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Nr. 204MinisterratssitzungDienstag, 23. März 1954 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 15
Anwesend:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Stain (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei), Herr Penzel zu Punkt VII der Tagesordnung (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abschluß der politischen Befreiung. II. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes. III. Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. IV. Personalangelegenheiten. V. Haushalt 1954; hier: Vorgriff auf die im Entwurf des Einzelplans 03 neu ausgebrachten Beamtenplan- und Angestelltenstellen. VI. Ausländerlager in Bayern. VII. Entlassung von Arbeitern beim BMW-Werk München-Allach. VIII. Protokoll des Ministerrats vom 17. Februar 1954. IX. Film über den 20. Juli 1944. X. Aufsichtsrat der „Zwischen-Bavaria“. XI. Berufung des Universitätsprofessors Dr. Franz Kollmann nach München.

Zu Beginn der Sitzung teilt Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner mit, Herr Staatssekretär Dr. Brenner, der sich zur Zeit in Urlaub befinde, sei schwer erkrankt.

Es wird vereinbart, Herrn Staatssekretär Dr. Brenner ein Telegramm des Ministerrats zu schicken.

I. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abschluß der politischen Befreiung1

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß der jetzt vorliegende Entwurf2 den Einwendungen der Staatsministerien im wesentlichen Rechnung trage. Allerdings sei der Vorschlag des Finanzministeriums, Art. 4 des Entwurfs, wonach Sühnegelder bis 200,– DM, sowie Gebühren und sonstige Verfahrenskosten in gleicher Höhe nicht mehr erhoben werden sollten, zu streichen, nicht berücksichtigt worden.3

Staatsminister Zietsch hält den Antrag, Art. 4 zu streichen, aufrecht und erklärt, er könne nicht zustimmen, daß diejenigen Belasteten, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien, jetzt belohnt würden. Nachdem die Einhebung der Beträge keine Schwierigkeiten bereite, bestehe keinerlei Anlaß für diese Vergünstigung.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich dieser Auffassung an und betont, in besonders begründeten Fällen könnten die Sühnegelder usw. ja niedergeschlagen werden.

Staatsminister Dr. Oechsle erkundigt sich, ob nicht bei den Weihnachtsamnestierten eine Ausnahme gemacht werden könnte.

Staatssekretär Dr. Ringelmann entgegnet, hier handle es sich nur um Verwaltungsgebühren, es sei seinerzeit durchgesetzt worden, daß sie in allen Fällen erhoben würden, so daß er davon abrate, sie jetzt völlig aufzuheben.

Staatsminister Weinkamm und Staatssekretär Dr. Koch erklären übereinstimmend, dem Antrag des Herrn Staatsministers der Finanzen nicht widersprechen zu wollen, worauf einstimmig beschlossen wird, Art. 4 des Entwurfs zu streichen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, in Art. 5 Abs. 2 sei durch ein Kanzleiversehen Ziff. 9 fortgelassen worden, die folgendermaßen zu lauten habe:

„Art. 61 erhält folgende Fassung:

Der Vermögenssperre unterliegt nur noch das Vermögen der Betroffenen, die rechtskräftig als Hauptschuldige oder Belastete eingereiht worden sind, sofern die Einziehung ihres Vermögens ganz oder teilweise angeordnet, aber noch nicht durchgeführt ist.“

Der Ministerrat beschließt, Ziff. 9 nachträglich in der verlesenen Fassung aufzunehmen.

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, es werde vorgeschlagen, Art. 6 an die Stelle des Art. 3 zu setzen,4 Art. 5 bleibe dann, während aus Art. 7 nunmehr Art. 6 werde usw.

Der Ministerrat stimmt dieser Umstellung zu.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner kommt dann auf den nunmehrigen Art. 6 Ziff. 6 auf Seite 7 zu sprechen, durch welche das Gesetz zur vorläufigen Regelung der Wohnrechte politisch Belasteter vom 11. Oktober 1950 (GVBl. S. 210) geändert werden solle. Das Staatsministerium des Innern schlage vor, Buchstabe b) wie folgt zu formulieren:

„Art. 5 Abs. 1 erhält folgende Fassung:

(1) Hat eine Behörde einem Wohnungsinhaber die Rechtsstellung des Hauptmieters entzogen und ihn als Untermieter zugewiesen, so ist die Verfügung auf dessen Antrag aufzuheben, wenn die Rechtsstellung des Untermieters für ihn auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des bisherigen Hauptmieters eine schwere Unbilligkeit darstellt.“5

Der Ministerrat beschließt, der Änderung in der vorgeschlagenen Form zuzustimmen.

Staatssekretär Dr. Nerreter gibt dann zu überlegen, ob nicht in Art. 6 Ziff. 8, durch welchen das Gemeindewahlgesetz vom 16. Februar 1952 (GVBl. S. 49) geändert werde, auch das Landkreiswahlgesetz aufgenommen werden müsse.6

Nachdem die einschlägigen Bestimmungen der erwähnten Gesetze geprüft werden, wird festgestellt, daß die Bedenken des Herrn Staatssekretärs Dr. Nerreter behoben sind und Art. 6 Ziff. 8 in der vorgesehenen Form bestehen bleiben kann.7

Staatssekretär Dr. Ringelmann empfiehlt, in Art. 6 Ziff. 7 Buchstabe b) Abs. 2 die Worte „auch dann“ zu streichen, nachdem es sich hier um eine Angelegenheit handle, die mit Abs. 1 nicht in Verbindung stehe.8

Der Ministerrat beschließt, die Worte „auch dann“ zu streichen.

Dagegen bleibt Buchstabe c) auf Seite 9 unverändert bestehen.

Auf Vorschlag vom Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wird abschließend beschlossen, den Gesetzentwurf dem Senat zur etwaigen gutachtlichen Stellungnahme sowie dem Landtag zuzuleiten.9

Zweites Gesetz zum Abschluß der politischen Befreiung vom 11. August 1954

II. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes10

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner empfiehlt, die Behandlung dieses Gesetzentwurfs noch zurückzustellen, da sowohl von der Bayer. Staatskanzlei wie von den Staatsministerien der Justiz und der Finanzen schwerwiegende Bedenken erhoben worden seien.

Staatsminister Dr. Oechsle erklärt sich mit der Zurückstellung einverstanden.11

III. Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs12

Staatsminister Zietsch verweist auf seine Note vom 15. März 1954 und macht darauf aufmerksam, daß in dieser Woche die erste abschließende Besprechung im Finanzausschuß des Bundesrats stattfinden werde. Es handle sich jetzt darum, die Bundesratssitzung vom 9. April 1954, in der die Frage des Finanzausgleichs behandelt werde, vorzubereiten.13 Er bitte den Ministerrat um Äußerung, ob er im wesentlichen mit den Bemerkungen des Finanzministeriums in der erwähnten Note einverstanden sei. Nach der Finanzausschuß-Sitzung werde es natürlich noch erforderlich sein, das Ergebnis im Beisein des Herrn Ministerpräsidenten im Ministerrat zu besprechen.

Nach längerer Aussprache wird festgestellt, daß der Ministerrat im wesentlichen mit den Ausführungen in der Note des Staatsministeriums der Finanzen vom 15. März 1954 einverstanden ist und dieses Ministerium beauftragt, in der Sitzung des Finanzausschusses diese Bedenken zu vertreten.

Staatsminister Dr. Schwalber erklärt, es handle sich hier in der Tat um eine Frage von größter prinzipieller Bedeutung, in der der Standpunkt der Bayerischen Staatsregierung mit allem Nachdruck bis zur letzten Konsequenz verfolgt werden müsse. Seiner Meinung nach liege ein Fall vor, dessen Klärung bis vor das Bundesverfassungsgericht gebracht worden müsse, falls es notwendig sein sollte.

Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) vom 23. Dezember 1955

IV. Personalangelegenheiten

1. Verlängerung der Amtszeit des Oberfinanzpräsidenten Alexander Prugger14

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß der Ministerrat sich am 29. Dezember 1953 mit einem Schreiben des Herrn Bundesministers der Finanzen vom 11. Dezember 1953 befaßt habe, mit welchem die Bayerische Staatsregierung gebeten worden sei, der Verlängerung der Dienstzeit des Oberfinanzpräsidenten Prugger, die am 31. März 1954 ablaufe, zuzustimmen. Da eine endgültige Zusage noch nicht notwendig gewesen sei, habe der Herr Ministerpräsident dem Ministerratsbeschluß vom 29. Dezember 1953 zufolge dem Bundesfinanzminister mitgeteilt, die Bayerische Staatsregierung sei mit einer Verlängerung der Amtszeit bis auf weiteres einverstanden.

Das Staatsministerium der Finanzen, dem ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums fernmündlich angekündigt sei, bitte nun mit Note vom 20. März 1954 die Verlängerung der Amtszeit des Oberfinanzpräsidenten Prugger durch einen endgültigen Ministerratsbeschluß um ein Jahr, also bis 31. Marz 1955, herbeizuführen. Er sei allerdings der Meinung, daß ähnlich wie im Fall des Präsidenten des Obersten Rechnungshofs,15 der Verlängerung nur bis 30. Juni 1954 zugestimmt werden könne.

Der Ministerrat beschließt, diesem Vorschlag entsprechend der Verlängerung der Amtszeit nur bis 30. Juni 1954 zuzustimmen.16

2. Der Ministerrat beschließt außerdem

a) den Regierungsdirektor im Staatsministerium der Finanzen, Dr. Johann Weiss17 und

b) den Regierungsdirektor im Staatsministerium der Finanzen, Dr. Wilhelm Henle,18 zu Ministerialräten zu ernennen.

V. Haushalt 1954; hier: Vorgriff auf die im Entwurf des Einzelplans 03 neu ausgebrachten Beamtenplan- und Angestelltenstellen19

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, das Staatsministerium des Innern habe mit Note vom 6. März 1954 dem Staatsministerium der Finanzen den Entwurf eines Antrags an den Landtag zugeleitet, wonach das Staatsministerium des Innern durch Beschluß des Landtags ermächtigt werden solle, von den im Entwurf des Einzelplans 03 für das Haushaltsjahr 1954 neu ausgebrachten Stellen bei den Kap. 0305, 0308 und 0309 eine Reihe von Stellen bereits ab 1. April 1954 zu besetzen.20 Wichtig sei vor allem, die Stellen bei Kap. 05 zu besetzen, damit der Senat für Flurbereinigung beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof ab 1. April 1954 seine Tätigkeit aufnehmen könne. An sich seien Vorgriffe möglichst zu vermeiden, hier könne aber im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit nicht anders verfahren werden.

Staatsminister Zietsch stellt fest, daß er von der Note des Staatsministeriums des Innern vom 6. März 1954 noch keine Kenntnis habe, grundsätzlich könne er sich aber einverstanden erklären, falls die neu zu besetzenden Stellen tatsächlich im Einzelplan 03 ausgebracht seien.

Der Ministerrat beschließt, den vom Staatsministerium des Innern ausgearbeiteten Antrag dem Landtag vorzulegen.21

VI. Ausländerlager in Bayern22

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß das Ausländerlager Valka bei Nürnberg aufgelöst worden sei, soweit es sich nicht um das Bundesauffanglager handle.23 Die Ausländer seien trotz erheblicher Widerstände auf die Städte Landshut und Ingolstadt aufgeteilt worden, mit Ausnahme von 58 Leuten, die vorbestraft seien.24 Das Staatsministerium des Innern habe nun versucht, diese 58 Personen in einem Lager in der Nähe von Ingolstadt unterzubringen; dies habe sich aber wegen des Widerstands der Bevölkerung, die eine Abordnung unter der Führung des Bundestagsabg. Dr. Demmelmeier25 zum Innen- und Landwirtschaftsministerium geschickt hätte, als unmöglich herausgestellt. Es erhebe sich nun die Frage, ob für diese Vorbestraften ein eigenes Lager errichtet werden könne, das unter strenger polizeilicher Kontrolle stehe, nachdem es ja bekanntlich ausgeschlossen sei, diese aus den Oststaaten stammenden Ausländer dorthin abzuschieben.

Staatssekretär Stain bezweifelt es, ob es möglich sei, ein solches Lager wirklich völlig abzuschließen, zumal damit die Gefahr verbunden sei, daß sich Verbrecherbanden bildeten. Die bisher in Landshut gemachten Erfahrungen seien nicht ungünstig, obwohl ursprünglich auch dorthin Vorbestrafte geschickt worden seien. Im übrigen sei es notwendig, in Landshut wieder eine Gemeinschaftsverpflegung einzurichten. Er persönlich halte es für möglich, die 58 Ausländer, von denen Herr Staatsminister Dr. Hoegner gesprochen habe, doch auch noch unterzubringen, ohne ein Sonderlager zu errichten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert auf Frage von Staatssekretär Stain, der Einsatz von Bereitschaftspolizei für die Bewachung des Ausländer-Auffanglagers Valka komme nicht in Betracht.

Staatssekretär Dr. Nerreter stellt die Frage, ob man die weitere Belegung des Valka-Lagers mit Ausländern verhindern könne, worauf Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, bisher habe das Staatsministerium des Innern vergeblich beim Bund die Verlegung des Lagers beantragt.

Was nun die vorbestraften Ausländer betreffe, so werde das Staatsministerium des Innern versuchen, einen Ausweg zu finden.26

Valka/Langwasser

VII. Entlassung von Arbeitern beim BMW-Werk München-Allach27

Staatsminister Dr. Oechsle führt aus, die Gründe, die zur Entlassung von 40 deutschen Arbeitern des BMW-Werks Allach durch die Besatzungsmacht geführt hätten, seien undurchsichtig. Bekanntlich sei dieser Aktion die Verteilung eines viele Seiten umfassenden Fragebogens vorausgegangen, der großes Aufsehen erregt habe. Was die entlassenen Arbeiter betreffe, so handle es sich hier nicht um neu eingestellte Leute, sondern vielmehr um solche, von denen der größte Teil bereits zwischen 10 und 20 Jahren bei BMW tätig sei. Außerdem seien diese Arbeiter Mitglieder der Gewerkschaften und zum Teil auch der Sozialdemokratischen Partei, so daß von einer Hinneigung zum Kommunismus keine Rede sein könne.

Er halte es für notwendig, daß durch den Herrn Ministerpräsidenten eine Überprüfung der Angelegenheit beim Amerikanischen Hohen Kommissar beantragt werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner entgegnet, Herr Penzel, der Verbindungsmann der Bayer. Staatskanzlei zu der Besatzungsmacht, sei auf Grund einer Unterredung mit den Amerikanern der Auffassung, daß es auch auf Landesebene möglich sei, diese unerfreuliche Sache wieder in Ordnung zu bringen.

Staatsminister Dr. Oechsle fährt fort, besondere Empörung habe die Art und Weise ausgelöst, mit der die Entlassungen vorgenommen worden seien. Die 40 Arbeiter seien von einer Stunde auf die andere ohne jede Rücksicht auf bestehende Dienstverträge oder das deutsche Arbeitsrecht entlassen worden. An sich sei er deshalb der Meinung, man müsse sich unmittelbar an den Hohen Kommissar wenden, er habe aber nichts dagegen, wenn zuerst ein Versuch über die örtliche Dienststelle der Besatzungsmacht gemacht werde, obwohl man bisher auf diese Weise wenig erreicht habe.

Herr Penzel, der mit Zustimmung des Ministerrats zu diesem Punkt der Tagesordnung kommt,28 berichtet, er habe durch Vermittlung des Verbindungsoffiziers für Bayern eine Besprechung mit den zuständigen Herren der US Armee über die Frage Allach gehabt. Dabei sei ihm unter anderem folgendes erklärt worden: Das Werk in Allach sei ein Teil der Bayerischen Motorenwerke AG, das aber seit 1946 beschlagnahmt sei und der Reparatur von Motoren aller Art, auch von Militärfahrzeugen und Flugzeugen diene. Die Amerikaner seien nicht Arbeitgeber, die BMW AG arbeite vielmehr im Auftrag der US-Armee in dem beschlagnahmten Werk. Bekanntlich sei nun in den Vereinigten Staaten und in deren überseeischen Dienststellen und Organisationen eine Untersuchungswelle aufgetreten, die auch vor der Armee nicht Halt mache. Auch in anderen Fällen, wo es sich z.B. um amerikanische Staatsbürger handle, erfolgten Entlassungen ohne jede Begründung.

Nach Auffassung der Amerikaner seien nun in Allach keine Entlassungen vorgenommen worden, man habe vielmehr, was freilich auf das gleiche hinauskomme, den 40 Arbeitern die Pässe entzogen, die zum Betreten des Betriebs berechtigten. Die BMW AG könne diese 40 Leute an sich in einem anderen Werk unterbringen und 40 sonstige Arbeiter in Allach beschäftigen.

Bei der Besprechung sei zugegeben worden, daß der verantwortliche Oberst nicht gerade geschickt gehandelt habe, allerdings sei darauf hingewiesen worden, daß das Zusammentreffen mit den Fragebögen rein zufällig gewesen sei. Diese Aktion sei vielmehr eingeleitet worden, um für besondere Aufgaben einen kleinen Kreis von Arbeitern auszuwählen. Es sei auch nicht notwendig gewesen, diese Fragebögen auszufüllen.

Anschließend sei dann die Frage erörtert worden, was weiter geschehen könne. Die amerikanischen Vertreter hielten es für zweckmäßig, keinen offiziellen Schritt beim Hohen Kommissar zu unternehmen, sondern den Versuch zu machen, die Angelegenheit auf Landesebene zu regeln, wobei von deutscher Seite das Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge und die Staatskanzlei tätig werden sollten.

Während Staatsminister Dr. Oechsle die Einschaltung der Staatskanzlei nicht für erforderlich hält, erwidert Herr Penzel, die Verhandlungen mit der Besatzungsmacht müßten in allen Fällen über die Staatskanzlei erfolgen, daran hielten auch die Amerikaner fest.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich dieser Auffassung an.

Herr Penzel fährt fort, die Amerikaner seien bereit, alle notwendigen Auskünfte und Informationen zu erteilen, sie betonten aber, an sich beabsichtige die Armee schon längere Zeit, das Allacher Reparaturwerk nach dem Westen zu verlegen, dies sei nur mit Rücksicht auf die dort beschäftigten 4600 Arbeiter noch nicht geschehen. Außerdem behaupteten sie, der Betriebsrat habe gegen die Entlassung keine Vorstellungen erhoben, es habe sich auch herausgestellt, daß die Arbeiter nicht bereit seien, in den Streik zu treten; im Gegenteil sei durch die Entfernung der 40 Arbeiter größere Ruhe im Betrieb eingetreten. Allerdings werde eingeräumt, durch den neuen Kommandeur seien Maßnahmen ergriffen worden, die zum Teil Unwillen hervorgerufen hätten, dies stehe aber nicht im Zusammenhang mit den Entlassungen.

Vielleicht dürfe er vorschlagen, daß zunächst die Möglichkeiten auf der Landesebene ausgeschöpft würden, zumal der amerikanische Hohe Kommissar in dem Fall, daß die Sache vor ihn gebracht werde, vorerst auch nur anregen werde, man solle versuchen, sich auf Landesebene zu einigen.

Staatsminister Dr. Oechsle bemerkt, das Vorgehen der Amerikaner sei schon deshalb ungewöhnlich, weil doch durchaus die Möglichkeit bestanden hätte, durch Besprechungen mit der deutschen Leitung des Werkes die 40 Arbeiter auszutauschen, ohne daß sie hätten entlassen werden müssen.

Herr Penzel antwortet, dies werde auch von amerikanischer Seite zugegeben, die deshalb auch bemüht sei, zu vermitteln.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schlägt vor, zunächst von der von Herrn Penzel aufgezeigten Möglichkeit Gebrauch zu machen, daß nämlich der Herr Ministerpräsident und der Herr Staatsminister für Arbeit und soziale Fürsorge bei den amerikanischen Stellen in München vorstellig werden.

Herr Penzel bittet Herrn Staatsminister Dr. Oechsle, ihm einen Termin zu nennen, damit er eine Besprechung mit den Amerikanern herbeiführen könne. Bei dieser Unterredung könnten natürlich auch andere Persönlichkeiten, deren Anwesenheit der Herr Arbeitsminister für erforderlich halte, zugezogen werden.

Der Ministerrat erklärt sich mit dem Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner einverstanden.29

VIII. Protokoll des Ministerrats vom 17. Februar 1954 30

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erinnert daran, daß Herr Staatssekretär Dr. Nerreter im Ministerrat vom 16. März 1954 eine Berichtigung des Ministerratsprotokolls vom 17. Februar 1954 beantragt habe, nachdem dort irrtümlich ein Beschluß, die Darlehen zur Errichtung von Jugendwohnheimen auf eine Million DM zu kürzen, enthalten sei.

Dieser Beschluß sei dann aber, wie er auf Seite 11 des Protokolls vom 17. Februar 1954 nachzulesen bitte, wieder aufgehoben worden.

Es heiße dort wörtlich wie folgt: „Nach kurzer Aussprache wird dann beschlossen, die Darlehen zur Errichtung von Jugendwohnheimen doch in Höhe von 2 Mio DM zu belassen und den früheren Beschluß aufzuheben.“

Damit sei eine Berichtigung nicht mehr erforderlich und die Angelegenheit könne wohl als erledigt betrachtet werden.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis.

IX. Film über den 20. Juli 1944 31

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner verweist auf die Ministerratssitzung vom 9. März 1954, in der auf Grund eines Schreibens eines Herrn von Hößlin,32 dessen Sohn33 im Zusammenhang mit den Ereignissen um den 20. Juli 1944 ermordet worden sei, überlegt worden sei, ob eine Möglichkeit bestehe, die Herstellung oder Aufführung eines geplanten Filmes über den 20. Juli 1944 zu verbieten. Herr von Hößlin habe nun abermals geschrieben und den Vorschlag gemacht, das Bildmaterial, das offensichtlich von dem Hitler-Fotografen Hoffmann stamme, zu beschlagnahmen.34

Er glaube nicht, daß sich auf diese Weise etwas erreichen lasse.

Staatssekretär Dr. Koch meint, man könne vielleicht prüfen, ob im Entnazifizierungsverfahren das Vermögen Hoffmanns beschlagnahmt worden sei, unter das möglicherweise auch das Bildmaterial falle.

Staatssekretär Dr. Nerreter fügt hinzu, außerdem solle man feststellen, ob es sich bei dem Bildmaterial um Vermögen Hoffmanns oder um Vermögen des Staates handle.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.35

Film/Filmwirtschaft

X. Aufsichtsrat der „Zwischen-Bavaria“

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, Herr Landtagsabg. Beier36 habe als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Staatsbürgschaften für Filmkredite37 an den Herrn Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr geschrieben und eine Abschrift dieses Briefes dem Herrn Ministerpräsidenten zugeleitet. Darin werde unter anderem erklärt, Herr Ministerialdirigent Dr. Zehler vom Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, über dessen persönliche Integrität keinerlei Zweifel bestehe, habe sich als Vertreter der Staatsinteressen im seinerzeitigen Beirat der Filmfinanzierungsgesellschaft38 nicht bewährt. Der Untersuchungsausschuss halte es deshalb nicht für glücklich, diesen Beamten wieder mit einer so wichtigen Aufgabe in der Neuordnung der Filmangelegenheiten von Staats wegen zu betrauen. Andererseits habe sich die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft in einem Telegramm an den Herrn Ministerpräsidenten für Herrn Dr. Zehler eingesetzt.

Staatsminister Zietsch empfiehlt, daß das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr einen anderen Beamten als Herrn Dr. Zehler in den Aufsichtsrat der „Zwischen-Bavaria“ entsende.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths entgegnet, der Vorschlag, Herrn Ministerialdirigenten Dr. Zehler in diese Gesellschaft zu berufen, sei im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen erfolgt. Was das Schreiben des Herrn Abg. Beier betreffe, so sei hier offenbar ein Irrtum vorgekommen, der Brief sei bisher Herrn Staatsminister Dr. Seidel noch nicht zugegangen. Im übrigen sei er ein vorweggenommener Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend fest, daß es zunächst Sache des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr sei, sich mit dem Schreiben des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses auseinanderzusetzen.39

Bavaria Film

XI. Berufung des Universitätsprofessors Dr. Franz Kollmann nach München40

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner verliest ein an den Herrn Ministerpräsidenten gerichtetes Schreiben des Professors Dr. Kollmann, in dem dieser mitteile, daß er sich bis 31. März 1954 entscheiden müsse, ob er den an ihn ergangenen Ruf nach München annehmen werde.41

Staatsminister Dr. Schwalber bezweifelt, daß in dieser Berufungsangelegenheit noch etwas zu machen sei, nachdem keine Aussicht zu bestehen scheine, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der geplanten Verlegung des Deutschen Holzforschungsinstituts nach München zustimme.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, er habe vergangene Woche in dieser Sache Besprechungen in Bonn geführt, diese Unterredung werde in dieser Woche in Bonn und Godesberg fortgeführt. Leider habe er den Eindruck, daß Herr Bundesminister Dr. Lübke keinesfalls nachgeben werde, so daß die Verlegung des Hamburger Instituts nach München und damit die Berufung von Professor Kollmann nicht zustande kommen werde.42

Institut für Holzforschung
Stv. Ministerpräsident und Staatsminister des Innern gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei
In Vertretung gez.: Dr. Fritz BaerMinisterialdirigent