Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).
Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).
I. Entwurf eines Gesetzes über die Wahl der Bezirkstage (Bezirkswahlgesetz). II. Entwurf eines Bundesgesetzes über die Gewährung von Straffreiheit. III. Aufstellung des Staatshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954; hier: Ergänzungsvorlage zum Einzelpl. 10. IV. Bestätigung des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz in Landshut. V. Zuerkennung des Auskunftsrechts aus dem Strafregister an den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. VI. Aufstellung des Staatshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954; hier: Schaffung einer Senatspräsidentenstelle für einen ständigen Mitarbeiter beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof. VII. Lage der bayerischen Staatsfinanzen. VIII. Rückgabe eines in das Eigentum des Bayerischen Staates übergegangenen Bildes an die Stadt Köln. IX. Verband der Entnazifizierungsgeschädigten in Bayern. X. Besuch des Bundesministers Dr. Kraft in München. XI. Besichtigung des Roßhauptener Speichers. XII. Bericht über eine Feitenhansl-Versammlung. XIII. Autobahn Frankfurt-Würzburg-Nürnberg. XIV. Verwaltungsgerichtshof München.
Dr. Ehard teilt mit, daß das Staatsministerium des Innern mit Note vom 4. Mai 1954 nun diesen Gesetzentwurf vorgelegt habe. Er persönlich habe allerdings gewisse Bedenken dagegen, daß die Bezirkswahlen zusammen mit den Landtagswahlen stattfinden sollten; wahrscheinlich werde sich aber keine andere Möglichkeit finden lassen. Außerdem halte er es für richtig, den Entwurf, der ja nicht besonders eilbedürftig sei, dem Senat zur gutachtlichen Stellungnahme zuzuleiten.
MinisterpräsidentSenat zur gutachtlichen Stellungnahme gemäß Art. 40 BV zuzuleiten.2
Der Ministerrat beschließt, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zu verabschieden und ihn dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten entsprechend demDr. Ehard erinnert daran, daß dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Bundesrat am 18. Dezember 1953 abgelehnt worden sei;4 trotzdem habe die Bundesregierung am 15. Januar 1954 den Entwurf dem Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 GG zugeleitet.5 Außerdem liege bekanntlich ein Initiativgesetzentwurf der Abg. Höcherl,6 Strauß7 und Gen. vor, der zwar weitgehend die Vorschläge des Entwurfs der Bundesregierung übernehme, aber doch gewisse Einschränkungen vorsehe.8 Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Bundestags habe diese beiden Entwürfe zu einem Entwurf zusammengefaßt, der aber leider in keiner Weise befriedigen könne.
MinisterpräsidentDr. Gerner erläutert dann die wichtigsten Bedenken gegen den jetzigen Entwurf:
Ministerialrat1. Besonders mißlich sei die Zurückverlegung des Stichtages auf den 1. Januar 1954.
2. Während bisher Straffreiheit nur für Steuerordnungswidrigkeiten und Monopolordnungswidrigkeiten vorgesehen gewesen seien, sollen nunmehr Steuervergehen und Monopolvergehen schlechthin amnestiert werden.
3. Für Taten während des Zusammenbruchs (§ 8) erscheine die vorgeschlagene Fassung kaum durchführbar, besonders wegen der Wendung „wenn nicht dem Täter nach seiner Stellung oder Einsichtsfähigkeit zuzumuten war, die Straftat zu unterlassen“. Entgegen der Regierungsvorlage sei jetzt auch die Bestimmung weggefallen, wonach Straffreiheit nur gewährt werden solle, wenn der Täter sich bei der Tat gewissenlos über die höhere Rechtspflicht hinweggesetzt habe.
Endlich solle Straffeiheit in den Fällen des § 8 auch bei Totschlag eintreten.
Dr. Ehard und Staatsminister Zietsch wenden sich mit Entschiedenheit dagegen, daß die Amnestie auch bei Mord und Totschlag angewendet werde.
MinisterpräsidentDr. Gerner fährt fort
Ministerialrat4. Hinsichtlich der Verschleierung des Personenstandes (§ 9) sei ebenfalls eine Erweiterung gegenüber der Regierungsvorlage vorgesehen.
9betreffe, so werde auch hier eine erhebliche Erweiterung gegenüber der Regierungsvorlage angestrebt.
5. Was die Nachrichtentätigkeit (§ 9 a des Entwurfs; Fall Platow usw.)6. Schließlich beabsichtige man auch bei den Bestimmungen über den Ausschluß von der Straffreiheit (§ 10 eine Erweiterung vorzunehmen und zwar in der Hinsicht, daß Vergehen gegen die Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs in den Entwurf einbezogen werden sollten.
Dr. Ehard stellt fest, jedenfalls sei durch die Arbeit des Rechtssausschusses des Bundestags keinerlei Verbesserung, sondern in einer Reihe von Fällen eine Verschlechterung eingetreten. Die Frage sei nun, wie sich der Bundesrat dazu verhalten solle, zumal mit einer erheblichen Mehrheit im Bundestag für den jetzigen Entwurf gerechnet werden müsse. Seiner Meinung nach empfehle sich die Ablehnung des Entwurfs durch den Bundesrat nicht. Es werde aber wohl notwendig sein, einige der schwersten Bedenken durch Anrufung des Vermittlungsausschusses zu beseitigen; er halte z.B. die Zurückverlegung des Stichtages auf den 1. Januar 1954 für besonders bedenklich.
MinisterpräsidentZietsch erkundigt sich, ob nicht die Regierungsvorlage wieder hergestellt werden könne.
StaatsministerVermittlungsausschuß angerufen wird. Gleichzeitig wird Herr Ministerialrat Dr. Gerner bevollmächtigt, im Rechtsausschuß des Bundesrats in diesem Sinne zu verhandeln.10
Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, den Entwurf nicht abzulehnen, jedoch nach Möglichkeit dafür einzutreten, daß derDr. Ehard gibt bekannt, hier handle es sich nur um eine formelle Änderung des Einzelplans 10, da nunmehr für die Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes12 nicht das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge, sondern das Staatsministerium des Innern zuständig sein solle. Es müßten nun aus dem Einzelpl. 10 die betreffenden Positionen wieder herausgenommen werden.
MinisterpräsidentDer Ministerrat beschließt, der Ergänzungsvorlage zuzustimmen und sie dem Landtag zuzuleiten.13
Krehle führt aus, der Ministerrat habe mit Beschluß vom 26. Januar 1954 die Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz, darunter auch Oberregierungsrat Dr. Wild bestätigt. Am 30. März 1954 habe nun der Vorstand Dr. Wild zum Vorsitzenden der Geschäftsführung bestellt, auch diese Bestellung bedürfe der Bestätigung durch die Staatsregierung. Irgendwelche Bedenken seien nicht vorhanden, so daß heute Beschluß gefaßt werden könne.
StaatssekretärDr. Wild zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz zu bestellen.15
Der Ministerrat beschließt, OberregierungsratDr. Ehard erinnert daran, daß der Ministerrat am 11. Mai 1954 beschlossen habe, den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in das Verzeichnis der nach § 32 der Strafregisterverordnung auskunftsberechtigten Stellen aufzunehmen. Mit Schreiben vom 12. Mai 1954 hat nun der Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus gegen diesen Beschluß schwerwiegende Bedenken erhoben und vor allem darauf hingewiesen, daß sich der Landesverband seit Jahren weigere, gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Bildung seiner Vorstandsschaft nachzukommen.
MinisterpräsidentBundesjustizministerium an sich Bedenken gegen die bayerischen Vorschläge habe und die Liste deshalb auch noch nicht endgültig aufgestellt worden sei.
Außerdem habe er gehört, daß dasDr. Koch erklärt, in anderen Ländern verstehe man nicht, daß Bayern einer Reihe von Banken das Auskunftsrecht einräumen wolle. Das Bundesjustizministerium wolle deshalb auch eine nähere Begründung dafür haben; das Bayer. Justizministerium habe deshalb darauf hingewiesen, daß diese Banken eine Reihe von öffentlichen Aufgaben zu erfüllen hätten. Die Folge sei nun, daß auch andere Länder entsprechende Anträge stellten und damit die Liste immer umfangreicher werde. Er persönlich sei der Auffassung, daß das Auskunftsrecht mögliehst eingeschränkt werden solle, andererseits sei es aber schwierig, den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden auszunehmen, wenn die Religionsgesellschaften an sich das Auskunftsrecht hätten.
StaatssekretärDr. Schwalber entgegnet, im Landesverband seien die deutschen Juden mehr oder weniger ausgeschaltet. Der Verband habe sich auch nicht bereitgefunden, eine dem religionsgesellschaftlichen Steuergesetz entsprechende Vorstandsschaft zu bilden. Auch die in Art. 5 Abs. 1 a des Entwurfs zum Kirchensteuergesetz vorgesehene Regelung bleibe unbeachtet.17
StaatsministerDr. Koch ersucht, ihm weitere Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
StaatssekretärDr. Ehard wirft die Frage auf, ob das Auskunftsrecht der Banken wirklich notwendig sei. Er glaube doch, die Banken könnten sich auch an das zuständige Ministerium wenden, wem sie Auskunft benötigten.
MinisterpräsidentZietsch gibt zu bedenken, daß im Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden das Verhältnis der deutschen Juden zu den ausländischen 1:3 sei.
StaatsministerDr. Schwalber erwidert, der Verband übe Hoheitsrechte aus, darum könne darauf bestanden werden, daß mindestens die Hälfte der Mitglieder einer Steuerverbandsvertretung die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen müßten.
StaatsministerDr. Ehard bittet, die Frage nochmals zu überprüfen an Hand des vom Kultusministerium zur Verfügung zu stellenden Materials, dann könne das Ergebnis dem Bundesjustizministerium mitgeteilt werden. Vorläufig könne diesem geschrieben werden, daß seit dem letzten Ministerratsbeschluß erhebliche Bedenken aufgetaucht seien und die Prüfung im Gange sei.
MinisterpräsidentDer Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.
Bayer. Verfassungsgerichtshof zu schaffen, zurückzustellen, bis über einen gleichlautenden Antrag des Abg. Dr. Haas18 entschieden ist.19
Nach längerer Aussprache wird beschlossen, die Entscheidung über den Antrag des Staatsministeriums der Justiz, eine neue Senatspräsidentenstelle für einen ständigen Mitarbeiter beimDr. Ehard stellt fest, daß von einem Haushaltsfehlbetrag für das Haushaltsjahr 1954 von 140 Mio DM ausgegangen werden müsse; dazu werde jetzt behauptet, auf Grund der Beschlüsse des Landtags werde sich der Fehlbetrag wesentlich erhöhen. Diese Frage müsse man heute erörtern, insbesondere halte er es aber für notwendig, sich mit der Besoldungsreform zu beschäftigen.
MinisterpräsidentZietsch verteilt eine Vormerkung zur Lehrer und Richterbesoldung21 mit dem Hinweis, aus dieser Zusammenstellung gehe hervor, daß nach der Regierungsvorlage die Gesamtkosten für die Reform der Lehrer- und Richterbesoldung 15 Mio DM betragen sollten, während nach den bisherigen Beschlüssen der Ausschüsse mit Mehrkosten von etwa 20 Mio DM zu rechnen sei. In diesem Betrag sei aber der Aufwand von 3 Mio DM noch nicht enthalten, der entstehen werde, wenn die geforderte Angleichung der Philologen an die Richter erfolge.
StaatsministerEr dürfe daran erinnern, daß er in einer Koalitionsbesprechung, in der die Kosten bereits auf 17 Mio DM hinaufgetrieben worden seien, erklärt habe, keine Mark mehr zahlen zu können und zu wollen.
Bekanntlich setze sich der Fehlbetrag von 140 Mio DM zu etwa 67 Mio DM aus dem Rest von 1952 zusammen, der ständige Fehlbetrag belaufe sich also auf etwa 70 Mio DM, den man auf der Ausgabenseite wegzubringen versuchen müsse. Im übrigen sei natürlich das Wort von einem „Staatsbankrott“ völlig unbegründet.
Er danke Herrn Staatsminister Dr. Seidel, daß er auf die Rede des Bundestagsabgeordneten Dr. Dehler,22 in der dieser Ausdruck gebraucht worden sei, sofort entsprechend reagiert habe. Vielleicht könne auch der Herr Ministerpräsident bei passender Gelegenheit im Namen der Staatsregierung darauf eingehen und mit Nachdruck feststellen, daß der Bayerische Staat durchaus nicht in einer so schlechten finanziellen Verfassung sei. Allerdings werde es für die Zukunft notwendig, Mehrausgaben unter allen Umständen zu drosseln.
Lehrer- und Richterbesoldung in der von den Ausschüssen vorgesehenen Weise verbessert werde. Dazu komme noch ein Mehraufwand im Haushalt des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus von 3,7 Mio DM und die Mittel für die Kriegsgefangenenentschädigung von 2,5 Mio DM. Rechne man dann noch 3 Mio DM für die Philologen dazu, so erhöhe sich der Fehlbetrag auf etwa 170 Mio DM. Diese Mehrung von 30 Mio DM könne durch Verbesserungen auf der Einnahmenseite, die bisher noch nicht berücksichtigt worden seien, ausgeglichen werden. Wahrscheinlich werde Bayern im Länderfinanzausgleich etwa 30–35 Mio DM gewinnen. Damit würde zwar der Mehraufwand aufgefangen, das Defizit von 140 Mio DM bleibe aber bestehen.
Was nun das Defizit von 140 Mio DM betreffe, so werde es sich um etwa 20 Mio DM erhöhen, wenn in der Tat dieBundesfinanzminister gelinge, seinen Plan durchzusetzen.
Was die Entwicklung der Steuer betreffe, so sei jedoch noch nicht bekannt, wie die Steuerreform aussehen werde, sie werde aber jedenfalls einen empfindlichen Ausfall bringen, ohne daß jetzt schon eine Zahl genannt werden könne. Nicht zu übersehen sei, daß auch bei der Biersteuer im Ansatz zurückgegangen werden müsse und zwar um etwa 7 Mio DM. Wenn man den Steuerausfall nach der Steuerreform mit 40–50 Mio DM beziffere, einschließlich des geringeren Aufkommens der Biersteuer, so werde sich der Fehlbetrag auf 180–190 Mio DM erhöhen. Ungeklärt sei bekanntlich auch noch die Frage, in welcher Hohe die Einkommen- und Körperschaftsteuer vom Bund in Anspruch genommen werde. Eine. Erhöhung um 2% bedeute einen Ausfall von 32 Mio DM, also eine Erhöhung des Defizits auf etwa 220 Mio DM. Nicht gerechnet dabei sei noch der Ausfall von 20 Mio DM bei der Steuerverwaltung, der sich ergeben könne, wenn es demLehrerbesoldung aufgefangen werden könne.
Alles in allem sei festzustellen, daß sich das Defizit aller Voraussicht nach auf mindestens 200 Mio DM erhöhen werde, selbst wenn dieDr. Ehard weist ergänzend auf folgende Aufstellung hin:
MinisterpräsidentBisheriger Fehlbetrag | 140 Mio DM |
Steuerausfall | 50 Mio DM u. |
2% höherer Bundesanteil | 30 Mio DM |
Steuerverwaltung | 20 Mio DM |
und schließlich noch | 25 Mio DM für Lehrer, Richter und Philologen |
insgesamt also | 265 Mio DM. |
Zietsch meint, immerhin könnten davon 40 Mio durch Einnahmeverbesserungen abgesetzt werden.
StaatsministerDr. Ehard erklärt, wenn die Lage tatsächlich so sei, müsse man sich nochmals ernstlich mit der Besoldungsreform beschäftigen, wobei zuzugestehen sei, daß gewisse Verbesserungen nicht zu umgehen seien. Eine Erhöhung von über 5 Mio DM gegenüber der Regierungsvorlage gehe aber schon sehr weit, abgesehen davon, daß nun auch die Forderungen der Philologen dazu kämen. In dieser Lage könne man wohl nicht gleichzeitig durchstufen und noch zahlreiche Beförderungsstellen schaffen. Er halte es für richtig, auf die Entwicklung aufmerksam zu machen und dabei zu betonen, daß unter Umständen mit allgemeinen Gehaltskürzungen gerechnet werden müsse.
MinisterpräsidentZietsch stellt fest, daß er bisher immer die Regierungsvorlage verteidigt und keine Gelegenheit versäumt habe, auf den Ernst der Lage hinzuweisen. Allerdings werde das Finanzministerium in den Ausschußsitzungen von den Referenten des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus nicht genügend unterstützt.
StaatsministerDr. Ehard empfiehlt, daß die Ressortminister selbst in den Ausschüssen auftreten.
MinisterpräsidentZietsch meint, daß mit Aussicht auf Erfolg nur in den Koalitionssitzungen verhandelt werden könne.
StaatsministerDr. Ehard entgegnet, trotzdem sei er der Meinung, daß von der Staatsregierung selbst, also von den zuständigen Staatsministern darauf hingewiesen werden müsse. Dies sei schon deshalb notwendig, weil man der Regierung sonst mit Recht schwere Vorwürfe machen könne; er glaube übrigens, daß sie in der Öffentlichkeit Verständnis finden werde. Im übrigen habe er fast den Eindruck, als ob auch im Landtag eine gewisse Neigung bestehe, in der Frage der Lehrerbesoldung etwas vorsichtiger zu sein, so daß der Standpunkt der Regierung doch vielleicht auf mehr Verständnis als bisher stoßen werde.
MinisterpräsidentStv. Ministerpräsident Dr. Hoegner hält es für völlig unnötig, die Neuregelung der Lehrerbesoldung rückwirkend zum 1. April 1954 einzuführen. Er sehe nicht ein, warum Lehrer und Richter drei Nachtragsbeträge erhalten sollten.
Dr. Ehard kommt dann nochmals auf die allgemeine Lage der Staatsfinanzen zu sprechen und empfiehlt, dem Defizit auch das Vermögen des Staates gegenüberzustellen oder die Leistungen, die zwischen 1948 und jetzt vollbracht worden seien.
MinisterpräsidentZietsch versichert, diese Zusammenstellung werde soeben ausgearbeitet.
StaatsministerDr. Ehard fährt fort, wenn man ein Defizit von mindestens 220 Mio DM bekanntgeben müsse, könne man ohne weiteres erklären, in der Frage der Lehrerbesoldung müsse auf die Haushaltslage und auch auf die Besoldung aller anderen Gruppen Rücksicht genommen werden. Berechtigte Ansprüche seien zu befriedigen, allerdings in einem Rahmen, der sich haushaltsmäßig vertreten lasse. Er empfehle, klar und deutlich zu sagen, wenn man schon die Durchstufung einführe, könne man nicht gleichzeitig nahezu 2000 neue Beförderungsstellen schaffen und darüber hinaus bei der Durchstufung über die Regelung aller anderen Länder hinausgehen. Auch die Erhöhung bei den Richtern von 1,2 Mio DM auf 2,5 Mio DM halte er nicht für vertretbar, man müsse auch hier versuchen, auf die Regierungsvorlage zurückzukommen.
MinisterpräsidentDr. Schwalber stellt fest, daß er sich immer für das Beförderungssystem eingesetzt und gegen die Durchstufung ausgesprochen habe.
StaatsministerDr. Ehard fährt fort, jedenfalls halte er es für unumgänglich, von der Möglichkeit des Art. 78 Abs. 5 BV23 Gebrauch zu machen, dies könne aber nur geschehen, wenn man schon vorher mit Nachdruck auf die Lage hingewiesen habe. Er glaube doch, daß sich auf diese Haltung auch die Koalitionsparteien einigen könnten.
MinisterpräsidentDr. Schwalber macht darauf aufmerksam, daß die Regierungsvorlage ja noch nicht zurückgezogen worden sei.
StaatsministerDr. Ehard antwortet, der Beschluß über die Durchstufung sei zwar da, man könne aber wohl erklären, mehr wie 17 Mio DM könnten unmöglich ausgegeben werden, die Staatsregierung halte ihre Vorlage auch für besser, sie werde aber dem Landtag gegenüber nicht weiter darauf bestehen, wenn er mit einer weitgehenden Beschränkung der Beförderungsstellen einverstanden sei.
MinisterpräsidentAm liebsten wäre es ihm, wenn etwa folgender Beschluß des Kabinetts heute gefaßt werden könne:
1. Die allgemeine Finanzlage des Bayerischen Staates wird dem Landtag und dessen Ausschüssen gegenüber eingehend dargelegt, sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht.
Lehrer- und Richterbesoldung Verbesserungen notwendig sind, die nicht verschoben werden können.
2. Die Bayerische Staatsregierung ist sich darüber klar, daß hinsichtlich der3. Die Bayerische Staatsregierung ist der Auffassung, daß die Beschlüsse der Ausschüsse zu der neuen Besoldungsvorlage der Staatsregierung nochmals überprüft werden müßten, nachdem die jetzt vorgesehene Regelung über die aller anderen Länder hinauseht. Sie hält vor allem auch eine Verminderung der Beförderungsstellen für notwendig, falls an der Durchstufung festgehalten wird.
Richterbesoldung auf die Regierungsvorlage zurückzugehen.
4. Die Staatsregierung empfiehlt auch, bei der Neuregelung derDieser Beschluß müßte dann dem Landtag und dessen Ausschüssen mitgeteilt werden, er glaube am zweckmäßigsten durch die Herren Staatsminister der Finanzen und für Unterricht und Kultus.
Der Ministerrat beschließt dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten entsprechend.
Zietsch empfiehlt, daß der Herr Ministerpräsident selbst einen Brief an den Präsidenten des Landtags und des Senats sowie an die Vorsitzenden der Ausschüsse richtet. Den Entwurf für dieses Schreiben werde er noch heute ausarbeiten lassen.
StaatsministerDr. Ehard erklärt sich damit einverstanden, betont aber, er werde in diesem Schreiben erklären, daß der Standpunkt der Staatsregierung von den Ressortministern in den Ausschüssen vertreten werde.24
MinisterpräsidentZietsch führt aus, im Jahre 1938 habe Göring ein im Eigentum der Stadt Köln stehendes Gemälde eines berühmten italienischen Malers kaufen wollen. Da die Stadt Köln dazu nicht bereit war, habe sie Göring ein Gemälde von Lucas Cranach26 angeboten, das erst im Ausland erworben werden mußte.27 Dieses Bild wurde dann Edda Göring bei ihrer Geburt geschenkt und ging in den Besitz Görings über.28
StaatsministerDurch die Kriegsereignisse sei dieses Bild nach Bayern in den Collecting Point gelangt.29 Durch rechtskräftige Entscheidung der Spruchkammer Berchtesgaden sei der gesamte Nachlaß Görings zu Gunsten des Bayerischen Staates eingezogen worden, also auch dieses Gemälde, das als Teil des Göringschen Vermögens betrachtet werden müsse.
Köln habe wiederholt versucht, die Herausgabe dieses Bildes zu erlangen, dies habe aber aus rechtlichen Gründen abgelehnt werden müssen.30 Es bestehe auch die Gefahr, daß ein Präzedenzfall geschaffen werde, wenn dieses Bild herausgegeben werde.
Die StadtDr. Ehard empfiehlt, das Staatsministerium der Justiz um in Rechtsgutachten zu ersuchen, bevor der Stadt Köln eine endgültige Antwort erteilt werde.
MinisterpräsidentZietsch erklärt sich damit einverstanden.31
StaatsministerDr. Ehard teilt mit, der Vorsitzende des Verbandes der Entnazifizierungsgeschädigten in Bayern, Dr. Kraemer,32 habe ihn um eine Rücksprache gebeten.
MinisterpräsidentDr. Seidel empfiehlt, Dr. Kraemer gegenüber größte Zurückhaltung zu üben. Dieser sei Vorstandsmitglied der Süddeutschen Kalkstickstoffwerke gewesen und nach dem Kriege auf Befehl der Amerikaner entfernt, aber großzügig abgefunden worden. Er rate dem Herrn Ministerpräsidenten, Dr. Kraemer nicht zu empfangen.
StaatsministerDr. Ehard verliest ein Schreiben des Herrn Bundesministers Dr. Kraft,33 wonach dieser am 28. Mai für zwei Tage nach München kommen wolle, um Material für eine Denkschrift zu sammeln, die er im Auftrag des Bundeskanzlers ausarbeiten wolle.
MinisterpräsidentDr. Seidel und Dr. Schwalber in diesen Tagen in München sein können.
Es wird festgestellt, daß weder der Herr Ministerpräsident noch die Herren StaatsministerDr. Seidel bittet, wenn irgend möglich, zu versuchen, daß dieser Besuch verschoben werde. Die beteiligten Ressorts müßten zunächst Material sammeln, dies sei aber bis Freitag unmöglich.
StaatsministerSchwend sichert zu, sich mit Bundesminister Kraft wegen einer Verschiebung seines Besuchs bis nach den Pfingstfeiertagen in Verbindung zu setzen.
MinisterialdirektorDr. Ringelmann lädt zu einer Besichtigung des fast eingelaufenen Roßhauptener Speichers ein, die am 27. Mai 1954 um ½ 10 Uhr beginnen solle.
StaatssekretärDr. Hoegner teilt mit, Feitenhansl35 habe eine Versammlung abgehalten und dort verschiedene im politischen Leben tätige Persönlichkeiten beleidigt. Bisher liege nur ein Bericht der Polizei vor. Die Frage sei nun, ob Strafantrag gestellt werden solle.
Stv. MinisterpräsidentFeitenhansls, der keinerlei Bedeutung zukormne, nicht zu beachten.36
Der Ministerrat vereinbart, keinen Strafantrag zu stellen und die politische TätigkeitDr. Hoegner teilt mit, die Stadt Nürnberg befürchte, daß die Autobahn vorläufig nur von Frankfurt bis Würzburg gebaut werden solle.
Stv. MinisterpräsidentDr. Gerner erinnert an einen Ministerratsbeschluß, wonach der Bayer. Bevollmächtigte in Bonn beauftragt worden sei, Erkundigungen beim Bundesverkehrsministerium einzuziehen. Leider laute die Auskunft nicht günstig, in die Dringlichkeitsstufe I sei zwar nur die Strecke Frankfurt-Würzburg aufgenommen worden, es scheine aber ausgeschlossen zu sein, daß überhaupt in diesem Haushalt Mittel für den Bau von Autobahnen eingesetzt würden.38
MinisterialratDr. Hoegner erinnert daran, daß Präsident Dr. Kollmann39 am 31. Mai 1954 in den Ruhestand treten solle und der Ministerrat in Kürze die Bestellung eines Nachfolgers zu beraten habe.
Stv. MinisterpräsidentEin Beschluß wird nicht gefaßt.40