, daß der ursprüngliche, im Frühjahr 1949 erstellte Voranschlag 5 Millionen DM vorgesehen habe. Beim Bau hätten sich dann große Schwierigkeiten technischer Art ergeben und es seien Kosten notwendig geworden, die man vorher nicht habe in Rechnung stellen können. Da der Haushaltsausschuß des Landtags auf Fertigstellung gedrängt habe, sei eine enge Verbindung mit diesem Ausschuß hergestellt worden. Im Winter 1950 habe man dann Herrn Intendant Lippl mit der Wahrnehmung der bauherrlichen Rechte beauftragt. Im August 1950 sei dann endgültig festgestellt worden, daß ein Betrag von 5,6 Millionen DM erforderlich sei, die Gesamtsumme einschließlich der Nebenbauten habe sich auf 7,5 Millionen DM erhöht. Da sowohl das Kultusministerium wie die Intendanz und der Haushaltsausschuß auf fristgemäße Fertigstellung gedrängt hätten, die Baukosten aber gestiegen seien, sei die Bauleitung gezwungen gewesen, entweder die genehmigten Mittel zu überschreiten oder die gestellte Frist nicht einzuhalten. Herr Staatssekretär Dr. Sattler habe infolgedessen am 22. November 1950 durch eine Entschließung erklärt, das Kultusministerium sei um Bereitstellung der zusätzlichen Betriebsmittel beim Finanzministerium bemüht und die notwendig gewordene Überschreitung werde durch das Kultusministerium geregelt.10 Er glaube nicht, daß das Baubüro des Residenztheaters irgendeine Haftung zu tragen habe, da es weisungsgemäß termingerecht fertigstellen mußte. Auf Grund der erwähnten Entschließung habe die Bauleitung die Arbeiten weitergeführt, obwohl hinsichtlich der Überschreitung der Mittel kein Zweifel mehr bestanden habe. Anfang 1951 sei dann eine große Rechnung vorgelegt und um entsprechende Zuweisungen von seiten des Ministeriums gebeten worden. Erst dadurch habe er von dem ganzen Umfang der Sache Kenntnis erhalten und die erwähnten Anweisungen getroffen. Die Stellungnahme des Obersten Rechnungshofes, von der er eingangs gesprochen habe, sei bisher noch nicht eingelaufen, sie werde aber wohl bald kommen. Jedenfalls könne er abschließend sagen, daß die Verantwortung einwandfrei geklärt werden könne.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, Herr Staatssekretär Dr. Sattler habe einmal um die Zuweisung eines Betrages von 300000 DM gebeten, er habe daraufhin zugestimmt und sich schließlich auch mit einer Erhöhung auf 500000 DM einverstanden erklärt. Nachher habe Dr. Sattler eine weitere Erhöhung auf 800000 DM beantragt, also eine Überschreitung um ca. 10%, womit das Finanzministerium auch einverstanden gewesen sei. Daß es sich tatsächlich um mehrere Millionen handle, habe auch er erst in jüngster Zeit erfahren.

Staatsminister Dr. Zorn schlägt vor, der Ministerrat möge eine Warnung an alle Behörden herausgeben, die Haushaltsgesetze zu beachten. Er glaube, daß damit zweifellos manches erreicht werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und meint, am besten sei es wohl, eine Entschließung des Ministerrats herauszugeben, daß Haushaltsüberschreitungen unter keinen Umständen mehr Vorkommen dürften; wenn tatsächlich eine Überschreitung unumgänglich sei, müßte eine besondere Genehmigung erteilt werden.

Staatssekretär Dr. Nerreter ersucht, die Beschlußfassung darüber bis zum nächsten Ministerrat zu verschieben, da er noch mit Herrn Staatsminister Dr. Hoegner darüber sprechen wolle.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, es handle sich hier ja nicht um eine besonders die Oberste Baubehörde angehende Aktion, sondern man könne diese Anweisung ganz allgemein halten. Den Text stelle er sich ungefähr so vor, daß erklärt werde, es bestehe Veranlassung, erneut darauf hinzuweisen, daß Haushaltsüberschreitungen nicht Vorkommen dürften usw.

Staatsminister Dr. Oechsle spricht sich dafür aus, daß das Finanzministerium an sämtliche Behörden entsprechend dem Ministerratsbeschluß eine Entschließung herausgebe, wonach die Haushaltsgesetze zu beachten seien und keine Überschreitungen der genehmigten Mittel vorgenommen werden dürften.

Ministerpräsident Dr. Ehard formuliert den Text folgendermaßen:

„Es besteht Veranlassung, erneut auf die früher schon erlassenen Anweisungen hinsichtlich der Überschreitung der genehmigten Haushaltsmittel aufmerksam zu machen. Haushaltsüberschreitungen sind ohne die Genehmigung des zuständigen Ministeriums nicht statthaft, falls sie ohne diese Genehmigung doch vorgenommen werden, sind sie disziplinär zu würdigen.“

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, notwendig sei die Zustimmung des Ressortministeriums und des Finanzministeriums.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich damit einverstanden.

Staatsminister Dr. Schlögl wirft ein, in der Praxis erfahre man meist erst nach Fertigstellung des Baues, wie hoch die Kosten eigentlich seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, Zweck der Anweisung sei der, daß das Finanzministerium alle Außenstellen davon unterrichte, daß ohne Zustimmung der Ressorts und des Finanzministeriums Überschreitungen nicht Vorkommen dürften. Das Finanzministerium könne diese Weisung als Beschluß des Ministerrats herausgeben.

Staatsminister Dr. Zorn regt an, diesen Beschluß durch die Presse bekanntzumachen.

Staatsminister Dr. Oechsle meint, was das Residenztheater betreffe, so müßten alle beteiligten Ressorts, also Kultusministerium, Finanzministerium und Oberste Baubehörde, einen zusammenfassenden Bericht vorlegen, damit im Landtag eine erschöpfende Antwort erteilt werden könne.

Staatsminister Dr. Schwalber verliest einen Bericht, wonach am 10. April 1951 endgültig die Überschreitung der Mittel um 3,6 Millionen DM festgestellt worden sei.11 Er habe die Oberste Baubehörde daraufhin gebeten, die erforderlichen Prüfungen vorzunehmen und unter anderem erklärt, es müsse festgestellt werden, wer die Aufträge erteilt habe, worin die Überschreitungen bestehen und womit sie begründet würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht nochmals, das Finanzministerium möge den heutigen Beschluß des Ministerrats an alle Ministerien weitergeben mit dem Ersuchen, sämtliche Außenstellen entsprechend zu verständigen.

Außerdem sei ja neulich schon beschlossen worden, daß eine Klärung der Vorgänge beim Residenztheater bereits vorgenommen und die Verantwortlichen festgestellt würden. Im übrigen habe der Herr Kultusminister ja auch den Bericht des Obersten Rechnungshofes angefordert. Man könne wohl im Landtag mitteilen, daß eine Disziplinaruntersuchung bereits beschlossen worden sei, um die Feststellung der Verantwortlichkeit herbeizuführen. Darüber hinaus habe sich der Ministerrat ja auch schon mit der Frage befaßt und müsse das weiter tun, inwieweit alle Staatsbauten unter die Verantwortung des zuständigen Ressorts und des Finanzministerium kommen könnten.12

Staatsminister Dr. Schwalber stimmt zu und erklärt, er lehne es in Zukunft ab, vor dem Landtag Haushaltsüberschreitungen vertreten zu müssen, von denen er keine Kenntnis gehabt habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht daraufhin Herrn Staatssekretär Dr. Nerreter, Vorschläge für eine Ministerialentschließung auszuarbeiten, wonach künftig bei jedem Bau innerhalb eines Ressorts die haushaltliche Verantwortung beim Ressortminister und beim Finanzministerium liege. Grundsätzlich könne das wohl heute schon beschlossen werden.

Staatsminister Dr. Müller spricht sich dafür aus, im Finanzministerium eine Stelle zu errichten, die alle staatlichen Bauten überblicken könne und die Verantwortung mitzutragen habe; natürlich brauche man dazu Fachleute, die auch wirklich alles beurteilen könnten.

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, jetzt sei es so, daß jedes Ressort seine Pauschalbeträge erhalte, die von der Obersten Baubehörde auf die verschiedenen Bauvorhaben aufgeteilt würden, ohne daß das Finanzministerium etwas davon erfahre. Wenn das Bauamt erkläre, noch weitere Mittel zu brauchen, müsse es sich an die Oberste Baubehörde wenden, die innerhalb ihrer Befugnisse Verschiebungen vornehmen könne. Die Schwierigkeiten würden dann dadurch entstehen, daß die Oberste Baubehörde ihre Reserven verbraucht habe und nicht mehr in der Lage sei, für unbezahlte Rechnungen aufzukommen. Man müsse wieder dazu kommen, daß jeder Bau selbständig veranschlagt werde, wie es früher der Fall gewesen sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt zu und weist darauf hin, daß man ja deswegen heute einen grundsätzlichen Beschluß gefaßt habe, die Einzelheiten könne dann Herr Staatssekretär Dr. Nerreter in Verbindung mit dem Finanzministerium festlegen.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, auch die Haushaltsreferenten der einzelnen Ministerien zusammenzurufen, die aus ihren Erfahrungen berichten könnten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt sich damit einverstanden und betont ebenfalls, daß die geplante Entschließung sehr sorgfältig vorbereitet werden müsse.

Staatsminister Dr. Oechsle befürwortet strengste Haushaltskontrolle, meint aber, es würde zu weit gehen, wenn alles beim Finanzministerium zentralisiert werde. Verantwortlich sei in erster Linie der Ressortminister, wenn dieser merke, daß die Mittel nicht ausreichten, müsse er sich rechtzeitig mit dem Finanzministerium in Verbindung setzen.

Ministerpräsident Dr. Ehard faßt die Erörterung dahingehend zusammen, daß zunächst eine Ressortbesprechung zwischen Finanzministerium, Innenministerium und den Haushaltsreferenten der übrigen Ministerien stattfinden müsse. Jedenfalls sei sich das Kabinett wohl darüber einig, daß es so wie bisher nicht bleiben könne, da weder das Ressortministerium noch das Finanzministerium die Verantwortung allein übernehmen könne.

Staatsminister Dr. Schwalber stellt nochmals zu dem Problem des Residenztheaters übergehend fest, daß er im Februar das Finanzministerium über das Defizit von 3 Millionen DM unterrichtet habe. In seiner Mitteilung habe er auch geschrieben, daß der Haushaltsausschuß des Landtags die fristgemäße Fertigstellung des Theaters beschlossen habe. Darin könne zweifellos eine Deckung für Herrn Staatssekretär Dr. Sattler erblickt werden. Die Überschreitungen der verfügten Mittel seien bekannt gewesen, sonst hätte der Haushaltsausschuß nicht sagen können, die erforderlichen Mehrbeträge sollten in den außerordentlichen Haushalt eingesetzt werden.13

II. Gehaltserhöhung für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst14

Staatssekretär Dr. Ringelmann führt aus, die Tarifgemeinschaft der deutschen Länder15 habe in den letzten Tagen mit den Gewerkschaften über die Gehaltserhöhung verhandelt, zunächst mit dem Ergebnis, daß wahrscheinlich eine Einigung auf der Basis 15% zustande gekommen wäre. Plötzlich sei dann die Mitteilung eingetroffen, daß die Bundesregierung eine Erhöhung der Beamtengehälter um 20% beschlossen habe.16 Daraufhin hätten die Gewerkschaften gefordert, heute noch gleichfalls über 20% abzuschließen. Er habe daraufhin erklärt, die Länder müßten abwarten, bis eine genaue Mitteilung über die Bundesregierung eingetroffen sei. Von seiten der Gewerkschaften sei dann eine Frist bis 16. Mai eingeräumt und eine Reihe von Forderungen aufgestellt worden, nämlich Abgabe einer Erklärung, daß eine Erhöhung um 20% die Grundlage für Verhandlungen bilden solle, erhöhte Kinderzuschläge, Revidierung der Löhne der Arbeiter unter 16 Jahren, Erhöhung der Arbeiterlöhne überhaupt und rückwirkende Erhöhung auf den 1. April 1951. Nachher habe ihm der Bundesfinanzminister bestätigt, daß der Beschluß des Bundeskabinetts tatsächlich in der mitgeteilten Form gefaßt worden sei.

Die Situation der Länder sei außerordentlich schwierig, zumal nicht damit gerechnet werden könne, daß das Bundeskabinett seinen Beschluß wieder rückgängig mache. Bei der Entscheidung des Kabinetts, die heute erforderlich sei, müsse man sich darüber klar sein, daß 15%ige Erhöhung schon 44,7 Millionen DM betrage, während eine weitere Erhöhung auf 20% zusätzlich 19 Millionen DM erfordere. Dabei seien die Gemeinden noch gar nicht berücksichtigt. Außerdem müsse man damit rechnen, daß auch noch der Personenkreis aus Art. 131 GG, die Rentner, die Kriegsopfer usw. Forderungen aufstellen würden.

Eine Erhöhung der Arbeiterlöhne um 20 Pfg. pro Stunde sei unannehmbar, besonders wenn man berücksichtige, daß ein Facharbeiter gegenüber einem Index von 100 im Jahre 1938 nunmehr 161% erhalte, ein ungelernter Arbeiter 144%. Wenn sich Bayern weigere, den 20% zuzustimmen und es nicht gelinge, für diesen Standpunkt eine 2/3 Mehrheit zu erhalten, werde die Tarifgemeinschaft auseinanderbrechen. Wahrscheinlich werde sich in der Tarifgemeinschaft keine Mehrheit finden.

Staatsminister Dr. Zorn spricht sich dafür aus, von Bayern aus der vorgeschlagenen Erhöhung auf 20% nicht zuzustimmen, während Ministerpräsident Dr. Ehard, unterstützt von Staatsminister Dr. Oechsle, meint, es werde für ein Land außerordentlich schwierig sein, sich den Konsequenzen zu entziehen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt noch hinzu, daß am 18. Mai die entscheidende Sitzung der Tarifgemeinschaft mit den Gewerkschaften stattfinden werde, während sich der Finanzausschuß des Bundesrates am 17. Mai damit befassen werde.

Staatsminister Dr. Zorn wiederholt nochmals, daß es notwendig sei, ebenso wie bei den Beamten auch bei den Angestellten und Arbeitern zunächst auf dem bisherigen Standpunkt zu beharren, daß nur eine Erhöhung um 15% tragbar sei.

Staatsminister Dr. Oechsle meint, am besten sei es wohl, zunächst festzustellen, daß Bayern bei 15% bleibe, solange nicht genau feststehe, wie die Bundesregelung lauten werde. Jedenfalls sollte man sich vorläufig nicht festlegen.

Staatsminister Dr. Zorn weist noch darauf hin, daß auch der Haushaltsausschuß des Landtags die Erhöhung um 15% für durchaus annehmbar erklärt habe.

Der Ministerrat beschließt, vorläufig diesen Standpunkt einzunehmen.

III. Gaswerk Ingolstadt

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, einer Vormerkung des Staatsministeriums des Innern zufolge habe die Oberste Baubehörde in Verbindung mit dem Bundeswirtschaftsministerium die Errichtung eines Gaswerks der Stadt Ingolstadt untersagt.17 Nach Auffassung des Innenministeriums, vor allem der Kommunalabteilung, sei diese Entschließung rechtlich nicht haltbar gewesen, weshalb sie vor kurzem aufgehoben worden sei. Herr Staatsminister Dr. Hoegner habe aber gebeten, die Angelegenheit nochmals im Ministerrat zur Sprache zu bringen.18

Staatsminister Dr. Seidel erklärt in längeren Ausführungen, daß nach Ansicht auch des bayerischen Wirtschaftsministeriums die Errichtung eines eigenen Gaswerks in Ingolstadt unzweckmäßig und unwirtschaftlich sei und die dortige Industrie, vor allem die Auto-Union,19 erheblich größere Vorteile von einer Ferngasleitung aus Ingolstadt haben werde.

Staatssekretär Dr. Nerreter begründet eingehend den Standpunkt des Innenministeriums, das an dem Recht der Stadt Ingolstadt, dieses städtische Gaswerk zu errichten, festhalten müsse.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths teilt mit, er habe im Wirtschaftsausschuß des Bundestages erreicht, daß bei der Steigerung des Energieproblems Bayern besonders berücksichtigt werde; wenn nun die Chance, den Ausbau einer Ferngasleitung zu errichten, ungenützt bleibe, könne sich dies für Bayern außerordentlich nachteilig auswirken.

Staatsminister Dr. Seidel unterstreicht diese Bemerkung und betont, daß beim Bund keinerlei Verständnis mehr für das bayerische Energieproblem gefunden werden könne, wenn man hier der Stadt Ingolstadt nachgebe.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, Herr Staatsminister Dr. Seidel möge nochmals mit dem Hinweis auf alle wirtschaftlichen Gesichtspunkte mit der Stadt Ingolstadt verhandeln und dabei besonders auf die in Aussicht gestellten Bundesmittel hinweisen.

Staatsminister Dr. Seidel erwidert, er sei dazu bereit und werde eine entsprechende Stellungnahme ausarbeiten lassen, allerdings könne er sich nicht sehr viel davon versprechen, da die beiderseitigen Standpunkte schon festgelegt seien. Jedenfalls müßte bei den Besprechungen in Ingolstadt außer dem Wirtschaftsministerium auch das Ministerium des Innern und das Bundeswirtschaftsministerium vertreten sein. Die Stadt sei keinesfalls in der Lage, allein zu bauen und müßte den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Abschließend mache er folgenden Vorschlag: Er werde in seinem Ministerium feststellen, inwieweit schon verhandelt worden sei; wenn man dabei zu dem Ergebnis komme, daß eine Möglichkeit bestehe, nochmals Einfluß zu nehmen, so werde das natürlich geschehen. Er bitte aber, heute noch keine Entscheidung zu treffen und die Angelegenheit auf den nächsten Ministerrat zu vertagen.

Das Kabinett erklärt sich damit einverstanden.20

IV. Tabaksteuer21

Staatssekretär Dr. Ringelmann teilt mit, hinsichtlich der Tabaksteuer sei noch keine Entscheidung getroffen worden. Er dürfe an die Besprechung in einer der letzten Sitzungen erinnern, der dann auch ein entsprechender Bundesratsbeschluß gefolgt sei.22 Das Bundesfinanzministerium erkenne diesen Beschluß aber nicht an und beabsichtige nach wie vor, den Steuersatz für Feinschnitt mit Beimischung auf 32 DM, für etwas bessere Mischungen auf 35 bis 36 DM und für reinen Feinschnitt auf 45 DM festzulegen.23 Die vom Bundesfinanzministerium beabsichtigte Regelung bedeute sowohl eine Verteuerung für Feinschnitt, wie eine Preiserhöhung und eine Verschlechterung bei den billigen Tabaken.

Staatsminister Dr. Schlögl wirft ein, der Agrarausschuß habe sich mit der vom Bund beabsichtigten Regelung nicht einverstanden erklärt.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird beschlossen, die Angelegenheit bis zum nächsten Ministerrat zurückzustellen.24

V. Landtagswahl in Markt Oberdorf-Füssen

Staatssekretär Dr. Nerreter erklärt, nach Art. 63 des Landeswahlgesetzes25 müsse im Landkreis Markt Oberdorf-Füssen, der durch den Tod des Herrn Landtagspräsidenten Dr. Stang26 erledigt sei, innerhalb von sechs Wochen eine Nachwahl stattfinden, wobei wohl nur der 10. Juni und der 17. Juni in Betracht kämen.

Der Ministerrat beschließt, den Termin für die Nachwahl auf den 17. Juni festzusetzen.

VI. Landeslastverteiler27

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, der Landeslastverteiler, Herr Direktor Wolf28 vom Bayernwerk, habe ihn gebeten, ihn als Landeslastverteiler zu entlassen;29 er schlage als Nachfolger Oberingenieur Roth vor.30

Staatsminister Dr. Zorn fügt hinzu, er habe im heutigen Ministerrat eine Vorlage hinsichtlich des Bayernwerks verteilen lassen.31 Seiner Meinung nach sei es nicht notwendig, Herrn Direktor Wolf sofort eine Antwort auf sein Gesuch zu erteilen, es genüge wohl, wenn dieses Schreiben zunächst dem Wirtschaftsministerium zugeleitet werde.

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, er werde dann dem Herrn Ministerpräsidenten eine kurze Mitteilung machen.32

[VII.] Konferenz der moralischen Aufrüstung in Amerika33

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest ein Schreiben des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner, wonach die MRA die Bayerische Staatsregierung zu einer Konferenz in Amerika, an deren Zustandekommen besonders der bekannte Senator Connally34 beteiligt sei, eingeladen habe.35

Staatsminister Dr. Seidel hält es für notwendig, daß ein Vertreter der bayerischen Regierung abgeordnet werde.

Staatsminister Dr. Oechsle meint, die offizielle Entsendung eines Vertreters sei wohl nicht recht zweckmäßig.

Nach kurzer Aussprache wird vereinbart, daß die Staatsregierung es Herrn Staatssekretär Dr. Koch ermöglichen solle, an der Konferenz teilzunehmen. Außerdem wird beschlossen, durch eine Anfrage bei Herrn Bundesminister Dr. Lukaschek36 festzustellen, ob das Bundesministerium für die Heimatvertriebenen Herrn Staatssekretär a.D. Jaenicke mit der Vertretung beauftragen könne.37

Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär
des Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Karl Schwend
Ministerialdirigent