1.) Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen auf Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes über die deutsche Bundesbahn als Initiativantrag des Deutschen Bundesrates7 U7Vgl. Die Kabinettsprotokolle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 1946–1950 S. 848f.; Kabinettsprotokolle 1949 S. 258  .

1Ministerialrat Leusser erklärt dazu, es handle sich um eine Vorlage des Bundesratspräsidenten Arnold, die von einer Vorlage der Verwaltung für Verkehr abweiche. Nachdem die Angelegenheit im Verkehrsausschuß noch nicht behandelt worden sei, werde es vermutlich notwendig werden, sie dorthin zu überweisen.

2Staatsminister Frommknecht teilt mit, diese Sache sei noch nicht auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses gewesen und müsse außerdem noch im Finanz- und Wirtschaftsausschuß besprochen werden.

3Staatsminister Dr. Pfeiffer weist darauf hin, daß auch in der Sitzung des Ständigen Beirats8 Ministerpräsident Arnold noch nichts von dieser Vorlage mitgeteilt habe.8Vgl. Nr. 84 TOP V Anm. 36.

4Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, in dieser Art und Weise könne man nicht vorgehen und er werde durchzusetzen versuchen, daß im Plenum über diese Vorlage überhaupt noch nicht gesprochen werde.9 9Nachdem MPr. Arnold den Antrag Nordrhein-Westfalens in der Sitzung vertreten hatte, überwies ihn der Bundesrat anschließend an den Verkehrsausschuß; vgl. 9. Sitzung des Bundesrates, 9. 12. 1949, S. 85 C – 88 D. Zum Fortgang s. Nr. 101 TOP I.

2.) Niedersächsisches Arbeitsschutzgesetz für Jugendliche U

1Ministerialrat Leusser führt aus, daß der Rechtsausschuß nach wie vor die Auffassung vertrete, daß bei einer völligen Änderung eines Gesetzes Art. 125 Ziff. 210 des Grundgesetzes nicht einschlage.11 Wenn sich diese Auffassung durchsetze, solle die Frage des Verhältnisses von Art. 125 Ziff. 2 zu Art. 7212 überhaupt nicht erörtert werden. Wenn dies nicht gelinge, wäre es das beste, wenn das Plenum die Sache an den Rechtsausschuß zurückverweise, der dann die Frage endgültig diskutieren könne. Minister Katz13 von Schleswig-Holstein, der Referent im Bundesrat sei, stehe auf dem Standpunkt, daß Niedersachsen diese Angelegenheit allein regeln könne.14 10Vgl. Nr. 85 TOP VI.11Vgl. Kurzprotokoll über die Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates, 24. 11. 1949 (BR-A 238).12Vgl. Nr. 85 TOP VI.13Zu seiner Person s. Nr. 81 TOP I.14Zum Fortgang s. Nr. 117.

3.) Sachliche Zuständigkeit betreffend Anerkennung ausländischer Urteile in Ehesachen15 U15Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 247/49  . Vgl. Kabinettsprotokolle 1949 S. 237  .

1Ministerialrat Leusser bemerkt, daß bei diesem Punkt der Tagesordnung keine Schwierigkeiten bestünden.16 16Vgl. 9. Sitzung des Bundesrates, 9. 12. 1949, S. 89 B – C. – Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit bei Anerkennung ausländischer Urteile in Ehesachen vom 6. Dezember 1949 (BGBl. S. 34  ).

4.) Anordnung über die Bundesschuldenverwaltung U

1Ministerialrat Leusser teilt mit, hier handle es sich lediglich darum, die Bundesschuldenverwaltung auf die französische Zone auszudehnen, dabei sei die Zustimmung des Kreispräsidenten von Lindau17 notwendig.17Anton Zwisler (1888–1977), Dipl.-Ing. TH München, 1913 Eintritt in die väterliche Landmaschinenfabrik in Lindau, 1936 nach dem Tod des Vaters Übernahme des Betriebs, 1945 Mitglied des Stadtrates von Lindau, Mai 1946–1970 Präsident der IHK Lindau, 13. 11. 1946–31. 3. 1956 Kreispräsident von Lindau, 1960 Bayer. Verdienstorden. Vgl. Zumstein.

2Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß er schon mit dem Kreispräsidenten gesprochen habe und dieser zustimmen werde.18 Irgendwelche Schwierigkeiten könnten seiner Meinung nach nicht auftreten.19 18Vgl. zur Ausdehnung von Bundesrecht 1949/1950 auf den Kreis Lindau StK 10918; hier Leusser an StMI, z. Hd. Referent für Bundesangelegenheiten RegDir Feneberg, 30. 11. 1949. Darin hieß es u.a.: „Der Herr Ministerpräsident hat auf Grund einer Besprechung, die er am 29. November 1949 mit dem Herrn Kreispräsidenten von Lindau hatte, entschieden, daß aus politischen Gründen gegen die jetzige Übung des Bundes (Zustimmung des Kreispräsidenten von Lindau zu Verordnungen der Bundesregierung nach Art. 127 des Grundgesetzes) keine Bedenken erhoben werden sollen, zumal eine solche Regelung, wenn sie auch im Grundgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, doch zumindest nicht gegen dieses verstößt.“19Der Bundesrat stimmte der Anordnung zu; vgl. 9. Sitzung des Bundesrates, 9. 12. 1949, S. 89 C-D.

5.) Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagung20 U20Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 181/49  und Nr. 244/49. S. im Detail StK-GuV 10009. Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I.

6.) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes21 U21Abdruck des Entwurfs als BR-Drs. Nr. 182/49  und Nr. 243/49; die nachgereichte Begründung als BR-Drs. Nr. 240/49  .

1Ministerpräsident Dr. Ehard meint, zu Punkt 6.) der Tagesordnung müsse man sich wohl gegen die zu weitgehende Ermächtigung, die in dem Entwurf vorgesehen sei, wenden. Der Herr Finanzminister selbst werde ja den bayerischen Standpunkt im Bundesrat vertreten.22 22Vgl. die jedoch eher grundsätzlichen Ausführungen von StMF Kraus, 9. Sitzung des Bundesrates, 9. 12. 1949, S. 93 D – 94 A: „Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte dem Vorschlag des Herrn Präsidenten nicht beitreten. Wir kommen nie zu einer neuen Steuergesetzgebung, wenn wir sämtliche einschlägigen Ausschüsse einschalten wollten. Schließlich spielen auch noch Verkehrsinteressen eines Tages eine Rolle. Vielmehr muß die dominierende Stellung des Finanzausschusses hervorgehoben werden. Wir haben uns gestern mit dem Herrn Bundesfinanzminister auf die Vorlage geeinigt und alle wirtschaftspolitischen sowie sozialpolitischen Momente sehr genau unter die Lupe genommen. Es geht nicht an, daß wir den bisherigen Irrweg weitergehen, das wirtschaftspolitische Moment allzu stark in unsere Einkommensteuer hereinzugeheimnissen. Das hat sich praktisch als nicht gut erwiesen. Unsere Steuergesetze sind so beschaffen, daß der einfache Mann und Staatsbürger sich in den Bestimmungen nicht mehr auskennt, auch wenn ein Steuerfall einfach liegt. Sogar ein Steuerinspektor steht vor einer Doktorarbeit, die er nicht mehr lösen kann. Wir müssen wieder zur Einfachheit zurückkehren. Die Einkommensteuer ist an sich kein Instrument für Wirtschaftspolitik. Wir haben schon vor einem halben Jahrhundert das soziale Moment in die Steuergesetzgebung aufgenommen. Dabei soll es bleiben. Wir müssen aber allmählich von dem Irrweg abkommen und darauf achten, daß wir wieder zu den gesunden Grundsätzen der Steuerlehre zurückkehren. Das bedeutet Einfachheit und Bestimmtheit derart, daß jeder weiß, was er mit einem Gesetz anfangen kann.“

7.) Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 194923 U23Abdruck von Entwurf und Begründung als BR-Drs. Nr. 246/49  .

1Staatsminister Dr. Kraus bemerkt, hier handle es sich um eine besonders wichtige Frage, die auch im Finanzausgleich eine große Rolle spiele.24 Man habe vorgehabt, einen Initiativantrag des Bundesrats zu stellen, was aber leider durch ein Versehen unterblieben sei. Minister Dr. Hilpert,25 der Berichterstatter sei, müsse darauf besonders stark hinweisen.26 24Vgl. Nr. 86 TOP VII.25Zu seiner Person s. Nr. 55 TOP II.26Vgl. die Ausführungen des hessischen Finanzministers Hilpert, 9. Sitzung des Bundesrates, 9. 12. 1949, S. 95 B – 97 A. S. im Detail StK-GuV 10012. – Gesetz zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949 vom 21. März 1950 (BGBl. S. 43  ).

8.) Bestellung des geschäftsleitenden Direktors und Bestellung der Fachkräfte für die Ausschüsse des Bundesrats U

1Staatsminister Dr. Pfeiffer gibt bekannt,27 der Ständige Beirat habe sich mit dieser Frage zu befassen gehabt,28 dabei habe sich Ministerpräsident Altmeier29 besonders für Herrn Troßmann30 als geschäftsleitenden Direktor eingesetzt. Nachdem dieser aber aller Voraussicht nach endgültig zum Direktor des Bundestages gewählt werde, habe er die Kandidatur Troßmanns für die Direktorenstelle im Bundesrat nicht mehr weiter betrieben.31 Ministerpräsident Arnold habe im weiteren Verlauf der Sache erklärt, die SPD habe sich auf den früheren persönlichen Referenten von Minister Schlange-Schöningen, Herrn von John,32 geeinigt, während Württemberg-Baden Ministerialdirektor Kistner33 vorgeschlagen habe. Er selbst habe sich vorbehalten, ob er von Nordrhein-Westfalen aus jemand vorschlagen wolle.27Vgl. zu Pfeiffers Ausführungen seine Vormerkung „Zum Bericht beim Herrn Ministerpräsidenten am 5. 12. 1949“ (StK 13079).28Vgl. 5. Sitzung des Ständigen Beirats, 3. 12. 1949, Abdruck als BR-Drs. Nr. 266/49  .29Zu seiner Person s. Nr. 78 TOP I.30Hans Troßmann (1906–1993), Jurist, (sein Vater Karl Troßmann (1871–1957) war 1919–1933 Kreisgeschäftsführer der BVP in Mittelfranken und Nürnberg gewesen, 1919–1924 MdL und 1924–1933 MdR (BVP)), 1932–1940 bayerische Staatsverwaltung, 1934 RR, 1940–1945 Abordnung zum Reichskommissar für die Preisbildung, 1946/1947 stv. Landesgeschäftsführer der CSU, anschließend Fraktionssekretär der CSU im Bayer. Landtag, 1948/1949 Sekretär des Parlamentarischen Rates, 7. 9. 1949–30. 4. 1970 Direktor beim Deutschen Bundestag.31Troßmann war auch der Wunschkandidat von Ehard und Pfeiffer gewesen; vgl. Gelberg, Ehard S. 306–309 sowie z. B. Troßmann an Pfeiffer, 27. 8. 1949 (NL Pfeiffer 63).32Oskar von John war persönlicher Referent des Direktors der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des VWG, Hans Schlange-Schöningen, gewesen. Ausweislich des Protokolls der Sitzung des Ständigen Beirats hatte er sich um den Posten beworben (vgl. Anm. 28).33In der Vorlage fälschlich „Kistler“. – Präsidialdirektor Albert Kistner (1905–1979), Jurist, 1931 Regierungsassessor im Ministerium des Innern des Volksstaates Baden, 1933 RR, 1934–1939 Verwendung in den Bezirksämtern Schopfheim und Rastatt, 1939 Abordnung, 1941 Versetzung zur Regierung in Bromberg, 1942 ORR, 1943–1945 Wehrmacht, 17. 9. 1945 ORR im Ministerium des Innern des Volksstaates Baden in Freiburg i. Br., Personalreferent und Leiter der Polizeiabt., 14. 3. 1947 MinRat mit der Amtsbezeichnung Präsidialdirektor beim Präsidenten des Landesteils Baden von Württemberg-Baden Heinrich Köhler und Übernahme in den Dienst des Landes Württemberg-Baden, 5. 2. 1951 Landesdirektion der Finanzen, 16. 7. 1952 Versetzung in das Innenministerium von Baden-Württemberg, 1957–1965 Leiter der Badischen Gebäudeversicherungsanstalt, 1965–1971 Leiter der Badischen Landeskreditanstalt (beides in Karlsruhe).

2Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß Bayern kein Interesse daran habe, ein Generalsekretariat zu errichten,34 außerdem müsse man darauf bedacht sein, daß der endgültige geschäftsleitende Direktor der bayerischen Auffassung über dieses Generalsekretariat entspreche.35 34Vgl. Nr. 77 TOP I, Nr. 80 TOP II und Nr. 81 TOP I.35Vgl. Wengst, Staatsaufbau S. 221–226. Zum Fortgang s. Nr. 91 TOP X.

3Staatsminister Dr. Pfeiffer fährt fort, die Kandidatur Troßmanns sei wohl erledigt, es käme jetzt darauf an, auf alle Fälle Regierungsdirektor Dr. Wegmann möglichst gut einzusetzen;36 er glaube wohl, daß dieser Ministerialrat werden könne. Obwohl Ministerpräsident Arnold ihm sein Einverständnis zu der Kandidatur Wegmann erklärt habe, sei plötzlich vorgeschlagen worden, zu Ministerialräten lediglich die Herren Fischer-Menshausen37 und Lehmann38 zu ernennen.39 Er habe daraufhin den Antrag gestellt, die beiden ältesten Kandidaten auf die Ministerialratsplanstellen zu setzen, den anderen eine Anwartschaft zu geben. Er sei aber mit seinem Vorschlag allein geblieben. Jedenfalls müsse sich heute das Kabinett schlüssig werden, welche Stellung eingenommen werden solle.40 36Vgl. Nr. 86 TOP VII, u.a. auch zu seiner Person.37Zu seiner Person s. Nr. 86 TOP VII.38Joachim Lehmann, Justitiar bzw. stellv. Generalsekretär des Länderrats des VWG (SPD).39Vgl. zur Besetzung der Sekretariatsstellen im Bundesrat die Vormerkung von Leusser für Pfeiffer und Rattenhuber, 1. 12. 1949; darin äußerte er sich unter anderem sehr kritisch zur Person von Lehmann, den man bayerischerseits als Zentralisten betrachtete (NL Pfeiffer 63). Es wurden zunächst sechs Stellen für Ausschußsekretäre bewilligt. In der 5. Sitzung des Ständigen Beirats, 3. 12. 1949 (vgl. Anm. 28) einigte man sich auf folgendes Personaltableau: Finanzausschuß MinRat Fischer-Menshausen, Rechtsausschuß MinRat Lehmann, ERP, zwischenstaatliche und gesamtdeutsche Angelegenheiten MinRat Wegmann, Wirtschaft, Verkehr und Post MinRat von der Heide, Agrar MinRat Dr. Baath, Arbeit und Sozialpolitik RR Bahs. Personell griff man dabei mehrheitlich auf diejenigen Herren zurück, die bereits als Referenten des Länderrats des VWG in Frankfurt tätig gewesen waren; vgl. HB pol. Inst. S. 196. S. ferner zur Besetzung der Bundesratsausschüsse mit Ausschußsekretären, so die Titel der Fachreferenten der Bundesratsausschüsse, Wengst, Staatsaufbau S. 224.40Vgl. Pfeiffers Ausführungen, 9. Sitzung des Bundesrates, 9. 12. 1949, S. 101 D – 102 A.

4Staatsminister Schlögl wendet sich gegen die Kandidatur des Herrn von John, da man mit ihm, als er noch bei Minister Schlange-Schöningen gewesen sei, keine guten Erfahrungen gemacht habe.

5Nach kurzer Aussprache wird beschlossen, sich mit den übrigen Bundesratsmitgliedern wenn möglich auf die Kandidatur Kistners zu einigen und auf alle Fälle zu versuchen, Regierungsdirektor Dr. Wegmann unterzubringen.41 41Wegmann wurde Sekretär des Ausschusses für zwischenstaatliche bzw. Auswärtige Angelegenheiten des Bundesrates, dessen Vorsitzender MPr. Ehard war. – Zum geschäftsleitenden Direktor des Bundesrates wurde am 19. 12. 1949 mit Hermann Katzenberger der von Ministerpräsident Arnold vorgeschlagene Kandidat gewählt, für den schließlich auch Bayern stimmte, vgl. Gelberg, Ehard S. 308; 10. Sitzung des Bundesrates, 19. 12. 1949, S. 138 A – D. – Dr. phil. et. jur. Hermann Katzenberger (1891–1958), Journalist und Politiker, 1920–1922 Generalsekretär der Zentrumspartei, 1922–1927 Leiter der Zentrumszeitung „Germania“, 1927 ORR Presseabt. preußisches Staatsministerium, 1929–1933 AA, 1945 Mitbegründer der CDU in Berlin, 20. 11. 1947 Chef der Landespressestelle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und Min-Dirig, 1949–1951 Direktor des Bundesrates, 1951–1956 Gesandter in Irland.

6Staatsminister Dr. Hundhammer teilt noch mit, auf der Kultusministerkonferenz42 habe man mit Ministerpräsident Arnold und Bundesminister Heinemann43 gesprochen und sich dahin geeinigt, daß doch ein eigener Ausschuß für Kulturpolitik beim Bundesrat gebildet werden solle 44 Die Notwendigkeit habe sich daraus ergeben, daß die Tendenzen des Bundestags auch bezüglich der Kulturpolitik sehr zentralistisch seien.45 42Niederschrift der Tagung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2./3. 12. 1949, in Düsseldorf (MK 65977); vgl. Müller, Gründung S. 98ff.43Zu seiner Person s. Nr. 83 TOP II. Bundesinnenminister Heinemann hatte als Gast an der Kultusministerkonferenz in Düsseldorf teilgenommen; vgl. Anm. 42.44Der Bundesrat beschloß die Einsetzung eines Ausschusses für Kulturfragen am 16. 2. 1950. Der Ausschuß konstituierte sich am 16. 3. 1950; vgl. Kurzprotokoll der ersten Sitzung des Kulturausschusses des Bundesrates, 16. 3. 1950 (BR-A 223). Am 17. 3. 1950 beschloß der Bundesrat auf Vorschlag des Ausschusses StMUK Hundhammer zum Vorsitzenden zu wählen, 13. Sitzung des Bundesrates, 16. 2. 1950, S. 218 Dff. und 16. Sitzung des Bundesrates, 17. 3. 1950, S. 254 C. Vgl. Müller, Gründung S. 101. Zum Fortgang s. Nr. 93 TOP VII und Nr. 101 TOP I.45Vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Kultusministerkonferenz und dem Ausschuß für Kulturpolitik des Bundestags Müller, Gründung.

9.) Anordnung über die Neuregelung der Mineralölpreise46 U46Vgl. Kabinettsprotokolle 1949 S. 187  .

1Ministerialrat Leusser führt aus, es bestehe an sich kein Zweifel, daß in dieser Frage der Bundesrat zustimmen müsse.47 47Zum Fortgang s. Nr. 90 TOP II.

10.) Gesetzgeberische Vorbereitungen des Bundesinnenministeriums zu Art. 131/48 13249 GG U48Art. 131 GG lautet: „Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienste standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, sind durch Bundesgesetz zu regeln. Entsprechendes gilt für Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten. Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes können vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher Regelung Rechtsansprüche nicht geltend gemacht werden.“ S. im Detail zur Vorbereitung eines Gesetzentwurfs auf Grund des Artikels 131 StK 11861.49Art. 132 GG lautet: „(1) Beamte und Richter, die im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Grundgesetzes auf Lebenszeit angestellt sind, können binnen sechs Monaten nach dem ersten Zusammentritt des Bundestages in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amt mit niedrigerem Diensteinkommen versetzt werden, wenn ihnen die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt fehlt. Auf Angestellte, die in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehen, findet diese Vorschrift entsprechende Anwendung. Bei Angestellten, deren Dienstverhältnis kündbar ist, können über die tarifmäßige Regelung hinausgehende Kündigungsfristen innerhalb der gleichen Frist aufgehoben werden. (2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Angehörige des öffentlichen Dienstes, die von den Vorschriften über die „Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ nicht betroffen oder die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus sind, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt. (3) Den Betroffenen steht der Rechtsweg gemäß Art. 19 Absatz 4 offen. (4) Das Nähere bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.“

1Ministerialrat Leusser weist darauf hin, daß der Koordinationsausschuß vorgeschlagen habe, Ministerialrat Kallenbach50 vom Staatsministerium der Finanzen wolle an der Sitzung teilnehmen.51 50Zu seiner Person s. Nr. 77 TOP VI.51Vgl. Kurzprotokoll der 8. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten, 5. 12. 1949 (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II).

2Ministerpräsident Dr. Ehard betont, daß es notwendig sei, bei der Organisation des Bundesministeriums des Innern sehr vorsichtig vorzugehen.

11.) Schaffung einer bundeseigenen Hochbauverwaltung52 U52Vgl. Nr. 44 TOP III.

1Staatsminister Dr. Ankermüller erklärt, hier handle es sich um eine sehr wichtige Angelegenheit und er werde selbst die Weiterentwicklung der Sache im Auge behalten.53 53Zum Fortgang s. Nr. 105.

12.) Entwurf eines Wohnungsgesetzes54 U54Vgl. Kabinettsprotokolle 1949 S. 212  ff.

1Staatsminister Dr. Ankermüller meint, dieser Entwurf gäbe zu großen Bedenken Anlaß. Die Frage werde nochmals in einer interministeriellen Besprechung geklärt und das Staatsministerium des Innern werde für entsprechende Vertretung in Bonn Sorge tragen.55 55Zum Fortgang s. Nr. 95 TOP I. – Erstes Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 (BGBl. S. 83  ).

13.) Kredite für zerstörte Gemeinden zum Zweck der Trümmerbeseitigung56 U56Vgl. Nr. 86 TOP VII; ferner auch Nr. 57 TOP II.

1Ministerialrat Leusser teilt mit, der Koordinationsausschuß habe eine Kreditgewährung des Bundes für untunlich erachtet.57 Die Angelegenheit würde vom Staatsministerium des Innern – Oberste Baubehörde – weiter verfolgt werden.57Vgl. Kurzprotokoll der 8. Koordinierungsbesprechung für Bundesangelegenheiten, 5. 12. 1949; dort hieß es: „Eine Kreditgewährung des Bundes wird für untunlich erachtet, da der Bund selbst keine Mittel hat und diese erst wieder von den Ländern beschaffen müßte“ (Bevollmächtigter Bayerns beim Bund 9/II).

14.) Flüchtlingsfragen U

1Staatssekretär Jaenicke vermutet, daß die Verordnung des Bundesflüchtlingsministeriums bezüglich der Aufnahme der Ostflüchtlinge auf die Tagesordnung des Bundesrats kommen werde.58 Dazu wolle er folgendes sagen:58Vgl. Nr. 85 TOP VI und Nr. 86 TOP VII.

21.) Im kommenden Flüchtlingsausgleich habe man vorgesehen, daß Bayern im Jahre 1950 75000 Flüchtlinge abgebe, was an sich wenig genug sei.59 Nun wäre es ein Unsinn, wenn Bayern dagegen aus der Ostzone Flüchtlinge aufnehmen müsse. Schleswig-Holstein habe bereits eine entsprechende Freistellung erhalten, Niedersachsen und Bayern sei dies noch nicht zugestanden worden, man müsse dies aber unter allen Umständen verlangen. Auf eigene Verantwortung hin habe er bei Bundesminister Lukaschek einen entsprechenden Antrag gestellt. Er beabsichtige, Staatsrat Rattenhuber eine schriftliche Darlegung des bayerischen Standpunktes zu geben mit der Bitte, sie den bayerischen Abgeordneten zuzuleiten, damit diese von sich aus auf einen derartigen Antrag hinwirkten. Zweifellos werde Bayern in seinen Bemühungen, bei der Zuweisung von Ostflüchtlingen freigestellt zu werden, die Unterstützung Niedersachsens finden.59Vgl. Nr. 84 TOP I Anm. 2.

3Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.60 60Zum Fortgang s. Nr. 90 TOP I.

4Staatssekretär Jaenicke fährt fort:

52.) Müsse er bekanntgeben, daß sich jetzt 220000 Ausländer in Bayern befinden, von denen von der IRO nur rund 100000 betreut werden; von den übrigen seien 8000 in Lagern untergebracht, während alle anderen in Wohnungen untergekommen seien. Bekanntlich seien durch einen Erlaß des Hohen Kommissars Mr. McCloy seit 15. Oktober 1949 alle geflüchteten Nationaltschechen an Bayern übergeben worden,61 darüber hinaus würden aber auch alle übrigen Ausländer in Zukunft uns zur Last fallen. Monatlich bekomme er nicht weniger wie 600 Ausländer von der IRO überwiesen, während andererseits ca. 1000 Tschechen jeden Monat nach Bayern flüchteten. Diese Tschechen würden von der IRO, die jetzt abwickle, nicht mehr aufgenommen, wenn auch ihre Tätigkeit an sich bis 1951 verlängert worden sei. Insgesamt müsse er damit rechnen, daß jeden Monat 3000 Neuzugänge kämen, so daß am Ende des Jahres von der Entlastung von 75000 Personen nicht mehr viel übrig bleibe.61Vgl. Nr. 86 TOP VII. Bis dahin waren die Tschechen zunächst der IRO-Betreuung zugeteilt und erst nach eingehender Prüfung in deutsche Obhut übergeben worden, vgl. SZ 27. 10. 1949.

6Die Ostflüchtlinge würden in Uelzen und Gießen überprüft und nach ihrer Anerkennung auf die einzelnen deutschen Länder verteilt. Es wäre wirklich ein Unsinn, wenn Bayern auch solche Flüchtlinge aufnehmen müsse, nachdem es andererseits zu den Ländern gehöre, die Flüchtlinge abgeben könnten. Er sei übrigens überzeugt, daß ein großer Teil dieser Leute nicht aus politischen Gründen käme, sondern weil einfach die Verhältnisse in Westdeutschland günstiger seien. Man schätze die Zahl der aus der Ostzone Geflüchteten auf ca. 1 Million.62 62Vgl. zur Problematik, die Zahl der Zuwanderer aus der SBZ präzise zu beziffern, detailliert Heidemeyer, Flucht S. 37–43. Nach der Volkszählung von 1950 befanden sich am 13. 9. 1950 1,56 Millionen Deutsche in der Bundesrepublik, die am 1. 9. 1939 ihren Wohnsitz im Gebiet der späteren DDR gehabt hatten.

7Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse habe er sich genötigt gesehen, einen zweiten Antrag zu stellen, die geflüchteten Nationaltschechen in solchen Ländern unterzubringen, die keine sudetendeutschen Flüchtlinge aufgenommen hätten.63 In Nürnberg, wo ja bekanntlich diese Tschechen untergebracht worden seien, seien jetzt schon unerfreuliche Verhältnisse.64 Auch eine Unterbringung in Wildflecken, an die er schon gedacht habe, sei nicht möglich.63Nach der kommunistischen Machtergreifung in der Tschechoslowakei im Februar 1948 verließen in den folgenden Monaten mehrere Tausend tschechische und slowakische Flüchtlinge, sog. „Nationaltschechen“, ihr Land und kamen in die US-Zone. Die Mehrzahl von ihnen blieb in Bayern (bis Ende April 1948 ca. 3500, zum 1. 8. 1948 5600). Zu ihrer Aufnahme sowie den teilweise massiven Spannungen zwischen ihnen und den sudetendeutschen Flüchtlingen vgl. Hoffmann S. 66–97.64Vgl. Nr. 86 TOP VII Anm. 77.

83.) Schließlich habe er noch einen dritten Antrag an den Bundesminister Lukaschek gestellt, nämlich, daß dieser eine Besprechung der Chefs der deutschen Flüchtlingsverwaltungen bei Mr. McCloy vermittle. Er glaube, es sei höchst zweckmäßig, wenn er und seine Kollegen Gelegenheit hätten, unmittelbar dem Hohen Kommissar die ganze Schwere des Problems vorzutragen.

9Was die Tschechen betreffe, so wolle er noch darauf hinweisen, daß diese ihre Kennkarte wie jeder Deutsche bekämen und sich dann natürlich überall hinbegeben könnten. Er habe deshalb veranlaßt, daß auf der Kennkarte der Tschechen ein entsprechender Stempel angebracht werde. Da möglicherweise diese ganze Frage auf der Bundesratssitzung zur Sprache kommen könnte, habe er es für richtig gehalten, das Kabinett zu informieren.

10Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es scheine auch ihm besonders wichtig zu sein, daß Herr Staatssekretär Jaenicke einmal unmittelbar mit Mr. McCloy sprechen könne.

11Staatsminister Dr. Ankermüller rät davon ab, an Wildflecken zu denken, weil dort keinerlei größere Stadt in der Nähe sei und die Sicherheit des Landkreises gefährdet werden könne. Es wäre natürlich weitaus das beste, wenn es tatsächlich gelänge, die Tschechen aus Bayern zu entfernen.

15.) Staatsminister Dr. Pfeiffer ersucht Staatsminister Dr. Müller, unter allen Umständen einen Vertreter des Justizministeriums nach Bonn zu schikken.65 U65Vgl. Nr. 86 TOP VII Anm 49.

1Was das Jugendschutzgesetz betreffe, so habe der Abgeordnete Strauß zunächst die Zuständigkeit des Bundes begründet, wogegen sich die Bayernpartei ausgesprochen habe.66 Diese erkläre jetzt natürlich mit einem gewissen Recht, die CSU habe die Zuständigkeit des Bundes für eine Sache verlangt, die zweifellos den Ländern zustehe. Jedenfalls müsse die Rechtslage untersucht werden, bei der eines sicher sei, daß die öffentliche Fürsorge, auch so weit es sich um Jugendwohlfahrt handle, zur Gesetzgebung des Bundes gehöre, allerdings nur die Gesetzgebung, nicht auch die Ausführung und Durchführung. Seiner Ansicht nach solle als erstes der bayerische Standpunkt genau festgelegt werden, dann sei man in der Lage, zu der Sache selbst vernünftig Stellung zu nehmen.66Vgl. Nr. 87 TOP I.

2Staatsminister Dr. Ankermüller erwidert, dies sei schon geschehen, er habe ja auch im letzten Ministerrat darauf hingewiesen, daß ein bayerisches Gesetz zum Schutz der Jugend vor Schund und Schmutz vorbereitet sei.67 67Vgl. Nr. 98 TOP I sowie die Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schmutz und Schund in Nr. 102 TOP VII. S. ferner zum Entwurf eines Gesetzes über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften MInn 90324.

3Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, vor allem die rechtliche Frage der Angelegenheit nochmals gründlich zu untersuchen.

4Staatsminister Dr. Ankermüller verliest daraufhin ein Rechtsgutachten des B. Staatsministeriums des Innern.68 68Vgl. die Vormerkung des Generalreferenten für die Gesetzgebung im StMI, Staatsrat Kollmann, 28. 11. 1949, betr. Entwurf eines Bundesgesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Initiativantrag der Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen – BT-Drs. Nr. 180  ): „Der Entwurf übernimmt weitgehend das Recht der auf Grund der Verordnung über die Polizeiverordnungen der Reichsminister vom 14. November 1938 (RGBl. I S. 1582  ) ergangenen Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend vom 10. Juni 1943 (RGBl. I S. 349  ). Es entfernt aus der Verordnung die spezifisch nationalsozialistischen oder auf damalige Institutionen (z.B. Wehrmacht) bezüglichen Rechtsvorschriften und erweitert die Verordnung im übrigen in verschiedener Hinsicht. I. Der Gesetzentwurf dient nach seinem Zweck, dem Schutze der Jugend, der auf dem Gebiet der Kulturpolitik im weiteren Sinne liegt, der Abwehr von Gefahren, die der Jugend drohen, und ist damit in das Gebiet des Polizeirechts einschlägig. Gegen die Zuständigkeit des Bundes, dieses Gesetz zu erlassen, bestehen erhebliche verfassungsmäßige Bedenken: 1. Das Gesetz erstreckt sich seinem hauptsächlichen Rechtsgehalt nach auf kein Sachgebiet der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 des BGG [Grundgesetz]. In Frage käme überhaupt nur Art. 74 Nr. 7 desselben – öffentliche Fürsorge -. Die ‘öffentliche Fürsorge’ ist aber ein ganz bestimmter, eindeutig abgegrenzter Rechtsbegriff, nämlich der der wirtschaftlich-sozialen Hilfeleistung aus öffentlichen Mitteln für Hilfsbedürftige, im wesentlichen im Sinne des vormaligen Unterstützungswohnsitzgesetzes und der nunmehrigen Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 (RGBl. I S. 100  ) mit ihren zahlreichen Änderungen; insoweit umfaßt sie auch die Jugend. Damit hebt sich die öffentliche Fürsorge im Sinne des Art. 74 Nr. 7 des BGG klar und deutlich von den sonstigen Arten der Fürsorge, etwa der öffentlichen Wirtschaftsfürsorge, der öffentlichen Gesundheitsfürsorge und auch der öffentlichen Jugendfürsorge ab. Das Bundesgrundgesetz weicht hinsichtlich der Zuständigkeit zur Gesetzgebung über die Jugendfürsorge in unmißverständlicher Neuregelung von der Weimarer Verfassung ab (vgl. Art. 7 Nr. 7, auch Art. 122, sowie Art. 7 Nr. 5 und Art. 9 Nr. 1). Wenn in dem Gesetzentwurf auch vereinzelt gewerberechtliche Bestimmungen mitenthalten sind, so sind sie dies nicht unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftsrechts (Art. 74 Nr. 11 des BGG), sondern ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes, eines Bestandteils einerseits des Erziehungsrechts andererseits des Rechts der Gefahrenabwehr, deren beider Regelung (das Erziehungsrecht mit Ausnahme des Art. 6 Abs. 3 und 4 des BGG) den Ländern vorbehalten sind. Daß ein Gesetz mit einzelnen Bestimmungen – oft nur scheinbar – in andere Rechtsgebiete übergreift, die zur konkurrierenden Gesetzgebung zählen, kann und darf nicht dazu führen, die Zuständigkeitsgrenzen für die Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern zu verschieben. 2. Selbst wenn man aber Art. 74 Nr. 7 des BGG für einschlägig hielte, so wäre eine Berufung auf Art. 72 Abs. 2 des BGG gleichwohl ausgeschlossen: Es trifft hier keiner der drei Fälle dieser Bestimmung zu, Nr. 1 und 2 von vorneherein nicht, aber auch nicht Nr. 3, da man nicht ernstlich behaupten kann, daß die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus eine einheitliche Regelung des Jugendschutzes für das Bundesgebiet erfordert. Schließlich handelt es sich hier um die grundsätzliche Aufrechterhaltung einer der Himmler’schen Verordnungen, zentraler Regelungen, die nur aus Himmlers nackt zentralistischer Staatsauffassung und Verwaltungsführung zu verstehen sind. II. Im einzelnen sind noch folgende Bemerkungen zum Entwurf veranlaßt: § 6 des Entwurfes ist durch Art. 5 Abs. 2 des BGG gedeckt. § 9 greift schon in die Regelung von Zuständigkeit und Verfahren ein, die nach Art. 84 Abs. 1 des BGG den Ländern ohne Zustimmung des Bundesrats nicht entzogen werden kann. Gleiches gilt noch mehr für § 11 Abs. 2. § 14 gibt den ‘Länderministerien’ die Ermächtigung, Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Im Hinblick auf Art. 83 und 84 Abs. 1 und 2 des BGG kann es sich dabei nur um Rechtsverordnungen handeln, da die Landesregierungen ohnehin die erforderliche Verwaltungsregelung treffen können. Für Rechtsverordnungen aber ist Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des BGG nicht beachtet, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Außerdem müßte die Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des BGG nicht den Länderministerien – sprachlich müßte es übrigens heißen: Landesministerien – erteilt werden, sondern den Landesregierungen, ganz abgesehen davon, daß in den Ländern Bremen und Hamburg keine Landesministerien bestehen“ (StK-GuV 12767, MInn 90382 und 92077).

5Ministerpräsident Dr. Ehard meint, nach der rechtlichen Seite hin müsse man die Sache doch noch einmal überlegen. Im Grunde sei bisher noch nichts geschehen, denn die Länder hätten sich nicht entschließen können, ein Jugendschutzgesetz zu erlassen.

6Staatsminister Dr. Ankermüller führt aus, ein entsprechender Entwurf sei bereits vor einem Jahr im Ministerrat vorgelegt worden,69 damals habe aber die Besatzungsmacht eine Genehmigung nicht erteilt. Es sei aber möglich, heute jederzeit ein solches Gesetz abzuschließen. Er könne nicht verstehen, daß ausgerechnet von einem Abgeordneten der CSU ein solches Gesetz eingebracht worden sei.69Hier irrt Ankermüller. Ein bayer. Gesetzentwurf zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit war 1948 auf Referentenebene und auf der Ebene des Länderrats der US-Zone beraten worden, jedoch nicht im Ministerrat; vgl. MInn 92077, ebd. auch der hekt. Entwurf.

7Ministerpräsident Dr. Ehard rät, die Sache doch auch noch einmal unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob eine Regelung durch die Länder allein zweckmäßiger wäre, als eine einheitliche Gesetzgebung durch den Bund.70 70Ehards Ausführungen basieren auf der undatierten Vormerkung von Henle, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als das StMI gelangte. Darin hieß es u.a.: „2. Das Gesetz bringt seinem Inhalt nach Polizeirecht. Unter Polizeirecht wird man Vorschriften verstehen dürfen, die der Polizei das Recht geben, gegen gewisse gefahrbringende Mißstände einzuschreiten. Sie erfüllen damit eine Ordnungsfunktion und helfen Gefahren abwehren. Im vorliegenden Falle kommt diese Gefahrenabwehr der Jugend zugute. Das Stichwort ‘negative Fürsorge’ trifft das Wesen des Gesetzes wohl am besten, denn auch negative Fürsorge ist immerhin Fürsorge. Die Zuständigkeit des Bundes läßt sich also – bei etwas großzügiger Auslegung des Grundgesetzes – begründen. Eine Präzedenzwirkung dürfte dann nicht zu befürchten sein, wenn die Verhältnisse eine bundeseinheitliche Regelung gebieterisch erfordern. Es wird also darauf ankommen, den Entwurf daraufhin zu überprüfen, ob alle seine Bestimmungen notwendig sind. Diese Prüfung wird auch zu einer Verbesserung des Entwurfs beitragen. Gerade wenn man die Entwicklung des Entwurfs und seiner zahlreichen Vorentwürfe überblickt, wird man feststellen müssen, daß das wirklich Gute sehr oft das Destillat von zuviel Gutem ist. Es wird deshalb zu erwägen sein, ob das Gesetz – gerade wenn es ein Rahmengesetz sein soll – nicht noch knapper gehalten werden kann. Eine eingehende Prüfung wird von Seiten des Innenministeriums vorzunehmen sein. Eine kurze Durchsicht ergibt, daß § 3 des Entwurfs im Hinblick auf die Bestimmungen des Gaststättengesetzes (§ 16), die teilweise enger sind, entbehrlich erscheint. § 6 des Entwurfs (Besuch von Filmveranstaltungen) dürfte auch verzichtbar sein bzw. seinen Platz besser in einem Filmgesetz finden. §§ 9 und 11 Abs. 2 können wegen Art. 84 Abs. 1 letzter Halbsatz des Grundgesetzes nur mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden. Gegen § 14 sprechen Bedenken. Wenn das Gesetz ein Rahmengesetz sein soll, wird es nicht durch Ausführungsverordnungen der Landesministerien, sondern nur durch Ergänzungsgesetze der Länder ausgefüllt werden können. Eine nicht genau abgezirkelte Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen ist nach Art. 80 GG unzulässig.“ […] „Das Staatsministerium des Innern kommt in der den Akten einliegenden Vormerkung zu dem – von der hier vertretenen Auffassung abweichenden – Gutachten, daß der Entwurf mangels einer Bundeszuständigkeit über die Länder völlig unerträglich sei. Ergänzend darf noch bemerkt werden, daß der Erlaß eines entsprechenden Gesetzes in Bayern am Widerspruch der Militärregierung scheiterte. Der Widerspruch war – nicht ganz zu Unrecht – damit begründet, daß das Gesetz an der Jugend Nöte und Zustände bestrafe, an denen die Eltern-Generation schuld sei. Gegen den nunmehr vorliegenden bereinigten Entwurf dürfte dieser Vorwurf nicht mehr berechtigt sein“ (StK-GuV 12767).

8Staatsminister Dr. Ankermüller antwortet, man habe in Bayern eine andere Auffassung, als z. B. in der britischen Zone. Er müsse sich dagegen wehren, daß diese Materie auf die Bundesebene komme. Jedenfalls sei es richtig, daß der Abgeordnete Strauß mit niemand gesprochen habe, auch nicht mit Staatsminister Dr. Hundhammer und seinem Mitarbeiter im Innenministerium, Oberregierungsrat Dr. Lades.71 71Dr. jur Heinrich Lades (1914–1990), Jurist, Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, 1945–1948 Referent im StMUK, 1948–1950 Abteilungsleiter im Bayer. Landesjugendamt, 1950–1957 Referent im BMI, 1957–1959 Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen, verantwortlich für den Bundesjugendplan, zuletzt MinRat, 1959–1972 OB von Erlangen, 1966–1972 Vors. des CSU-Bezirksverbandes Mittelfranken und des Landesvorstands der CSU; vgl. Erlanger Stadtlexikon. Nürnberg 2002, S. 448.

9Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt noch vor, die Frage sorgfältig zu besprechen,72 auch mit anderen Abgeordneten der CDU.73 Die ganze Sache zeige wieder einmal, wie notwendig es sei, eine enge und gut funktionierende Verbindung zwischen der Bayerischen Vertretung in Bonn bzw. den Ministerien in München und der Fraktion herzustellen.74 72Am selben Tag, 6. 12. 1949, fand eine Besprechung zwischen Ankermüller und dem Abgeordneten Strauß statt, zu der der Generalreferent für Gesetzgebungsangelegenheiten im StMI, Staatsrat Kollmann, hinzugezogen wurde. Auf Wunsch von Strauß leitete Kollmann diesem anschließend den Entwurf eines Jugendschutzgesetzes in einer Fassung zu, wie sie, so Kollmann „wenn der Bund seine Zuständigkeit zur Erlassung dieses Gesetzes in Anspruch nehmen sollte, immerhin im übrigen mit dem Bundesgrundgesetz meiner Meinung nach vereinbar wäre“; vgl. Kollmann an Strauß, 12. 12. 1949, in der Anlage der Entwurf mit Begründung (MInn 92077).73Vgl. eine wesentlich differenziertere Bewertung der Gesetzgebungsmaterie, auch der Alternative Landes- oder Bundesgesetz, in: Ankermüller an Ehard, 5. 1. 1950 betr. Entwurf eines Bundesgesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit mit Anlagen (ML 10776). Zum Fortgang s. Ministerratssitzungen 24. 7. und 24. 10. 1951; im Detail s. StK-GuV 12767, MInn 90382 und 92077.74Vgl. Nr. 87 TOP I.