1Staatsminister Dr. Seidel stellt zu Beginn der Sitzung den Antrag, die Mitglieder des Kabinetts, die in Aufsichtsräten seien, sollten in allen Fällen darauf hinwirken, daß wenn irgendmöglich bei Vergebung von Aufträgen ausschließlich bayerische Firmen beteiligt würden. Ferner sollten die Angehörigen von Ministerien, die Mitglieder in Aufsichtsräten seien, eine schriftliche Weisung erhalten, in gleicher Weise zu verfahren.5
5Vgl. zum Fortgang Nr. 107 TOP VI.
2Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich diesem Antrag an und teilt mit, in einem kleinen Ausschuß, der aus den beteiligten Ministerien und dem Präsidenten der Landeszentralbank bestehe6 würden fortlaufend alle Möglichkeiten zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit geprüft werden. Es habe sich gezeigt, daß die bayerischen Selbstverwaltungskörper, insbesondere die Städte, häufig große Aufträge an nichtbayerische Firmen vergeben hätten, was um so bedauerlicher sei, als ohnehin durch die Struktur der bayerischen Wirtschaft zwangsläufig manche Aufträge nicht in Bayern erledigt werden könnten. Dem Herrn Staatsminister des Innern wolle er noch die Anregung geben, ein Schreiben an die Selbstverwaltungskörper zu richten und darin auf die Notwendigkeit, die einheimische Wirtschaft zu berücksichtigen, hinzuweisen. Dieses Schreiben könnte vor allem mit der absoluten Notwendigkeit, die Arbeitslosigkeit zu lindern, begründet werden.6Präsident der Landeszentralbank von Bayern war von 1947–1955 Max Grasmann. Zur Person s. die Einleitung S. XXIII.
3Staatsminister Dr. Seidel erklärt, er habe in diesem Sinn schon an den Städteverband und an den Gemeindetag geschrieben, es sei aber sicher gut, wenn auch das Staatsministerium des Innern sich einschalte.
4Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht ihn, unter Bezugnahme auf den Ministerratsbeschluß, einen entsprechenden Entwurf eines Schreibens an alle Staatsministerien vorzulegen. Natürlich dürfe keine Presseveröffentlichung erfolgen, da sonst unnötige Beunruhigung entstehe. In der ganzen Sache solle das Staatsministerium für Wirtschaft federführend sein.
5Ministerialdirektor Dr Ringelmann schlägt noch vor, mit dem Arbeitslosenproblem in Bayern bei passender Gelegenheit auch den Bundesrat zu befassen. Vor allem sei es notwendig, daß die bayerischen Banken entsprechende Gelder zur Kredithergabe bekämen.
1Ministerialrat Freudling7
berichtet, die Verhandlungen zwischen Österreich und Bayern wegen der Ausnützung der Wasserkraft der Grenzflüsse Inn undSalzach hätten auf Veranlassung der Militärregierung im Frühjahr 1948 begonnen.8 Man habe sich entschlossen, eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts zu gründen, in der Österreich und Bayern je zu 50% beteiligt sein sollten.9 Die Satzungen seien bereits ausgearbeitet und hätten beiderseitige Zustimmung gefunden.10 Man müsse sich jetzt darüber klar werden, ob dieser Vertrag zwischen Bayern und Österreich oder zwischen dem Bund und Österreich oder zwischen Bayern und Österreich unter Zustimmung des Bundes abgeschlossen werden könne. Das Staatsministerium der Finanzen habe sich auf den Standpunkt gestellt, es handle sich hier nicht um einen Staatsvertrag im internen Sinn, da weder politische Beziehungen geregelt, noch Verpflichtungen übernommen würden, die im Wege der innerstaatlichen Gesetzgebung erfüllt werden könnten.8S. im Detail: MF Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG (ÖBK), Abgabe vom 27. 6. 2005, Bde. 1 u. 2, sowie BWA F80/236 u. BWA Bayernwerk Ö.-Bayer. Kraftwerke AG [Nr. 36]; ferner Bayerische Staatskanzlei, Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG ÖBK. Seit Mitte des Jahres 1948 hatten zwischen Bayern und Österreich Verhandlungen über die Nutzung der Wasserkraft in den Grenzregionen zwischen beiden Ländern stattgefunden. Es handelte sich dabei zum einen um Verhandlungen betreffend die Ableitung des Rißbachs, der Dürren und der Walchen durch Österreich (vgl. hierzu Nr. 31 TOP II u. Nr. 36 TOP VIII), zum anderen betreffend die gemeinschaftliche Bewirtschaftung der Wasserkräfte derjenigen Strecken der Flüsse Inn und Salzach, die für Bayern und Österreich die gemeinsame Grenze darstellten. Hierbei ging es zunächst vor allem darum, die beiden Inn-Kraftwerke Ering und Obernberg, die teils auf deutschem, teils auf österreichischem Gebiet lagen, die als ehemaliges Reichsvermögen aber von der bayer. Innwerk AG betrieben wurden, in die gemeinsame ÖBK überzuführen. Weiterhin sollte mit der Gründung der Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG auch das Projekt eines gemeinsamen Baus einer Inn-Staustufe in Braunau vorangetrieben werden. Zur Energie- und Strompolitik in Bayern nach 1945 s. allgemein Deutinger, Energiepolitik, hier insbes. S. 40–55.9Zur Vor- und Gründungsgeschichte der Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG s. in konzisem Überblick den Vermerk betr. Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG (ÖBK), hier: Beteiligung der Innwerk AG an der ÖBK gegen Beteiligung des Freistaates Bayern an der Innwerk AG, 8. 5. 1969 (Bayerische Staatskanzlei, Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG ÖBK).10Die Schlußredaktion der Satzung erfolgte auf einer Sitzung am 16. 9. 1949 in München, an der neben österreichischen und bayer. Delegierten auch Vertreter von OMGUS und BICO teilnahmen. S. die Vormerkung betr. Österreichisch-Bayerische Kraftwerke A.G. – Sitzung vom 16. 9. 1949 im Sitzungssaal der Bayerischen Staatsbank in München; diese Vormerkung sowie weitere frühere Satzungsentwürfe enthalten in: BWA Bayernwerk Ö.-Bayer. Kraftwerke AG [Nr. 36].
2Vielmehr halte man daran fest, daß es sich im gegebenen Fall um ein reines Verwaltungsabkommen handle, eine Lösung, die auch von Österreich mit Rücksicht auf die innerösterreichischen Verhältnisse gewünscht werde. Ein solches Verwaltungsabkommen bedürfe der Zustimmung der Bundesregierung.Das Staatsministerium der Finanzen habe sich deshalb bereits an den Bundesminister für Finanzen gewendet und schlage außerdem vor, der Herr Ministerpräsident möge ein entsprechendes Schreiben an den Herrn Bundeskanzler richten, in dem die Zustimmung eingeholt werde.
3Was die Zustimmung der Besatzungsbehörden betreffe, so sei man im Landeskommissariat für Bayern der Auffassung, daß es sich um eine Angelegenheit handle, die von dem amerikanischen Hohen Kommissar in eigener Zuständigkeit behandelt werden könne. Irgendwelche Schritte von dieser Seite seien nicht zu erwarten.11
11Zum Standpunkt der Besatzungsmacht s. die Übersetzung eines Schreibens der Allied High Commission, Office of the Legal Advisor, Berlin, an HICOG, Office of General Council, Legal Advice Devision, Frankfurt betr. Gesellschaft für den Wasserkraft-Ausbau an österreichischdeutschen Grenzflüssen, 6. 10. 1949: „2. Seit unserer letzten Erörterung dieser Angelegenheit ist das Besatzungsstatut in Kraft getreten. Die rechtliche Lage hat sich dadurch grundsätzlich geändert. Der Gegenstand der Entwürfe (Wasserkraft-Ausbau an Flüssen) gilt gemäß dem Besatzungsstatut nicht als vorbehaltenes Gebiet. Deshalb erhebt sich die Frage, ob das Abkommen auf deutscher Seite durch die Alliierte Hohe Kommission oder durch die zuständigen deutschen Behörden zu schließen ist. 3. Es ist richtig, daß gemäß Absatz 2c des Besatzungsstatutes ‚durch oder für Deutschland geschlossene internationale Abkommen‘ ein vorbehaltenes Gebiet darstellen. Nach Absatz 4 und 5 des Statutes jedoch sollen die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der Länder nach gebührender Unterrichtung der Besatzungs-Behörden berechtigt sein, internationale Abkommen zu schließen, außer ausdrücklicher Anordnung der Besatzungsbehörden oder insofern solche Handlung den von den Besatzungsbehörden selbst getroffenen Entscheidungen oder unternommenen Handlungen (Absatz 4) zuwiderläuft; jedes solcher Abkommen tritt 21 Tage nach offiziellem Erhalt durch die Besatzungsbehörden in Kraft, es sei denn, daß sie es vorher bedingt oder endgültig abgelehnt haben (Absatz 5). 4. Unter diesen Umständen erscheint es ratsam, den Abschluß des vorliegenden Abkommens den zuständigen deutschen Behörden zu überlassen. Der Gegenstand des Abkommens ist ziemlich begrenzt und seine Bestimmungen haben einen vorzugsweise technischen Charakter. Der Entwurf einiger dieser technischer Bestimmungen (z.B. § 19) scheint mir der Kritik offenzustehen. Falls die Deutschen nach den von uns erhaltenen Empfehlungen auf Annahme dieser Fassungen bestehen, sollten sie nicht von diesem Wege abgehalten werden; andererseits aber sollten sie durch Unterzeichnung des Abkommens die Verantwortung übernehmen und die Hohe Kommission sollte für derartige Einzelheiten nicht verantwortlich gemacht werden“. (BWA Bayernwerk Ö.-Bayer. Kraftwerke AG [Nr-36]).
4Ministerpräsident Dr. Ehard stimmt diesen Ausführungen in vollem Umfange zu und weist darauf hin, man habe nur den Art. 32 Abs. 3 GG12 zu berücksichtigen, wonach für Verträge eines Landes mit einem auswärtigen Staat die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich sei.12Art. 32 Abs. 3 GG: „Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.“
5Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt, die Amerikaner wären zuerst vollkommen damit einverstanden gewesen, diesen Vertrag als Verwaltungsabkommen zu betrachten, in letzter Zeit seien aber doch auch andere Meinungen aufgetaucht dahingehend, daß der Bund diesen Vertrag abschließen müsse.
6Ministerialrat Freudling entgegnet, diese Meinung werde eigentlich von einem einzigen Herrn vertreten und überwiegend sei man nach wie vor im Landeskommissariat der Meinung, daß es sich um ein Verwaltungsabkommen handle.
7Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß das Kabinett darüber einig sei, in der vorgeschlagenen Weise vorzugehen und ein entsprechendes Schreiben an Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer13 zu richten.14
13Konrad Adenauer (1876–1967), Jurist, 1917–1933 Oberbürgermeister von Köln, 1948/49 Präsident des Parlamentarischen Rates, 1949–1963 Bundeskanzler, 1946 Vors. des CDU-Landesverbandes Rheinland und der britischen Zone, 1950–1966 Bundesvorsitzender der CDU, 1946–1950 MdL Nordrhein-Westfalen, 1949–1967 MdB; vgl. Lexikon der Christlichen Demokratie S. 169–176; Kempf/Merz S. 82–96.14Abdruck dieses Schreibens von MPr. Ehard an Adenauer, 7. 1. 1950, enthalten in: MF Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG (ÖBK), Abgabe vom 27. 6. 2005, Bd. 1. Hierin führte Ehard u.a. aus: „Der Vertrag, der mit Österreich abgeschlossen werden soll, ist ein Verwaltungsabkommen. Er betrifft in erster Linie die mit der Gründung einer gemeinschaftlichen Aktiengesellschaft zusammenhängenden Fragen, also Fragen bürgerlich-rechtlicher Betätigung des Landes. Der Abschnitt II (Verwaltungsrecht) will Fragen des internationalen Verwaltungsrechts, insbesondere auch des Steuerrechts klären und damit dem Vollzug bestehender Gesetze dienen; nicht werden hier Bestimmungen getroffen, die dem Weg der Gesetzgebung Vorbehalten sind. Das Abkommen bewegt sich nach seinem Hauptgegenstand (bürgerlich-rechtliche Betätigung des Landes, Verwaltung des Eigentums des Landes an den Wasserkräften öffentlicher Flüsse, die im Eigentum des Landes stehen) auf einem Gebiet, das nicht der Gesetzgebungshoheit des Bundes unterliegt. Die §§ 19, 20 des Entwurfs (Regelungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung, devisenrechtliche Genehmigungen) berühren allerdings den Vollzug von Gesetzen des Bundes oder von Gesetzen, die nach Art. 125 GG Bundesrecht geworden sind. Jedoch sind diese Regelungen nur Nebenfolge einer Abmachung, die sich auf einem den Ländern vorbehaltenem Gebiet bewegt. Ich halte daher dafür, daß Bayern zum Abschluß des Abkommens zuständig ist und hinsichtlich der §§ 19, 20 der Zustimmung der Bundesregierung bedarf (Art. 32 Abs. 3 GG). Diese rechtliche Lösung entspricht auch den österreichischen Wünschen; Österreich legt Wert darauf, daß Bayern, dessen Wasserkräfte in den Werken der Gesellschaft verwertet werden, als Vertragspartner auftritt [...] Der britische Gutachter spricht sich dahin aus, daß das Abkommen durch die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen und dem in Ziffer 4, 5 des Besatzungsstatuts vorgesehenen Verfahren unterworfen werden sollte. Dem gegenüber vertrete ich [...] die Auffassung, daß Bayern mit Zustimmung der Bundesregierung das Abkommen abschließen kann [...] Für die Durchführung eines solchen Verfahrens mache ich darauf aufmerksam, daß Mr. Fitzwilliam (Office of the United States High Commissioner for Germany, power branch) sich besonders für eine Regelung der geschilderten Art bemüht hat.“ Zum Fortgang s. Nr. 102 TOP III, Nr. 106 TOP IV, Nr. 125 TOP VII, Nr. 126 TOP V, Nr. 127 TOP XIII.
1Staatsminister Dr. Ankermüller macht darauf aufmerksam, daß die Versorgung derjenigen Bundestagsabgeordneten, die Beamte gewesen seien, bisher noch nicht geregelt worden sei.15 Der Bund beschäftige sich mit dieser Frage und habe die Absicht, die Sache an sich zu ziehen. Man müsse aber prüfen, ob das tatsächlich Angelegenheit des Bundes oder nicht vielmehr der Ländersei. Das Gesetz 20 besage zwar, daß ein Beamter, der Abgeordneter werde, aus dem Dienst auszuscheiden habe.16 Man könnte sich aber seiner Ansicht nach durchaus auf den Standpunkt stellen, daß er wohl aus dem Dienst ausscheide, aber im Beamtenverhältnis bleibe, d.h., daß ein solcher Abgeordneter z.B. im Falle eines Unfalls eine Versorgung bekommen könnte. Er schlage vor, daß das Finanzministerium, das bisher noch keine Vorlage eingebracht habe, die Sache beschleunigt abschließe.15Vgl. Nr. 83 TOP XII.16Art. 1 des Gesetzes Nr. 20 lautete: „Wird ein Richter, ein Beamter oder ein Angestellter des öffentlichen Dienstes zum Mitglied des ersten Bundestages gewählt, so scheidet er mit der Annahme der Wahl ohne weiteres aus dem öffentlichen Dienst aus.“ – Gesetz Nr. 20 der Militärregierung – Deutschland (Amerikanisches Kontrollgebiet) Wahl von gewissen Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum ersten Bundestag, 2. Juni 1949 (GVBl. S. 145
).
2Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erwidert, für die Landtagsabgeordneten sei eine Kollektiv-Unfallversicherung abgeschlossen worden, vielleicht könnte der Bund das gleiche machen. Jedenfalls müsse man wohl vorher mit den anderen Ländern in Verbindung treten.
3Staatsminister Dr. Ankermüller schlägt nochmals vor, ohne Rücksicht auf die sonstigen Regelungen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
4Der Ministerrat faßt in dieser Sache keinen Beschluß, sodaß die Angelegenheit, die noch zwischen Finanz- und Innenministerium besprochen werden soll, vorläufig offen bleibt.17
17Zum Fortgang s. Nr. 101 TOP V, Nr. 106 TOP I/2[a], Nr. 107 TOP I/16.
18Vgl. Nr. 72 TOP III, Nr. 73 TOP III, Nr. 77 TOP III, Nr. 88 TOP IV, Nr. 91 TOP VIII.
1Ministerpräsident Dr. Ehard faßt einleitend die bisherigen Verhandlungen über die Organisation Steffen und die Vorschläge und Anordnungen der interministeriellen Besprechung vom 28. Dezember 1949 zusammen.19
19Vgl. Nr. 91 TOP VIII Anm. 46.
2Anschließend berichtet Oberstlandesgerichtsrat Kuchtner20
über den Entwurf einer Bekanntmachung über die zukünftige Organisation des Beauftragten für Lagerversorgung.21 Es sei zweifelsfrei, daß es sich bei der Organisation Steffen um eine nicht rechtsfähige öffentliche Anstalt handle, die haushaltsrechtlich als staatlicher Regiebetrieb zu betrachten sei. Man habe nun eine Anstaltsordnung vorbereitet, deren Ziel unter anderem sei, die Organisation in das Landwirtschaftsministerium einzugliedern, und sie auf die unbedingt notwendigen Aufgaben zu beschränken. Von den ursprünglichen11 Aufgaben seien lediglich übrig geblieben: Die Versorgung der Flüchtlingslager und Flüchtlingstransporte, der anerkannten und nicht anerkannten DP Lager und die Durchführung der Schulspeisung. Die Aufgaben gegenüber der Besatzungsmacht könnten noch solange weitergeführt werden, bis das Landwirtschaftsministerium in der Lage sei, sie dem regulären Handel zu übergeben. Was die Versorgung der Versehrtenkrankenhäuser betreffe, so habe Herr Staatssekretär Dr. Grieser zwar erklärt, hier sei die Organisation Steffen nicht mehr notwendig, unter Umständen könnten hier aber doch gewisse Schwierigkeiten auftreten.21Entwurf der Bekanntmachung vom StMELF in StK 14869 und StK 14870.
3Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß zu mindesten in diesen wie in ähnlichen Fällen eine Übergangslösung getroffen werden müßte.
4Oberstlandesgerichtsrat Kuchtner erwähnt sodann besonders § 1 Abs. 5,22wonach die bayerische Lagerversorgung ihren Geschäftsbetrieb nicht mit dem Zwecke der Gewinnerzielung führen dürfe.22§ 1 Abs. 5 lautete im Entwurf (wie Anm. 21): „Die Bayer. Lagerversorgung darf ihren Geschäftsbetrieb nicht mit dem Zwecke der Gewinnerzielung führen.“
5§ 323 enthalte sodann die Punkte, in denen die Lagerversorgung der Genehmigung des B. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bedürfe.23§ 3 lautete im Entwurf (wie Anm. 21): „(1) Die Bayer. Lagerversorgung ist ein Betrieb im Sinne des § 15 der Reichshaushaltsordnung. Sie hat Bücher nach den Regeln der kaufmännischen doppelten Buchführung zu führen. (2) Unbeschadet der Verpflichtung den Haushaltsplan einzuhalten und allen dienstaufsichtlichen Weisungen Rechnung zu tragen, bedarf die Bayer. Lagerversorgung der Genehmigung des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu folgenden Geschäften: a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstükken und grundstücksgleichen Rechten, sowie Übernahme von Grundstücken aus einem anderen Verwaltungszweig des Staates, b) Erwerb und Veräußerung von Transportmitteln, c) Veräußerung sonstiger nicht zur Abgabe bestimmter beweglicher Vermögensgegenstände, d) Mietoder Pachtverträge mit einem Miet- oder Pachtzins von jährlich über DM 1200,-. e) Aufnahme und Gewährung von Krediten aller Art über DM 10000 im Einzelfall und Übernahme von Bürgschaften. (3) Die Bayer. Lagerversorgung hat monatlich über ihre gesamte Geschäftstätigkeit und außerdem unverzüglich jeweils bei Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung zu berichten.“
6§ 3 Abs. 3 sehe vor, daß monatlich über die gesamte Geschäftstätigkeit und außerdem unverzüglich bei Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung Bericht zu erstatten sei.
7Bedeutungsvoll sei dann vor allem auch noch § 4,24 der vorsehe, daß einaus Vertretern der beteiligten Ministerien bestehender Beirat in allen grundsätzlichen Angelegenheiten zu hören sei.24§ 4 lautete im Entwurf (wie Anm. 21): „Beim Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird für die Angelegenheiten der Bayer. Lagerversorgung ein Beirat gebildet, der aus einem vom Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten berufenen Vorsitzenden, einem weiteren Vertreter dieses Ministeriums, sowie je einem Vertreter der Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft und der Finanzen besteht. Der Beirat ist in allen grundsätzlichen Angelegenheiten, bei Aufstellung des Haushaltsvoranschlages und bei der Rechnungsablage zu hören.“
8Zu § 5,25 der die Auflösung der bayerischen Lagerversorgung bestimmt, erklärt Ministerpräsident Dr. Ehard, die Auflösung könne nicht durch das Landwirtschaftsministerium vorgenommen werden, sie müsse der Bayerischen Staatsregierung Vorbehalten bleiben.25§ 5 lautete im Entwurf (wie Anm. 21): „Das Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten löst die Bayer. Lagerversorgung auf, sobald die Aufgaben nach § 1 Abs. 3 erfüllt sind.“
9Anschließend wird eingehend besprochen, ob die Organisation Steffen künftig die Bezeichnung „Bayerische Lagerversorgung“ führen und dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder dem Staatsministerium der Finanzen unterstehen soll. Die Mehrheit des Kabinetts ist für eine Unterstellung unter das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
10Ministerpräsident Dr. Ehard hält den Beirat für besonders wichtig, weil hierbei das Staatsministerium der Finanzen und das Staatsministerium des Innern in seiner Eigenschaft als Flüchtlingsministerium ihre Auffassungen zum Ausdruck bringen könnten. Das Kabinett ist sich darin einig, daß die Neuregelung der Organisation Steffen durch eine Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung erfolgen soll. Eine Verordnung wird für unzweckmäßig gehalten, weil hierfür eine besondere gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre.
11Staatssekretär Dr. Müller und Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklären das Einverständnis des Staatsministeriums der Finanzen, wenn dafür Sorge getragen sei, daß in allen Fällen des § 3 Absatz 2 die Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen eingeholt werde.
12Ministerialdirektor Dr. Ringelmann weist darauf hin, daß mit Beendigung der Lagerversorgung das gesamte Vermögen der Organisation Steffen vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen zu übernehmen sei.
13Abschließend billigt die Mehrheit des Kabinetts noch einmal ausdrücklich die Unterstellung unter das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
14Nach Vortrag von Oberstlandesgerichtsrat Kuchtner werden die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs mit folgenden Änderungen genehmigt:
15In § 1 Absatz 326 wird nach dem Wort „Flüchtlingslager“ eingesetzt „einschließlich der auf die Zeitdauer von höchstens 6 Monaten nach Aufhebungder Gemeinschaftsverpflegung errichteten oder zu errichtenden Verteilungsstellen.“ In § 1 Absatz 427 werden die Worte „Beschaffungsaufträge von Dienststellen der Besatzungsmacht“ gestrichen und an ihre Stelle gesetzt „nicht unter Absatz 4 fallender Lieferverträge des Beauftragten für Lagerversorgung.“26§ 1 Abs. 3 lautete im Entwurf (wie Anm. 21): „Die Bayer. Lagerversorgung ist auf die Aufgabe beschränkt, die Flüchtlingslager und Flüchtlingstransporte sowie die von der International Refugee Organization anerkannten und nicht anerkannten DP-Lager mit Lebensmitteln zu versorgen und die Schulspeisung im Rahmen des Hoover-Planes durchzuführen. An Personen, die hiernach nicht zu versorgen sind, dürfen keine Waren abgegeben werden.“27§ 1 Abs. 4 lautete im Entwurf (wie Anm. 21): „Das Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bestimmt das Nähere über die Abwicklung gegenwärtig bestehender Beschaffungs-Aufträge von Dienststellen der Besatzungsmacht.“
16In § 3 Absatz 2 wird statt dem Wort „dienstaufsichtlichen“ das Wort „aufsichtlichen“ gesetzt. Ferner wird in Absatz 2 hinter Abschnitt e) ein neuer Abschnitt f) eingefügt,28 der folgenden Wortlaut hat: „Einstellung, Höherstufung und Entlassung von Angestellten der Tarifklasse VII TOA und höher.“ Ferner wird anstelle des bisherigen Absatzes 3 folgender neuer Absatz 3 beschlossen: „Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in den Fällen der Genehmigung nach Absatz 2 das Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen herzustellen.“ Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4.28Zum Wortlaut des § 3 Abs. 2 im Entwurf s.o. Anm. 23.
17In § 429 werden die Worte „einem weiteren Vertreter dieses Ministeriums", ferner die Worte „bei der Aufstellung des Haushaltsvoranschlages und bei der Rechnungsablage“ gestrichen.29Zum Wortlaut des § 4 im Entwurf s.o. Anm. 24.
18Zu § 530 wird beschlossen, daß für die Auflösung nicht das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sondern die Bayerische Staatsregierung zuständig sein soll.31
30Zum Wortlaut des § 5 im Entwurf s.o. Anm. 25.31Vgl. als Ergebnis der Beratungen dieses Ministerrats die hekt. Fassung einer „Bekanntmachung der Bayer. Staatsregierung über den Beauftragten für Lagerversorgung (Organisation Steffen) vom 5. Januar 1950“ (2 S.) (StK 14869 und StK 14870). Zum Fortgang s. Nr. 94 TOP III, Nr. 96 TOP IV.
1Ministerialdirigent Adam
32 berichtet über den Stand der Verteilung der Kasernenanlagen. Die Befassung des Ministerrats mit der Angelegenheit ist deshalb notwendig, weil sich der für die Verteilung der freiwerdenden Objekte zuständige Ausschuß über die künftige Verwendung eines Teiles der Kasernenanlagen nicht einigen konnte. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus beansprucht einen Teil der massiven Gebäude für Schulzwecke, während ihm hierfür an sich die Baracken zugedacht sind. Es verweist hierbei aufdie Vordringlichkeit des Bedarfs an Schulräumen und erklärt, daß der Umbau der massiven Gebäude zu Flüchtlingswohnungen unverhältnismäßig hohe Kosten verursache. Demgegenüber steht das Staatsministerium des Innern auf dem Standpunkt, daß auf Grund des Landtagsbeschlusses33 alle freiwerdenden Objekte nach Möglichkeit zu Flüchtlingswohnungen zu verwenden seien. Das Staatsministerium des Innern beabsichtigt des weiteren, in den von ihm beanspruchten Gebäuden eine kommunale Verwaltungsschule und eine motorisierte Abteilung der Landpolizei unterzubringen. Ein Beschluß kommt nicht zustande. Der interministerielle Ausschuß soll noch einmal befaßt werden.34
32Dr. jur. Robert Adam (geb. 1894), Direktor Arbeitsamt München, 1929 Direktor Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung, Oberverwaltungsgerichtsrat, 1947/48 MinDirig und Stellv, des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen, 1952–1957 Mitglied des Bayer. Verfassungsgerichtshofs, 1953–1957 2. Vertreter des Präsidenten.33Gemeint ist der Landtagsbeschluß vom 23. 9. 1948 über einen Antrag der SPD-Fraktion betreffend die Bereitstellung freiwerdender Objekte zur Unterbringung von Flüchtlingen, der im Wortlaut besagte: „Die Staatsregierung wird beauftragt, die Vermögensverwaltung anzuweisen, nach Benehmen mit dem Wirtschaftsministerium alle freiwerdendem Objekte, Kasernen usw. zuerst dem Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen zur Unterbringung der Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.“ S. BBd.
II Nr. 1807 ; StB.
III S. 117 .34Im Fortgang wird dieses Thema im Ministerrat nicht mehr behandelt.
35S. im Detail StK-GuV 101. Vgl. Nr. 59 TOP II, Nr. 61 TOP II, Nr. 70 TOP VI und Nr. 77 TOP IV.
1Ministerialrat Freudling berichtet über die einzelnen Abschnitte des Gesetzes.36 Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat für die im Auftrag der Besatzungsmacht erstellten Wohnungen in Ramersdorf einen Kredit von 20 Millionen zur Verfügung gestellt, für den Bayern die Staatsbürgschaft bereits übernommen hat.37 Dieser Kredit ist bis 1959 befristet. Bis zu diesem Zeitpunkt kann aber das Darlehen noch nicht getilgt werden. Der Kredit muß daher in diesem Zeitpunkt umgeschuldet werden. Die GEWOFAG38München, die Trägerin des Unternehmens, will das Risiko für die Umschuldung auf den Bayerischen Staat abwälzen. Nach den Ausführungen von Ministerialrat Freudling kann angesichts der besonderen Verhältnisse der GEWOFAG tatsächlich das Risiko nicht zugemutet werden. Die Sicherheitsübernahme durch den Bayerischen Staat ist daher notwendig. Ffätte Bayern die Verpflichtung zum Bau der Wohnungen gegenüber der Besatzungsmacht nicht übernommen, so hätte diese die Bauten selbst errichtet. Die Kosten, welche dem Bayerischen Staat dann als Besatzungskosten zur Last gefallen wären, wären viel höher gewesen.36Vgl. das Rundschreiben von StM Kraus an die Ressorts, 23. 12. 1949, betr. Viertes Gesetz über Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen des Bayer. Staates; Entwurf und Begründung als Anlage; ferner die Vormerkung von Henle für Ehard, 4. 1. 1950: „Der Entwurf bringt umfangreiche Verpflichtungen des Staates und zwar: 1. Wohnungsbauten für die Besatzungsmacht in München in der Rosenheimer-Claudius-Keller-Straße. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat einen 20-Millionen-Kredit gegeben, für den Bayern die Bürgschaft übernommen hat. Nunmehr soll der Staat sich auch zur Übernahme der Risiken verpflichten, die die Landesbodenkreditanstalt als Darlehensempfängerin seinerzeit bei der Umschuldung laufen wird. Er soll ferner gegenüber der gemeinnützigen Wohnungsfürsorge A.G., die die Wohnungen erbaut, für die Ausfälle einstehen, die sich bei der Bewirtschaftung der zu kostspielig gewordenen Wohnungen ergeben werden (infolge der Anordnungen der Besatzungsmacht kommt eine Wohnung auf rund 40000 Mark zu stehen). Die Verpflichtung des Staates zur Übernahme dieser Risiken ist nicht zu umgehen, da ihm die Besatzungskosten zur Last fallen. Wieweit sie auf den Bund abgewälzt werden können, wird noch zu erwägen sein. 2. Bürgschaft für Flüchtlingsproduktivkredite. Der Höchstbetrag an Sicherheitsleistungen für Flüchtlingsproduktivkredite soll von 60 auf 90 Millionen erhöht werden. Aus der Begründung des Entwurfs ist zu ersehen, daß die Ausfälle, die bisher gegen den Staat geltend gemacht wurden, sich auf 64000 Mark belaufen; gefährdet sind weiter Kredite mit einer Bürgschaftssumme von nicht ganz 2 Millionen. Bei einer Gesamthaftung von 52 Millionen erscheint der bisherige Ausfall nicht beträchtlich. In dieser Höhe sind bisher Produktivkredite gegeben worden. 3. Übernahme von Bürgschaften für Wiederaufbaukredite. Das Finanzministerium soll ermächtigt werden, Kredite in einem Gesamtbetrag von 44 Millionen Mark zu verbürgen. Die Ausführungen der Begründung (Seite 8–10) erscheinen hinsichtlich der bayerischen Anwartschaften auf Wiederaufbaudarlehen sehr aufschlußreich. 4. Bürgschaften für Remontagekredite. Die bisherigen Ermächtigungen sollen um 19,5 Millionen auf einen Höchstbetrag von 38,5 Millionen ausgedehnt und ferner die Ermächtigungen für den Ausgleich von Restitutionshärtefällen um 500000 Mark bis zum Höchstbetrag von 1,5 Millionen erhöht werden. 5. Bürgschaften für Kredite zur gewerblichen Förderung. Das Finanzministerium soll ermächtigt werden, für 10 Millionen DM Bürgschaften für Darlehen an Unternehmen zu leisten, ‚die im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse gefördert werden sollten‘. Diese Bestimmung erscheint aus praktischen Gründen vertretbar. Es ist jedoch möglich, daß gewisse doktrinäre Bedenken gegen eine solch weite Ermächtigung geltend gemacht werden (s. jedoch § 5 Abs. 4 des Entwurfs). 6. Außerdem werden noch gewisse Einzelfälle behandelt, wie die Auto-Union, die Maximilianshütte und Bad Brückenau“ (StK-GuV 101).37Vgl. Nr. 70 TOP VI. In der Begründung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes über Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen des bayerischen Staates vom 18. Januar 1950 (BBd.
IV Nr. 3282 ) hieß es dazu u.a.: „Die Militärregierung für Bayern ordnete zu Beginn des Frühjahres 1949 an, daß bis Ende des Jahres eine umfangreiche Wohnanlage bezugsfertig erstellt werde, um Angehörige der amerikanischen Luftwaffe unterzubringen. Zunächst dachte die Militärregierung daran, die Anlage in nächster Nähe des Flugplatzes Erding erstellen zu lassen. Die Rücksicht auf die Verwendbarkeit der Bauten für den Fall, daß sie für die Luftwaffe entbehrlich würden, führte aber schließlich dazu, ein Gelände in München an der Rosenheimer- und Claudius Kellerstraße auszuwählen; das Gelände gehört teils der Stadt München, teils der Gemeinnützige Wohnungsfürsorge AG (Gewofag), an der die Stadt München stark beteiligt ist. Die Anlage umfaßt 141 Gebäude mit 481 Wohnungen und einer Wohnfläche von rd. 55 000 qm. Bauart und Ausstattung wurden im einzelnen durch die Besatzungsmacht angeordnet. Die Herstellungskosten einschließlich Grunderwerbskosten, Bauzinsen, Zentralheizungs-, Warmwasserbereitungs-, Liftanlage, Kühlschränken, Beleuchtungskörpern usw. werden rd. 20 Mio DM betragen.“38Gemeinnützige Wohnungsfürsorge AG (Gewofag).
2Der zweite Punkt, mit dem sich das Gesetz beschäftigt, ist die Erhöhung der Flüchtlingsproduktiv-Kredite von 60 auf 90 Millionen DM.
3Ministerialrat Freudling berichtet, daß der Landtag bereits Vorgriffe auf die Erhöhung der Summe genehmigt hat.39 Künftig soll bei der Verausgabung vonFlüchtlingsproduktiv-Krediten die Staatsbürgschaft auf einen Teil des Kredits beschränkt werden, um ein sorgfältigeres Vorgehen der Banken bei der Genehmigung der Kredite zu erreichen. Der bisher durch zu großzügige Hergabe von Flüchtlingsproduktiv-Krediten entstandene Ausfall beziffert sich nach überschlägiger Berechnung auf etwa 19 Millionen DM. Weitere Punkte, mit denen sich das Gesetz beschäftigt, sind die Bürgschaften für Wiederaufbau-Kredite, für Remontage-Kredite und für Kredite zur Förderung des Gewerbes. Schließlich befaßt sich das Gesetz noch mit einigen Einzelfällen. Zu dem Gesetzentwurf kommt als weiterer Einzelfall die Übernahme der Staatsbürgschaft für einen Kredit an das Allgäuer Überlandwerk zum Bau einer Leitung nach Lindau. Dieser Kredit, für den sich die Stadt Kempten besonders verwendet, ist notwendig, damit Lindau, dessen Stromlieferungsverträge mit Vorarlberg demnächst ablaufen, über das bayerische Stromnetz versorgt werden kann. Die Höhe des Kredits beträgt 5 Millionen DM.39In seiner Sitzung vom 14. 12. 1949 hatte der Landtag auf Antrag der CSU-Fraktion beschlossen, daß in Anbetracht der beabsichtigten Erhöhung der Flüchtlings-Produktivkredite von 60 auf 90 Mio. DM und angesichts der erforderlichen zügigen Abwicklung der Bewilligungsverfahren die Staatsregierung bereits vor Inkrafttreten des Vierten Gesetzes über Kreditgewährung und Sicherheitsleistungen des bayerischen Staates zusätzlich Staatsbürgschaften für staatsverbürgte Flüchtlingsproduktivkredite in Höhe von 10 Mio. DM übernehmen dürfe. Vgl. BBd.
IV Nr. 3177 ; StB.
V S. 347 .
4Der Ministerrat stimmt dem Gesetzentwurf einschließlich des neu hinzugekommenen Kredits an das Allgäuer Überlandwerk zu. Text und Begründung solle entsprechend erweitert werden.40
40MPr. Ehard leitete den Entwurf eines Vierten Gesetzes über Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen des bayerischen Staates am 18. 1. 1950 dem Landtagspräsidenten mit Begründung zu; vgl. BBd.
IV Nr. 3282 . Der Landtag beschloß das Gesetz am 20. 1. 1950. Der Senat erhob am 25. 1. 1950 eine Reihe von Einwendungen, denen der Landtag am 8. 2. 1950 teilweise stattgab. Am 17. 2. 1950 stimmte der Senat der vom Landtag beschlossenen Neufassung zu. – Viertes Gesetz über Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen des bayerischen Staates vom 27. Februar 1950 (GVBl. S. 55
). Zum Fortgang (5. und 6. Gesetz) s. Nr. 113 TOP I, Nr. 129 TOP IV, Nr. 130 TOP IV.
a) Ministerpräsident Dr. Ehard weist darauf hin, daß im Bundesrat in der kommenden Woche als Hauptpunkt das ERP-Abkommen behandelt werde.41
U41Gemeint ist hier das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. 12. 1949. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland am 1. 11. 1949 zunächst vollberechtigtes Mitglied der OEEC geworden war, war dies für Westdeutschland der erste eigenständige Abschluß eines internationalen Abkommens. Mit diesem Hilfsabkommen wurde die Abwicklung der Marshallplan-Hilfe wie auch die Verantwortung für den deutschen Außenhandel wieder auf deutsche Stellen übertragen. S. Vogel, Westdeutschland II S. 278 f. – Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (BGBl. 1950 S. 10 ); Gesetz betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Dezember 1949 vom 31. Januar 1950 (BGBl. 1950 S. 9 ).
1Staatsminister Dr. Seidel erklärt ergänzend, daß das Abkommen bereitsunterzeichnet sei und daß es sich lediglich um eine formelle Zustimmung handele.42
42Zum Fortgang s. Nr. 94 TOP II, Nr. 95 TOP I/1
b) Regierungsdirektor Frhr. v. Gumppenberg berichtet über die in der nächsten Woche stattfindende Besichtigungsreise von 3 Mitgliedern des Bundestagsausschusses für Grenzlandfragen.43 Eine Beteiligung von Regierungsvertretern werde offensichtlich nicht gewünscht. Man habe von der Reise nur auf inoffiziellem Wege Kenntnis erlangt. U43Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I/2[a].
1Ministerpräsident Dr. Ehard hält eine Verständigung der Regierungspräsidenten und Landräte für zweckmäßig.
2Das Kabinett beschließt darüber hinaus, daß Staatssekretär Geiger sich als Berater für die Mitglieder des Ausschusses zur Verfügung halte.
c) Regierungsdirektor Frhr. v. Gumppenberg berichtet, daß die Verordnung über die Notaufnahme von Flüchtlingen nunmehr dem Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates vorliege44
U44Vgl. Nr. 85 TOP VI/2, Nr. 86 TOP VII/13, Nr. 88 TOP I/14, Nr. 90 TOP I. S. im Detail MInn 90327. Diese Verordnung betraf die Aufnahme von Flüchtlingen aus der DDR. Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 183/49 sowie in: Kabinettsprotokolle
1949 S. 207
- 211. Die Verordnung wurde allerdings nie erlassen; in Folge einer Gesetzesinitiative der SPD-Bundestagsfraktion vom 16. 12. 1949 (BR-Drs. Nr. 350/49 ) erfuhr die Problematik der Aufnahme von DDR-Flüchtlingen in das Bundesgebiet ihre Regelung statt dessen durch Bundesgesetz. Vgl. hierzu Kabinettsprotokolle
1949 S. 206
–211, 232 f.; Kabinettsprotokolle
1950 S. 165 , 239 , 321 f., 477
; Heidemeyer, Flucht S. 94–114; Ackermann, Flüchtling S. 96–111. Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I/11, Nr. 103 TOP X/1 u. Nr. 132 TOP III.
d) Devisengesetzgebung U
1Regierungsdirektor Frhr. v. Gumppenberg teilt mit, daß für den Unterausschuß des Rechtsausschusses des Bundesrates, der sich mit Devisenfragen befassen soll, in der gestrigen Koordinierungssitzung45 Ministerialrat Dr. Baer46 der Bayerischen Staatskanzlei namhaft gemacht worden ist.45Vgl. das Kurzprotokoll über die 10. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten in der Bayerischen Staatskanzlei vom 4. Januar 1950 (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II).46Dr. jur. Fritz Baer (1901–1993), Jurist, Reichsfinanzverwaltung, 1. 9. 1939 Leiter der Devisenüberwachungsstelle beim Oberfinanzpräsidium München, 1. 9. 1941 ORR, 1. 1. 1946 Vorstand des Finanzamts München-Land, 19. 6. 1946 Hauptabteilungsleiter im Bayer. Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, 4. 7. 1946 zur Dienstleistung in die StK berufen, 1. 8. 1946 RegDir, 1. 12. 1946 MinRat, zunächst Leiter der Landesdienststelle des Länderrats in der StK, als ältester und ranghöchster Berufsbeamter der StK 1948/49 Vertretung des abwesenden Leiters der StK Pfeiffer, einer der einflußreichsten bayer. Beamten in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten (Pfalzfrage), unter MPr. Seidel 1957–1960 als MD Leiter der Bayer. StK, 1960–1962 leitete Staatssekretär Franz Heubl die StK und Baer war sein Stellvertreter, 1963 bis 31. 8. 1967 erneut Leiter der StK unter MPr. Goppel.
2Staatsminister Dr. Seidel ist damit einverstanden, wenn Ministerialrat Dr. Baer beim Auftreten wirtschaftlicher Fragen die Zustimmung des Staatsministeriums für Wirtschaft einholt.
e) Das Richterwahlgesetz (Initiativentwurf der SPD) soll vom Staatsministerium der Justiz geprüft werden.47
U47Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion vom 14. 12. 1949 (BT-Drs. Nr. 327 ). Zum Fortgang s. Nr. 115 TOP II/3.
f) Gesetz über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen (Initiativentwurf der FDP) soll vom Staatsministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern geprüft werden.48
U48Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion vom 14. 12. 1949 (BT-Drs. Nr. 252 ). S. Kabinettsprotokolle
1950 S. 238 u. 581 f. – Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) vom 15. März 1951 (BGBl. S. 175 ).
g) Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Initiativentwurf der SPD)49 wird von der Staatskanzlei federführend bearbeitet.50
U49Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion vom 14. 12. 1949 (BT-Drs. Nr. 328 ). S. auch Kabinettsprotokolle
1950 S. 196
ff., 206 ff., 292 f., 330; ferner Schiffers, Grundlegung.50Zum Fortgang s. Nr. 101 TOP I/6. S. zur Vor- und Frühgeschichte des Bundesverfassungsgerichts den knappen und konzisen Überblick von Wengst, Staatsaufbau S. 226–244.
h) Regierungsdirektor Frhr. v. Gumppenberg berichtet weiter über das Haushaltsgesetz des Bundes,51 ferner über das Gesetz über Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuld-Briefen in besonderen Fällen.52
U51Es handelte sich um den Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1949. Vgl. Nr. 84 TOP II. Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I/20, Nr. 103 TOP X/3, Nr. 107 TOP I/6.52Vgl. Kabinettsprotokolle
1949 S. 276
. Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 374/49 . Zum Fortgang s. Nr. 101 TOP I/7.
i) Gegen das Lohnsteuer-Ausgleichsgesetz erhebt das Staatsministerium der Finanzen keine Bedenken53
U53S. im Detail StK-GuV 10017 u. 10018. Vgl. Kabinettsprotokolle
1949 S. 282
. Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 375/49 . Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I/19, Nr. 97 TOP I/11.
k) Regierungsdirektor Frhr. v. Gumppenberg berichtet über den Gesetzentwurf über die Verbesserung der Leistungen an Kriegsopfer,54 das im Finanz- und Sozialausschuß des Bundesrates beraten wird. U54S. im Detail StK-GuV 10015. Vgl. Kabinettsprotokolle
1949 S. 274 , 282
u. Kabinettsprotokolle
1950 S. 136 , 175 f. Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 370/49 . – Gesetz zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer vom 27. März 1950 (BGBl. S. 77 ). Dieses Gesetz war als überleitende Maßnahme und als Überbrückungsgesetz konzipiert, das vorübergehend den Lebensunterhalt der Kriegsopfer und deren Hinterbliebenen sichern sollte. Das Gesetz war Vorläufer des Bundesversorgungsgesetzes vom 20. Dezember 1950, das schließlich eine Vereinheitlichung der rechtlichen Grundlagen der Versorgungsansprüche herstellte sowie erhebliche Leistungsverbesserungen für die Kriegsopfer vorsah. Vgl. auch Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland Bd. 3 S. 37 ff. Zum Fortgang s. Nr. 98 TOP I/6, Nr. 106 TOP I/13, zum Bundesversorgungsgesetz Nr. 117 TOP III/17.
1Ministerialdirektor Dr. Ringelmann erklärt das grundsätzliche Einverständnis seines Ministeriums zu dem Gesetzentwurf, schlägt jedoch eine Abänderung des Artikels 1455 des Inhalts vor, daß andere Einkünfte auf dieRenten an gerechnet werden. Ferner soll bereits jetzt mit den Untersuchungen für die Überprüfung der Erwerbsfähigkeit der Empfänger von KB-Renten begonnen werden.55Hier liegt wohl ein Irrtum des Berichterstatters oder eine fehlerhafte Aufzeichnung des Protokollführers vor: ein Art. 14 ist in keinem der in StK-GuV 10015 bzw. in den BR-Drs. enthalte nen Gesetzentwürfe aufgeführt. Bezug genommen wird hier aller Wahrscheinlichkeit nach auf den § 1 des Gesetzentwurfs, der den Kreis der Anspruchsberechtigten und die Höhe des Rentenzuschlags definiert: „(1) Beschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens fünfzig von Hundert, Witwen und Verwandte der aufsteigenden Linie, die in den Ländern Bayern, ausschließlich des Kreises Lindau, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Württemberg-Baden rentenberechtigt sind, erhalten zu ihrer Rente einen Zuschlag von zwanzig von Hundert. Anspruch auf einen Zuschlag besteht nicht, wenn das sonstige Einkommen die halbe Rente übersteigt oder der Berechtigte eine Rentenversicherung der Arbeiter, der Angestellten oder der knappschaftlichen Rentenversicherung bezieht. Auf die Höchstbeträge nach § 559 b Abs. 1 Satz 2 und § 595 der Reichsversicherungsordnung wird der Zuschlag nicht angerechnet.“
2Staatsminister Krehle erwidert hierauf, dies sei infolge der geringen Zahl der Ärzte und der zahlreichen Rückstände noch nicht möglich.
l) Über das Bundesgesetz zur Wiederherstellung der Ehrenämter und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung56 berichtet Staatssekretär Dr. Grieser. Der Gesetzentwurf übernehme im allgemeinen die bayerische Regelung.57 Der Gesetzentwurf werde allerdings bei den Linksparteien auf Widerstände stoßen, da er in Übereinstimmung mit der vom Wirtschaftsrat beschlossenen Verteilung der Beitragsleistung die Sitze in den Vertretungen zur Hälfte den Versicherten und zur Hälfte den Arbeitgebern zuteile,58 während bisher die Vertreter der Versicherten in der Überzahl gewesen seien.Zwei Vorbehalte müsse Bayern zu dem Gesetzentwurf noch machen. Einmal sollten die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften auch künftig den Ländern Vorbehalten bleiben, ferner müsse in den Vertretungen der Gemeinde-Unfallversicherungsgesellschaften, die durch zahlreiche angegliederte Versicherungsunternehmer erweitert worden seien, die Mehrheit der Gemeinden erhalten werden.59
U56S. im Detail StK-GuV 13319 u. StK 14808. Vgl. Kabinettsprotokolle
1949 S. 282
; Kabinettsprotokolle
1950 S. 143
; Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland Bd. 3 S. 151 ff.; Hockerts, Entscheidungen S. 131–142. Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 371/49 . Mit diesem Gesetz sollte im deutschen Sozialversicherungswesen das aus der Weimarer Republik stammende Traditionsprinzip der Selbstverwaltung, das während der NS-Herrschaft abgeschafft worden war, wiederhergestellt werden. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 13. 1. 1950 unter dem Vorbehalt möglicherweise noch eintretender Änderungsanträge zu.57In Bayern war die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung bereits im Dezember 1948 durch ein Landesgesetz wiederhergestellt worden. – Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, die Aufsicht über die Versicherungsträger, die Errichtung von Verbänden der Versicherungsträger und über Änderungen in der Unfallversicherung vom 31. Dezember 1948 (GVBl. 1949 S. 29
).58Der Wirtschaftsrat hatte am 24. 5. 1949 ein Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung verabschiedet, das eine paritätische Besetzung der Selbstverwaltungsorgane aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern vorsah. Damit stellte sich der Wirtschaftsrat sowohl gegen einen vorangegangenen Gesetzentwurf der SPD vom 1. 12. 1948 (WR-Drs. Nr. 829) wie auch gegen die Vorstellungen der Alliierten; SPD und Besatzungsmächte favorisierten bei der Besetzung der Selbstverwaltungsorgane eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Versicherungsnehmer. Die Militärregierungen der Bizone lehnten das Gesetz am 18. 8. 1949 ab und überwiesen das Gesetz zur weiteren Behandlung an die noch zu bildende Bundesregierung. S. Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland Bd. 3 S. 151 f.; Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Bd. 5 S. 91; Hockerts, Entscheidungen S. 138f.59Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I/17, Nr. 129 TOP I/B, Nr. 130 TOP I/a2, Nr. 131 TOP VIII, Nr. 137 TOP I/25.
m) Der Ausschuß für Petitionen des Bundestags hat wiederholt beschlossen, Gemeinden oder auch Landesbehörden zur Berichterstattung über bestimmte Petitionen aufzufordern. U
1Das Kabinett ist mit dem Vorschlag des Ministerpräsidenten einverstanden, an den Bundestag und Bundesregierung wegen der Zuständigkeitsüberschreitungen des Ausschusses für Petitionen heranzutreten.60
60Vgl. die Aktenvormerkung von StM Müller, 11. 11. 1949, über Tätigkeit und Kompetenzüberschreitungen des Bundestagsausschusses für Petitionen (NL Ehard 1180): Beklagt wurde hier, daß laut Kurzprotokoll der 4. Sitzung des Bundestagsausschusses für Petitionen vom 2. November 1949 sich der Ausschuß mit 15 Petitionen befaßt habe, die mehrheitlich eindeutig nicht in die Zuständigkeit des Bundes fielen, bis auf zwei Ausnahmen trotzdem aber an andere Bundestagsausschüsse überwiesen worden seien. StM Müller empfahl, gegen diese Kompetenzüberschreitungen Widerspruch einzulegen, allerdings nicht direkt – da keine unmittelbaren bayer. Interessen betroffen seien -, sondern einen solchen Schritt beim Bundesrat anzuregen.
n) Zur Abwicklung der Enteignungsverfahren der früheren Stelle für Landbeschaffung61 ist der Ministerrat der Auffassung, daß es sich um eine rein finanzielle Angelegenheit handelt, für die das Staatsministerium der Finanzen gegebenenfalls unter Zustimmung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu entscheiden habe. U61Gemeint ist die ehemalige Reichsstelle für Landbeschaffung, welche 1935 durch Gesetz im Reichswehrministerium eingerichtet wurde, und deren Aufgabe es war, vornehmlich land- und forstwirtschaftliche Flächen durch Kauf bzw. Enteignung für die militärische Nutzung verfügbar zu machen. – Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935 (RGBl. S. 467 ).
o) Regierungsdirektor Frhr. v. Gumppenberg teilt mit, daß das Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates unmittelbare Anfragen an einzelne Staatsministerien richte. Bei der gestrigen Koordinierungssitzung sei man sich einig gewesen,62 daß dieses Verfahren unzulässig sei und das Bundesministerium für Bundesratsangelegenheiten nur mit dem Bevollmächtigten Bayerns zu verkehren habe63
U62Diese Formulierung geht auf eine hs. Korrektur im Registraturexemplar zurück. An dieser Stelle hatte es zunächst geheißen: „Bei der gestrigen Koordinierungssitzung gab es darüber einige Beschwerden“ (StK-MinRProt 12).63Diese Ausführungen divergieren in ihrem sachlichen Grundtenor vom Wortlaut des Kurzprotokolls über die 10. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten in der Bayerischen Staatskanzlei vom 4. Januar 1950: Zwar betonte StM Pfeiffer hier, daß „mit Rücksicht auf den hochpolitischen Charakter“ des Ministeriums für Bundesratsangelegenheiten direkten Anfra gen dieses Ministeriums nicht stattgegeben werden sollte, und entsprechende Anfragen und Antworten über die Bayer. Vertretung in Bonn laufen sollten, „dieser Grundsatz schließe allerdings nicht den unmittelbaren und notwendigen Verkehr zwischen Bundesressortmin. mit bayerischen Ressortmin. aus. Der Koord. Ausschuß ist der Auffassung, bei unmittelbaren Anfragen des Min. für Bundesratsangelegenheiten nicht zu engherzig zu verfahren und von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die unmittelbare Beantwortung tunlich sei.“ (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II).
1Nach erläuternden Ausführungen des Staatsministers Dr. Pfeiffer billigt das Kabinett diese Auffassung.
2Staatsminister Dr. Pfeiffer spricht noch den Wunsch aus, daß künftig die Sitzungen des Ministerrats immer auf den Montag oder Dienstag anberaumt würden, da er an den übrigen Tagen der Woche regelmäßig in Bonn sei. Man habe in Bonn verabredet, daß die dortigen Sitzungen im Bundesrat und seinen Ausschüssen jeweils am Mittwoch beginnen.
3Staatsminister Dr. Hundhammer bittet das Kabinett noch, die Errichtung eines kulturpolitischen Ausschusses des Bundesrates zu billigen. Er habe bereits bei der Konferenz der Kultusminister64 zugestimmt,65 wisse allerdings noch nicht, wann dieser Punkt auf die Tagesordnung des Bundesrates gesetzt werde.64Am 18. 10. 1949 hatten die Kultusminister der westdeutschen Länder auf einer Tagung in Bernkastel die Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland gegründet. Der bayer. Kultusminister Hundhammer war zum ersten Präsidenten der Kultusministerkonferenz gewählt worden. Zur Vorgeschichte und Gründung der Ständigen Konferenz der Kultusminister vgl. Müller, Gründung, Gelberg, Ehard S. 309f.; s. im Detail auch MK 65963, MK 65977.65Die Einrichtung des Kulturpolitischen Ausschusses des Bundesrates wurde, am Rande der Tagung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder am 2./3. 12. 1949 in Düsseldorf, in einer vertraulichen Konferenz unter Teilnahme von Bundesratspräsident Karl Arnold und Bundesinnenminister Gustav Heinemann beschlossen. S. hierzu: Kurzvermerk über die Konferenz zwischen dem Bundesinnenminister und den Kultusministern in Düsseldorf am 2. 12. 1949 (MK 65965). Nach Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 11. 2. 1950 sollte der Vorsitz im Kulturpolitischen Ausschuß des Bundesrates dem jeweiligen Präsidenten der Ständigen Konferenz der Kultusminister zufallen. S. hierzu: Beschlüsse des Plenums von seiner Tagung in Unkel am 10./11. 2. 1950 (MK 65977).
4Das Kabinett ist mit der Errichtung dieses Ausschusses einverstanden.
66Vgl. 100 Jahre Bürgerliches Gesetzbuch S. 41–70.
1Ministerpräsident Dr. Ehard übergibt die Einladung zur 50-Jahrfeier des Bürgerlichen Gesetzbuches, die in Köln stattfindet, dem Herrn Staatsminister der Justiz, damit dieser von sich aus entscheiden soll, ob eine Vertretung Bayerns bei dieser Feier veranlaßt erscheine.
1Das Kabinett beschließt noch, daß bei der Einweihung der Illerbrücke beiFerthofen die Staatsregierung durch Staatssekretär Fischer vertreten werden soll.67
67S. allgemein zum Wiederaufbauprogramm für die zahlreichen, durch Kriegseinwirkungen zerstörten bayer. Brückenbauten den Beitrag von Staatssekretär Franz Fischer, „Der Wiederaufbau der Straßenbrücken in Bayern", Bayer. Staatsanzeiger Nr. 9, 4. 3. 1949.
1Ministerpräsident Dr. Ehard gibt Kenntnis von einem Schreiben des Vizekanzlers Blücher,68 in welchem er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsrates des Instituts für Raumforschung69 um Benennung eines Vertreters des Landes Bayern in diesem Institut bittet.70 Das Institut ist beim Statistischen Amt des Bundes errichtet.68Franz Blücher (1896–1959), Kaufmann, 1921–1945 leitende Tätigkeiten in der Privatwirtschaft (kaufm. Leiter, Abteilungsleiter, Bankdirektor), 1946 Vorsitzender der FDP in der brit. Zone, 1946–1949 Finanzminister in NRW, 1947–1949 MdL NRW (FDP), 1948 stv. Bundesvorsitzender, 1949–1954 Bundesvorsitzender der FDP, 1956 Austritt aus der FDP, 1949–1957 MdB (FDP, ab 1956 FVP) und zugleich Stellvertreter des Bundeskanzlers und Bundesminister für den Marshallplan bzw. ab 1953 für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1958–1959 Mitglied der Hohen Behörde der Montanunion. Vgl. Kanzler und Minister S. 143–146.69S. im Detail MWi 21657. Das Institut für Raumforschung war aus der ehemaligen Reichsstelle für Raumordnung hervorgegangen und unterstand, zunächst noch mit Sitz der Geschäftsstelle in Münster/Westf., der Verwaltung des VWG. Im Januar 1950 wurde die Geschäftsführung nach Bad Godesberg verlegt, im September 1950 durch die Verordnung zur Auflösung oder Überführung von Einrichtungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 8. September 1950 (BGBl. S. 678 ) in den Bereich des Bundes überführt und als alleinige Bundesstelle für Fragen der Raumforschung dem BMI unterstellt. Vgl. Institut für Raumforschung, Jahresbericht; Klamroth, Organisation; Vogel, Westdeutschland III S. 663 f.70Vorsitzender des Instituts für Raumforschung war zum damaligen Zeitpunkt (1949/51) der Vizekanzler und Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplanes Franz Blücher, dem Kuratorium gehörten die Staatssekretäre der Bundesministerien und der Präsident des Statistischen Bundesamtes an, Vertreter Bayerns im Länderbeirat war MinDir Heilmann. Vgl. Institut für Raumforschung, Jahresbericht S. 11.
2Staatsminister Dr. Seidel erklärt hierzu, als einzige das Bundesgebiet umspannende Einrichtung, die sich mit der Raumplanung befasse, sei die Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover errichtet.71 Die zuständigen Landesminister72 hätten bei einer Sitzung am 24. November beschlossen, lediglich diese Akademie zu unterstützen. Ein zweites Institut sei überflüssig und könne nach einem Beschluß der Finanzminister nicht unterstützt werden.71Diese seit 1949 von den Ländern gemeinsam finanzierte überregionale Forschungsinstitution ging unmittelbar aus der in Hannover ansässigen ehemaligen Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung (RAG) hervor, die 1945 ihre Arbeit fortgesetzt hatte und 1946 die Bezeichnung Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) annahm. Die Akademie für Raumforschung und Landesplanung hatte mit dem Institut für Raumforschung des Bundes ein Arbeitsabkommen getroffen. Vgl. Borchard/Scholich, Akademie; Klamroth, Organisation S. 14f.72In der Vorlage fälschlich „Landesmeister“.
3Staatsminister Dr. Seidel empfiehlt, die Angelegenheit zunächst dilatorisch zu behandeln.
4Dem stimmt der Ministerrat zu.
5Ministerialdirigent Dr. Heilmann73 vom Staatsministerium für Wirtschaft wird Staatsminister Dr. Pfeiffer noch nähere Unterlagen zuleiten.74
73Dr. jur. Georg Heilmann (1892–1981), Jurist, seit 1919 BVP-Mitglied, 1921 Große Juristische Staatsprüfung, 1922 Bezirksamtmann Schweinfurt, 1927 Übertritt in den Reichsdienst, 1929 Reichsarbeitsministerium, 1930 ORR, seit 1932 im Aufgabenbereich des Reichskommissars für den sozialen Wohnungsbau tätig, 1933 NSDAP-Mitglied, 1936 MinRat, 1944 MinDirig, verheiratet mit einer Nichte Carl Goerdelers, nach dem 20. 7. 1944 infolgedessen verhaftet und bis 7. 10. 1944 inhaftiert, am 3. 1. 1947 von der Spruchkammer in die Gruppe der Entlasteten eingestuft, seit 10. 3. 1947 auf Sonderdienstvertrag Anstellung im StMWi, 14. 1. 1948 nach Zustimmung des Ministerrats unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit Ernennung zum MinDirig im StMWi (vgl. Nr. 8 TOP XI und Nr. 11 TOP XH/d).74Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP X, Nr. 102 TOP I/16.
1Ministerpräsident Dr. Ehard berichtet, der im Auftrag des Kabinetts gebildete Ausschuß für Personalangelegenheiten habe der vom Staatsministerium der Finanzen beantragten Wiederernennung des ehemaligen Staatsbank-Präsidenten Gorter75 nur mit der Einschränkung zugestimmt, daß er nicht die Bezüge eines Staatsbank-Präsidenten, sondern lediglich die eines Staatsbank-Vizepräsidenten erhalten könne.76
75Albert Gorter (1887–1981), Jurist, 5. 5. 1913 Eintritt in die bayer. Finanzverwaltung, 1. 2. 1914 Finanzassessor bei der Regierung von Oberbayern, 23. 5. 1918 Eintritt in das StMF, dort 1. 9. 1919 Regierungsassessor, 1. 4. 1920 RR, 1. 4. 1923 ORR, 1. 4. 1928 Titel und Rang eines Ministerialrats, 1. 8. 1929 MinRat, NSDAP-Mitglied seit 1. 5. 1937, 27. 1. 1942 kommissarischer Präsident der Bayer. Staatsbank, 1. 6. 1942 Präsident der Bayer. Staatsbank, Entlassung am 5. 6. 1945 durch Verfügung der US-Militärregierung, durch Spruchkammerbescheid vom 22. 4. 1947 eingestuft als „nicht betroffen“ vom Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, 9. 3. 1948 Ernennung zum Vizepräsidenten der Bayer. Staatsbank und gleichzeitige Versetzung in den Ruhestand, 12. 2. 1949 Kommissarischer Leiter der Bayer. Staatsschuldenverwaltung, 1. 4. 1951 Präsident der Bayer. Staatsschuldenverwaltung, 1. 8. 1952 Ruhestandsversetzung.76Vgl. Nr. 1 TOP XVI.
2Ministerialdirektor77
Dr. Ringelmann erklärt ergänzend, Gorter wolle unter allen Umständen wieder in den Genuß der vollen Bezüge eines Staatsbank-Präsidenten gelangen. Gorter glaube, hierauf einen Rechtsanspruch zu besitzen. Es bestehe sogar die Möglichkeit, daß er eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs herbeiführe.77In der Vorlage fälschlich „Ministerialdirigent“.
3Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten stimmt der Ministerrat der Ernennung lediglich unter den beiden Voraussetzungen zu, daß Gorter die Zusicherung abgebe, keine Klage gegen den Bayerischen Staat am Verwaltungsgerichtshof anzustrengen, und daß er als Präsident der Staatsschuldenverwaltung lediglich die Bezüge eines Staatsbank-Vizepräsidenten erhält.
4Der nächste Ministerrat findet am Dienstag, den 10. Januar um 10 Uhr Statt.
Der Bayerische Ministerpräsident
gez.: Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des
Ministerrats
Im Auftrag
gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Regierungsdirektor
Der Leiter der
Bayerischen Staatskanzlei
gez.: Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister