Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Dr. Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Penzel zu Punkt V der Tagesordnung (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialdirigent Dr. Freudling (Finanzministerium) und Ministerialdirigent Dr. Zehler (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr) zu Punkt VII der Tagesordnung.
Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium).
I. Plenarsitzung des Bayer. Landtags vom 5. bis 8. Oktober 1954. II. Personalangelegenheiten. III. Antrag auf vorgriffsweise Bewilligung von Mitteln des Staatshaushalts 1955 für den sozialen Wohnungsbau und andere Wohnungsbauten. IV. Beurlaubung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Vorbereitung ihrer Wahl in den Bayer. Landtag. V. Verkleinerung des Bundesauffanglagers Nürnberg-Valka und Errichtung eines neuen Lagers für Zwecke des sog. PEP-Programms. VI. Unterbringung des Holzforschungsinstituts des Universitätsprofessors Dr. Franz Kollmann. VII. Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens; hier: Bavaria-Filmkunst GmbH, München-Geiselgasteig. VIII. Gesetz über versorgungsrechtliche Maßnahmen. IX. Antrag des BHE auf Einräumung des Platzes 4 in die Landtagswahlliste. X. 900-jähriges Jubiläum der Stadt Coburg; hier: Schenkung eines Gobelins an die Stadt Coburg. XI. Strafverfahren gegen den Hauptwachtmeister der Grenzpolizei Erich Ulbricht wegen Landesverrats; hier: Beschlußfassung über die Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen fahrlässiger Preisgabe von Staatsgeheimnissen (§ 100 c StGB) durch die Bayerische Staatsregierung. XII. Durchführung der Entschädigung für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung in Bayern. XIII. Verbot des Auftretens von sog. Kulturgruppen und Kulturensembles aus der Sowjetzone. XIV. Inverkehrbringen von Bieren, die unter Verwendung von Zucker bereitet sind. XV. Tag der Kriegsgefangenen 1954.
1. Interpellation der Fraktion des BHE betreffend Bundesmietengesetz1
Dr. Seidel erinnert daran, daß im letzten Ministerrat die Grundzüge beraten worden seien, nach denen die Interpellation des BHE wegen der Erhöhung der Mieten beantwortet werden solle. Er werde in der Antwort etwa folgendes darlegen:
StaatsministerWirtschaftsausschuß habe sogar einen besonderen Unterausschuß gebildet; daraus gehe hervor, daß sich auch der Bundesrat der Problematik des Gesetzentwurfes vollauf bewusst sei.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung habe zahlreiche Fragen aufgeworfen, mit denen sich zur Zeit die Ausschüsse des Bundesrats beschäftigen. DerDie Staatsregierung sehe sich nicht in der Lage, die etwas summarische Anfrage der Interpellanten eindeutig zu beantworten, jedenfalls sei sie sich aber der Tatsache bewußt, daß die berechtigten Interessen sowohl der Hausbesitzer wie der Mieter berücksichtigt werden müßten. Außerdem weise er darauf hin, daß vermutlich eine Fülle von Abänderungsanträgen eingebracht würde. Unter diesen Umständen besitze die Bayerische Staatsregierung noch nicht die notwendige Übersicht und Klarheit, um sagen zu können, welche Stellungnahme sie endgültig zu dem Gesetzentwurf einnehmen werde.
Dr. Hoegner wird noch vereinbart, daß Herr Staatsminister Dr. Seidel zum Schluß der Antwort noch erklärt, die Staatsregierung könne jetzt schon sagen, daß sie voraussichtlich verschiedenen Bestimmungen wohl kaum ihre Zustimmung geben könne.2
Auf Vorschlag von Herrn Staatsminister2. Kleine Anfragen
Dr. Ehard gibt bekannt, daß eine Reihe von Anfragen gestellt würden und zwar von
Ministerpräsident a) Abg.Diese Anfrage behandle die Störungen, die im Kurbetrieb von Bad Kissingen durch amerikanische Panzer verursacht würden.
4
Hier handle es sich um eine Angelegenheit, die der Staatsregierung schon seit langem bekannt sei und wegen der schon wiederholt Besprechungen mit den zuständigen amerikanischen Stellen stattgefunden hätten. b) Eine weitere Anfrage stelle Abg.6 sei die Antwort für das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus nicht schwierig.7
Sie beschäftige sich mit dem Schulanfang. Nachdem hier ein Beschluß des Bayer. Landtags vorliege,Nerlinger (BP)8
c) Abg.Lazari (Metex-Memmingen) gewarnt worden sei.9
erkundige sich, ob der Staatsregierung bekannt sei, daß bereits im Jahre 1951 das Finanzministerium vorZietsch stellt fest, daß ihm von dieser Sache nichts bekannt sei. Er werde die Anfrage beantworten.10
StaatsministerSturm (BP)11 vor, die die Angelegenheit Dr. Werner12 (Oettingen) zum Gegenstand habe.
d) Schließlich liege noch eine Anfrage des Abg.Die Beantwortung obliegt dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium.13
Landesamt für Verfassungsschutz
1.Dr. Hoegner teilt mit, der bisherige Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz, Regierungsdirektor Kurz, sei zurückgetreten; er habe den Wunsch, wieder in den Bereich des Staatsministeriums der Justiz, aus dem er stamme, zurückzukehren. Als Nachfolger sei der ehemalige Oberstleutnant der Polizei, Martin Riedmayr, in Aussicht genommen, der aus dem bayerischen Polizeidienst hervorgegangen sei.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard und Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner einen Überblick über den Werdegang des Herrn Riedmayr.
Anschließend geben MinisterpräsidentDr. Hoegner erklärt, er habe gestern den Antrag gestellt, die Stelle des Leiters des Amtes für Verfassungsschutz zu einer Ministerialratsstelle zu heben. Vorläufig sei es allerdings nur möglich, Herrn Riedmayr zum Regierungsdirektor zu ernennen.
Stv. MinisterpräsidentZietsch erklärt sein Einverständnis mit der Hebung der Stelle.
StaatsministerMartin Riedmayr zum Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz zuzustimmen.14
Der Ministerrat beschließt einstimmig, der Ernennung des HerrnDr. Ehard stellt dann die Frage, ob die Ernennung bekanntgemacht werden solle. Er selber sei der Meinung, im Communique nichts darüber zu veröffentlichen, es reiche aus, wenn Herr Staatsminister Dr. Hoegner den Sicherheitsausschuß des Bayer. Landtags verständige.
MinisterpräsidentRiedmayr sein Amt angetreten habe.
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß die Ernennung erst bekanntgegeben wird, wenn HerrWeinkamm sichert zu, sobald als möglich Regierungsdirektor Kurz im Bereich des Staatsministeriums der Justiz15 unterzubringen.16
StaatsministerJulius Schneider17 zum Ministerialrat in der Obersten Baubehörde
2. Ernennung des RegierungsbaudirektorsDer Ministerrat beschließt, dieser Ernennung zuzustimmen, nachdem Staatsminister Zietsch ausdrücklich erklärt, keine Bedenken geltend zu machen.
Dr. Karl Weinisch18 im Staatsministerium des Innern-Oberste Baubehörde
3. Verlängerung der Amtszeit des MinisterialratsDr. Ehard teilt mit, das Staatsministerium des Innern beantrage, die Amtszeit des Ministerialrats Dr. Weinisch bis 30. Juni 1955 zu verlängern, da dieser Mitglied der beim Bundesminister für Wohnungsbau gebildeten Hauptkommission für die Baugesetzgebung sei.
MinisterpräsidentNach kurzer Aussprache wird beschlossen, der Verlängerung der Amtszeit bis 30. Juni 1955 zuzustimmen.
Bayer. Obersten Rechnungshofs19
4. Ernennung des Präsidenten desDr. Ehard gibt bekannt, daß er den derzeitigen Vizepräsidenten Dr. Heinz Schellhorn am 29. September 1954 zum Präsidenten des Obersten Rechnungshofs ernannt habe.
MinisterpräsidentObersten Rechnungshof bisher noch nicht angehört habe.
Es werde nun notwendig werden, einen neuen Vizepräsidenten zu ernennen, dazu müsse der jetzige Präsident gefragt werden. Allzu eilig sei die Entscheidung noch nicht; er wolle die Frage heute nur zur Debatte stellen, nachdem er den Eindruck habe, es wäre gut, wenn zum Vizepräsidenten ein Beamter ernannt werde, der demDer Ministerrat nimmt die Mitteilung zur Kenntnis.
Dr. Ehard verweist auf die Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 2. Oktober 1954, der der Entwurf eines Antrags an den Bayer. Landtag beigegeben sei, die Staatsregierung zu ermächtigen, Mittel für den Wohnungsbau 1955 im Vorgriff bereitzustellen.
MinisterpräsidentIm einzelnen handle es sich
sozialen Wohnungsbau und zwar
1. um nachrangige Mittel für den
56 Mio DM Lastenausgleichsmittel und
Haushaltsmittel des Bayerischen Staates in Höhe von insgesamt 52 Mio DM;
2. um weitere 7 Mio DM für den Bau von Wohnungen für Staatsbedienstete.
Insgesamt sollten also für den Wohnungsbau 1955 180 Mio DM im Vorgriff bereitgestellt werden.
Der Ministerrat beschließt, diesen Antrag an den Präsidenten des Bayer. Landtags weiterzuleiten.20
Dr. Ehard erinnert an den Ministerratsbeschluß vom 14. September 1954, wonach die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bayerischen Staaten auf Antrag zur Vorbereitung ihrer Wahl für den Bayer. Landtag für die Zeit von zwei Monaten vor dem Wahltag Urlaub unter Weitergewährung ihrer Dienstbezüge erhalten sollten. Durch diesen Beschluß sei ein Vorschlag des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen ohne Abänderung angenommen worden.
MinisterpräsidentSimmel (BHE) vor, die sich kritisch mit diesem Beschluß befasse. Er persönlich sei auch der Meinung, daß eine Beurlaubung von zwei Monaten reichlich großzügig bemessen sei.
Nachdem diese Beurlaubung schon in der Presse behandelt worden sei, liege nun eine Anfrage des Abg. Dr.Dr. Hoegner erklärt, er halte zwei Monate für zu lange, immerhin könne sich die Staatsregierung bei ihrer Antwort auf Art. 48 GG berufen, wonach jeder, der sich um einen Sitz im Bundestag bewerbe, Anspruch auf den zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub habe. In die Bayer. Verfassung sei allerdings eine ähnliche Betimmung nicht aufgenommen worden.22
Auch Stv. MinisterpräsidentDr. Nerreter schlägt vor, den Beschluß so auszulegen, daß nur innerhalb der Frist von zwei Monaten – soweit erforderlich – Urlaub gegeben werden könne.
StaatssekretärDr. Hoegner unterstützt diesen Vorschlag, ebenso wie Staatsminister Zietsch, der feststellt, man könne durchaus im Landtag erklären, der Beschluß sei gar nicht anders zu verstehen.
Stv. MinisterpräsidentDr. Ehard empfiehlt, ungefähr folgendes festzustellen:
MinisterpräsidentDer Beschluß vom 14. September 1954 ist so zu verstehen, daß Beamte innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten vor dem Wahltag entsprechende Zit zur Vorbereitung ihrer Wahl haben können.
Der Ministerrat stimmt diesem Vorschlag zu, ebenso der Anregung von Herrn Staatsminister Dr. Hoegner, in der Antwort auch auf Art. 48 GG zu verweisen.23
Penzel führt aus, der Ministerrat habe ihn am 14. September 1954 beauftragt, festzustellen, ob die zuständigen amerikanischen Dienststellen bereit seien, die Zirndorfer Kaserne für die Bereitschaftspolizei freizugeben.25 Schon bei einer früheren Besprechung sei seitens der Armee erklärt worden, eine Freigabe sei unmöglich.26 Bei weiteren Besprechungen am 17. September 1954 habe der amerikanische Generalkonsul27 in München den Anspruch seiner Regierung auf Zirndorf erneut begründet und u.a. darauf hingewiesen, das sogen. Escapee-Flüchtlings-Programm habe das besondere Interesse des Präsidenten der Vereinigten Staaten.28
HerrZirndorf nicht für deutsche Zwecke zur Verfügung gestellt werden könne. Am 25. September 1954 sei dann die Entscheidung des US-Hochkommissars eingegangen, in der es u.a. heiße, der Hohe Kommissar unterrichte die Staatsregierung von dem Beschluß, die Zirndorfer Kaserne dem Escapee-Programm für seine Zwecke zu überlassen. Der Hohe Kommissar befürworte aber die ordnungsgemäße Auflösung des gegenwärtigen Sammellagers.
Er habe daraufhin um eine bindende Weisung gebeten, daßZirndorf für die Bereitschaftspolizei ausscheide, habe es wohl keinen Zweck mehr, in irgendeiner Form noch Widerstand zu leisten. Immerhin könne man jetzt wohl an den Abbau der Baracken des Valka-Lagers gehen, zumal die Amerikaner versichert hätten, die Flüchtlinge würden in Zirndorf gut bewacht und mit einem Ausbildungsprogramm beschäftigt; dadurch sei zu hoffen, daß wenigstens ein Teil von ihnen wieder zu brauchbaren Mitbürgern gemacht werde.
Nachdem alsoBundesinnenministerium bitte dringend, ihm die Entscheidung des Ministerrats mitzuteilen.
Dasamerikanischen Hohen Kommissars, wonach die Zirndorfer Kaserne für das Escapee-Programm benötigt und deshalb nicht freigegeben werden könne
Der Ministerrat beschließt, die Mitteilung des1. zur Kenntnis zu nehmen und keine weiteren Einwendungen dagegen zu erheben,
Valka-Lagers Zug um Zug mit der Einweisung der dort untergebrachten Flüchtlinge in die Kaserne Zirndorf abzubrechen.29
2. die Baracken desDr. Hoegner führt aus, er habe zwar in der vorletzten Kabinettsitzung keine Einwendungen dagegen erhoben, daß das Holzforschungsinstitut in der Winzererstraße 43 untergebracht werde. In der Zwischenzeit habe er aber festgestellt, daß der Bund seine Ansprüche auf dieses Gebäude nur mit Rücksicht auf das Landeskriminalamt aufgegeben habe.
Stv. MinisterpräsidentBundesinnenministerium sein Zugeständnis widerrufen werde.
Es sei demnach zu befürchten, daß dasDr. Nerreter fügt hinzu, das Anwesen Winzererstr. 43 sei an sich für den Bundesgrenzschutz bestimmt gewesen; auch er glaube deshalb, daß die Ansprüche von neuem erhoben würden, wenn jetzt nicht nur das Landeskriminalamt, sondern ein völlig anderes Institut dort hineingelegt werde.
StaatssekretärZietsch erklärt, das Staatsministerium des Innern in dieser Frage unterstützen zu müssen.
StaatsministerDr. Nerreter macht dann auf das Haus Königinstr. 23 für das Holzforschungsinstitut aufmerksam, worauf
StaatssekretärDr. Guthsmuths erwidert, diese Möglichkeit sei schon geprüft worden, es habe sich aber gezeigt, daß dieses Gebäude für die Zwecke des Instituts ungeeignet sei.
StaatssekretärDr. Schwalber bittet dringend, die Berufung Kollmanns, die für die Universität München von größer Bedeutung sei, nicht an der Raumfrage scheitern zu lassen. Er habe schon bei dem ersten Beschluß darauf hingewiesen, daß es sich bei der Winzererstraße nur um eine vorübergehende Unterbringung handle und er an sich beabsichtige, das Institut Professor Kollmanns endgültig näher bei der Universität, z.B. im ehemaligen Gebäude der BHS, unterzubringen. Er glaube nicht, daß irgendwelche Schwierigkeiten seitens des Bundes entstehen würden, wenn der Aufbau des Salinengebäudes vorgesehen werde.
StaatsministerZietsch empfiehlt, die Raumkommission nochmals zusammentreten zu lassen, er könne sich nicht mit dem Beschluß vor 14 Tagen einverstanden erklären.
StaatsministerWach kurzer Aussprache wird folgender Beschluß gefaßt:
Winzererstr. 43 handelt es sich um eine Zwischenlösung, bei der es vorerst bleiben soll.31
1. Bei der Unterbringung des Holzforschungsinstituts in derBerg-, Hütten- und Salzwerke AG, Ecke Ludwig-Schellingstraße.32
2. Die Raumkommission wird beauftragt, sofort nochmals zu prüfen, ob andere Möglichkeiten für die endgültige Unterbringung des Instituts bestehen, insbesondere in dem ehemaligen Gebäude derDr. Zehler führt aus, die sog. Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens der Ufa-Film GmbH (Ufi) gehe auf das Jahr 1950 zurück.34 Am 5. Juni 1953 sei dann das Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung dieses Vermögens in Kraft getreten,35 ein Gesetz, das bekanntlich sehr umstritten gewesen und auch im Vermittlungsausschuß erörtert worden sei. Darin werde u.a. bestimmt, daß die Reprivatisierung des Vermögens innerhalb von zwei Jahren durchgeführt sein müsse. Zur Neuordnung habe man einen Abwicklungsausschuß errichtet, dem als Vorsitzender Bundestagsabg. Dr. Vogel,36 ferner Vertreter verschiedener Bundesministerien und Vertreter der Regierungen der beteiligten Länder, nämlich Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Berlin angehörten.37
Ministerialdirigent38
Am 8. Januar 1954 habe der Abwicklungsausschuß beschlossen, die Tochtergesellschaften der aufgelösten Ufi, darunter auch die Bavaria Filmkunst GmbH in München, nicht aufzulösen, sondern ihre Tätigkeit in ihrer alten Rechtsform fortzusetzen.39
Der Wert der verschiedenen Gesellschaften sei durch eine Treuhandgesellschaft festgestellt worden, er belaufe sich auf etwa 85 Mio DM, von denen allerdings erhebliche Passiven usw. abzuziehen seien. Der Gesamtwert der Bavaria Filmkunst GmbH könne auf etwa 20 Mio DM beziffert worden.40 Auf alle Fälle sei man sich darüber einig gewesen, eine Kapitalgesellschaft zu gründen. Die Frage sei nun, ob eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH errichtet werden solle, hiefür werde um einen Beschluß des Ministerrats gebeten. Bei den Überlegungen sei man davon ausgegangen, daß eine AG unnötig sei, wenn bereits ein einzelner Unternehmer oder eine bestimmte Interessengruppe als Bewerber feststehe; sei dies aber nicht der Fall, so wäre wohl die Gründung einer AG erforderlich. Es habe sich jetzt ein Bankenkonsortium unter Führung der Süddeutschen Bank gebildet, dem man unter Umständen das Aktienpaket der neuen Gesellschaft zur Verwaltung und Verwertung übergeben könne. An sich könnte man noch beide Möglichkeiten, AG oder GmbH, offen lassen. Es sei aber doch wohl besser, sich schon vorher schlüssig zu werden, bevor der Prospekt herauskomme.
In einer weiteren Sitzung des Abwicklungsausschusses vom 30. Juli 1954 sei dann beschlossen worden, als erstes die Bavaria Filmkunst GmbH zu reprivatisieren; ferner sei damals überlegt worden, in welcher Rechtsform die neue Gesellschaft errichtet werden solle.Dr. Freudling fährt ergänzend fort, es handle sich also um zwei Fragen, einmal nämlich, ob die Bavaria Filmkunst GmbH, in eine neue Kapitalgesellschaft umgeformt werden solle und gegebenenfalls in welcher Form, ferner ob der Weg gewählt werden solle, die Anteile zunächst treuhänderisch einem Bankenkonsortium zu übertragen. Er persönlich halte die Frage AG oder GmbH nicht für allzu wichtig. Die Banken befürworteten allerdings eine AG, weil diese eher geeignet wäre, die Verwertung der Anteile zu beschleunigen.
MinisterialdirigentMan habe sich vor allem überlegt, ob die neuen Gesellschaftsanteile einem Bankenkonsortium übergeben oder in der Verwaltung des Abwicklungsausschusses bleiben sollten. Dieser meine aber, es empfehle sich die Übergabe an die Banken, da die Reprivatisierung nicht verzögert werden dürfe. Die Banken hätten auch größere Möglichkeiten, an private Interessenten heranzutreten. Der Abwicklungsausschuß habe sich also dafür ausgesprochen, die Anteile zur treuhänderischen Verwaltung zu übergeben und einen Treuhandvertrag abzuschließen.
Was den Wert der Bavaria Filmkunst betreffe, so handle es sich bei den 20 Mio DM nicht um den Verkehrswert, dieser sei vielmehr auf etwa 9–10 Mio DM errechnet worden, eine, wie er hinzufügen dürfe, vorsichtige Bewertung.
Was die Tätigkeit der neu zu errichtenden Gesellschaft betreffe, so wendeten sich die privaten Hersteller und Verleiher dagegen, daß sie auch die Produktion aufnehme; neuerdings schienen auch die Alliierten diese Meinung zu teilen.
Ufa, mit der sie einen sog. Organvertrag abgeschlossen gehabt habe, zwischen 1948 und 1952 erhebliche Gewinne erzielt habe, die natürlich nicht mehr an die Ufa abgeführt worden seien.
Was die Steuerschulden der Bavaria angehe, so resultieren diese daraus, daß die Gesellschaft als Tochtergesellschaft derUfa gesetzwidrig geworden seien, somit der Gewinn bei der Bavaria versteuert werden müsse.
Ein Verfahren hinsichtlich dieser Steuern schwebe jetzt beim Finanzgericht in München, die Entscheidung werde voraussichtlich dieses Jahr fallen. Die Steuerabteilung des Finanzministeriums teile die Auffassung des Finanzamts für Körperschaften, wonach der Organvertrag und der Gewinn- und Verlustübertragungsvertrag zwischen Bavaria undZusammenfassend dürfe er die beiden Fragen nochmals wiederholen, nämlich
a) Soll eine neue Kapitalgesellschaft gebildet werden und in welcher Form?
b) Billigt es der Ministerrat, daß die Anteile einem Bankenkonsortium zur Verwaltung und Verwertung übertragen werden?
Dr. Seidel stellt fest, die Staatsregierung habe vor allem ein Interesse daran, daß die Bavaria nicht stillgelegt werde. Der Gedanke, die Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umzugründen und dann ein Bankenkonsortium zu beauftragen, sei bestechend. Durch einen Treuhandvertrag zwischen Konsortium und Abwicklungsausschuß werde der letztere einen maßgeblichen Einfluß ausüben können.
StaatsministerZietsch gibt zu bedenken, daß man bei einer weiten Streuung der Anteile keine Kontrolle mehr ausüben könne, er gebe deshalb doch zu überlegen, ob nicht einer GmbH, die sich aus kleinen Gruppen zusammensetze, der Vorzug gegeben werden solle. Er glaube sicher, daß eine Gruppe zu finden sei, die 10 Mio DM in Bayern selbst aufbringen könnte.
StaatsministerDr. Seidel erwidert, auch bei einer Aktiengesellschaft könne ein Schwergewicht gebildet werden. Was die Umwandlung in eine GmbH, betreffe, so müsse man sich darüber klar sein, daß sich bis jetzt drei Gruppen interessierten und zwar die Gruppen Frhr. v. Hirschberg, Filmproduzent Dörfler41 und Finanzmakler Münemann; der letztere werde wohl der kapitalkräftigste sein.42 Er habe aber doch Bedenken, eine Entscheidung in dieser Hinsicht zu treffen; es sei immerhin möglich, daß Herr Münemann in die Lage komme, unter Druck rasch die Anteile wieder abstoßen zu müssen.
StaatsministerBei der Konzeption der AG, insbesondere bei einkulierten Namensaktien, könne nichts geschehen, vielmehr sei es dann möglich, dafür zu sorgen, daß die AG funktionsfähig sei. Die Streuung über das Bankenkonsortium werde auf Weisung des Abwicklungsausschusses vorgenommen. Der Herr Staatsminister der Finanzen habe sicher damit recht, daß man auch eine GmbH, gründen könnte, wenn ein wirklich seriöser Interessent auftauche.
Dr. Freudling meint, wenn Namensaktien ausgegeben würden und die Zustimmung zur Veräußerung an die Mehrheit gebunden werde, könne in der Tat nichts passieren.
MinisterialdirigentDr. Ehard empfiehlt, vorläufig noch keine Entscheidung über die Rechtsform der Gesellschaft zu treffen und erst zu entscheiden, wenn genau bekannt sei, wer als Käufer auftrete.
MinisterpräsidentDr. Seidel stimmt zu und erklärt, der Prospekt müsse dann so ausgearbeitet werden, daß beide Möglichkeiten berücksichtigt würden.
StaatsministerDr. Freudling und Dr. Zehler stellen fest, daß dieser Vorschlag schon im Abwicklungsausschuß gemacht worden sei, erklären aber, die Ausgabe des Prospekts müsse möglichst bald erfolgen.
Ministerialdirigent43
Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Vorschlägen einverstanden.Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Landtag einem Entwurf der Staatsregierung entsprechend im Jahre 1950 ein Gesetz über versorgungsrechtliche Maßnahmen beschlossen habe, das dann wegen des Einspruchs des amerikanischen Landeskommissars nicht habe verkündet werden können.45
Stv. Ministerpräsident46
Er sei der Meinung, daß jetzt nach den Londoner Beschlüssen die Verkündung möglich sei und bittet den Herrn Ministerpräsidenten, diese Frage prüfen zu lassen.Dr. Ehard sichert zu, die Prüfung sofort anzuordnen, bezweifelt aber, daß die Londoner Beschlüsse schon jetzt das Besatzungsstatut beseitigt hätten.47
MinisterpräsidentDr. Hoegner teilt mit, der BHE habe den Antrag gestellt, ihm entsprechend seiner Stimmenzahl bei den letzten Landtagswahlen Platz 4 auf der Wahlliste einzuräumen.
Stv. MinisterpräsidentBHE nicht als Partei wie jetzt aufgetreten, sondern als Wählergruppe BHE-DG. Es sei deshalb48 rechtlich nicht möglich, ihm die Nr. 4 auf der Liste zu geben.
Nun sei im Jahre 1950 derDr. Guthsmuths erwidert, er habe schon im Mai beim Landeswahlleiter, Präsident Dr. Wagner,49 angefragt und von diesem die Auskunft erhalten, daß kein Zweifel über die Aufnahme als Nr. 4 in die Liste bestehen könne.
StaatssekretärDr. Hoegner erwidert, die rechtlichen Schwierigkeiten seien kaum zu überwinden, da wie gesagt, der BHE im Jahre 1950 nicht als Partei aufgetreten sei. Man komme um die Tatsache nicht herum, daß sich also eine Wählergruppe, die im Jahre 1950 als Nr. 4 eingetragen gewesen sei, diesesmal überhaupt nicht mehr beteilige.
Stv. MinisterpräsidentAn sich handle es sich um eine Entscheidung des Innenministeriums, im Hinblick auf die Bedeutung der Frage habe er aber nicht versäumen wollen, das Kabinett zu verständigen.
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.
Dr. Ehard verweist auf den Ministerratsbeschluß vom 13. Juli 1954, mit dem das Kabinett es abgelehnt habe, zum 900-jährigen Jubiläum der Stadt Coburg die Kosten für einen Gobelin in Höhe von 15 000 DM zu übernehmen. In der Zwischenzeit habe das Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Verbindung mit dem Regierungspräsidenten von Oberfranken ermittelt, daß die Stadt an diesem Gobelin, der in der Nürnberger Manufaktur hergestellt werde, besonders interessiert sei und eine Ablehnung des Geschenkes erhebliche Verstimmung hervorrufen werde.51
MinisterpräsidentCoburg die letzte Gebietserweiterung Bayerns sei, ferner, daß die im Jahre 1950 in Aussicht gestellte Schenkung der Coburger Reithalle sich nicht habe ermöglichen lassen. Außerdem weise das Ministerium darauf hin, daß der Bayerische Staat die sich aus dem Staatsvertrag über die Eingliederung Coburgs ergebenden Verpflichtungen seit der Währungsreform nicht voll erfüllt habe.52
Das Kultusministerium bitte deshalb, die Sache nochmals im Ministerrat zu behandeln. In seinen Gründen werde u.a. angeführt, daßZietsch entgegnet, der Staatsvertrag werde durchaus eingehalten, im übrigen könne er nicht einsehen, warum Coburg gegenüber anderen Landesteilen besonders bevorzugt werden solle. Jedenfalls seien im Einzelpl. XIII Kap. 04 Tit. 302 keine Mittel in diesem Haushaltsjahr mehr vorhanden.
StaatsministerDr. Schwalber erläutert nochmals die Gründe, hier entgegenzukommen und betont, in diesem Haushaltsjahr würden nur 7 500 DM benötigt, während der Rest im Haushaltsjahr 1955 auf 56 gegeben werden könne.
StaatsministerDr. Ehard und Staatsminister Dr. Seidel unterstützen diesen Vorschlag, letzterer mit dem Hinweis, daß auch die Förderung der Gobelin-Manufaktur Nürnberg dringend notwendig sei.
MinisterpräsidentZietsch bereit, im laufenden Haushaltsjahr 5 000 DM zur Verfügung zu stellen.
Nach kurzer Aussprache erklärt sich StaatsministerDr. Schwalber bemerkt ausdrücklich, er müsse aber dann für 1955 einen neuen Antrag stellen.53
StaatsministerDr. Ehard gibt bekannt, der Hauptwachtmeister der Grenzpolizei Erich Ulbricht55 habe an der deutsch-tschechischen Grenze die Bekanntschaft eines tschechischen Offiziers gemacht, diese Bekanntschaft trotz Verbots fortgesetzt und schließlich Mitteilungen weitergegeben, welche als Staatsgeheimnis im Sinne des § 99ff. StGB zu betrachten seien. Infolgedessen sei ein Verfahren wegen eines fortgesetzten Verbrechens des Verrats von Staatsgeheimnissen eingeleitet worden, das bei der Staatsanwaltschaft beim Obersten Landesgericht anhängig sei.
MinisterpräsidentNach dem jetzt vorliegenden Bericht bestehe die Möglichkeit, daß Ulbricht nur wegen fahrlässiger Preisgabe eines Staatsgeheimnisses bestraft werden könne. Zur Strafverfolgung sei in einem solchen Falle die Ermächtigung der Landesregierung erforderlich. Das Staatsministerium der Justiz bitte um einen entsprechenden Beschluß der Staatsregierung, nachdem der Beschuldigte aus eigensüchtigen Motiven gehandelt und sich zugleich der passiven Bestechung strafbar gemacht haben soll.
Dr. Hoegner stellt fest, daß er über diesen Vorfall noch nicht unterrichtet worden sei. Er bitte, die Entscheidung um acht Tage zurückzustellen, da er die Einzelheiten noch prüfen wolle.
Stv. Ministerpräsident56
Der Ministerrat erklärt sich mit der Zurückstellung einverstanden.Dr. Ehard nimmt Bezug auf verschiedene Schreiben, die er wegen der Durchführung der Entschädigung in Bayern an das Bayer. Staatsministerium der Finanzen gerichtet habe. Anlaß dazu seien zahlreiche Beschwerden aus dem In- und Ausland gewesen, die sich gegen die bayerische Wiedergutmachungspraxis richteten.58
Ministerpräsident59 Er halte es für notwendig, diese Angelegenheit in einer der nächsten Kabinettsitzungen zu besprechen.60
Das Staatsministerium der Finanzen habe zu diesen Beschwerden und Vorwürfen eingehend in einer Note vom 20. Juli 1954, die auch den Herren Staatsministern und Staatssekretären zugegangen sei, Stellung genommen und darin verschiedene Vorschläge gemacht.Dr. Ehard erinnert an den Beschluß des Ministerrats vom 21. September 1954, die Tätigkeit der Kulturgruppen und Kulturensembles aus der Sowjetzone im Bereich des Freistaates Bayern zu verbieten. Die KPD habe nun beim Verfassungsgerichtshof beantragt, diesen Beschluß der Staatsregierung als verfassungswidrig zu erklären.62 Er nehme an, daß das Staatsministerium des Innern von dieser Angelegenheit bereits unterrichtet sei.
MinisterpräsidentDr. Hoegner erwidert, er habe die Klage schon zur Äußerung erhalten. Die KPD berufe sich auf Art. 48 der Bayer. Verfassung,63 obwohl der Beschluß des Kabinetts mit dieser Verfassungsbestimmung nicht das geringste zu tun habe.64
Stv. MinisterpräsidentDr. Hoegner nimmt Bezug auf die Besprechung dieser Angelegenheit im Ministerrat vom 28. September 1954. In der Zwischenzeit sei dem Herrn Ministerpräsidenten und allen Kabinettsmitgliedern eine vom 25. September 1954 datierte Note zugegangen, die sich mit der Rechtslage befasse.66 Das Innenministerium bitte u.a. in dieser Note in Übereinstimmung mit dem Staatsministerium der Finanzen ein Rechtsgutachten des Bayer. Obersten Landesgerichts einzuholen.
Stv. Ministerpräsident67
Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.Dr. Ehard gibt den Schnellbrief des Bundesministers für Vertriebene vom 1. Oktober 1954 bekannt, wonach der Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermißten-Angehörigen beabsichtige, auch in diesem Jahr durch besondere Kundgebungen der noch nicht zurückgekehrten deutschen Kriegsgefangenen zu gedenken. Der Verband wolle diese Veranstaltung am 23. und 24. Oktober durchführen, der 24. Oktober solle die Bezeichnung „Tag der Kriegsgefangenen“ führen. In den Vorschlägen des Verbands, die von der Bundesregierung unterstützt werden, werde u.a. gebeten, eine Verkehrsstille für den 23. Oktober von 12 Uhr bis 12 Uhr 02 festzulegen, ferner ab 23. Oktober, 12 Uhr bis Sonntagabend alle öffentlichen Gebäude halbmast zu flaggen. Außerdem seien Kundgebungen, Schweigemärsche usw. vorgesehen.
MinisterpräsidentDas Kabinett werde in erster Linie eine Entscheidung hinsichtlich der Beflaggung, bei der man sich wohl kaum ausschließen könne, zu treffen haben. Was die Veranstaltungen betreffe, so könne man die Vorschläge des Verbands der Heimkehrer abwarten.
68
Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.