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Nr. 144MinisterratssitzungDienstag, 17. Februar 1953 Beginn: 9 Uhr Ende: 11 Uhr 45
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Innenminister Dr. Hoegner, Justizminister Weinkamm, Kultusminister Dr. Schwalber, Finanzminister Zietsch, Arbeitsminister Dr. Oechsle, Staatssekretär Dr. Nerreter (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Oberländer (Innenministerium), Staatssekretär Dr. Koch (Justizministerium), Staatssekretär Dr. Brenner (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Ringelmann (Finanzministerium), Staatssekretär Dr. Guthsmuths (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Maag (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Ministerialdirektor Schwend (Bayer. Staatskanzlei), Ministerialrat Dr. Gerner (Bayer. Staatskanzlei), Dr. Baumgärtner (Bayer. Staatskanzlei).

Entschuldigt:

Wirtschaftsminister Dr. Seidel, Landwirtschaftsminister Dr. Schlögl.

Tagesordnung:

I. Bundesratsangelegenheiten. II. Entwurf eines Gesetzes über die Führung der Berufsbezeichnung Architekt (Architekten-Gesetz). III. Entwurf einer Anordnung über die Umorganisation der Bayerischen Eichverwaltung. IV. Platterhof auf dem Obersalzberg. V. Unwetter-Katastrophe in Holland und England . VI. Illegaler Aufenthalt im Lager Föhrenwald. VII. Deutschlandfahrt des Deutsch-Chilenischen Singkreises.

I. Bundesratsangelegenheiten

Der Ministerrat behandelt zunächst das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel.1

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt einleitend fest, der Bundesrat könne dieses Abkommen kaum ablehnen, wenn es vom Bundestag ratifiziert werde. Bei dem Ratifizierungsgesetz handle es sich wohl kaum um ein Zustimmungsgesetz, jedenfalls halte er es nicht für zweckmäßig, Nachforschungen in dieser Hinsicht anzustellen.

Von den Ressorts habe nur das Wirtschaftsministerium eine Äußerung abgegeben und darin u.a. darauf hingewiesen, daß für die Wirtschaft der einzelnen Länder Art. 7 von besonderer Bedeutung sei.2 Im Zusammenhang damit stehe das Schreiben Nr. 3, in dem sich Israel verpflichte, die Westberliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen.3 Das Wirtschaftsministerium weise nun mit Recht darauf hin, daß das Bundeskabinett durch Beschluß vom 2.5.1950 nicht nur Westberlin, sondern auch den Bayerischen Wald zum notleidenden Gebiet erklärt habe,4 sodaß jetzt versucht werden müsse, auch dieses Gebiet bei den Beschaffungen bevorzugt heranzuziehen.

Was nun die grundsätzliche Seite des Abkommens betreffe, so glaube er doch, daß im Auswärtigen Ausschuß des Bundesrats auf folgende Fragen hingewiesen werden müsse:

1. Das Ziel des Abkommens sei eine Globalabfindung an den Staat Israel in Höhe von 3 Milliarden DM, ferner die Zahlung eines weiteren Betrags von 450 Millionen DM an Israel zugunsten der „Conference on Jewish Material Claims against Germany“.5 Daneben werde aber ausdrücklich die individuelle Wiedergutmachung aufrecht erhalten. Außerdem sei auch im Deutschland-Vertrag die Begründung einer völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik zur individuellen Wiedergutmachung vorgesehen, und zwar im vierten Teil des Vertrags zur Regelung der aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen.6 Die Höhe dieser Verpflichtungen sei insoferne bestimmt, als die Regelung im gesamten Bundesgebiet eine nicht weniger günstige Grundlage für die Entschädigung bilden dürfe als die gegenwärtige Regelung in der US-Zone. Angesichts dieser Tatsache müsse man fragen, welche Auswirkungen das Abkommen auf die individuelle Wiedergutmachung habe und ob die Mittel dafür aufgebracht werden könnten. Der Bundesratsentwurf des Bundesentschädigungsgesetzes 7 rechne mit 2,5 bis 3 Milliarden DM für die individuelle Wiedergutmachung, während der Entwurf des Bundesfinanzministeriums 5 bis 7 Milliarden DM vorsehe. Der Auswärtige Ausschuß müsse also wohl Auskunft darüber fordern, welche Auswirkungen das Globalabkommen in dieser Hinsicht haben werde, d.h. ob tatsächlich außer den an Israel zu zahlenden Raten noch Mittel für die individuelle Wiedergutmachung aufgebracht werden könnten.

2. Die Bundesregierung werde ferner den Bundesrat darüber unterrichten müssen, wie sich nach der Ratifizierung des Abkommens das Verhältnis zu den arabischen Staaten gestalten werde. Nachdem gerade diese Staaten für die Exportwirtschaft, und zwar auch für die bayerische, von großer Bedeutung seien, müsse auf eine Klarstellung gedrungen werden.

3. Ein Punkt, der auch noch zur Sprache gebracht werden müsse, sei, daß in verschiedenen Artikeln des Abkommens keine gleiche Behandlung der Vertragsteile vorgesehen sei. Er verweise u.a. auf den Art. 7a, wonach der Einkauf von Waren und die Beschaffung von Dienstleistungen allein und ausschließlich durch die israelische Mission vorgenommen würden,8 ferner den Art. 8c zusammen mit dem Schreiben Nr. 6 vom 10.9.1952, wonach deutsche Schiffe die Flagge eines dritten Landen benützen müßten,9 sowie Art. 12 f, in dem für die israelische Mission eine Reihe von Vorrechten, Befreiungen usw. niedergelegt seien.10 Schließlich befänden sich in dem Abkommen auch noch weitere bedenkliche Punkte, auf die auch das Staatsministerium für Wirtschaft hingewiesen habe, z.B. in Art. 3b, Art. 12 f Ziff. 5 usw.11

Zusammenfassend sei er also der Meinung, der Bundesrat könne zwar nicht nein sagen, müsse aber die von ihm soeben erwähnten Bedenken aussprechen.

Staatssekretär Dr. Guthsmuths unterstreicht, daß die Vorrechte der Kommission unhaltbar seien; entweder handle es sich um eine Wirtschaftskommission oder eine konsularische Mission, die ihr eingeräumte Zwischenstellung sei aber zweifellos unrichtig.

Auf eine Frage von Staatssekretär Dr. Ringelmann erwidert Ministerpräsident Dr. Ehard, die Abfindung solle lediglich der Staat Israel bekommen, während jede Art von individueller Wiedergutmachung weiter gehe.

Staatsminister Weinkamm erkundigt sich, ob das Abkommen wirklich schon in nächster Zeit abgeschlossen werden müsse oder ob nicht doch die Möglichkeit bestehe, zunächst die individuelle Wiedergutmachung durchzuführen. In diesem Falle müßte man versuchen, die Ratifizierung des Vertrages hinauszuziehen. Auch er halte es für notwendig, wenigstens den Versuch zu machen, das Verhältnis zu den arabischen Staaten zu verbessern.

Staatssekretär Dr. Ringelmann verweist dann auf Art. 12 Abs. V, der vorsehe, daß alle Gegenstände, die für die amtlichen Zwecke der israelischen Mission und für den persönlichen Gebrauch des Leiters und der höheren Beamten der Mission bestimmt seien, vom Einfuhrzoll befreit sein sollten. Auch die übrigen der Mission eingeräumten Sonderrechte gingen außerordentlich weit.

Staatsminister Dr. Oechsle schlägt vor, die Bedenken zwar im Ausschuß darzulegen, im Bundesrat selbst aber zuzustimmen, nachdem offensichtlich übergeordnete Gesichtspunkte, vor allem die Rücksicht auf die Vereinigten Staaten von Amerika, das Abkommen notwendig gemacht hatten. Er sei überzeugt, daß im Bundestag fast sämtliche Parteien dafür stimmen würden.

Ministerpräsident Dr. Ehard betont noch, daß die Verpflichtungen zur individuellen Wiedergutmachung auf alle Fälle bestehen bleiben würden, auch wenn der Deutschland-Vertrag nicht zustande komme. Nachdem es sich jetzt um den ersten Durchgang handle, könnte man allenfalls eine Verschiebung auf die nächste Bundesratssitzung beantragen, wenn einzelne Fragen nicht genügend geklärt erschienen. Dazu sei allerdings ein Plenarbeschluß erforderlich.

Ministerialrat Dr. Gerner macht noch auf die Bestimmungen über das Schiedsverfahren in Art. 14 und 15 aufmerksam, in denen auf das Protokoll Nr. 2 Bezug genommen wird, das eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik und der „Conference on Jewish Material Claims against Germany“ enthält.12

Der Ministerrat erklärt sich abschließend mit dem Vorschlag des Herrn Ministerpräsidenten, die erwähnten Punkte im Auswärtigen Ausschuß zur Sprache zu bringen, einverstanden.13

Der Ministerrat behandelt dann die einzelnen Punkte der Tagesordnung für die Sitzung des Bundesrats vom 20. Februar 1953.

Luxemburger Abkommen

1. Entwurf eines Bundesentschädigungsgesetzes 14

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, soweit die Empfehlungen des Finanzausschusses und des Sonderausschusses für Wiedergutmachung übereinstimmten, könne man sie wohl unterstützen.15 Soweit dies nicht der Fall sei, müsse wohl dem Finanzausschuß der Vorzug gegeben werden.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt hinzu, der Referenten-Entwurf der Bundesregierung16 gehe zum Teil über die Regelung in der US-Zone hinaus,17 zum Teil stehe er hinter ihr zurück.18 Er habe bereits in der Sitzung des Bundesrats vom 6.2.1953 Bericht erstattet.19

Der Ministerrat beschließt, den Empfehlungen des Finanzausschusses zu folgen.20

2. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung 21

Ministerialrat Dr. Gerner fährt fort, der Finanzausschuß habe vorgeschlagen, den zweiten Teil des Entwurfs, die §§ 1–4, überhaupt zu streichen und den Finanzausgleich einer gesonderten Regelung zu überlassen.22

Staatsminister Zietsch erklärt, der Finanzausschuß habe dies einstimmig beschlossen. Der zweite Teil sehe zunächst vor, daß der Bund 40% des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftssteuer in Anspruch nehme.23 Es heiße dann weiter:

Übersteigen die Einnahmen, die den Ländern aus der Einkommen- und Körperschaftssteuer zufließen, in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 den Gesamtbetrag von 10,8 Milliarden DM, so nimmt der Bund in diesen Rechnungsjahren von den Mehreinnahmen bis zum Gesamtbetrag von je 950 Millionen DM 80% und von den weiteren Mehreinnahmen 40% in Anspruch.24

Ursprünglich sei eine völlig andere Regelung geplant gewesen, so daß der Finanzausschuß von dem neuen Vorschlag des Bundesfinanzministers sehr überrascht gewesen sei und ihn abgelehnt habe. Er glaube auch nicht, daß Bundesminister Schäffer noch versuchen werde, auf der nächsten Finanzminister-Konferenz den zweiten Teil in dieser Form zu verteidigen. Er werde sich vielmehr überlegen müssen, ob er nicht doch die Reserven, über die er noch verfüge, einzusetzen habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard bestätigt, daß Bundesfinanzminister Schäffer ausdrücklich zugesichert habe, den Ausfall von rund 1 Milliarde DM auf den Bund zu übernehmen.25

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt dann auf den § 3 des zweiten Teiles zu sprechen, in dem Zuschüsse von 200 Millionen DM zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiet des Schulwesens vorgesehen seien. Dieser Betrag sei eigentlich dazu bestimmt gewesen, die Länder zu entlasten, die besondere Vorleistungen durch die Aufnahme der Flüchtlinge usw. hätten auf sich nehmen müssen. Jetzt aber sollten diese 200 Millionen DM einfach schematisch nach dem Verhältnis der Schülerzahlen aufgeteilt werden, so daß Bayern keinerlei Vorteile habe.26

Staatsminister Zietsch fügt hinzu, daß auch er diese Bestimmung bereits beanstandet habe.

Der Ministerrat beschließt, den zweiten Teil des Gesetzentwurfes, der den Finanzausgleich behandelt, abzulehnen.

Ministerialrat Dr. Gerner macht darauf aufmerksam, daß dann auch § 1 des dritten Teiles gestrichen werden müsse.27

Anschließend werden die in der Bundesratsdrucks.-Nr. 49/1/53 niedergelegten Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse behandelt. Es wird beschlossen, folgende Empfehlungen nicht zu unterstützen:

Ziff. 2, 3a, 3d, 3h, 3k, 4k b), 4c und d, 6a, b, c und 11.

Eine längere Erörterung ergibt sich über die Empfehlung unter Ziff. 7, die sich mit der gemeinsamen Veranlagung der Ehegatten befaßt.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, man könne entweder die gemeinsame Veranlagung überhaupt beseitigen oder die Gesamteinnahmen erhöhen, so daß die sozial Schwachen von der gemeinsamen Veranlagung ausgeschlossen blieben.

Staatsminister Zietsch empfiehlt, den bisherigen Rechtszustand beizubehalten, aber den Ausschuß-Vorschlag zu unterstützen, daß die Grenze für die gemeinsame Veranlagung auf 7 200,- DM erhöht wird.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.28

3. Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 29

Es wird beschlossen, die in der Bundesrats-Drucks. Nr. 50/1/53 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Finanzausschusses zu unterstützen, im übrigen aber keine Einwendungen zu erheben.30

4. Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 31

Unterstützung der Abänderungsvorschläge des Finanzausschusses.32

5. Gesetz zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes 33

Es wird beschlossen, an dem früheren Beschluß des Ministerrats vom 3.2.1953 festzuhalten.34

6. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr 35

Der Ministerrat behandelt die in der Bundesrats-Drucks.-Nr. 52/1/53 zusammengefaßten Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse und beschließt, folgende Empfehlungen nicht zu unterstützen:

Ziff. 2b, 4, 5b, 6, 7b, 9b, 10, 11, 12, 13 und 18.

Die übrigen Empfehlungen werden unterstützt mir Ausnahme derjenigen unter Ziff. 3, bei der Stimmenthaltung geübt werden soll.36

7. Entwurf eines Gesetzes über die Landeszentralbanken. Landeszentralbankgesetz37

Es wird beschlossen, von den Empfehlungen in der Bundesratsdrucks.-Nr. 44/1/53 die folgenden nicht zu unterstützen:

3b, 4a und b, 5, 11b und 18.38

9. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes 42

Zustimmung gemäß Art. 84 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 78  GG.43

11. Entwurf einer Verwaltungsanordnung der Bundesregierung über die Anerkennung des Erwerbs der 5%igen Niedersächsischen Landesanleihe von 1953 als steuerbegünstigter Kapitalsansammlungsvertrag45

Zustimmung gemäß Art. 108 Abs.  GG.46

12. Verkauf eines Teils des ehemaligen Heereszeugamtes in Ulm, Söflingerstr. 96, an die Firma Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH. in Berlin SW 61, Mehringdamm 32 – 3447

Zustimmung.

13. Entwurf eines Zweiten Strafrechtsänderungsgesetzes 48

Ein Antrag nach Art. 77 Abs.  GG wird nicht gestellt.49

15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 51

Ministerialrat Dr. Gerner führt aus, es handle sich hier um den Initiativentwurf Hamburgs zur Änderung des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes.52 Der Koordinierungsausschuß schließe sich der Empfehlung des Rechtsausschusses an,53 den Gesetzentwurf nicht als Initiativ-Gesetzentwurf des Bundesrats beim Deutschen Bundestag einzubringen.54

Der Ministerrat beschließt jedoch, den Antrag auf Änderung des Grundgesetzes, und zwar in der Form der Empfehlungen unter Ziff. II/1 und 2 der Bundesrats-Drucks. Nr. 402/1/52, zu unterstützen.55

16. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten56

Unterstützung der Empfehlungen der Bundesrats-Drucks. Nr. 29/1/53 unter Ziff. I, 1 und 2 und Ziffer II, 2.57

17. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz)58

Ablehnung des Antrags der Freien und Hansestadt Hamburg.59

18. Bericht des Rechtsausschusses über Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

Von einer Äußerung zu diesen Verfahren wird abgesehen.

20. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen 62

Der Ministerrat kommt zu der Auffassung, daß dieser Entwurf zunächst im Finanzausschuß erörtert werden müsse.63

21. Entwurf einer Verordnung über die Unterstellung weiterer Stoffe unter die Bestimmungen des Opiumgesetzes 64

Ministerialrat Dr. Gerner teilt mit, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werde.65

22. Entwurf eines Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung 66

Es wird beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen mit dem Ziel, an den Vorschlägen des Bundesrates zu § 6 festzuhalten und einen eigenen bayerischen Antrag in dieser Richtung zu stellen.67

23. Entwurf eines Gesetzes über das Zweite Berichtigungs- und Änderungsprotokoll zu den Zollzugeständnislisten des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) 68

Einwendungen werden nicht erhoben.69

24. Entwurf einer Verordnung Z Nr. 1/52 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1952 70

Zustimmung nach Maßgabe der in der Bundesrats-Drucks. Nr. 55/1/53 unter Ziff. I, 1 enthaltenen Abänderungsvorschläge des Agrarausschusses.

Hinsichtlich der Empfehlung unter Ziff. I, 2 wird Stimmenthaltung beschlossen.71

Ministerialrat Dr. Gerner kommt dann noch auf folgende Punkte zu sprechen, die erst nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden sollen:

1. Flüchtlings-Notleistungsgesetz

Ministerialrat Dr. Gerner weist darauf hin, daß dieser erst heute den Ministerien zugegangene Gesetzentwurf die Grundzüge des noch nicht verabschiedeten Entwurfs eines Bundesleistungsgesetzes vorwegnehme. Er halte es nicht für möglich, diesen Entwurf schon in der Bundesratssitzung vom 20.2.1953 zu behandeln, zumal sehr erhebliche Bedenken gegen ihn bestünden und dürfe empfehlen, ihn zunächst den Ausschüssen zuzuleiten, um ihn dann in der Plenarsitzung des Bundesrates vom 6.3.1953 zu erörtern.

Der Ministerrat beschließt, so zu verfahren.72

2. Ausschuß für Post und Verkehr

Der Ministerrat beschließt, Oberregierungsrat Dr. Stoll 73 vom Bayer. Staatsministerium des Innern als weiteres stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Post und Verkehr zu benennen.

3. Erhöhung der Notenumlaufgrenze74

Ministerialrat Dr. Gerner berichtet schließlich, der Bundesminister für Wirtschaft habe in einem vertraulichen Schreiben an alle Ministerpräsidenten gebeten, die Zustimmung der Länder zur Erhöhung der Notenumlaufgrenze herbeizuführen, nachdem er selbst dagegen keine Bedenken habe.

Der Ministerrat beschließt, der Erhöhung zuzustimmen.75

II. Entwurf eines Gesetzes über die Führung der Berufsbezeichnung Architekt (Architekten-Gesetz) 76

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner weist darauf hin, daß in einer Besprechung der Referenten aller beteiligten Ministerien völlige Einigung erzielt und der Gesetzentwurf entsprechend umgearbeitet worden sei. Er halte es nicht für notwendig, diesen heute noch eingehend zu behandeln und schlage vor, ihn in der vorliegenden Form zu verabschieden.

Der Ministerrat beschließt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und ihn dem Landtag zuzuleiten, ferner auch dem Senat, und zwar gleichzeitig zur gutachtlichen Stellungnahme nach Art. 40 der Bayer. Verfassung.77

III. Entwurf einer Anordnung über die Umorganisation der Bayerischen Eichverwaltung 78

Ministerpräsident Dr. Ehard wirft die Frage auf, ob zu der Umorganisation der Bayischen Eichverwaltung eine Verordnung ausreiche oder ob dies nur im Wege eines Gesetzes erfolgen könne.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, es handle sich hier zweifellos um einen Fall nach Art. 77 Abs. 1 Satz 2 der Bayerischen Verfassung,79 nämlich um die Änderung von Behörden, Aufhebung von Ämtern usw., so daß kein Gesetz notwendig sei. Die gleiche Auffassung habe er übrigens auch in seinem Lehrbuch über die Bayerische Verfassung vertreten.80

Der Ministerrat beschließt, dem Entwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen und sie als Verordnung der Bayerischen Staatsregierung zu erlassen.81

IV. Platterhof auf dem Obersalzberg 82

Staatsminister Zietsch erinnert daran, daß er im letzten Ministerrat mitgeteilt habe, er werde in den nächsten Tagen eine Besprechung mit Generalkonsul Thayer wegen des Platterhofes haben. Als Ergebnis dieser Aussprache habe er nun von dem Generalkonsul einen Brief erhalten, wonach die amerikanische Armee beabsichtige, den Platterhof als Erholungsheim auszubauen. Dagegen sei sie bereit, mehrere Hotels in Berchtesgaden freizugeben, nachdem ja überhaupt die Absicht bestehe, im Laufe der Zeit alle in Privatbesitz befindlichen Gebäude zu räumen. Generalkonsul Thayer schlage vor, das Angebot der amerikanischen Streitkräfte in Erwägung zu ziehen.

An sich hielten sich die Amerikaner an ihre Zusage, den Platterhof freizugeben, gebunden, meinten aber, die Freigabe von Hotels in Berchtesgaden und am Königsee käme den deutschen Interessen mehr entgegen. Sie seien aber bereit, sich der Entscheidung der Staatsregierung zu unterstellen.

Bekanntlich verhandle das Staatsministerium der Finanzen wegen des Platterhofes mit Herrn Lahmann; die Verhandlungen seien auch so weit gediehen, daß an sich abgeschlossen werden könne, wenn auch das Bedenken noch bestehe, ob Herr Lahmann wirklich über die erforderlichen Mittel verfüge. Trotzdem glaube er aber, daß die günstigste Lösung die sei, daß die Armee den Platterhof übernehme, der dann auf Besatzungskosten ausgebaut werden müsse.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner begrüßt den Vorschlag mit dem Hinweis, daß die Zustände am Königssee unerträglich seien und die Freigabe der dortigen Hotels und Gasthöfe wichtiger sei als der Platterhof.

Staatssekretär Dr. Nerreter schließt sich dieser Auffassung an, worauf

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, auch er sei mit dem Vorschlag der Amerikaner einverstanden, wenn tatsächlich die Hotels in Berchtesgaden und am Königssee freigegeben würden.

Der Ministerrat beschließt, der geplanten Regelung zuzustimmen.

Staatssekretär Dr. Ringelmann fügt noch hinzu, bei einer Besprechung, die er kürzlich mit Generalkonsul Thayer gehabt habe, sei u.a. erörtert worden, ob nicht für amerikanische und deutsche Gäste der Staatsregierung in der Nähe Münchens eine sogen. Gästejagd eingerichtet werden könne.

Er halte diesen Vorschlag für zweckmäßig und durchführbar, da der bayerische Staat allmählich doch wieder zu einer gewissen Repräsentation kommen müsse, wozu auch gehöre, daß die Möglichkeit, Gästen eine Jagd zur Verfügung zu stellen, gegeben sei.

Der Ministerrat beschließt, gegen die Einrichtung einer Gästejagd keine Bedenken zu erheben.83

V. Unwetter-Katastrophe in Holland und England 84

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, er habe jetzt den Wortlaut des Landtagsbeschlusses vom 5. Februar 1953 erhalten, mit dem die Staatsregierung ersucht werde, durch Bereitstellung von Mitteln den Betroffenen zu helfen und außerdem die Bevölkerung aufzufordern, sich nach Möglichkeit dieser Hilfsaktion anzuschließen. Dem ersten Teil des Beschlusses habe die Staatsregierung durch die im letzten Ministerrat beschlossene Spende von DM 25 000,- bereits Rechnung getragen; was den zweiten Teil betreffe, so seien in der Zwischenzeit so zahlreiche Hilfsaktionen eingeleitet worden, daß es wohl nicht mehr notwendig sei, einen eigenen Aufruf zu erlassen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden.

Unwetterkatastrophen

VI. Illegaler Aufenthalt im Lager Föhrenwald 85

Staatssekretär Dr. Oberländer führt aus, in den nächsten Tagen kämen 60 jüdische Flüchtlinge aus der Sowjetzone Deutschlands nach Föhrenwald. Es sei deshalb dringend notwendig, die aus Israel stammenden Juden, die sich dort illegal aufhielten, zu entfernen. Da man bisher mit polizeilichen Maßnahmen keine guten Erfahrungen gemacht habe,86 schlage er vor, daß sich die Bayerische Staatskanzlei über das Auswärtige Amt oder unmittelbar an den israelischen Konsul in München wende und ihm mitteile, Israel habe sich verpflichtet, diese Juden zurückzunehmen.87 Im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse müsse eine Frist bis 1. April 1953 für die Abnahme dieser Personen gestellt werden; von diesem Termin ab könnten keine Unterstützungen mehr gezahlt werden.

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Staatssekretär Dr. Oberländer, ihm bis Mittwoch Abend einen Briefentwurf herüber zu geben, da er in dieser Sache nach Bonn fahren werde und die Verhältnisse im Lager Föhrenwald auch dort zur Sprache bringen werde.88

VII. Deutschlandfahrt des Deutsch-Chilenischen Singkreises89

Ministerpräsident Dr. Ehard gibt bekannt, daß der Deutsch-Chilenische Singkreis am 19. Februar 1953 nach München kommen werde, wo er u.a. vom Oberbürgermeister 90 empfangen werde. Die Hauptveranstaltung finde am 20. Februar abends um 20 Uhr im Goethesaal statt. Er glaube, daß dort ein Vertreter der Staatsregierung erscheinen solle, nachdem der Singkreis z.B. in Bonn vom Bundespräsidenten selbst empfangen worden sei.

Staatsminister Dr. Schwalber sichert zu, daß das Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Vertretung der Staatsregierung bei dieser Veranstaltung übernehmen werde.91

Der Bayerische Ministerpräsident gez.: Dr. Hans Ehard
Der Protokollführer des Ministerrats gez.: Levin Frhr. von Gumppenberg Ministerialrat
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gez.: Karl Schwend Ministerialdirektor