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Nr. 179MinisterratssitzungDienstag, 27. Oktober 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Weinkamm, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium).

I. Bundesratsangelegenheiten

a) Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrats vom 30.Oktober 1953

1. Wahl des Ersten Vizepräsidenten des Bundesrates

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, der bisherige Präsident des Bundesrats Dr. Reinhold Maier und der bisherige Vizepräsident Oberbürgermeister Reuter seien weggefallen, so daß Neuwahlen vorgenommen werden müßten. Es sei wohl anzunehmen, daß bald entsprechende Vorschläge des Präsidiums des Bundesrats vorgelegt würden, vorläufig brauche man sich wohl nicht mit dieser Frage zu befassen.1

2. Entwurf einer Verordnung Z Nr. 1/53 über Preise für Zucker2

und

3. Entwurf einer Verordnung Z Nr. 2/53 über die Durchführung eines Frachtausgleichs für Zucker3

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, hinsichtlich dieser beiden Punkte bestünden insofern verfassungsrechtliche Bedenken, als nach diesen Entwürfen der Einfuhrstelle für Zucker die Durchführung des Frachtausgleiches im Wege der Rechtsverordnung übertragen werden solle, obwohl unter den nach dem Zuckergesetz4 den Einfuhrstellen zugewiesenen Aufgaben die Durchführung des Frachtausgleiches nicht erwähnt sei.5 Diesem Standpunkt, den er im Rechtsausschuß mit den Vertretern Baden-Württembergs und Hamburgs dargelegt habe, sei allerdings der Rechtsausschuß nicht beigetreten.6 Es frage sich nun, ob die bayerischen Vertreter im Bundesrat sich der Stimme enthalten und eine entsprechende Erklärung abgeben sollten.

Staatssekretär Maag empfiehlt, trotz dieser Bedenken den Entwürfen zuzustimmen, nachdem sich jedenfalls am Zuckerpreis nichts ändern werde.

Nachdem auch Staatssekretär Dr. Ringelmann vorschlägt, die Bedenken zurückzustellen, wird beschlossen, die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu erheben.

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der Koordinierungsausschuß empfehle außerdem, hinsichtlich der Verordnung Z Nr. 1/53 sämtliche Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse, mit Ausnahme derjenigen unter Ziff. 3, zu unterstützen, die vom Wirtschaftsausschuß ausgearbeitet worden sei, vom Vertreter des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aber abgelehnt werde.7

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß es sich bei dem Zuckerpreis um einen Festpreis handle, so daß der Verbraucher keineswegs geschädigt werden könne. Er halte es deshalb für richtig, auch die Empfehlungen unter Ziff. 3 zu unterstützen, zumal damit jede Gefahr etwaiger Preissteigerungen ausgeschlossen werde.

Der Ministerrat beschließt, sämtliche Empfehlungen, auch diejenige unter Ziff. 3, zu unterstützen, ferner auch der Verordnung Z Nr. 2/53 nach Maßgabe der in der BR-Drucks. Nr. 448/1/53  zusammengefaßten Abänderungsvorschläge zuzustimmen.8

4. Entwurf einer Verordnung über Artenverzeichnis

und

6. Entwurf einer Verordnung über das Verfahren der Sortenausschüsse (Verfahrensordnung)10

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, darauf verzichten zu können, daß ein Abänderungsantrag gestellt werde.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, dem Verordnungsentwurf nach Maßgabe der in der BR-Drucks. Nr. 453/1/53  enthaltenen Abänderungsvorschläge des Agrar- und Rechtsausschusses zuzustimmen.11

8. Entwurf einer Verordnung über die Prüfung und Überwachung von Sorten (Prüfungs- und Überwachungsordnung)14

Zustimmung nach Maßgabe des in der BR-Drucks. Nr. 455/1/53  enthaltenen Abänderungsvorschlags des Rechts- und Agrarausschusses.15

9. Entwurf einer Verordnung über die Zulassung von Handels- und Importsaatgut (Allgemeine Zulassungsverordnung)16

Zustimmung nach Maßgabe der in Ziff. II der BR-Drucks. Nr. 456/1/53  enthaltenen Abänderungsvorschläge des Agrarausschusses.17

10. Entwurf einer Verordnung über die Verpackung, Kennzeichnung und Plombierung von Saatgut (Kennzeichnungsverordnung)18

Zustimmung nach Maßgabe der in der BR-Drucks. Nr. 457/1/53  enthaltenen Abänderungsvorschläge des Agrar- und Rechtsausschusses.19

13. Entwurf einer Verordnung über die Hopfenanbaufläche im Anbaujahr 195423

Zustimmung.

14. Entwurf einer Verordnung zum Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften24

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, dieser Punkt werde von der Tagesordnung abgesetzt werden.25

17. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht29

Es wird beschlossen, von einer Äußerung und einem Beitritt zu dem beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren abzusehen.

und

21. Entwurf einer Verwaltungsanordnung Nr. 5 zum Wertpapierbereinigungsgesetz33

Zustimmung.

22. Entwurf einer Fünften Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz (5. LeistungsDV-LA)34

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, die in der BR.-Drucks. Nr. 437/1/53  unter Ziff. II enthaltenen Empfehlungen des Finanzausschusses und des Ausschusses für Flüchtlingsfragen seien widersprechend. Im Koordinierungsausschuß habe sich der Vertreter des Finanzministeriums35 gegen den Vorschlag des Flüchtlingsausschusses hinsichtlich § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Entwurfs gewandt und empfohlen, bei der Regierungsvorlage zu verbleiben.36 Weiter habe sich der Vertreter des Finanzministeriums dafür ausgesprochen, den Abänderungsvorschlag des Finanzausschusses unter Ziff. II, 2b der BR-Drucks. Nr. 437/1/53  zu unterstützen, dagegen nicht denjenigen unter Ziff. ll, 2a des Flüchtlingsausschusses. Der Vorschlag des Finanzausschusses bringe gegenüber § 288 Abs. 1 des Lastenausgleichs eine Verwaltungsvereinfachung. Ursprünglich seien rechtliche Bedenken dahin geäußert worden, daß es für eine Bestimmung im Sinne des § 3 Abs. 2 des Entwurfs oder im Sinne des erwähnten Vorschlags des Finanzausschusses an einer Ermächtigungsgrundlage fehle. Diese Bedenken könnten aber dadurch überwunden werden, daß man § 3 Abs. 2 bzw. die Empfehlung als allgemeine Verwaltungsvorschriften im Sinne des Art. 84 Abs.  GG auffasse, zu deren Erlaß die Bundesregierung befugt sei.

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf nach Maßgabe der Empfehlungen des Finanzausschusses zuzustimmen.37

und

27. Bestellung eines Erbbaurechts an einem reichseigenen Teilgrundstück des früheren Munitionsdepots in Kiel-Dietrichsdorf42

Zustimmung.

28. Entwurf einer Verordnung über die Gebührenerhöhung bei der Untersuchung von Dampfkesseln43

Zustimmung nach Maßgabe des in der BR-Drucks. Nr. 435/1/53  enthaltenen Vorschlags des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik.44

29. Entwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung der Eichordnung45

Zustimmung.

30. Benennung eines Nachfolgers für Min. Rat Dr. Oesterle (Baden-Württemberg) als Stellvertreter im Ausschuß für Kapitalverkehr46

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, der Wirtschaftsausschuß empfehle, als Stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Kapitalverkehr gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes über den Kapitalverkehr47 Regierungsdirektor Consbruch zu bestellen.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.

31. Vorschlag für die Benennung von fünf Vertretern und fünf Stellvertretern für den Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, dieser Punkt werde von der Tagesordnung abgesetzt werden, da die Beratung im Ausschuß für Verkehr und Post noch nicht abgeschlossen sei.

Staatsminister Dr. Seidel stellt fest, daß Bayern jedenfalls darauf bestehen müsse, einen Vertreter für den Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost benennen zu können. Es reiche nicht aus, wenn Bayern lediglich durch einen Stellvertreter im Verwaltungsrat vertreten sei.48

a) Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 195249

b) Wirtschaftsplan und Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 195350

Der Ministerrat nimmt von dem vorliegenden Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1952 und dem Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 1953 Kenntnis.

Anschließend gibt Staatsminister Dr. Seidel einen eingehenden Überblick über die derzeitige wirtschaftliche und finanzielle Lage der Bundesbahn. Unter anderem weist er darauf hin, daß die Aufträge der Bundesbahn an die Industrie in den nächsten Jahren sehr erheblich zurückgehen würden.

b) Weitere Bundesratsangelegenheiten

1. Zweites Gesetz zur Änderung des Landeszentralbankgesetzes51

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet, dieses Gesetz habe die Abführung des Reingewinns der Landeszentralbanken zum Gegenstand und habe nach Auffassung des Bundesrats dessen Zustimmung bedurft.52 Aus sachlichen Bedenken heraus habe der Bundesrat seine Zustimmung jedoch nicht erteilt.53 Trotzdem sei das Gesetz vom Bundespräsidium mit der Feststellung verkündet worden, daß die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrats gewahrt seien.54 Es erhebe sich nun die Frage, ob man sich an das Bundesverfassungsgericht entweder im Wege des sogenannten Organstreites (Bundesrat gegen Bundespräsident) oder im Wege der Normenkontrollklage wenden solle. Bedenken bestünden insoweit, als im Falle einer ungünstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Position des Bundesrats bei den Verhandlungen um das Bundesnotenbankgesetz55 nachteilig beeinflußt werden könne.

Der Ministerrat beschließt, die Angelegenheit nach Möglichkeit hinauszuschieben und vorläufig keine Entscheidung darüber zu treffen, ob ein Schritt beim Bundesverfassungsgericht unternommen werden soll.

2. Errichtung einer Bundesfinanzverwaltung56

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt den Entwurf eines Schreibens an den Bundesminister der Finanzen bekannt, in dem der Standpunkt der Bayerischen Staatsregierung zu den Plänen auf Errichtung einer Bundesfinanzverwaltung dargelegt werde. Unter anderem beabsichtige er mitzuteilen, daß die Bayerische Staatsregierung an ihrer bisherigen Auffassung festhalte und eine Bundesfinanzverwaltung in jeder Form, insbesondere auch in der Gestalt der fakultativen Bundesfinanzverwaltung, ablehne. Nach ihrer Auffassung wird sonst der föderative Aufbau des Grundgesetzes in seinem Wesen getroffen. Eine Bundesfinanzverwaltung scheine auch nicht mit Art. 79 Abs.  GG57 vereinbar, wonach eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder berührt werde, unzulässig sei.

Der Ministerrat erklärt sich mit diesem Schreiben einverstanden.

Staatsminister Dr. Seidel wirft die Frage auf, ob der Brief nicht veröffentlicht werden solle.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten wird vereinbart, den Inhalt des Schreibens im Pressecommunique bekanntzumachen und dabei darauf hinzuweisen, daß er auf einen Beschluß der Staatsregierung zurückgehe.

Staatsminister Dr. Seidel regt dann an, eine Denkschrift auszuarbeiten, aus der hervorgehe, daß die Angaben über eine angebliche Einsparung von einer Milliarde bei Errichtung einer Bundesfinanzverwaltung unrichtig seien. Man könnte diese Denkschrift vielleicht unter dem Titel „Ist der Einheitsstaat billiger?“ herausgeben.

Staatssekretär Dr. Ringelmann erklärt, es seien schon eine Reihe von Berechnungen aufgestellt worden, aus denen z.B. hervorgehe, daß die Kosten der Finanzverwaltungen der Länder lediglich 3,5% betrügen. Er unterstütze den Vorschlag des Herrn Staatsministers Dr. Seidel, das Finanzministerium werde diese Denkschrift ausarbeiten.

Bundesfinanzverwaltung, Errichtung ders.

II. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundesevakuiertengesetzes (AGBEvG)58

Ministerpräsident Dr. Ehard macht darauf aufmerksam, daß das Staatsministerium der Finanzen in einer neuen Note vom 26. Oktober 1953 den schon bisher von ihm eingenommenen Standpunkt beibehalten habe, daß der Staat nicht verpflichtet sei, den Gemeinden besondere Mittel zur Verfügung zu stellen.59

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, unter diesen Umständen müsse die Behandlung des Gesetzentwurfs zurückgestellt werden.

Der Ministerrat beschließt, die Angelegenheit vorläufig zu vertagen.60

III. Entwurf einer Verordnung zum Vollzuge des Ersten Gesetzes zur Vereinfachung der staatlichen Bauverwaltung61

Ministerpräsident Dr. Ehard erkundigt sich, ob diese Verordnung nicht doch heute schon verabschiedet werden könne.

Staatsminister Zietsch führt aus, an sich habe das Staatsministerium der Finanzen gewünscht, daß in § 3 als viertes Amt noch Kempten aufgenommen werde. Es sei aber damit einverstanden, wenn § 3 Abs. 1 folgende Fassung erhalte:

„Zunächst werden in den Amtsbezirken Kronach, Passau und Pfarrkichen die Aufgaben der bisherigen Straßen- und Flußbauämter und der Wasserwirtschaftsämter in je einem staatlichen Tiefbauamt zusammengefaßt.“

Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Fassung einverstanden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß die Begründung zu § 4 geändert werden müsse und zwar solle der letzte Satz wie folgt formuliert werden:

„Die Fortführung dieser Praxis soll aus diesem Anlaß durch eine auf Art. 77 Abs. 1 Satz 2 Bayer. Verfassung beruhende Ermächtigung gestützt werden.“62

Außerdem müsse in § 5 für das Inkrafttreten ein bestimmter Tag eingesetzt werden. Er schlage den 1. April 1954 vor, so daß § 5 wie folgt zu lauten habe:

„Diese Verordnung tritt am 1. April 1954 in Kraft.“

Der Ministerrat erklärt sich mit diesen Abänderungen einverstanden.

Ministerialrat Dr. Gerner gibt noch zu bedenken, ob nicht im Einleitungssatz Art. 55 Nr. 2 Bayer. Verfassung63 als Ermächtigungsgrundlage besser entfallen solle. Es sei wohl richtiger, sich nur auf die besonderen Ermächtigungen durch Art. 77 Abs. 1 Satz 2 Bayer. Verfassung und Art. 4 Abs. 1 des Ersten Gesetzes zur Vereinfachung der staatlichen Bauverwaltung vom 27. Juli 195364 zu beschränken.65

Der Ministerrat beschließt, im Einleitungssatz „55 Nr. 2“ zu streichen. Im übrigen wird dem Entwurf der Verordnung zugestimmt.66

IV. Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Gewerbesteuergesetzes und des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß gegen den Entwurf in der vorliegenden Fassung keine Bedenken erhoben worden seien. Die Staatskanzlei rege lediglich an, um Zitierschwierigkeiten zu vermeiden, die Verordnung, in Artikel anstatt in Paragraphen einzuteilen.

Der Ministerrat beschließt, dem Verordnungsentwurf mit dieser Maßgabe zuzustimmen.67

V. Einstellung der staatlichen Schiffahrt auf dem Starnberger See und Ammersee68

Staatsminister Dr. Seidel erklärt, die Einstellung der Schiffahrt sei erfolgt, betroffen seien lediglich ungefähr 60 Personen an beiden Seen. Dabei sei ausreichend Vorsorge dafür getroffen worden, daß diese Leute mit Omnibussen fahren könnten. Wenn nun der Ausschuß für Wirtschaft und Verkehr des Landtags beschlossen habe, daß die Einstellung rückgängig gemacht werde, so handle es sich hier um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Exekutive.69 Er bitte dafür Sorge zu tragen, daß der Beschluß des Ausschusses im Plenum des Landtags keine Mehrheit finde. Die Verhältnisse seien völlig anders, als sie zum Teil im Landtag dargestellt worden seien. Man könne nicht daran vorbeigehen, daß die Argumente des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr stichhaltig seien.70

Staatssekretär Dr. Guthsmuths fügt hinzu, an einem der letzten Sonntage seien auf einem Dampfer auf dem Starnberger See trotz schönen Wetters von 680 Plätzen nur 62 besetzt gewesen.

Auf Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten und Herrn Staatsministers Dr. Hoegner wird vereinbart, die Frage der Einstellung des Schiffahrtsverkehrs auf den beiden Seen in der nächsten Koalitionssitzung zu erörtern, damit eine einheitliche Haltung der Koalitionsparteien im Landtag erreicht werde.71

VI. Gesetz gegen verunstaltende Außenwerbung72

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß der Landtag in seiner Sitzung beschlossen habe, die Behandlung dieses Gesetzentwurfes zurückzustellen.73 Er frage den Herrn Staatsminister des Innern, ob dieser beabsichtige, den Entwurf nochmals evtl. in veränderter Form vorzulegen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, er habe soeben allen Mitgliedern des Kabinetts eine ausführliche Zusammenstellung der Gründe, die das Gesetz in der ursprünglichen Form erforderlich machten, zugehen lassen.74 Dazu habe er noch Auszüge aus den Reden der Befürworter des Regierungsentwurfs im Landtag beifügen lassen. Er bitte die Herren Minister und Staatssekretäre, diese Zusammenstellung durchzusehen, damit die Angelegenheit dann in einer der nächsten Sitzungen des Ministerrats behandelt werden könne.75

Gesetz über verunstaltende Außenwerbung vom 2. März 1954

VII. Bau von Siedlungshäusern ohne Genehmigung

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner teilt mit, in der Nähe von Dachau bestehe eine wilde Siedlung, so daß sich der dortige Landrat gezwungen gesehen habe, ein Strafverfahren einzuleiten. Das Amtsgericht Dachau habe den betreffenden Siedler bestraft und die Beseitigung des Hauses ausgesprochen.

In der Berufungsinstanz habe daraufhin das Landgericht München II den Siedler wegen Vorliegen eines Notstands gemäß § 54 StGB. freigesprochen.

Dieses Urteil werde die Folge haben, daß noch mehr wie bisher jeder wo er nur wolle bauen und sich dabei auf seinen Notstand berufen könne. Auf eine Mitteilung des Herrn Landrats Junker von Dachau über den Sachverhalt habe er den Generalstaatsanwalt ersucht, vorsorglich Revision einzulegen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths erklärt, es sei sicher richtig und notwendig, wildes Bauen zu verhindern. Was allerdings die Siedlung in Dachau betreffe, so habe er diese schon im Frühjahr besichtigt und dabei festgestellt, daß die meisten dort errichteten Häuser in Ordnung seien. Schwierigkeiten gebe es in der Tat bei dem von Herrn Staatsminister Dr. Hoegner erwähnten Siedler namens Neuhäusler, der übrigens recht gut gebaut, allerdings nicht alle Bestimmungen über Fenstergröße usw. eingehalten habe. Neuhäusler sei ein sehr tüchtiger und fleißiger Mann mit einer großen Familie.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner meint, unter diesen Umständen sei die Sache recht mißlich,76 immerhin bleibe aber wohl nichts anderes übrig, als zunächst einmal gegen das Urteil des Landgerichts München II Revision einzulegen.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei
In Vertretung
gez.: Dr. Fritz Baer Ministerialrat