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Nr. 28MinisterratssitzungDienstag, 22. Juli 19471 Beginn: 9 Uhr 20 Ende: 12 Uhr 05
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Stv. Ministerpräsident und Justizminister Dr. Hoegner, Innenminister Seifried, Kultusminister Dr. Hundhammer, Finanzminister Dr. Kraus, Wirtschaftsminister Dr. Zorn, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Arbeitsminister Roßhaupter, Verkehrsminister Frommknecht, Staatsminister für Sonderaufgaben Dr. Hagenauer, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Ankermüller (Innenministerium), Staatssekretär Fischer (Innenministerium-Bauabteilung), Staatssekretär Dr. Lacherbauer (Justizministerium), Staatssekretär Pittroff (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Sattler (Kultusministerium), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Geiger (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Sedlmayr (Wirtschaftsministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Dipl.-Ing. Schuberth (Verkehrsministerium), Staatssekretär Sachs (Sonderministerium).

Entschuldigt:

Staatssekretär Jaenicke (Innenministerium), Staatssekretär Gentner (Landwirtschaftsministerium).

Tagesordnung:

[I. Begrüßung der neuen Staatssekretäre Sachs und Dr. Lacherbauer]. [II.] Aktivierung des bayerischen Fremdenverkehrs. [III.] Gesetz über die Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens mit Rücksicht auf das Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus. [IV.] Aktivierung des bayerischen Fremdenverkehrs. [V.] Gesetz zur Änderung des Art. 16 des Bayer. Beamtengesetzes. [VI.] Gesetz zur Erfassung von Hausrat. [VII.] Gesetz über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung. [VIII. Rückkehr von Emigranten]. [IX. Erfassung von Arbeitsunwilligen]. [X. Lebensmittelzulagen bei Dienstreisen]. [XI. Rettung der Standesorganisationen]. [XII. Sonderkontingente für Würzburg]. [XIII. Maximilianeum]. [XIV. Mitwirkung der Betriebsräte bei Beamtenernennungen und Beförderungen]. [XV. Stimmführung im Sonderausschuß des Länderrats zur Vorbereitung des Wiedergutmachungsgesetzes]. [XVI. Fall Loritz]. [XVII. Kohleversorgung der Universität München]. [XVIII. Rechtsstellung der jüdischen Verschleppten]. [XIX. Unterbringung der bayerischen Vertretung in Frankfurt]. [XX. Zustände im Sonderministerium und Stand der Entnazifizierung]. [XXI. Gesetz zur Beschaffung billigen Bodens und zur Schaffung von Volksheimstätten]. [XXII. Demontage von Kugelfischer]. [XXIII. Verordnung über die Zusammenführung von Familien]. [XXIV. Wiederverleihung der Kreisunmittelbarkeit an früher kreisunmittelbare Städte]. [XXV. Berufung der Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände im Senat]. [XXVI. Festspiele in Oberammergau]. [XXVII. Verhaftung von Arno Fischer].

[I. Begrüßung der neuen Staatssekretäre Sachs und Dr. Lacherbauer]

Ministerpräsident Dr. Ehard eröffnet die Sitzung und begrüßt zunächst die neuen Staatssekretäre Sachs und Dr. Lacherbauer.2

[II. Aktivierung des bayerischen Fremdenverkehrs]3

wird vorläufig zurückgestellt.

[III.] Gesetz über die Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens mit Rücksicht auf das Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erstattet Bericht. Der Entwurf4 sei im Länderrat behandelt worden; die Angelegenheit solle für die drei Länder der US-Zone einheitlich geregelt werden.5 Es habe sich bisher immer gezeigt, daß bei Spruchkammerverfahren gegen Belastungszeugen Beleidigungsklage gestellt worden sei. Dadurch seien die Richter in die unangenehme Lage gekommen, in den Beleidigungsverfahren darüber entscheiden zu müssen, worüber die Spruchkammer zu entscheiden hätte. Dies bedeute eine vollständige Umkehrung der Lage. Das Justizministerium habe Anweisungen erlassen, in denen den Gerichten empfohlen worden sei, die Verfahren auszusetzen. Mehr habe man nicht tun können, da die Gerichte unabhängig seien und nur durch Gesetz gebunden werden könnten. Hessen und Württemberg-Baden hätten ein entsprechendes Gesuch erlassen, das auch bei uns zweifellos notwendig sei. In dem Entwurf werde die Durchführung eines Beleidigungsverfahrens von der Zustimmung der Spruchkammer abhängig gemacht. In der Regel werde diese Zustimmung wohl versagt werden. Er empfehle, diesen Gesetzentwurf dem Landtag zu überweisen.

Staatsminister Dr. Kraus stimmt dem Grundgedanken des Gesetzes zu, möchte aber anregen, ob nicht eine Rechtsmittelinstanz eingeschaltet werden sollte, vielleicht das Sonderministerium. Das Vertrauen zu den Spruchkammern sei nicht allzu groß.

Ministerpräsident Dr. Ehard weist auf das Zwiespältige der Situation hin. Die Spruchkammern würden als eine ernste richterliche Institution aufgefaßt, während aus der Praxis jeder wisse, daß dies nicht der Fall sei. Wenn die Spruchkammern so wären, wie sie eigentlich gedacht seien, wäre alles glatt. Gegen eine Entscheidung der Spruchkammer könne man nicht den Minister anrufen, der nur Verwaltungsentscheidungen treffen könne; dann könne man die ganze Sache gleich im Büroweg machen lassen.

Staatsminister Dr. Kraus schlägt hierauf als Rechtsmittelinstanz den Kassationshof vor.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, damit könne man den Kassationshof nicht belasten; dieser sei nicht ins Gesetz eingebaut, er stelle nur ein Hilfsmittel für den Minister dar, außerdem sei er stark überlastet.6

Staatssekretär Sachs berichtet hierzu aus der Praxis,7 daß die Zahl der Fälle ziemlich groß sei. Die vernünftigen Gerichte hätten aber dieses Gesetz nicht abgewartet, sondern von Amts wegen ausgesetzt bis zur rechtskräftigen Erledigung des Spruchkammerverfahrens. Die Spruchkammern in Nürnberg z.B. hätten auf Grund einer Anordnung der örtlichen Militärregierung sowieso die Abgabe der Akten verweigert. Eine Beschwerdeinstanz könne man nicht noch einführen, weil sonst nur ein neuer Wirrwarr entstehe.

Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich dieser Meinung an. Es könne sich nur darum handeln, ob man das Gesetz überhaupt durchführe oder ob man es für unnötig halte. Der Gedanke an sich sei richtig; er sei nur im Zweifel, ob die Spruchkammer etwas damit anfangen könne. Er glaube, daß man das Gesetz einmal dem Landtag vorlegen solle.

Staatssekretär Dr. Lacherhauer hat Zweifel, ob man die Spruchkammern in die Lage versetzen solle, hier eine Entscheidung zu treffen. Die Bedenken des Finanzministers erschienen auch ihm recht erheblich. Die örtlichen Spruchkammern stünden doch sowieso unter allen möglichen Einflüssen. Es sei schon erwägenswert, den Gedanken des Finanzministers zu verfolgen. Der Landtag werde schon erheblich korrigierend wirken. Trotz seiner Bedenken wolle er daher der Vorlage an den Landtag nicht widersprechen.

Es herrscht allgemeines Einverständnis, daß der Entwurf in der vorgeschlagenen Fassung dem Landtag zugeleitet werden soll.8

[IV. Aktivierung des bayerischen Fremdenverkehrs]

Staatsminister Dr. Zorn ersucht, diesen Punkt auf eine der nächsten Sitzungen zurückzustellen.

Diesem Ersuchen wird stattgegeben.

[V.] Gesetz zur Änderung des Art. 16 des Bayer. Beamtengesetzes

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, hier handle es sich um den Beamteneid,9 der immer beanstandet werde.10 Hauptsächlich kämen zwei Beanstandungen, die eine von religiöser Seite, die dahin gehe, daß man niemand zwingen könne, den Eid auf die demokratisch-konstitutionelle Staatsordnung zu leisten mit der Wirkung, daß er auch außerhalb des Dienstes dafür eintrete. Eine solche Gewissensbindung sei unzulässig. Darüber könne heute aber nicht diskutiert werden, weil dies in der Verfassung vorgeschrieben sei.11 Das andere, was andauernd Anstoß errege, seien die Worte „und nach den Weisungen meiner Vorgesetzten“. Es werde nun angeregt, diese Worte zu streichen. Ein entsprechender Entwurf liege vor. Er habe die allergrößten Bedenken, diesen Entwurf dem Landtag vorzulegen. Wenn man die Worte einfach streiche, heiße es, es gebe überhaupt keine Weisungen mehr. Wenn sie von Anfang an nicht darin gewesen wären, wäre die Sache erträglich. Außerdem handle es sich um eine völlige Verwirrung der Begriffe, wenn man behaupte, daß es in einem demokratischen Staat keine Weisungen an die Beamten mehr geben dürfe. Von anderer Seite werde vorgeschlagen, das Wort „rechtmäßig“ hinzuzusetzen. Auch das halte er für überspitzt. Man müsse sich überlegen, ob man nicht die Frage der Änderung der Eidesformel zurückstellen solle, bis eine allgemeine Änderung des Beamtengesetzes vorgenommen werde, die über kurz oder lang erfolgen müsse. Er halte es nicht für unbedenklich, wenn man jetzt diese Änderung herausgreife.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner schließt sich diesen Ausführungen an. Seines Erachtens sei diese Formel in der Öffentlichkeit vollkommen mißverstanden worden. Nicht einmal in der Nazizeit habe jemand die Pflicht gehabt, rechtswidrige Befehle zu vollziehen. Jetzt glaube man, weil wir eine Demokratie hätten, die Beamten könnten tun, was sie wollten. Wenn man diese Worte streiche, erweise man sich als schwach und stelle sich das Zeugnis aus, daß man seinerzeit die Sache nicht richtig überlegt habe. Außerdem tue man etwas, was sachlich nicht gerechtfertigt sei: man rüttle an den Grundlagen des Beamtentums überhaupt.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer weist auf die Verhältnisse in der Privatwirtschaft hin; dort müsse auch gehorcht werden.

Staatsminister Dr. Zorn stimmt den Ausführungen vollkommen zu, möchte bei dieser Gelegenheit aber doch darauf hinweisen, daß ihm die Eidesformel zu farblos, zu wenig markant und nicht gut stilisiert vorkomme. Er könne sich denken, daß man an eine markantere Neuformulierung herangehen solle. Es handle sich doch um eine Sache von weittragender Bedeutung, was schon in der äußeren Form des Eides zum Ausdruck kommen sollte.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, von anderer Seite sei erklärt worden, die Eidesformel sei zu markant, zu stark ausgeprägt und gehe weiter, als man einem Menschen und seinem Gewissen in einem demokratischen Staate zumuten könne. Dort wolle man den Eid noch farbloser. Im Augenblick könne man eine Abänderung nicht vornehmen, sondern solle sie gemeinsam mit anderen Änderungen erledigen.

Staatssekretär Sachs pflichtet den Ausführungen grundsätzlich bei, macht aber darauf aufmerksam, daß der Eid auch von den Richtern geleistet werden müsse. Bei jeder Vereidigung von Richtern ergäben sich nun Schwierigkeiten, weil diese in ihrer Tätigkeit als Richter unabhängig seien. Er habe den Richtern erklärt, daß die Wendung „nach den Weisungen seiner Vorgesetzten“ sich nur auf die nichtrichterliche Tätigkeit beziehe. Trotzdem bestünden Bedenken, ob man diesen Eid auch für die Richter aufrecht erhalten solle. Für diese habe man zwei Eide, den sog. amerikanischen Richtereid und dann den Beamteneid. Diese stünden dem Wortlaut nach in einem gewissen Widerspruch.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dies könne dazu führen, daß man einmal dazu übergehe, auch einen Richtereid zu formulieren, der von den Amerikanern anerkannt werde. Im Augenblick könne man aber nichts machen, die Leute seien auf einmal so überaus empfindlich, während sie das vor 3 Jahren noch ganz und gar nicht gewesen seien. Man sei sich darüber einig, daß Änderungen kommen müßten, daß es aber nicht zweckmäßig sei, jetzt diese Einzelheiten herauszugreifen.

[VI.] Gesetz zur Erfassung von Hausrat12

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus,13 dieses Gesetz sei bereits im Ministerrat vom 5.12.46 beschlossen14 und von Ministerpräsident Dr. Hoegner am 6.12.46 ausgefertigt worden. Man habe damals angenommen, daß die Militärregierung die Genehmigung sofort erteilen werde; diese sei aber erst im April 1947 eingelaufen. Deshalb habe man im Ministerrat vom 12. 5. 1947 beschlossen, das Gesetz dem Landtag vorzulegen. Vorher sollte noch überprüft werden, ob nicht eine Abgleichung dieses Gesetzes mit dem Flüchtlingsgesetz notwendig sei. Das Justizministerium habe nun die Prüfung vorgenommen und eine einzige Änderung vorgeschlagen, nämlich eine Abänderung des § 7 Abs. 2 des Flüchtlingsgesetzes, das diesem neuen Gesetz angeglichen werden solle. Aber auch nach dem Flüchtlingsgesetz könnten die Dienststellen der Flüchtlingskommissare selbst nichts beschlagnahmen, sondern könnten einen solchen Antrag nur an den Landrat oder Oberbürgermeister richten. Das Gleiche stehe auch im Hausraterfassungsgesetz. Einer Angleichung des Flüchtlingsgesetzes stehe entgegen, daß dieses auf Grund besonderer Ermächtigung und Anordnung der Militärregierung ohne Anhörung des Landtags von der Staatsregierung habe erlassen werden müssen. Der Landtag könne also das Flüchtlingsgesetz nicht ändern. Eine solche Änderung sei nur über die Militärregierung zu erreichen. Er halte dies aber für gar nicht notwendig; inhaltlich stehe im Flüchtlingsgesetz das Gleiche wie im Hausraterfassungsgesetz. Man könne den Landräten und Oberbürgermeistern eine Weisung dahin geben, wenn ein solcher Antrag nach § 7 des Flüchtlingsgesetzes gestellt werde, daß sie sich dann an die Vorschriften des Hausraterfassungsgesetzes zu halten hätten. Dies könne in Form einer Anweisung geschehen, da sachlich überhaupt keine Differenzen bestehen. Wenn man eine Abänderung bei der Militärregierung beantrage, dauere dies nur endlos lange. In der vorliegenden Fassung sei das Hausraterfassungsgesetz von der Militärregierung bereits genehmigt worden. Man solle auch aus diesem Grunde keine Abänderung mehr vornehmen, sondern es in der vorliegenden Form einmal dem Landtag zuleiten.

Staatssekretär Dr. Ankermüller schlägt vor, daß, wenn das Gesetz vom Landtag beschlossen worden sei, die Staatsregierung eine entsprechende Weisung geben solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard sieht keinerlei Schwierigkeiten, da das Hausraterfassungsgesetz keine Einschränkung des Flüchtlingsgesetzes bedeute; das Flüchtlingsgesetz beziehe sich nur auf Unterkünfte, das Hausraterfassungsgesetz gehe aber weiter.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer weist auf einen kleinen Formfehler hin: unter Verwaltungsbehörde sei nicht der Oberbürgermeister sondern der Stadtrat zu verstehen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt hierzu diese Formulierung finde sich nur im Flüchtlingsgesetz,15 nicht im Hausraterfassungsgesetz.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer weist weiter darauf hin, daß auch die Wohnungsbehörde keine Behörde sei, sondern nur eine Dienststelle der unteren Verwaltungsbehörde. Die Erwähnung der Wohnungsbehörde gehöre in die Durchführungsvorschriften. Die Wohnungsbehörden seien in den einzelnen Gemeinden auch ganz verschieden konstruiert. In München z.B. sei ein ständiger Wechsel gewesen. Man müsse auch schon deswegen die untere Verwaltungsbehörde nennen, weil sonst die Ansicht entstehen könne, daß auch die Wohnungsbehörden der mittelbaren Gemeinden zuständig seien.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, daß man dies bei den Beratungen im Landtag herausstellen könne. Auch dieses Gesetz solle man einmal in der vorliegenden Fassung herausgeben.

Hiermit herrscht allgemeines Einverständnis.16

[VII.] Gesetz über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus,17 daß dieses Gesetz, welches den Ministerrat schon wiederholt beschäftigt habe,18 von der Militärregierung mit Schreiben vom 23. 5. 1947 genehmigt worden sei, daß die Ministerpräsidenten aber gleichzeitig ermächtigt und angewiesen worden seien, dieses Gesetz ohne Vorlage an den Landtag zu verkünden. Es müsse nur eingesetzt werden, wer die vorläufigen Leistungen gewähre; bisher habe das Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte dies getan; auch in Zukunft solle es so gehalten werden. Die Sache sei bisher reibungslos vor sich gegangen; es handle sich auch nur um eine vorläufige Regelung der Entschädigungsansprüche. Er glaube nicht, daß man eine Abänderung vornehmen solle. Das Gesetz werde also mit der üblichen Eingangsformel veröffentlicht werden.19 Das Gleiche gelte für ein Gesetz über die Aufhebung und Änderung von Vorschriften der Sozialversicherung;20 auch dieses Gesetz sei im Länderrat besprochen worden. Der Parlamentarische Ausschuß habe zugestimmt, die Militärregierung habe den Ministerpräsidenten angewiesen, das Gesetz zu verkünden. Auch hievon wolle er Kenntnis geben.

[VIII.] Rückkehr von Emigranten

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Staatssekretär Dr. Sattler, über die Vorschläge des Kultusministeriums vom 3. Juli 1947 zu referieren.

Staatssekretär Dr. Sattler führt aus, daß auf Grund des Aufrufes der Ministerpräsidenten21 mit der Rückkehr von Emigranten zu rechnen sei. Unter diesen seien eine Reihe, die Wiedergutmachungsansprüche zu stellen hätten. Es sei mit Anfragen zu rechnen, ob und unter welchen Bedingungen diese Emigranten nach Deutschland zurückkehren könnten. Es müsse deshalb eine Stelle geschaffen werden, die sich mit diesen Aufgaben beschäftige und den Emigranten die Rückkehr erleichtere. Sein Vorschlag gehe dahin, diese Sache mit dem Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung zu verknüpfen. Man könne allerdings auch daran denken, diese Aufgabe dem Staatskommissar für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten zuzuweisen. Dies halte er jedoch nicht für zweckmäßig, nachdem man hoffe, daß eine Eingliederung der Verfolgten möglichst bald erfolge. Auf jeden Fall müsse eine Stelle da sein, die sich um die Emigranten kümmere. Hierfür schlage er eine Kommission vor.

Staatsminister Dr. Kraus meint, man solle keine neue Stelle schaffen; ein Referat im Landesamt müsse genügen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich dieser Meinung an.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, die Zahl der Leute, die in Betracht kämen, werde häufig überschätzt. Ein großer Teil der Auswanderer, die in anderen Ländern ein Unterkommen gefunden hätten, denke gar nicht daran zurückzukehren. Allerdings gebe es doch Einzelne, die den Wunsch hätten zurückzukehren. Ein großer Teil von ihnen habe aber gar nicht erst abgewartet, sondern sei einfach zurückgekehrt und habe sich zur Verfügung gestellt. Er glaube, daß außer einigen Wissenschaftlern, die wir aber gerade bräuchten, sonst nur wenige in Betracht kämen. Neben den freiwilligen Rückkehrern kämen aber noch andere Leute gezwungen zurück, so z.B. ein Transport von 1200 Leuten aus Schanghai. Darunter befänden sich Gerechte und Ungerechte. Für diejenigen, die Anspruch auf Wiedergutmachung hätten, solle man ein besonderes Referat im Landesamt einrichten. Dies könne auch der Beratung der Leute dienen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man müsse auf jeden Fall eine Stelle haben, die sich mit der Sache befasse, damit die Leute nicht von einer Stelle zur anderen geschickt würden.

Staatsminister Roßhaupter befürchtet, daß, wenn man zwei Stellen schaffe, es ein Durcheinander gebe. Man habe doch schon den Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte. Er wisse nun nicht, wie dieser mit dem Landesamt Zusammenhänge. Wenn man eine neue Stelle schaffe, bestehe die Gefahr, daß ein Teil der Leute vom Staatskommissar behandelt werde, ein anderer Teil von einer neuen Stelle. Auch von den Verfolgten die im Inland geblieben seien, müsse eine Reihe dauernd betreut werden. Er könne nun nicht verstehen, wie ein Unterschied gemacht werden solle zwischen den Verfolgten, die ins Ausland gegangen seien, und denjenigen, die im Inland geblieben seien. Er glaube, daß eine Stelle genügen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, es gebe schon Unterschiede. Die Leute, die betreut werden müßten, gehörten zunächst zum Staatskommissariat, gleichgültig ob sie von außen kämen oder hier geblieben seien. Bei den Emigranten, an die man hier denke, handle es sich aber um Leute, die uns interessierten; denen könne man nicht nur ein primitives Leben garantieren, sondern müsse für eine entsprechende Unterkunft, Arbeitstätigkeit usw. sorgen. Auch dieser Gedanke müsse berücksichtigt werden. Es handle sich um keine reine Wiedergutmachungssache, sondern diese Angelegenheit liege auf einer anderen Ebene. Es solle kein großes Amt errichtet werden. Er schlage vor, daß sich Staatssekretär Dr. Sattler dieser Sache annehme in Verbindung mit dem Landesamt für Vermögensverwaltung.

Staatssekretär Dr. Sattler erklärt, das Landesamt arbeite schon mit dem Staatskommissar zusammen. Bei der Betreuung gebe es keine Schwierigkeit. Was er aber andeuten wolle, sei das, daß er fürchte, daß, wenn man zu sehr auf die rassische Verfolgung abstelle, bei der jetzigen antisemitischen Welle22 der Rassegedanke verewigt werde, während, wenn man die Sache auf die Wiedergutmachungsseite schiebe, die Möglichkeit gegeben sei, daß die Sache einmal aus der Welt geschafft werde. Er halte den Vorschlag von Ministerpräsident Dr. Ehard für den besten, nachdem das Kultusministerium sowieso schon laufend mit dieser Sache befaßt sei.

Der Vorschlag wird einstimmig angenommen.

[IX.] Erfassung von Arbeitsunwilligen

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, er habe vor längerer Zeit ein Schreiben des Oberbürgermeisters von München bekommen. Die Sache sei schon im Ministerrat behandelt worden.23 Sie sollte vom Innen- und Arbeitsministerium weiter bearbeitet werden. Er frage an, wie die Angelegenheit stehe.

Arbeitsminister Roßhaupter teilt mit, es habe eine Konferenz sämtlicher Ministerien im Arbeitsministerium stattgefunden. Die Angelegenheit werde weiter behandelt.

Staatsminister Dr. Zorn fragt an, ob denn die derzeitigen Gesetze nicht ausreichend seien.

Arbeitsminister Roßhaupter erwidert, man habe den Kontrollratsbefehl Nr. 3,24 mit dem man alle Nichtselbständigen erfassen könne. Man komme aber nicht sehr weit, weil die Gerichte überlastet seien und die Strafverfahren gegen diejenigen, die dem Befehl nicht nachkämen, zu lange dauerten.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt hierzu, es sei vom Justizministerium eine Weisung ergangen, daß diese Sachen vorzugsweise behandelt werden sollten.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß der Ministerrat von dieser Sache noch hören werde.

[X.] Lehensmittelzulagen hei Dienstreisen

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, daß diese Sache eigentlich durch die Ministerpräsidentenkonferenz in Fluß gekommen sei. Die Fahrer aus der britischen und aus der Ost-Zone hätten mit unseren Fahrern gesprochen. Diese hätten dabei herausgebracht, daß in den anderen Zonen erhebliche Zulagen für Dienstreisen gewährt würden. Daraufhin habe das Landwirtschaftsministerium mit Schreiben vom 6. Juli 1947 einen Vorschlag gemacht. Bei Dienstreisen sollten gewisse Zulagen bewilligt werden, vorausgesetzt, daß die Dienstreisen notwendig seien und sich auf eine gewisse Mindestzeit erstreckten.

Staatsminister Dr. Baumgartner erläutert den Vorschlag. Er habe sich mit Stuttgart schon in Verbindung gesetzt und dabei gesehen, daß wir am strengsten seien; die anderen seien viel entgegenkommender. Er bitte den Ministerrat, die Ermächtigung zu geben, entsprechend seinem Vorschlag vom 6. Juli 1947 Zulagen zu bewilligen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, daß die Entscheidung durch das Landwirtschaftsministerium erfolgen solle auf einen entsprechenden Vorschlag des betreffenden Fachministers hin.

Staatssekretär Dr. Ankermüller erkundigt sich, ob für jeden einzelnen Fall ein solcher Antrag gemacht werden solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard bejaht dieses. Generell könne man hier nichts machen.

Staatsminister Dr. Zorn erkundigt sich, wie es bei Dienstreisen der Mittelinstanzen sei.

Staatsminister Dr. Baumgartner erwidert, wenn hier viele Dienstreisen in Betracht kämen, bitte er ebenfalls, Anträge einzureichen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß die Sache unbedingt zentral gemacht und auf die Fälle beschränkt werden müsse, die unbedingt notwendig seien. Es gebe aber verschiedene Referenten, die mit ihren normalen Lebensmittelmarken gar nicht auskommen könnten.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer hat die Befürchtung, daß bei einer Zentralisierung der Genehmigung im Landwirtschaftsministerium die Marken nicht rechtzeitig genug erhältlich seien.

Staatsminister Dr. Baumgartner verneint dies; die Genehmigung werde sehr schnell erfolgen. Wenn der Ministerrat seinem Vorschlag grundsätzlich zustimme, werde er das Weitere veranlassen und eine entsprechende Entschließung herausgeben.

[XI.] Rettung der Standesorganisationen

Ministerpräsident Dr. Ehard kommt auf Art. 179 der Verfassung zu sprechen.25 Unter diese fielen auch die Ärztekammern, Rechtsanwaltskammern usw. Die Rechtsanwaltskammern seien von OMGUS genehmigt, jetzt würden sie durch die bayerische Verfassung aus den Angeln gehoben werden. 26 Er wolle nun einmal im Ministerrat die Frage aufwerfen, nachdem auch das Innen- und Justizministerium beteiligt seien, ob man die Sache nicht doch noch einer Klärung zuführen könne. Das Justizministerium möge die Frage noch einmal endgültig und abschließend prüfen und einer Entscheidung zuführen. Vielleicht könne der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet werden.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, der Verfassungsgerichtshof sei zuständig, wenn Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Staatsregierung auftauchten.

Ministerpräsident Dr. Ehard fährt fort, dann müßten eben solche entstehen. Die Sache müsse einmal vorwärts getrieben werden. Das Innen- und Justizministerium sollten sich in Verbindung setzen und einen Weg finden, die Sache zu einer Entscheidung zu bringen.

Staatssekretär Dr. Ankermüller bezeichnet die Angelegenheit als sehr eilig mit Rücksicht auf die Regelung der Niederlassung der Ärzte.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, hier habe man vorläufig einen Weg gefunden, der aber keine Dauerlösung darstelle. Viel schwieriger sei die Sache bei den Rechtsanwälten.

[XII.] Sonderkontingente für Würzburg27

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, der Oberbürgermeister von Würzburg habe wiederholt hervorgehoben, daß der Verteilungsschlüssel für Waren für Würzburg abgeändert werden müsse, da die Würzburger alles verloren hätten. Außerdem stellten die 30 bis 40000 Würzburger Evakuierten ein Dauerproblem dar;28 sie müßten in eine Sonderfürsorge wie die Flüchtlinge und Vertriebenen genommen werden. Diese Leute säßen in den umliegenden Dörfern, hätten alles verloren, und es werde für sie nicht genügend gesorgt.29

Staatsminister Dr. Zorn erwidert, er habe jetzt die Landesstelle angewiesen, daß die Ausgebombten aus den Städten, die in den Landgemeinden wohnten, bevorzugt zu behandeln seien. Es sei richtig, daß die ländlichen Wirtschaftsämter die Ausgebombten schlechter behandelten, als die Einheimischen. Deshalb sei eine Anweisung in Vorbereitung, daß die Ausgebombten in erster Linie zu befürsorgen seien. Er habe erst in den letzten Tagen mit Oberbürgermeister Löffler sich dahin geeinigt, daß Würzburg auf verschiedenen Gebieten Sonderzuweisungen erhalte. Es werde alles getan, was möglich sei.

Staatssekretär Dr. Ankermüller bezeichnet es als wesentlich, daß Würzburg solche Zuweisungen erhalte, damit sie von dort aus an die Ausgebombten hinausgegeben werden könnten.

Staatsminister Dr. Zorn bezeichnet dies als ziemlich schwierig. Die Sache müsse organisatorisch genau durchgedacht werden, damit keine Doppelversorgung erfolge.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, man solle sich jetzt nicht in Einzelheiten verlieren. Ihm komme es darauf an zu wissen, daß solche Sonderzuteilungen möglich und bereits in Gang gesetzt seien. Über Einzelheiten solle erst berichtet werden, wenn sich die beteiligten Ministerien geeinigt hätten.

Staatsminister Dr. Zorn weist darauf hin, daß sich Würzburg darüber beklage, daß es keine Reifen erhalte. Zuständig sei aber hier nicht das Wirtschaftsministerium, sondern das Verkehrsministerium. Die Straßenverkehrsdirektionen arbeiteten sehr souverän. So habe z.B. Forchheim 1800 Reifen bekommen, Würzburg dagegen nur 4.

Ministerpräsident Dr. Ehard bemerkt hierzu, auch er habe den Eindruck, daß die Straßenverkehrsdirektion sich als Reichsbehörde fühle, und daß sie auch auf sehr begründete Zuschriften des Ministerpräsidenten überhaupt nicht oder nur schlecht reagiere. Er werde noch eine Zeit lang Zusehen, müsse aber heute schon darauf aufmerksam machen, daß, wenn es richtig sei, daß die Straßenverkehrsdirektion diesen Standpunkt einnehme, diese eines Tages etwas anderes von ihm hören werde.

Staatsminister Frommknecht erwidert, er beabsichtige, die Straßenverkehrsdirektion als besonderes Amt aufzulösen und als Abteilung seinem Ministerium zu unterstellen.

Ministerpräsident Dr. Ehard wiederholt, er lasse sich das nicht bieten, daß eine kleine Stelle da sitze und sich überhaupt nicht um die bayerische Verwaltung kümmere.

Staatsminister Roßhaupter fügt hinzu, die Einstellung dieser Ämter scheine ganz allgemein zu sein. Als er von einer Konferenz von Hamburg zurückgekommen sei, sei er sowohl bei Frankfurt als auch bei Ulm angehalten und nach seinem Fahrbefehl gefragt worden. Als er die vom Ministerpräsidenten Unterzeichnete Sonntagsgenehmigung vorgezeigt habe, sei ihm erklärt worden, dies gehe die Kontrolle garnichts an, die Fahrtgenehmigung müsse von der Straßenverkehrsdirektion erteilt werden; auch der Verkehrsminister habe nichts zu sagen, maßgebend sei nur die Straßenverkehrsdirektion. Er habe die größte Mühe gehabt, weiter zu kommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, ihm sei dasselbe passiert; er habe auf diesen Einzelfall nicht hinweisen wollen, sondern die allgemeine Praxis der Straßenverkehrsdirektion im Auge gehabt.

[XIII.] Maximilianeum

Staatsminister Dr. Hundhammer berichtet, das Kuratorium der Maximilianeumsstiftung weigere sich, das Maximilianeum zu räumen und in Kaufverhandlungen einzutreten.30 Das letztere könne man etwas zurückstellen. Er halte es aber für notwendig, von der ersten Tatsache den Ministerrat zu unterrichten. Den Kuratoriumsbeschluß habe er noch nicht bekommen. Es sei aber notwendig, daß sich der Ministerrat einmal mit der Angelegenheit befasse und der Ministerpräsident mit dem Innen- und Kultusministerium eine Vereinbarung treffe. Es gehe nicht an, daß ein Kreis von 10 oder 12 Leuten den Fortgang der Fertigstellung des Landtagsgebäudes aufhalte; in Wirklichkeit seien es noch weniger. Er schlage vor, daß das Innen- und Kultusministerium ermächtigt werde, das Notwendige zu veranlassen.

Ministerpräsident Dr. Ehard meint, es solle doch ein gütlicher Ausgleich erzielt werden. Jedenfalls solle man keine gesetzliche Regelung treffen.

Staatssekretär Fischer erklärt, man sei an den Bauarbeiten absolut gehemmt; es müsse raschestens eine Entscheidung getroffen werden.

Staatsminister Dr. Zorn erkundigt sich, wie die rechtlichen Verhältnisse seien.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, Eigentümer des Maximilianeums sei eine Stiftung, die aber kein Geld mehr habe und von Staatszuschüssen lebe.

Staatssekretär Fischer bestätigt dies. Mit dem Reichsleistungsgesetz könne man an das Gebäude nicht heran. Man habe die Hoffnung gehabt, eine vernünftige Lösung zu finden; so könne man nicht mehr Weiterarbeiten.

Ministerpräsident Dr. Ehard wiederholt, daß er auf eine friedliche Lösung hoffe.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, juristisch sei die Sache sehr schwierig; man könne der Stiftung nur die Staatsmittel entziehen, dann sitze sie auf dem Trockenen.

Staatssekretär Fischer fügt hinzu, man habe der Stiftung doch versprochen, ihr im Laufe der Jahre ein neues Gebäude zu errichten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt abschließend, die Angelegenheit müsse noch einmal besprochen werden.31

[XIV.] Mitwirkung der Betriebsräte hei Beamtenernennungen und Beförderungen

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, in der öffentlichen Sitzung des Landespersonalamtes vom 16. 7. 1947 habe Generalsekretär Reuter32 der Gewerkschaften anläßlich eines Beförderungsantrags erklärt, er werde erst dann Stellung nehmen, wenn vorher eine Stellungnahme des Betriebsrats der Dienststelle des Beamten vorliege.33 Er müsse allgemein verlangen, daß bei allen Personalangelegenheiten jeweils der Betriebsrat gehört werden müsse. Die Notwendigkeit hierzu ergebe sich aus dem Kontrollratsgesetz über die Betriebsräte.34 Es handle sich um eine grundsätzliche Forderung der Gewerkschaften, von der sie nicht abgingen. Reuter habe formell den Antrag gestellt auf Abstimmung über seine Forderung und habe vorher erklärt, er werde aus dem Landespersonalamt ausscheiden, wenn sein Antrag abgelehnt werde. Der Vorsitzende des Landespersonalamtes35 habe Reuter erwidert, daß die Mitwirkung der Betriebsräte in diesem Umfang gar nicht in Frage komme, weil sie im Gesetz nicht vorgesehen sei. Daraufhin habe Reuter erwidert, er verlange keine Mitbestimmung, aber eine Mitwirkung.36 Reuter habe daraufhin die Sitzung verlassen,37 nachdem er vorher schon einen Zusammenstoß mit dem Generalsekretär des Landespersonalamts38 gehabt habe.39 Es handle sich hier um eine Sache grundsätzlicher Art, ob man bei allen Beförderungen dem Betriebsrat eine Zuständigkeit einräumen solle, die er auf Grund der jetzigen Bestimmungen zweifelsfrei nicht habe. Hinzu komme, daß die Betriebsräte, deren Ausdehnungsbedürfnis übrigens sehr groß sei, überwiegend unter kommunistischem Einfluß stünden. Schon dies sei ein Grund, den Betriebsrat auf den Kreis zu beschränken, der ihm zustehe. Wie solle man nun weiter verfahren? So gehe es jedenfalls nicht, daß jemand sage, was im Gesetz stehe, sei ihm gleich; wenn sein Antrag nicht durchgehe, verlasse er das Gremium. Dieses Arbeiten mit Drohungen scheine ihm nicht ganz das Richtige zu sein. Er würde es sehr bedauern, wenn dieser Ton allgemein einreißen würde.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt, Metz habe ihm über seinen Zusammenstoß mit Reuter schon berichtet; dieser scheine ihm nicht von besonderer Bedeutung. Bezüglich der Mitwirkung der Betriebsräte habe er in dieser Woche die Frage schon selber exerciert mit dem Landesfinanzpräsidenten von Nürnberg. Dort hätten sich Dinge herausgestellt, die vollkommen unzuträglich gewesen seien. Der Betriebsrat sei so weit gegangen, daß er die ganze Behörde beherrscht hätte. Er halte die Einrichtung des Betriebsrats für sehr gut im Rahmen seiner Zuständigkeiten. Der Betriebsrat solle die Meinungen des Personals den Vorgesetzten mitteilen, auf Mißstände aufmerksam machen, unwürdige Elemente ausmerzen helfen, auch bei der Denazifizierung könne er mitarbeiten; in erster Linie solle er sich aber auf die soziale Seite werfen. Es gehe nicht, daß durch die Betriebsräte der Staatsaufbau geändert werde. Er habe sich die Herren von Nürnberg kommen lassen und habe die Sache in Güte beigelegt. Er hoffe, daß er in seinem Bereich die Dinge auf eine Linie gebracht habe, mit der man einverstanden sein könne. Die Forderung Reuters im Landespersonalamt gehe aber entschieden zu weit. Hierfür fehle jede gesetzliche Grundlage. Man könne den Betriebsrat nicht bei jeder Beförderung fragen. Er sei für jeden Ratschlag dankbar. Die Entscheidung müsse er sich aber selbst Vorbehalten; er trage auch die Verantwortung gegenüber dem Landtag. Es gehe nicht an, wenn die Gewerkschaften und Betriebsräte Entscheidungen träfen oder erzwängen, die der Minister treffen müsse.

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, dies würde auch eine völlige Verschiebung der Verantwortlichkeit bedeuten.

Staatsminister Dr. Kraus fährt fort, in Nürnberg, wo die Kommunisten das Wort führten und die anderen sich terrorisieren ließen, sei es vorgekommen, daß ein Betriebsrat in einer Versammlung einen Abteilungspräsidenten so heruntergerissen habe, daß dessen Autorität erschüttert sei. Das könne man nicht zulassen. Der Betriebsrat habe beschlossen, daß ein Beamter nicht mehr tragbar sei. Das habe aber nicht der Betriebsrat zu entscheiden; er könne wohl sein Urteil abgeben, aber nicht in der Weise, daß die Autorität erschüttert werde.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es gebe eine große Reihe von Beförderungen, an denen der Betriebsrat gar kein Interesse haben könne. Es bahne sich jetzt eine Entwicklung an, bei der man dahin komme, wie es beim Nationalsozialismus gewesen sei und jetzt in der Ostzone sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner ist der Meinung, daß kein Anlaß bestehe, über die jetzigen gesetzlichen Bestimmungen hinauszugehen. Das Beamtenverhältnis sei kein gewöhnliches Arbeitsverhältnis nach Zivilrecht, sondern ein solches eigener Art mit bestimmten Voraussetzungen. Die geschichtliche Entwicklung und der Inhalt des Beamtenverhältnisses seien ganz andere. Wie wolle denn ein Betriebsrat, in dem überdies die Beamten meistens ausgeschaltet seien, eine solche Entscheidung treffen? Ein Hausmeister könne nicht entscheiden, ob ein Oberlandesgerichtsrat reif sei zur Beförderung zum Senatspräsidenten. In der Verfassung stehe, daß die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht in den die Arbeitnehmer berührenden Angelegenheiten hätten. Dazu gehörten die sozialen Einrichtungen, die Arbeitszeit, aber nicht die Frage, ob ein bestimmter Beamter befördert werden solle oder nicht oder ob er in ein Ministerium berufen werden solle. Diese Entscheidung könne man sich nicht aus den Händen winden lassen, wenn nicht die ganze staatliche Ordnung über den Haufen geworfen werden solle. Für diesen Zweck sei ja das Personalamt da; man könne aber nicht eine Stelle einschalten, für die es an jeder gesetzlichen Handhabe fehle.

Staatsminister Frommknecht erklärt, er habe kürzlich schon darauf hingewiesen, daß bei der Wiedereinstellung von höheren Beamten der Eisenbahn der Hauptbetriebsrat in Bielefeld gefragt werden müsse. Dort lägen die Sachen dann wochenlang herum; dies sei ein Unding.

Staatssekretär Sachs berichtet von seinen Erfahrungen als Mitglied des Personalausschusses des Stadtrats Nürnberg. Auch dort hätten die Gewerkschaften versucht, sich einen Einfluß zu sichern. Bis auf die Vertreter der KPD im Ausschuß40 seien sich aber sämtliche Mitglieder einig gewesen, daß dieser Ausschuß in Bezug auf Beförderungen in gar keiner Weise auf die Meinung der Gewerkschaften Rücksicht nehmen könne. Auch der Stadtrat habe einstimmig so beschlossen. Es habe dort absolutes Entsetzen erregt, in welcher Weise der Betriebsrat beim Finanzpräsidenten eine Nebenregierung aufgebaut habe.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es als das Schlimmste, daß es sich hier um Leute handle, die nicht verantwortlich seien. Man könne heute aber noch keine Entscheidung treffen; er könne noch nicht überblicken, ob es sich nicht nur um einen übersteigerten Anspruch des Herrn Reuter handle oder ob die Gewerkschaften selbst dahinter stünden. Dies müsse noch geklärt werden. Er habe einmal mit dem Ministerrat darüber reden wollen, damit eine einheitliche Stellung eingenommen werde. Er werde jedenfalls den bisherigen Standpunkt weiter einnehmen und könne sich dabei auf die Meinung des Ministerrats stützen.

[XV.] Stimmführung im Sonderausschuß des Länderrats zur Vorbereitung des Wiedergutmachungsgesetzes

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus, der Länderrat habe am 1.7. die Einsetzung eines Sonderausschusses beschlossen, der das endgültige Wiedergutmachungsgesetz vorzubereiten habe. Bei diesem Ausschuß liege insofern eine Besonderheit vor, als nicht je ein Vertreter der Länder abstimmen solle, sondern je ein Vertreter des Justiz- und Finanzministeriums jeden Landes. Hessen und Württemberg-Baden hätten diesem Vorschlag bereits zugestimmt. Es werde vorgeschlagen, daß auch in Bayern beide Ministerien im Ausschuß stimmberechtigt sein sollten.

Dieser Vorschlag wird einstimmig angenommen.

[XVI.] Fall Loritz41

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner berichtet kurz über den Fall Loritz. Loritz habe seit seiner Verhaftung nichts gegessen.42 Sein Verteidiger habe angeregt, ihn in eine Klinik zu bringen und habe bereits im Karolinum ein Zimmer für ihn ausgesucht. Er (Dr. Hoegner) habe angeordnet, daß Loritz die beste Zelle erhalten solle und unter ständiger ärztlicher Bewachung stehe. Weiter habe er eine Untersuchung durch zwei Fachärzte wegen Herzleidens und Nervenleidens veranlaßt. Heute früh habe er die beiden Gutachten bekommen: Loritz sei weder herz- noch nervenkrank.43 Er sei auch haftfähig. Auf Zureden des Arztes habe er auch wieder etwas Nahrung zu sich genommen. Es handle sich um keinen Hungerstreik, Loritz habe nur behauptet, daß er keinen Appetit habe. Sein Gesundheitszustand sei aber so, daß er vorerst haftfähig sei.

Staatsminister Dr. Hagenauer bezeichnet es als unzweckmäßig, wenn Loritz öfter im Gefängnis fotografiert werde.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erwidert, die Amerikaner hätten sich im Gefängnis eingeschlichen und hätten ihn photografiert; dies sei nicht zu verhindern gewesen.44

Ministerpräsident Dr. Ehard fügt hinzu, daß er selbst einem amerikanischen Korrespondenzbüro gesagt habe, er halte es nicht für angebracht, solche Sensationsbilder zu machen.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt noch, das Personal des Gefängnisses habe sich gewehrt und habe dem Fotographen den Film wegnehmen wollen; dieser habe sich dann als Amerikaner legitimiert. Er bedauere die Sache selbst sehr und habe auch den Besuch von Presseleuten verboten. Angehörige hätten zu Loritz selbstverständlich Zutritt.

[XVII.] Kohleversorgung der Universität München45

Staatssekretär Dr. Sattler führt aus, die Situation sei in diesem Jahre anders, weil die Winterferien wesentlich ausgedehnt seien. Trotzdem müsse ein Teil der Universität geheizt werden. Die Kohlenlage sei heuer wesentlich prekärer als im letzten Jahr. Notwendig seien 150 bis 160 t oberbayerische Kohle. Die Landeskohlenstelle würde diesen Betrag zuteilen, wenn der Ministerrat zustimme.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, seines Erachtens könne hier nicht eine vorzugsweise Behandlung beschlossen werden. Bei den Ministerien sei die Lage genau so. Er lehne es ab, wie im letzten Winter 2 oder 3 Monate in einem Eiskeller zu arbeiten. Das könne man schon mit Rücksicht auf die Beamten nicht mehr verantworten. Er meine, man solle gleichmäßig Vorgehen; selbstverständlich sei er dafür, daß auch die Universität etwas bekomme.

Staatssekretär Dr. Sattler erklärt, bei der Universität handle es sich nur um eine Notbeheizung. Wenn die Kohlen jetzt zugewiesen würden, könne die Entladung leicht durch die Bautrupps durchgeführt werden.

Staatsminister Dr. Zorn führt aus, die Kohlendecke sei einfach zu klein. Auch wenn an der Ruhr mehr gefördert würde, bringe man die Kohlen nicht nach Bayern. Mit der Neuerschließung von Schächten in Bayern sei auch nicht viel gewonnen. In den nächsten Tagen bekomme er von Höltermann einen Bericht über die Gesamtsituation. Er werde dann entsprechende Vorschläge machen.

Ministerpräsident Dr. Ehard schlägt vor, daß sich das Kultusministerium mit dem Wirtschaftsministerium in Verbindung setzen solle, damit ein entsprechender Plan gemacht werde.

Staatsminister Dr. Hundhammer weist auf die Beheizung des Collecting Point46 hin.

Staatssekretär Dr. Sattler bemerkt hierzu, hier handle es sich um 700 t Kohlen. Im letzten Jahr seien die Abfallrohre eingefroren, so daß Tausende von Büchern beschädigt oder vernichtet wurden. Im südlichen Gebäude sei der wertvollste Besitz, den Bayern überhaupt habe, untergebracht. Die Amerikaner hätten nun erklärt, wenn wir nicht imstande seien zu heizen, sehen sie sich gezwungen, die wertvollsten Gegenstände nach Amerika zu schaffen. Ob und wann wir sie dann wiedersähen, wisse er nicht. Diese Blamage könnten wir uns nicht antun.

Staatsminister Dr. Zorn erklärt, in dieser Richtung habe er bereits mit Staatssekretär Dr. Sattler gesprochen. Die Landesstelle werde hierfür 700 t aufbringen. Es werde aber doch noch mehr gebraucht.

Staatssekretär Dr. Sattler erwidert, 700 t würden für das südliche Gebäude benötigt. Wenn für das nördliche Gebäude nichts geliefert werde, werde es diesen Winter wieder einfrieren.47 Es sei nur oberbayerische Kohle notwendig. Er werde sich wegen dieser Sache auch mit dem Wirtschaftsministerium unmittelbar in Verbindung setzen.

[XVIII.] Rechtsstellung der jüdischen Verschleppten

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt einen Brief des Staatskommissars für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten vom 11. Juli 1947 mit. Dieser habe am 29. April 1947 in einer Eingabe an die Militärregierung geschrieben. Die weitere Schwierigkeit bestehe darin, daß die jüdischen DP's sich nicht als unter das deutsche Gesetze gestellt betrachteten und es für eine geordnete deutsche Verwaltung außerordentlich schwerwiegend wäre, mit einer privaten Verwaltung arbeiten zu müssen, die einen Staat im Staate bilde. Daraufhin habe die Militärregierung am 9. 7. 1947 geantwortet, daß der Prüfungssachbearbeiter von OMGUS, dem der Bericht vom 29.4. zugeleitet worden sei, darauf hingewiesen habe, daß die Feststellung, wonach jüdische Verschleppte deutschen Gesetzen nicht unterstehen, auf einem Gerücht beruhe. Die jüdischen Verschleppten unterstünden also entgegen allen Mitteilungen und Anordnungen den deutschen Gesetzen.

Staatssekretär Dr. Lacherbauer meint, daß es sich in dem Bericht vom 29.4. um eine Verallgemeinerung handle, nur Nachforschungen deutscher Polizei in den Lagern seien verboten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er habe jedenfalls dieses Schreiben einmal bekanntgeben wollen.

Staatsminister Dr. Baumgartner erklärt, bei ihm sei das bereits praktisch durchgeführt auf Befehl der Militärregierung. Juden auf bayerischen Höfen müßten jetzt genau so behandelt werden wie die Deutschen und müßten genau so abliefern.

Staatssekretär Sachs berichtet von Nürnberg folgendes Kuriosum: Er habe stets beansprucht, daß die Juden deutscher Staatsangehörigkeit den deutschen Strafgesetzen unterliegen müssen. Dies sei auch akzeptiert worden mit der durch das Gesetz Nr. 248 gebotenen Ausnahme. Nun habe der Gefängnisoffizier in Nürnberg verboten, daß Juden in deutsche Gefängnisse aufgenommen würden. Das Gefängnis für Polen und DP's habe sich aber auch geweigert, sie aufzunehmen, weil sie deutscher Staatsangehörigkeit seien, so daß die Haftbefehle nicht vollstreckt werden könnten.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß diese Angelegenheit dem Justizministerium zugeleitet werden solle zur Prüfung, inwieweit eine Unterstellung unter die deutschen Gesetze vorhanden sei. Eine Ausnahme gelte sicher für das Strafrecht und für polizeiliche Zwangsmaßnahmen.

[XIX.] Unterbringung der bayerischen Vertretung in Frankfurt

Staatsminister Dr. Pfeiffer führt aus, daß die Verlegung aller bizonalen Ämter nach Frankfurt einen sehr großen Bedarf an Gebäuden mit sich bringe. Es müßten etwa 4 bis 5000 Familien und 2000 Einzelpersonen untergebracht werden. Die Tendenz zum Zentralismus sei schon deutlich sichtbar. Umso wichtiger sei es, daß die Ländervertreter im Exekutivausschuß den notwendigen Apparat im richtigen Umfang zur Verfügung hätten. Die zuständigen Stellen in Frankfurt seien bestrebt, jedem der 8 Bevollmächtigten eine Ruine zur Verfügung zu stellen, die von den Ländern dann ausgebaut werden müsse. Für Bayern komme ein sehr gutes Gebäude in Betracht,49 das noch zu 60% erhalten sei. Es stehe im Eigentum der Stadt Frankfurt; es sei noch nicht entschieden, ob diese Häuser verkauft würden, und wer die Instandsetzung zu bezahlen habe. Es sei aber notwendig, daß dies sofort in Angriff genommen werde. Man brauche eine Verfügungsmöglichkeit über einige 100000 RM, um dieses Gebäude auszubauen. Das Landesarbeitsamt Nürnberg stelle ein Kontingent von Facharbeitern zur Verfügung für die ganze Instandsetzung in Frankfurt. Hiervon würden dann die notwendigen Personen abgezweigt. Aus einem für Frankfurt bereitgestellten Sonderkontingent von Baumaterial werde sofort das notwendige Material zur Verfügung gestellt. Eine Baufirma habe sich bereit erklärt, das Gebäude in 90 Tagen bezugsfertig zu machen. Es müsse also nur noch ein Fonds von einigen 100000 RM zur Verfügung gestellt und von Bayern ein bauleitender Architekt nach Frankfurt geschickt werden. Wie die Sache im einzelnen finanztechnisch gemacht werden solle, wisse er nicht; es handle sich aber darum, das jetzige Wetter noch auszunützen. Im ganzen ergebe sich auf alle Fälle, daß bei der Endregelung das Gebäude in unser Eigentum übergehe und wir nur das jetzt vorhandene zu bezahlen hätten oder daß uns dann die aufgewendeten Beträge zurückvergütet würden. Diese Rechtsfragen habe man in der kurzen Zeit nicht regeln können; man müsse jetzt aber auf alle Fälle unbedingt Handlungsfreiheit für Seelos herstellen.

Staatsminister Dr. Kraus meint, mit Frankfurt müsse eine Vereinbarung getroffen werden; man könne nicht ins Blinde hinein handeln, und hintennach sage Frankfurt, das Objekt gehöre der Stadt. Er frage Staatssekretär Fischer, ob er die Oberleitung übernehmen könne, und ob er für diese Zwecke Mittel in seinem Haushalt habe.

Staatssekretär Fischer erwidert, auch er halte es für notwendig, einen beamteten Architekten dort hinzuschicken; aber wenn es sich um größere Ausgaben handle, müsse er noch einmal mit dem Finanzminister sprechen. Vorschußweise könne er Mittel zur Verfügung stellen.

Staatsminister Dr. Kraus erklärt sich dann vorbehaltlich der Klärung der Rechtsfragen mit dem Vorschlag einverstanden. Er bitte aber darum, noch etwas Näheres über die Ausmaße des Gebäudes zu erfahren. Es sei doch auch von Interesse ob es sich nur um ein Dienstgebäude handle oder ob darin auch Wohnungen vorhanden seien. Wir hätten alles Interesse daran, daß die Dinge in Frankfurt gut gingen.

Staatssekretär Fischer sichert zu, daß er in den nächsten Tagen einen Architekten nach Frankfurt schicken werde, der dann referieren könne. Er bitte nur um die Ermächtigung, sofort beginnen-zu dürfen.50

Staatsminister Dr. Zorn erklärt, dies halte er nur dann für möglich, wenn das Haus wirklich in das Eigentum des bayerischen Staates übergehe; blindlings losbauen solle man nicht.

Staatsminister Dr. Pfeiffer fährt fort, vorerst habe man keine Möglichkeit, die Mitarbeiter von Seelos so unterzubringen, daß sie voll arbeitsfähig seien. Es bestehe aber die Möglichkeit, daß Seelos einige Holzhäuser erwerben könne, wie sie von der Exportschau gezeigt würden.51 Die Stadt Frankfurt stelle Gelände zur Verfügung. Ein solches Holzhaus koste 20 bis 30000 RM, es käme dann noch der Transport dazu; im ganzen würden etwa 400 000 RM benötigt. Er wolle dies nur einmal hier mitteilen; er habe bis jetzt keine Möglichkeit gehabt, die Dinge näher zu behandeln. Es sei jedoch von allergrößter Wichtigkeit, daß die bayerische Vertretung möglichst bald in geordneten Verhältnissen arbeiten könne, da sie sehr bedeutende Aufgaben haben werde.52

Staatssekretär Fischer erklärt, er werde sich deswegen sofort mit der Firma Holzmann in Verbindung setzen.

Staatsminister Dr. Zorn weist darauf hin, daß die Häuser von der Exportschau nur 7 bis 12000 RM kosteten.

Staatsminister Dr. Pfeiffer erwidert, es handle sich hier um einen größeren Typ. Er habe auch lieber eine höhere Zahl genannt als eine zu niedrige.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß entsprechend den beiden Vorschlägen gehandelt werden könne; das Finanzministerium werde entgegenkommen, soweit es gehe.

[XX.] Zustände im Sonderministerium und Stand der Entnazifizierung

Staatsminister Dr. Hagenauer führt aus, er halte es für notwendig, dem Ministerrat einen Überblick über die Zustände im Sonderministerium und über den Stand der Entnazifizierung bei seiner Amtsübernahme zu geben. Bei seiner Amtsübernahme sei bei einem Personalstand von 360 Köpfen im Ministerium ein einziger höherer Berufsbeamter vorhanden gewesen. Alles andere seien Vertragsangestellte. Der einzige Beamte sei ein Volksdeutscher aus Rumänien, der bis 1940 in der rumänischen Polizei tätig gewesen sei. Dann sei er im Polizeipräsidium München gewesen und von diesem dem Sonderministerium abgegeben worden. Er habe nicht die Fähigkeit, eine solche Behörde einigermaßen zu leiten. Seit Monaten seien wichtigste Stellen unbesetzt, die ganze Arbeit sei liegen geblieben. An Stelle der ausgeschiedenen Herren Herde,53 Hechtel und Erber54 habe Loritz einen kleinen Angestellten Schulz zum Leiter des Ministerbüros ernannt, der die Sache aus dem Handgelenk erledigt oder nicht erledigt habe. Auf seinem Schreibtisch seien 1677 unerledigte Schreiben vorgefunden worden. Die Zustände spotteten jeder Beschreibung. Jeder kleine Angestellte, der ein Schriftstück in die Hand bekommen habe, habe dieses bearbeitet, unterzeichnet und hinausgeschickt. So habe ihm der Arbeitsminister ein Schreiben in die Hand gedrückt, das eine sehr wichtige und grundsätzliche Frage behandelt habe, nämlich die des politischen Wohnraums, das von einem ungeprüften Rechtspraktikanten unterschrieben worden sei. Er habe diesen inzwischen beurlaubt, da ihm alle Qualifikationen für ein solches Amt fehlten. Ein 23-jähriger Vertragsangestellter habe die Angelegenheiten des mittleren Personals bei den Spruchkammern bearbeitet. Es verhandle jeder mit der Militärregierung und man erfahre nichts davon. Es bestünden keine Generalakten.55 Dieser Begriff sei dort völlig unbekannt. Loritz habe seine Anordnungen entweder mündlich oder telefonisch gegeben; das werde er selbstverständlich abstellen. Die Dinge könnten auf die Dauer nicht so weiter gehen; es sei aber auch nicht möglich, sie von heute auf morgen zu ändern. Zunächst müsse ein ausreichendes Personal geschaffen werden, vor allem an höheren Beamten und hier wieder an Juristen. Er könne noch keine Zahl nennen. Wenn diese Juristen aber nicht beigebracht würden, sei es unmöglich, das Durcheinander auszuräumen. In der Rechtsabteilung sei nur Präsident Schullze56 von der Berufungskammer; dieser sei überlastet. Er habe schon mit Hertle gesprochen. Dieser sei bereit zurückzukehren; auch Hechtel und Erber seien dazu bereit.57 Er brauche aber für die Rechtsabteilung noch mehr geeignete Leute. Der Kassationshof habe 8000 Rückstände.58 Im Monat fielen durchschnittlich 2000 Sachen an; erledigt würden durchschnittlich 200. Wenn man den Termin vom 1. 4. 1948 für die Beendigung der Entnazifizierung59 zugrundelege, seien dann bis dahin 24 000 Rückstände beim Kassationshof, für deren Aufarbeitung man 10 Jahre brauche. Das sei unmöglich. An den Kassationshof müßten mindestens 10 qualifizierte Richter kommen. 10 seien schon dort, von diesen seien aber nur 5 einsatzfähig.60 Die meisten seien über 70 Jahre alt. Die Arbeitsleistung sei unbefriedigend, nicht weil die Leute arbeitsunwillig wären, sondern weil sie eben nicht mehr leistungsfähig seien. Sie bekämen zu ihrer Pension auch nur die Ministerialzulage von RM 70.-. Dies sei natürlich auch kein Anreiz, in diesem hohen Alter noch eine so schwere Arbeit auf sich zu nehmen. Auch hier müßte Wandel geschaffen werden. Die Stelle des Generalklägers sei seit dem Ausscheiden von Dehler nicht mehr besetzt worden.61 Es seien nur zwei Staatsanwälte da, die aber nicht dazu kämen, wie es erforderlich sei, zu den Entscheidungen Stellung zu nehmen. Sie müßten sich auf die Dienstaufsicht beschränken. Auch die Verhältnisse bei den Berufungskammern seien unbefriedigend. Zur Aufarbeitung der bei der Berufungskammer Oberbayern vorhandenen Rückstände seien allein 5 Jahre notwendig. Der utopische Termin vom April 1948 sei geradezu ein Fantasieprodukt. Die Verhältnisse bei den Berufungskammern lägen überhaupt sehr im argen. In München sei es noch am besten. In Würzburg sei überhaupt noch keine Berufungskammer,62 in Augsburg stehe sie nur auf dem Papier. In Regensburg sei die Tätigkeit zwar schon angelaufen; es scheine dort aber nicht viel gearbeitet zu werden. Die Berufungskammern seien außerordentlich wichtig, erstens weil jeder, der zu Arbeitslager verurteilt werde, sofort zu verhaften sei, obwohl die Spruchkammerentscheidungen zum großen Teil sehr anfechtbar seien. Infolgedessen sei es notwendig, daß sehr bald entschieden werde, ob die Verhaftung zu unrecht erfolgt sei. Nun sei es auf Grund der bekannten Weisung der Amerikaner nicht so, daß wie im Strafprozeß, die Haftfrage getrennt von der Schuldfrage entschieden werden könne. Zweitens müßten die Berufungskammern die Spruchkammern führen, die ganz sich selbst überlassen seien. Die meisten Spruchkammern stünden nur auf dem Papier. Sie seien nicht arbeitsfähig, da die Spruchkammermitglieder von Loritz auf der Straße zusammengekratzt worden seien und keine Ahnung von der Materie hätten. Er müsse auch an dieser Stelle darauf hinweisen, daß darauf gesehen werden müsse, daß alle Bevölkerungskreise sich zur Mitarbeit zur Verfügung stellen müßten. Man dürfe diese Tätigkeit nicht den arbeitslosen Elementen überlassen, die schon unter Schmitt63 hineingekommen seien und eine bestimmte politische Richtung verfolgten.64 Alle Kreise der Bevölkerung müßten herangezogen werden. Ein besonderes Kapitel bildeten die Arbeitslager. Es sei ihm noch nicht gelungen, hier einen Einblick zu bekommen. Staatssekretär Sachs habe sich aber bereit erklärt, diese Sache zu übernehmen.65 Es fehle an geeigneten Lagerleitern. Die meisten seien WAV-Leute. Ganz unzulänglich seien auch die Wachmannschaften, sowohl zahlenmäßig als auch charakterlich. Sie hätten sich eine Uniform ähnlich der Landpolizei beigelegt und gäben sich als Landpolizei aus, was zu einem Protest von Godin geführt habe. Sie seien vollkommen disziplinlos, kämen am Montag einfach nicht zum Dienst, so daß die Arbeitskommandos nicht ausrücken könnten. Die Zustände in den Lagern erforderten auch sofort Maßnahmen. In den Lagern seien über 30000 Personen untergebracht.66 Die Abteilung für Arbeitslager werde von einem bisherigen Vertragsangestellten des Ernährungsamtes der Stadt München geleitet,67 der schon allein äußerlich einen ungeeigneten Eindruck mache. Wenn man diese Abteilung mit der Gefängnisabteilung des Justizministeriums vergleiche, die viel mehr Personal und dazu noch geschultes habe, dabei weniger Gefangene zu betreuen habe, sei schon zu ersehen, welche unendlich schwere Aufgabe zu leisten sei. Es sei vollkommen undenkbar, das ohne geeignete Leute zu bewältigen. In personeller Beziehung wolle er heute noch keine bestimmte Forderung stellen. Er müsse aber darauf aufmerksam machen, daß es ein blutiger Ernst sei, wenn er mit Forderungen an die anderen Ministerien herantrete, und daß er dabei keineswegs vorbiete. Er bitte deshalb dringend, diesen Forderungen nachzukommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, daß man dem Sonderministerium die denkbar größte Unterstützung nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zukommen lassen müsse. Loritz habe immer wieder erklärt, unsere Statistik sei ausgezeichnet, es gehe alles wunderbar, bis zum 31.3.48 sei alles restlos erledigt.68

Staatssekretär Sachs führt aus, er schließe sich diesem Appell seines Ministers an. Die Lager stellten die größtmögliche sittliche und politische Blamage für uns dar, die wir überhaupt aufweisen könnten. Sämtliche Gesetze von Recht und Sittlichkeit würden verletzt. Minister Pfeiffer habe ihn im September vorigen Jahres nach Württemberg und Hessen zur Beobachtung der dortigen Zustände gesandt. Auf Grund dieser Erfahrungen habe Minister Pfeiffer versucht, diesen ungeheuerlichen Zuständen ein Ende zu bereiten. Wie die Sache im besten Aufbau gewesen sei, sei Minister Pfeiffer abberufen worden. Was Minister Pfeiffer bei seinem Amtsantritt vorgefunden habe, sei noch herrlich gewesen gegen das, was jetzt vorliege. Er habe mit Loritz nicht nur Differenzen gehabt wegen der Sache Papen,69 sondern wegen seiner Berichte über die Zustände in Langwasser. Er habe dies auch den Amerikanern gesagt, als diese die Anordnung gegeben hätten, daß nicht rechtskräftige Urteile der Spruchkammer vollstreckt werden müßten.70 Schuld daran seien die Spruchkammern, welche die Leute zu Arbeitslager verurteilt hätten. Er sei damals ohne jeden Auftrag in das Lager Langwasser gekommen. Wenn man die dortigen Zustände gesehen habe, habe man an der Demokratie verzweifeln müssen; ohne jede Vorbereitung habe Loritz die Anweisung erteilt, die Leute zu verhaften. Die Leute seien ohne Kleider, Wäsche usw. dort in 3 Baracken untergebracht worden. Nur eine sei von der SS, die sich die größte Mühe gegeben habe, hergerichtet worden. Eine Baracke sei in einem Zustand gewesen, daß man sie filmmäßig für eine Konzentrationslagerbaracke verwenden könne. Die Baracke sei im Winter ohne Fenster gewesen; er habe deswegen zwei Fernschreiben an Loritz gesandt. Es seien dort Leute eingeliefert worden, die überhaupt nicht verurteilt gewesen seien. Im Sonderministerium habe man einen Bankrott übernommen, der nur mit Unterstützung sämtlicher Ministerien behoben werden könne. Wichtig sei vor allem die Heranziehung von Richtern für die Berufungskammern. In Nürnberg lägen allein 120 Haftfälle, in Würzburg 180 Haftfälle, die nicht bearbeitet werden könnten. Es handle sich hier nur um winzige Ausschnitte. Es habe ihn die größte Überwindung gekostet, sich überhaupt zu beteiligen. Wenn es so weitergehe, untergrüben wir unseren Staat in der furchtbarsten Weise. Es genüge nicht, dies immer zu wiederholen. Das Gleiche habe man schon im September vorigen Jahres gesagt. Es sei aber nichts geschehen. Jede Behörde habe sich eigensüchtig verschlossen. Er bitte insbesondere den Finanzminister, in seiner Verwaltung einmal nachzuschauen, ob er keine Leute entbehren könne. In Nürnberg säßen genug Oberregierungsräte in der Finanzverwaltung, die für die Berufungskammern in Betracht kämen. Er richte einen sittlichen und politischen Appell an sämtliche Regierungsmitglieder, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Ministerpräsident Dr. Ehard kann diese Ausführungen nur unterstreichen. Man habe sich darüber schon des öfteren sehr ernst zu unterhalten gehabt. Auch als Loritz gekommen sei, sei der Versuch gemacht worden, ihn zu unterstützen; dieser habe aber die Leute, soweit sie nicht von selbst gingen, hinausgeekelt; nicht nur im Ministerium, sondern auch in den Außenstellen. Ein Musterbeispiel sei ja Staatssekretär Sachs selbst.71 Er habe in keinem Ministerium so wenig Einblick erhalten können wie im Sonderministerium. Bis zum Abgang von Loritz sei es ihm nicht gelungen festzustellen, wer dort eigentlich beschäftigt sei. Über Einzelheiten könne man sich heute nicht weiter unterhalten; grundsätzlich müsse man sich aber darüber einigen, daß, wenn konkrete Wünsche kämen, man diese erfüllen müsse, soweit es irgend gehe.

Staatssekretär Dr. Ankermüller schlägt vor zu erwägen, ob es jetzt nicht möglich sei, mit einem Appell an die Öffentlichkeit zu treten und zu sagen, daß man jetzt mit anderen Gedanken und Zielen an die Sache herangehe, um die gutgesinnten Elemente als Beisitzer, Mitarbeiter und auch als Zeugen heranzubringen. Meistens sei es doch so, daß auch bei den Zeugen nur diejenigen kämen, die sich einen Vorteil erstrebten; nicht nur die Beamten könnten es schaffen, sondern das ganze Volk müsse mitarbeiten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, dies werde nur möglich sein, wenn auch bei den Spruchkammern wirklich Recht gesprochen werde. Was jetzt geschehe, sei zu einem geradezu ungeheuerlichen Prozentsatz nackte Willkür und die Verfolgung politischer und wirtschaftlicher Ziele. Dies gelte besonders bei den öffentlichen Klägern. Die Frage des Aufrufes müsse man sich überlegen. Im Augenblick halte er einen solchen nicht für zweckmäßig.72

Staatsminister Dr. Hagenauer bezeichnet einen öffentlichen Appell und die Parole, daß es jetzt ganz anders gehe, als eine gefährliche Sache. Wir seien an das Gesetz gebunden. Solange dieses nicht geändert werde, solange die kleinen Blockwalter nicht Mitläufer werden könnten, könne man der Bevölkerung nichts versprechen. Man könne nicht den Eindruck erwecken, als ob das Steuer ganz herumgeworfen werde. Er sei sich auch im Zweifel, ob man das ganze Durcheinander der Öffentlichkeit schildern solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard verneint dies ebenfalls; man werde eines Tages wohl dem Landtag die Bilanz vorlegen müssen; er bitte dabei aber um eines, daß diese sehr sorgfältig erstellt werde.

Staatssekretär Sachs erklärt, das Erste, was man brauche, sei ein Leiter der Lagerabteilung. Hier komme nur ein Fachmann in Betracht.

Ministerpräsident Dr. Ehard fragt, ob ein solcher vorhanden sei.

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner erklärt, der frühere Leiter Trabert73 wolle nicht mehr.

Staatsminister Dr. Hagenauer erwidert, Trabert sei aber der einzige Mann, der es machen könne. Wenn er dazu befohlen werde, mache er es.74

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt abschließend fest, daß über die Angelegenheit noch einmal geredet werden müsse. Das Sonderministerium solle Vorschläge machen. Ministerpräsident Dr. Hoegner werde von Seiten der Justiz aus alle Unterstützung geben. Bei den anderen Ministerien müsse auch noch eine Auflockerung erfolgen. Im Augenblick könne man nicht mehr veranlassen.75

[XXI.] Gesetz zur Beschaffung billigen Bodens und zur Schaffung von Volksheimstätten76

Ministerpräsident Dr. Ehard führt aus,77 hier handle es sich um den Entwurf eines Herrn Lubahn,78 der geradezu als ein Handlungsreisender in Gesetzentwürfen bezeichnet werde. Dieser Entwurf sei 1946 schon vom Länderrat behandelt worden. Die Militärregierung habe ihn aber abgelehnt. Von irgend einer Seite sei dieser Entwurf nun wieder hervorgezogen worden. Alle Ministerien hätten sich aber dagegen gewendet. Es handle sich nur darum, daß der Ministerrat ebenfalls die Vorlage an den Landtag ablehne.

Dies wird einstimmig beschlossen.

[XXII.] Demontage von Kugelfischer79

Staatsminister Dr. Zorn erkundigt sich, ob entsprechend dem Landtagsbeschluß gegen die Demontage von Kugelfischer beim Kontrollrat protestiert worden sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, er habe einen entsprechenden Brief an General Müller geschrieben. Unmittelbar an den Kontrollrat habe er sich nicht wenden können; dies sei nur über die Militärregierung von Bayern möglich, die die Sache an OMGUS weitergegeben habe.

Staatsminister Dr. Zorn erkundigt sich, ob noch etwas Besonderes veranlaßt oder ob alles getan worden sei.

Ministerpräsident Dr. Ehard bejaht das letztere.

Staatssekretär Krehle bemerkt, auch vom Wirtschaftsrat in Frankfurt sei ein Protest gekommen.

Ministerpräsident Dr. Ehard bezeichnet es in diesem Falle für richtig, wenn möglichst viele Proteste, Entschließungen usw. kämen.

Staatsminister Dr. Zorn erkundigt sich, ob er noch irgend etwas machen solle.

Ministerpräsident Dr. Ehard hält dies nicht für notwendig; sein Brief sei so eingehend und deutlich gewesen, daß zunächst nichts Weiteres unternommen werden könne.80

[XXIII.] Verordnung über die Zusammenführung von Familien

Staatssekretär Dr. Ankermüller teilt mit, in diesen Tagen werde den einzelnen Ministerien ein Verordnungsentwurf über die Zusammenführung von Familien zugehen. Er bitte, hierzu möglichst umgehend Stellung zu nehmen, nach Möglichkeit innerhalb einer Woche.

[XXIV.] Wiederverleihung der Kreisunmittelbarkeit an früher kreisunmittelbare Städte

Staatssekretär Dr. Ankermüller bittet, sich über diese Frage auch einmal Gedanken zu machen. Aus der Praxis würden dagegen Bedenken erhoben, allen früheren kreisunmittelbaren Städten wieder die Kreisunmittelbarkeit zu verleihen.81

[XXV.] Berufung der Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände im Senat

Staatssekretär Dr. Ankermüller führt aus, in dem vom Landtag beschlossenen Senatsgesetz sei festgelegt, daß von den 6 Vertretern der Gemeinden und Gemeindeverbände 2 vom Städteverband, 2 von den Landkreisverbänden und 2 von den mittelbaren Gemeinden gewählt werden sollten. Nachdem der Landkreisverband noch nicht bestehe,82 sei von Staatsminister Seifried der Vorschlag gemacht worden, dessen zwei Sitze auf die Städte und Landgemeinden aufzuteilen.83

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bezeichnet dies als unmöglich; hierzu bedürfe es einer Gesetzesänderung.

[XXVI.] Festspiele in Oberammergau

Staatssekretär Dr. Ankermüller teilt mit, 1950 sollten in Oberammergau wieder Festspiele stattfinden.84 Man müsse sich allmählich die Unterbringungsmöglichkeiten für die Besucher überlegen. Es werde darauf hingewiesen, daß die Grenzgemeinden von Österreich sich schon zur Unterbringung bereit erklärt hätten. Dies stelle eine schwere Konkurrenz für die bayerischen Orte dar. Er rege daher an, ein kleines Komitee einzusetzen.

Ministerpräsident Dr. Ehard erwidert, diese Frage hänge mit der Aktivierung des Fremdenverkehrs zusammen. Dieser Punkt sei heute für einen späteren Ministerrat zurückgestellt. Bei dieser Gelegenheit könne dann auch diese Angelegenheit behandelt werden.

[XXVII.] Verhaftung von Arno Fischer

Staatssekretär Fischer teilt mit, daß Arno Fischer verhaftet worden sei.85

Stv. Ministerpräsident Dr. Hoegner bemerkt hierzu, daß dieser mit amerikanischen Patenten und 5 KZ-lern angerückt sei. Auerbach habe ihn aber verständigt. Daraufhin habe er ihn aber auf Grund eines bereits bestehenden Haftbefehls verhaften lassen.86

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Hans Ehard
Der Generalsekretär des Ministerrats:
gez. Claus Leusser
Ministerialrat
Der Leiter der Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister