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Nr. 173MinisterratssitzungMittwoch, 16. September 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 10 Uhr
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Finanzminister Zietsch, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Staatsministerium für Wirtschaft' und Verkehr), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium).

Tagesordnung:

I. Entwurf eines Stiftungsgesetzes. II. Bildung eines Beratungsausschusses zur Ausarbeitung von Empfehlungen für die Begnadigung deutscher Kriegsverurteilter in Landsberg, Werl und Wittlich. III. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I gegen Fritz Ortner und Herbert Heidler wegen Verunglimpfung von Organen des Bayerischen Staates (§ 97 StGB). IV. Personalangelegenheiten. V. Eingabe des Bayer. Landesverbands für Obst- und Gartenbau e.V.. VI. Verwendung des Stabsgebäudes und des Wirtschaftsgebäudes der ehem. Max-Emanuel-Kaserne in Ingolstadt. VII. Neubau des Flurbereinigungsamtes in Bamberg. VIII. Eröffnung des Oktoberfestes 1953.

I. Entwurf eines Stiftungsgesetzes1

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, an sich könnte dieser Gesetzentwurf heute wohl verabschiedet werden, da sich mit der jetzigen Fassung alle Staatsministerien einverstanden erklärt hätten. Herr Staatsminister Dr. Schwalber habe aber gebeten, die Sache zurückzustellen, da er heute nicht anwesend sein könne.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner stellt fest, daß das Staatsministerium des Innern noch eine Reihe von Einwendungen wegen der kommunalen Stiftungen vorzubringen habe, so daß ein endgültiger Beschluß noch nicht möglich sei.2

Staatssekretär Dr. Koch fügt hinzu, auch das Staatsministerium der Justiz habe noch verschiedene Vorschläge zu machen, die allerdings nicht von wesentlicher Bedeutung seien.

Es wird beschlossen, die Behandlung des Gesetzentwurfs vorläufig zurückzustellen.3

Stiftungsgesetz vom 26. November 1954

II. Bildung eines Beratungsausschusses zur Ausarbeitung von Empfehlungen für die Begnadigung deutscher Kriegsverurteilter in Landsberg, Werl und Wittlich4

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, das Staatsministerium der Justiz habe vorgeschlagen, den Landgerichtspräsidenten von Landshut, Herrn Dr. Meuschel,5 in diesen Beratungsausschuß abzuordnen.6

Staatssekretär Dr. Koch stellt fest, daß Landgerichtspräsident Dr. Meuschel in jeder Weise für die Mitarbeit in dem Beratungsausschuß geeignet sei.

Der Ministerrat beschließt, Landgerichtspräsident Dr. Meuschel abzuordnen und dem Auswärtigen Amt zu benennen.7

III. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I gegen Fritz Ortner und Herbert Heidler wegen Verunglimpfung von Organen des Bayerischen Staates (§ 97 StGB)8

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, die Staatsanwaltschaft München I habe gegen Fritz Ortner und Herbert Heidler ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung staatsgefährdender Flugblätter (§§ 90 Abs. 1 u. 3, 88, 49a StGB) eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft habe in dieser Strafsache dem Staatsministerium der Justiz berichtet und gebeten, eine Entschließung der Staatsregierung darüber herbeizuführen, ob gegen die Beschuldigten auch unter dem Gesichtspunkt des § 97 StGB Strafantrag gestellt und dazu die erforderliche Ermächtigung erteilt worden solle. Nach § 97 StGB werde derjenige mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, der unter anderem die Regierung eines Landes oder eines ihrer Mitglieder als verfassungsmäßiges Organ in einer das Ansehen des Staates gefährdender Weise verunglimpfe. In erster Linie hätten sich die Angriffe in den Flugblättern gegen den Herrn Staatsminister des Innern gerichtet, so daß er ihn um seine Meinung bitte.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, kein Interesse an einem Strafantrag unter § 97 StGB zu haben.

Der Ministerrat beschließt daraufhin, die Ermächtigung zur Strafverfolgung der beiden Beschuldigten nach § 97 StGB nicht zu erteilen.

IV. Personalangelegenheiten

Der Ministerrat beschließt, den Regierungsdirektor Dr. Arnulf Gnam9 zum Ministerialrat im Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr zu ernennen.

V. Eingabe des Bayer. Landesverbands für Obst- und Gartenbau e.V.10

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt ein Schreiben des Landesverbands für Obst- und Gartenbau e.V. bekannt, in dem nochmals um einen Zuschuß für die Beteiligung an der internationalen Gartenbauausstellung in Hamburg gebeten werde.

Staatsminister Dr. Schlögl erklärt, keine Gelder zur Verfügung stellen zu können, nachdem das Staatsministerium der Finanzen aus Einzelpl. XIII keine Mittel bereitstellen könne.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß er die Eingabe dem Herrn Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur unmittelbaren Beantwortung zuleiten wolle.

VI. Verwendung des Stabsgebäudes und des Wirtschaftsgebäudes der ehem. Max-Emanuel-Kaserne in Ingolstadt11

Ministerpräsident Dr. Ehard erinnert daran, daß der Ministerrat am 8. September 1953 der vom Staatsministerium der Finanzen vorgeschlagenen Überlassung dieser Gebäude an die Firma Pharmabit zugestimmt habe. Vor einige Tagen sei nun ein Schreiben des Ehrenpräsidenten des Bayer. Bauernverbands, Dr. Franz Wittmann,12 eingelaufen, der nochmals dringend bitte, diese Gebäude für den Bau einer Landwirtschaftsschule zur Verfügung zu stellen.13

Er halte es nicht für richtig, den Beschluß vom 8. September abzuändern, zumal ja in dieser Sitzung auch der Herr Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr sich für die Firma Pharmabit ausgesprochen habe und von keiner Seite ein Widerspruch erfolgt sei. In diesem Sinne werde er auch an Herrn Dr. Wittmann schreiben.14

Staatsminister Dr. Schlögl ersucht, bei dem nächsten in Ingolstadt freiwerdenden Gebäude unter allen Umständen die Landwirtschaftsschule zu berücksichtigen.

Staatsminister Zietsch sichert zu, jedenfalls rechtzeitig das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu verständigen, wenn sich eine neue Möglichkeit ergebe.

VII. Neubau des Flurbereinigungsamtes in Bamberg15

Staatsminister Dr. Schlögl fährt fort, der Neubau des Flurbereinigungsamtes in Bamberg, das bisher in drei verschiedenen Häusern untergebracht sei, werde nunmehr sehr dringlich. Die Stadt Bamberg habe die notwendigen Gelder zur Verfügung, es handle sich jetzt lediglich darum, daß ihr der Staat ein Erbbaurecht auf einem staatlichen Grundstück eintrage. Leider habe das das Finanzministerium bisher abgelehnt.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, der Haupteinwand scheine zu sein, daß die Kosten der Bestellung des Erbbaurechts zu hoch seien. Er halte es aber auch für zweckmäßig, daß nun diese Sache bald in irgend einer Form abgeschlossen werde.

Staatsminister Zietsch erwidert, nachdem er keine Unterlagen zur Hand habe, könne er nicht Stellung nehmen, er werde sich aber sofort nach dem Stand der Angelegenheit erkundigen.16

Flurbereinigungsämter

VIII. Eröffnung des Oktoberfestes 1953

Es wird festgestellt, daß an der Eröffnung des Oktoberfestes am Samstag, den 19. September 1953 die Herren Staatsminister Dr. Hoegner und Zietsch teilnehmen.17

Die nächste Sitzung des Ministerrats wird für Dienstag, den 22. September 1953, vormittags 8 Uhr 30, festgesetzt.

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor