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Nr. 161MinisterratssitzungDienstag, 23. Juni 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 12 Uhr
Anwesend:

Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Weinkamm, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. 10. Gesetz über Sicherheitsleistungen des Bayerischen Staates. III. Pechkohlenbergbau in Oberbayern. IV. Bebauung des Maxburg-Geländes. V. Personalangelegenheiten. VI. Kredit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für das Gemeinschaftskraftwerk Aschaffenburg. . VII. Anerkennung des Landesverbands Bayern des Bauernverbands der Vertriebenen e.V. als offizielle Vertretung der heimatvertriebenen Landwirtschaft. VIII. Fall Brenninkmeyer (C&A) . IX. Lager Föhrenwald .

I. Bundesratsangelegenheiten

A) Vor der Besprechung der Tagesordnung des Bundesrats vom 26. Juni 1953 macht Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner darauf aufmerksam, daß der Bundestag am Donnerstag, den 25. Juni 1953 über das Bundeswahlgesetz abstimmen werde, so daß voraussichtlich dann am Freitag, den 26. Juni der Bundesrat darüber beraten könne.1

Bekanntlich habe sich der Bayer. Landtag für die Übernahme des Bayer. Wahlgesetzes durch den Bund ausgesprochen;2 diesem entspreche im wesentlichen der sogenannte Onnen-Entwurf, allerdings mit einer Reihe von Abweichungen.3

Staatssekretär Dr. Nerreter erklärt, im Onnen-Entwurf sei eine Nachwahl vorgesehen, das entspreche der bayerischen Regelung nicht.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner fährt fort, jedenfalls müßten sich die bayerischen Vertreter im Bundesrat gegen alle Bestimmungen wenden, die dem bayerischen System widersprächen. Die Staatsregierung sei hier durch den Beschluß des Landtags gebunden. Nach dem Entwurf sei übrigens ein Mindestsatz von 3% der abgegebenen Stimmen erforderlich, um ein Mandat zu erhalten, während Art. 14 Abs. 4 der Bayer. Verfassung bekanntlich die 10% Klausel enthalte.4 Es sei deshalb wohl notwendig, auf Bundesebene jedenfalls auch für den höheren Prozentsatz einzutreten, also für die gleichfalls schon vorgeschlagenen 5%.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erkundigt sich, wie es mit der Erhöhung der Bundestagsmandate von 400 auf 484 sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner antwortet, hier genüge es, nicht für die Erhöhung auf 484 einzutreten.

Der Ministerrat beschließt, in diesem Sinne die bayerische Stellungnahme abzugeben.5

Staatsminister Dr. Seidel kommt dann darauf zu sprechen, daß die Mitglieder der Bundestagsausschüsse für Verkehr und Post keine Einladung zu dem Empfang des Herrn Ministerpräsidenten anläßlich der Verkehrsausstellung erhalten hätten.6 Die Verstimmung unter den Abgeordneten sei so groß, daß sie eine Einladung, die er ihnen als Wirtschaftsminister habe geben wollen, abgelehnt hätten.

Ministerialdirektor Schwend verliest ein an den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses gerichtetes Schreiben, in dem unter anderem dargelegt werde, daß die Ausschüsse der Leitung der Verkehrsausstellung keine Zusage erteilt hätten und deshalb auch bei der Sitzordnung für die Eröffnungsfeier nicht berücksichtigt worden seien. Nachdem die Zusage nicht vorgelegen habe, sei von der Ausstellungsleitung auch keine Mitteilung an die Bayer. Staatskanzlei erfolgt, so daß diese nicht in der Lage gewesen wäre, die Abgeordneten zum Empfang einzuladen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß damit wohl die Angelegenheit erledigt sei.7

B) Anschließend wird die Tagesordnung der Bundesratssitzung vom 26. Juni 1953 besprochen.

1. Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarates 8

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, der Gesetzentwurf werde wohl ohne formelle Beschlußfassung des Bundesrats von der Tagesordnung abgesetzt werden. Die Anregung des Ständigen Beirats vom 17. Juni 1953, den Präsidenten des Bundesrats um eine Erklärung zu bitten, in der erneut das Befremden des Bundesrats zum Ausdruck gebracht werde, daß die Vertreter der Bundesrepublik in der Beratenden Versammlung des Europarates ausschließlich aus der Mitte des Bundestags gewählt würden, müsse wohl sicher unterstützt werden.

Der Ministerrat beschließt, dafür einzutreten.9

2. Entwurf eines Baulandbeschaffungsgesetzes 10

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, gegen den Entwurf bestünden schwerwiegende verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Bedenken, in erster Linie gegen die im Entwurf vorgesehene Konstruktion der Kammer für Baulandsachen (§ 32 ff.).11 Deshalb habe der Bundesrat auch im ersten Durchgang die Kammern für Baulandsachen teils aus verfassungsrechtlichen, teils aus Überlegungen fachlicher Art abgelehnt. Bedenken bestünden weiter gegen die Regelung in § 10, insbesondere dessen Abs. 1 Satz 2, der im Widerspruch zu Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG stehen dürfte.12

Aus verfassungs- und rechtspolitischen Gründen trage man Bedenken dagegen, daß die vorgesehene Regelung zu schweren Eingriffen in das Eigentum berechtige und auch zu Gunsten von Privatpersonen in Betracht kommen könne. Ferner arbeite der Entwurf mit unbestimmten Rechtsbegriffen, z.B. in den §§ 2b, 5 Abs. 1, 10, 16 Abs. 1. Der Koordinierungsausschuß empfehle deshalb, gemäß Art. 78  GG die Zustimmung zu versagen,13 nachdem eine Behebung der Mängel durch Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht möglich sei.14 Allerdings müsse er darauf hinweisen, daß der Gesetzentwurf aller Wahrscheinlichkeit nach eine Mehrheit finden werde.

Staatssekretär Dr. Oberländer gibt zu bedenken, daß schon seit längerer Zeit auf den Abschluß dieses Gesetzes gedrängt werde, das in der Tat notwendig sei, nachdem nicht genügend freies Bauland zur Verfügung stehe. Auch die Bayer. Staatsregierung habe ja ursprünglich ein eigenes Baulandbeschaffungsgesetz für erforderlich gehalten.15

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bestätigt dies, erklärt aber, die Oberste Baubehörde habe sich dafür nicht gewinnen lassen, nachdem bekannt geworden sei, daß die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz vorlegen werde.

Auch Staatsminister Zietsch meint, man brauche dieses Gesetz. Er bitte deshalb zu überlegen, ob man sich nicht wegen der bestehenden Bedenken der Stimme enthalten könne.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß er sich mit Rücksicht auf die Verletzung der Verfassung nicht zur Zustimmung entschließen könne und auch Stimmenthaltung empfehle. Darüber hinaus glaube er aber, daß man zu der Stimmenthaltung noch eine entsprechende kurze Erklärung abgeben müsse.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.16

3. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes 17

Der Ministerrat beschließt, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs.  GG nicht zu stellen, ferner von den Empfehlungen in der BR-Drucks. Nr. 258/1/53  diejenige unter Ziff. I zu unterstützen.18

4. Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes 19

Zustimmung gemäß Art. 78  GG.

5. Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung überholter steuerrechtlicher Vorschriften 20

Ein Antrag nach Art. 77 Abs.  GG wird nicht gestellt.

6. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes 21

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, im Koordinierungsausschuß habe der Vertreter des Finanzministeriums empfohlen, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen oder sich der Stimme zu enthalten.22 Der bayerische Standpunkt habe sich allerdings schon im Finanzausschuß nicht durchsetzen können.

Es wird beschlossen, keinen Antrag nach Art. 77 Abs.  GG zu stellen.23

7. Entwurf eines Bundesevakuiertengesetzes 24

Zustimmung gemäß Art. 78  GG.25

8. Entwurf eines Gesetzes über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen 26

Zustimmung nach Art. 78  GG.

9. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken 27

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß die bisher schon bestandenen verfassungsrechtlichen Bedenken nach wie vor nicht ausgeräumt seien. Der Koordinierungsausschuß empfehle deshalb, dem Entwurf die Zustimmung zu versagen, zumal ja beim Bundesverfassungsgericht zur Zeit noch der Verfassungsstreit anhängig sei.28

Der Ministerrat beschließt, an seinem bisherigen Standpunkt festzuhalten und die Zustimmung zu versagen.29

10. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten 30

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, das Staatsministerium des Innern empfehle, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziele anzurufen, in § 22 Abs. 3 den Satz 2 zu streichen und dem Satz 1 folgende Fassung zu geben:

„Die Kostenträger nach Abs. 1 und 2 tragen die Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung, wenn und solange diese zur Heilung der Krankheit und zur Ansteckungsverhütung erforderlich ist.“

Außerdem spreche sich das Finanzministerium ebenfalls dafür aus, den Vermittlungsausschuß anzurufen und zwar mit dem Ziele, § 23 Abs. 1 Satz 2 ersatzlos zu streichen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Fürsorgeabteilung des Staatsministeriums des Innern über die durch dieses Gesetz drohende Mehrbelastung der Fürsorge sehr besorgt sei. Er halte es auch für richtig, wegen der dargelegten beiden Punkte den Vermittlungsausschuß anzurufen, auch wenn ein entsprechender bayerischer Antrag keine Mehrheit finden werde.

Der Ministerrat beschließt, von Bayern aus einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen.31

11. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens 32

Zustimmung gemäß Art. 78  GG.

12. Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes 33

Es wird beschlossen, sich einem Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses anzuschließen – wenn sich dafür im Bundesrat eine Mehrheit finde – und zwar aus den in den Ziff. 2, 3 und 4 der BR-Drucks. Nr. 256/1/53  dargelegten Gründen.34

und

16. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich 39

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, durch den Beschluß des Vermittlungsausschusses vom 18. Juni 1953 sei die vom Bundestag am 29. April 1953 beschlossene Fassung des § 47 des Lastenausgleichsgesetzes wieder hergestellt, den Bedenken des Bundesrats also nicht entsprochen worden.

Staatsminister Dr. Seidel empfiehlt, nach Art. 78  GG nunmehr die Zustimmung zu erteilen.

Nachdem Staatssekretär Dr. Oberländer erklärt, dagegen keine Bedenken zu haben, wird beschlossen, nach Art. 78  GG zuzustimmen.40

17. Entwurf eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz für das Rechnungsjahr 1953 41

Staatssekretär Krehle empfiehlt, den Entwurf abzulehnen und zwar aus den gleichen Gründen, die zu dem Bayerischen Antrag vom 18. Dezember 1952 geführt haben.42 Er schlage deshalb vor, einen Landesantrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen, mit dem Ziele, die Vorlage zu beseitigen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann berichtet dann über eine Aussprache mit dem Präsidenten der Bundesanstalt in Nürnberg , der sich nach wie vor gegen den Gesetzentwurf wende. Präsident Scheuble 43 rechne übrigens bestimmt mit einer Verlängerung des Gesetzes und glaube, es wäre möglich gewesen, auch ohne diesen Entwurf zu einer Vereinbarung mit dem Bundesfinanzminister zu kommen. Er halte es für das Richtigste, den Versuch zu machen, nämlich doch noch diese Vereinbarung herbeizuführen oder wenn das nicht gelinge, den Prozentsatz der Schuldbuchforderungen herabzusetzen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner läßt dann über den weitergehenden Antrag des Herrn Staatssekretärs Krehle, die Vorlage zu beseitigen, abstimmen.

Der Ministerrat beschließt mit Mehrheit, diesen Antrag abzulehnen.

Sodann wird beschlossen, den zu erwartenden Antrag von Nordrhein-Westfalen zu unterstützen, der dahin gehe, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziele anzurufen, den Prozentsatz der Schuldbuchforderungen herabzusetzen.44

18. Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu der Vereinbarung über die Regelung der Schweizer Frankengrundschulden vom 23. Februar 1953 45

Ministerialrat Dr. Gerner erklärt, eine Stellungnahme der beteiligten Ressorts sei noch nicht möglich gewesen, da der Entwurf erst gestern bekannt geworden sei.46

C) Weitere Bundesratsangelegenheiten

1. Entwurf eines Gesetzes über Straffreiheit 47

Ministerialrat Dr. Gerner teilt mit, daß der Bundestag am 18. Juni 1953 ein Gesetz über Straffreiheit angenommen habe, wonach jeder, der in der Zeit bis zum 31. Dezember 1951 als Verleger, Journalist oder Beamter unmittelbar oder mittelbar Nachrichten, Informationen oder Artikel in strafbarer Weise mitgeteilt, entgegengenommen oder verbreitet habe, straffrei bleibe.48 Durch diesen Gesetzentwurf solle der sogenannte Fall Platow abgewickelt werden.49 Es ergebe sich nun die Frage, in welcher Form der Bundesrat zu diesem Gesetzentwurf Stellung nehmen solle.

Staatssekretär Dr. Koch erklärt, man könne den Entwurf schon deshalb nicht billigen, weil es sich ganz klar um ein Gesetz ad hoc handle.

Staatsminister Dr. Seidel meint, auch er habe Bedenken, es sei aber doch zu überlegen, ob es sich im Interesse der Demokratie lohne, die Platow-Affäre in langwierigen Prozessen breitzutreten.

Staatssekretär Dr. Koch erwidert, tatsächlich trete eine Amnestie an die Stelle eines Urteils, das eigentlich gesprochen werden müßte.

Staatsminister Dr. Seidel schlägt vor, Ministerialrat Dr. Gerner solle bei der Beratung im Rechtsausschuß erklären, der Ministerrat habe sich noch nicht entschieden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner spricht sich gleichfalls gegen den Entwurf aus und wirft die Frage auf, ob man nicht die Strafbestimmung des § 353c des Strafgesetzbuches, deren Gültigkeit zweifelhaft sei, mit rückwirkender Kraft aufheben könnte.50 Darüber hinaus aber eine Amnestie zu gewähren, halte er für zu weitgehend, er stimme aber Herrn Staatsminister Dr. Seidel zu, daß heute wohl kaum schon entschieden werden könne.

Der Ministerrat beschließt dafür einzutreten, daß die in ihrer Rechtsgültigkeit zweifelhafte Bestimmung des § 353c des Reichsstrafgesetzbuches mit rückwirkender Kraft51 aufgehoben wird.52

2. Richterbesoldung 53

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, einem Fernschreiben zufolge habe der Beamtenrechtsausschuß eine Neufassung der sogenannten lex Amelunxen 54 beschlossen.55 Über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer besonderen Regelung hinsichtlich der Besoldung der Richter und Staatsanwälte ergibt sich eine längere Aussprache.

Auf Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner wird schließlich beschlossen, auf die bereits durchgeführte Erhöhung der Beamtengehälter um 40% hinzuweisen, sich aber nicht gegen die Vorlage zu wenden.56

II. 10. Gesetz über Sicherheitsleistungen des Bayerischen Staates57

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner führt aus, gegen diesen Gesetzentwurf seien keine Bedenken erhoben worden, das Staatsministerium des Innern habe aber vorgeschlagen, in einer neu einzufügenden Bestimmung das Staatsministerium der Finanzen zu ermächtigen, zu Lasten des Bayerischen Staates die Bürgschaft bis zu 15 Millionen DM für Darlehen zu übernehmen, die als nachstellige Hypotheken im Rahmen des steuerbegünstigten und öffentlich geförderten Wohnungsbaues gegeben werden.

Staatsminister Zietsch erklärt sich mit dieser Ergänzung einverstanden und schlägt außerdem noch folgende Abänderungen des Entwurfs vor:

Art./Abs. 2: Hier müsse es statt 7,25 Millionen DM 10 Millionen DM heißen.

Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Änderung einverstanden.

Staatsminister Zietsch fährt fort, auch in Art. 8 Abs. 1 und 2 sei eine Änderung notwendig und zwar müsse es in Abs. 1 wie folgt heißen:

„...sowie in den Fällen der Art. 1, 5, 6 und 7...“

In Abs. 2 wie folgt:

„...in den Fällen der Art. 1, 6 und 7...“

Die Begründung zu diesen Bestimmungen müsse noch entsprechend geändert werden.

Auch bei Art. 9 Abs. 2 sei eine Änderung notwendig, diese Bestimmung soll jetzt folgendermaßen heißen:

„(2) Die Bürgschaften sollen regelmäßig nur bis zu weiteren 5 Jahren, längstens bis zu weiteren 10 Jahren...“

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf nach Maßgabe der vorgeschlagenen Änderungen zuzustimmen und ihn dem Landtag zuzuleiten.58

Zehntes Gesetz über Sicherheitsleistungen des Bayerischen Staates vom 27. Juli 1953

III. Pechkohlenbergbau in Oberbayern 59

Staatsminister Dr. Seidel verweist auf die Note vom 12. Juni 1953, insbesondere auf die Seiten 6 und 7, in denen eine Reihe von Maßnahmen zur Behebung der bestehenden Schwierigkeiten vorgeschlagen seien.60

Der Ministerrat beschließt, daß den Vorschlägen des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr entsprechend vorgegangen worden soll.61

Pechkohlebergbau

IV. Bebauung des Maxburg-Geländes62

Staatssekretär Dr. Koch erklärt auf Anfrage des Herrn Staatsministers Dr. Hoegner, die endgültige Einigung zwischen den Staatsministerien der Finanzen und der Justiz sei nun zustande gekommen. Die Vereinbarung habe folgenden Wortlaut:

„1. Das Bayer. Staatsministerium der Finanzen wird ermächtigt, die Verhandlungen mit der Firma Fries & Co., München, über die Verwertung des staatlichen Geländes an der PacelliMaxburgstraßeLenbachplatz in München (ehemalige Maxburg) mit Ausnahme des für Zwecke des Erzbischöflichen Ordinariats München-Freising vorgesehenen Teiles gemäß dem Vorschlag vom 10.4.1953 weiterzuführen und die geplanten Bauvorhaben durch Gewährung eines Erbbaurechtes zu Gunsten vorgenannter Firma durchzuführen.

2. Die sofort nach Fertigstellung der Gebäude der Bayer. Staatsverwaltung zur Verfügung stehenden Räume im Ausmaß von 6 000 qm sind in den an der PacellistraßeLenbachplatz gelegenen Gebäuden vorzusehen und der Justizverwaltug zu überlassen.

3. In dem Erbbaurechtsvertrag ist die Bestimmung aufzunehmen, daß die Erbbauberechtigte verpflichtet ist, während der Dauer des Erbbaurechtsvertrages freiwerdende Büroräume dem Bayer. Staatsministerium der Justiz zur Anmietung bis zum endgültigen Heimfall der Gebäude anzubieten.

4. Das Bayer. Staatsministerium der Finanzen wird später freiwerdende Büroräume der Justizverwaltung anbieten, wenn das Erbbaurecht an den Bayer. Staat zurückgefallen ist und die Aufwendungen für Kapitaldienst und Bewirtschaftung entweder durch die verbleibenden Einnahmen oder durch zusätzliche Haushaltsmittel gedeckt werden können oder wenn dem Erbbauberechtigten der Ausfall an Einnahmen durch zusätzliche Haushaltsmittel ersetzt werden kann.“

Staatsminister Zietsch erklärt sein Einverständnis, worauf der Ministerrat beschließt, daß das Maxburg-Gelände in der jetzt endgültig vereinbarten Art und Weise bebaut werden kann.

In diesem Zusammenhang kommt Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner auf die Unterbringung des Statistischen Landesamts zu sprechen, für das die Alte Akademie der Wissenschaften neben der Michaelskirche vorgesehen sei.63 An sich sei die Angelegenheit schon seit Monaten abschlußreif, der Präsident des Statistischen Landesamts 64 habe aber in der Zwischenzeit den Vorschlag gemacht, sein Amt auf dem Gelände der früheren Türkenkaserne unterzubringen. Dies sei aber schon deshalb nicht möglich, weil das Gelände vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Anspruch genommen werde, ganz abgesehen davon, daß das Staatsministerium der Finanzen nicht für zwei Objekte, nämlich die Alte Akademie und die Türkenkaserne, Gelder zur Verfügung stellen könne. Dazu komme noch, daß der Firma Hettlage bindend zugesichert worden sei, sie könne auf dem Gelände der Alten Akademie bauen, so daß unter Umständen bei einer weiteren Verzögerung mit einer Schadensersatzklage der Firma gerechnet worden müsse,

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, zweifellos müsse die Alte Akademie aufgebaut werden, er sei aber der Meinung, daß diese Räume für eine Behörde nicht geeignet seien und der Vorschlag des Herrn Präsidenten Wagner schon vieles für sich habe. Sein Plan, das Statistische Landesamt zusammen mit den ihm zugehörigen Instituten in der Nähe der Hochschulen und Ministerien unterzubringen, sei bestechend. Allerdings könne er nicht entscheiden, ob die Finanzierung des Geländes an der Türkenstrasse möglich sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner wirft ein, das Gebäude, in dem jetzt das Statistische Landesamt untergebracht sei, werde dringend für die Bereitschaftspolizei benötigt.

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, es sei alles auf das genaueste überlegt und lange beraten worden, jetzt müsse ein Entschluß gefaßt werden. Er bitte dringend, die Vorschläge des Herrn Präsidenten Wagner jetzt nicht mehr zu berücksichtigen, da dieser auch nicht in der Lage sei, einen Ausweg, der sofort begangen werden könne, aufzuzeigen.

Der Ministerrat beschließt, es bei der Entscheidung, daß das Statistische Landesamt in der Alten Akademie der Wissenschaften untergebracht wird, zu belassen.65

Herzog-Max-Burg

V. Personalangelegenheiten

Der Ministerrat beschließt, die Amtszeit des Oberlandesgerichtspräsidenten August Schaefer 66 in Bamberg um ein Jahr, d.h. bis einschließlich 31. Juli 1954, zu verlängern.

VI. Kredit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für das Gemeinschaftskraftwerk Aschaffenburg 67

Staatsminister Zietsch berichtet, die Bayernwerk AG bewerbe sich um einen Kredit von 30 Millionen DM zur Finanzierung des Gemeinschaftskraftwerks Aschaffenburg, der aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau gegeben werden solle. Der Antrag stehe im Wettbewerb mit einem bayerischen Arbeitsprogramm von rund 20 Millionen DM.

Staatsminister Dr. Seidel führt aus, im September 1952 habe er von Herrn Staatsminister Dr. Oechsle erfahren, daß die Möglichkeit bestehe, aus den Mitteln der Bundesanstalt Gelder für die bayerische Industrie zu erhalten. Am 15. September sei dann im Einverständnis mit dem Staatsministerium der Finanzen ein Kreditprogramm von 65 Millionen DM aufgestellt worden, das auf Grund einer neuen Besprechung mit der Bundesanstalt im Oktober des Jahres auf 20 Millionen DM reduziert worden sei. Daraufhin sei eine entsprechende Liste besonders förderungswürdiger Objekte zusammengestellt und der Bundesanstalt vorgeschlagen worden, wieder im Einvernehmen mit dem Finanzministerium.

Am 14. Januar 1953 habe Präsident Scheuble versichert, die Bundesanstalt halte an den 20 Millionen DM fest, so daß dann am 13. April ein Gesamtprogramm über diesen Betrag endgültig fertiggestellt worden sei. Herr Staatsminister Dr. Oechsle habe sich am 21. Mai nochmals persönlich eingeschaltet, um zu erreichen, daß bereits eine erste Rate von 6 Millionen DM ausgegeben werde. Erst dann sei seitens des Finanzministeriums auf Schwierigkeiten hingewiesen worden, zu denen aber die Bundesanstalt erklärt habe, die Bedenken seien unbegründet.

Den Kreditantrag des Bayernwerks habe die Bundesanstalt nur zur Kenntnis genommen, andererseits sei die Kreditanstalt für Wiederaufbau nach wie vor entschlossen, das Arbeitsprogramm von 20 Millionen DM durchzuziehen, falls ihm nicht das heute bei den Bundesratsangelegenheiten besprochene Rentenzulagegesetz 68 die notwendigen Mittel entziehe. Die Bundesanstalt stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, das arbeitsmarktpolitisch besonders wirkungsvolle Programm von 20 Millionen DM stehe im Vordergrund, während der Kreditantrag des Bayernwerks keineswegs besonders aussichtsreich sei. Es würde auch dem Wesen dieser Mittel völlig widersprechen, wenn sie einem großen Projekt mit geringer arbeitsmarktpolitischer Wirkung zugewendet würden. Infolgedessen sei man bei der Bundesanstalt auch einigermaßen überrascht, daß jetzt dieser Antrag gekommen sei. Die Zusammenhänge seien ihm selbst nicht ganz klar, nachdem das Finanzministerium an dem Arbeitsprogramm mitgearbeitet und die Ministerien für Wirtschaft und Verkehr und Arbeit und soziale Fürsorge unterstützt habe.

Staatsminister Zietsch erklärt, er könne Herrn Staatsminister Dr. Seidel nicht widersprechen, es treffe zu, daß das Finanzministerium positiv mitgearbeitet habe.

Die Bayernwerk AG habe glaubhaft versichert, daß sie 30 Millionen DM bekommen könne. Er habe deshalb zugesichert, diese Sache zu überlegen und durch den Ministerrat prüfen und entscheiden zu lassen, welches Projekt bedeutungsvoller sei.

Wenn er mit Rücksicht auf die zutreffenden Darlegungen des Herrn Staatsministers Dr. Seidel damit nicht durchdringe, so ziehe er den Antrag wieder zurück. Allerdings habe das Bayernwerk behauptet, mit der Bundesanstalt sei alles abgesprochen. Wenn aber heute der Ministerrat dahin entscheide, daß es bei dem Arbeitsprogramm von 20 Millionen DM verbleibe, so sei damit für ihn der Fall erledigt.

Staatsminister Dr. Seidel fährt dann fort, bei der Beratung des Programms habe man mit den in Betracht kommenden Firmen Fühlung aufnehmen müssen, ohne allerdings Zusicherungen gegeben zu haben. Auch die Gewerkschaften hätten diese Firmen aufgesucht und Vorschläge unterbreitet. Wenn nun heute der Ministerrat beschlossen hätte, diese 20 Millionen DM nicht in breiter Streuung zu verteilen, sondern allein dem Bayernwerk zu geben, wäre eine unmögliche Lage entstanden.

Staatssekretär Krehle unterstützt Staatsminister Dr. Seidel, weist aber auf die Gefahr für das Programm hin, wenn das schon erwähnte Rentenzulagegesetz angenommen werde.

Unter Stimmenthaltung der Vertreter des Staatsministeriums der Finanzen wird beschlossen, bei dem Arbeitsprogramm von 20 Millionen DM zu verbleiben, das den Vorzug vor anderen Projekten verdiene.

VII. Anerkennung des Landesverbands Bayern des Bauernverbands der Vertriebenen e.V. als offizielle Vertretung der heimatvertriebenen Landwirtschaft69

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß der Antrag des Landesverbands Bayern des Bauernverbands der Vertriebenen heute nicht behandelt werden könne,70 da Herr Staatsminister Dr. Schlögl zu den Beratungen über den Landwirtschaftshaushalt im Landtag sei.

Staatssekretär Dr. Oberländer weist auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit hin.

Es wird vereinbart. diesen Punkt auf die Tagesordnung des Ministerrats von 30. Juni zu setzen.71

Bauernverband der Vertriebenen e.V.

VIII. Fall Brenninkmeyer (C&A) 72

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, in der heutigen Fragestunde im Landtag würden Anfragen wegen der Vorfälle in München am vergangenen Samstag Nachmittag vor den Kaufhaus C&A Brenninkmeyer gestellt werden.73

Trotz der Absage der Gewerkschaften hätten etwa 20 000 Leute demonstriert, so daß die städtische Polizei nicht mehr ausgereicht habe und Hundertschaften der Bereitschaftspolizei eingesetzt worden mußten. Dabei sei es zu einer Reihe von ernsten Zwischenfällen gekommen, bei denen es Verletzte gegeben habe. Schließlich habe man die ganze Kaufingerstraße und ihre Zugangsstraßen absperren müssen. Es habe sich einwandfrei herausgestellt, daß vor allem Mitglieder der KPD eine Rolle gespielt hätten; deren Versammlung am Abend, die das Amt für öffentliche Ordnung ursprünglich erlaubt gehabt habe, sei dann im Hinblick auf die Vorfälle in Berlin 74 verboten worden.

Die Frage sei nun, ob sich derartige Dinge jeden Samstag wiederholen sollten. Er müsse sich vorbehalten, falls notwendig, noch in dieser Woche einen außerordentlichen Ministerrat einzuberufen. Die Bayerische Verfassung garantiere ein freies Wochenende,75 es sei also auch zu prüfen, in welchem Verhältnis diese Bestimmung zu der Arbeitszeitverordnung stehe.76 Die Firma C&A Brenninkmeyer habe an sich das Recht, offen zu halten, ob ihr aber mit Einsatz der gesamten Polizei jeden Samstag Schutz gewährt werden müsse, sei eine andere Frage.

Staatsminister Zietsch regt an, dem Herrn Oberbürgermeister der Stadt München zu empfehlen, sich mit allen Beteiligten vor dem nächsten Samstag an einen Tisch zu setzen. Es müsse doch versucht werden, ein Einvernehmen zu erzielen.

Staatssekretär Dr. Koch weist darauf hin, daß bei den Besprechungen, die mit der Firma vor ihrem Herzug nach München geführt worden seien, ausdrücklich von Seiten der Stadt auf den Ladenschluß in München um 14 Uhr aufmerksam gemacht worden sei; soviel ihm bekannt sei, habe C&A zugesagt, den Münchner Ladenschluß zu respektieren.

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß damit die Lage erheblich verändert sei.

Staatssekretär Dr. Nerreter führt aus, Herr Staatsminister Dr. Hoegner habe der Presse gegenüber mit Recht erklärt, er sei nicht der Vormund der Stadt. Diese müsse eben zusehen, wie sie mit der Lage fertig werde, zumal C&A mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen werde und anwaltschaftlich sehr gut durch den Herrn Bundestagsabgeordneten Mücke 77 vertreten werde. Jedes Eingreifen der Staatsregierung könne unter Umständen zu Schadensersatzansprüchen führen, was sehr bedenklich wäre. Eine Entscheidung, das Geschäft unter Umständen zu schließen, müsse die Stadt allein treffen und verantworten.

Staatsminister Dr. Seidel berichtet in diesem Zusammenhang, er habe mit einem Vertreter von C&A am letzten Sonntag in Hannover gesprochen und diesem erklärt, die Firma habe zwar das Recht auf ihrer Seite, er empfehle aber doch zu überlegen, ob es sich lohne, dieses Recht mit allen Mitteln durchzusetzen. Man sei ja auch in der Lage, das Geschäft in einer Art und Weise zu schützen, die der Firma mit der Zeit keine Freude bereiten werde. Andererseits halte er es aber doch für notwendig, die Gewerkschaften auch auf die politische Seite der ganzen Angelegenheit aufmerksam und ihr klar zu machen, daß von der KPD politische Geschäfte betrieben werden könnten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt abschließend fest, daß sich heute der Stadtrat mit den Fall Brenninkmeyer beschäftige, er sich aber – wie schon gesagt – vorbehalte, notfalls einen außerordentlichen Ministerrat einzuberufen.78

Ladenschlußregelung

IX. Lager Föhrenwald 79

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, das Lager Föhrenwald werde jetzt vom Bund für den Bundesgrenzschutz in Anspruch genommen,80 die Räumung des Lagers müsse also auch vom Bund vorgenommen werden.81

Föhrenwald
Stv. Ministerpräsident und Staatsminister des Innern gez.: Dr. Wilhelm Hoegner
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg
Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend
Ministerialdirektor