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Nr. 2MinisterratssitzungMontag, 30. Dezember 1946 Beginn: 10 Uhr 15 Ende: 12 Uhr 30
Anwesend:

Ministerpräsident Dr. Ehard, Justizminister Dr. Hoegner, Arbeitsminister Roßhaupter, Innenminister Seifried, Finanzminister Dr. Kraus, Kultusminister Dr. Hundhammer, Wirtschaftsminister Dr. Zorn, Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner, Staatsminister Dr. Pfeiffer (Bayer. Staatskanzlei), Staatssekretär Dr. Müller (Finanzministerium), Staatssekretär Krehle (Arbeitsministerium), Staatssekretär Pittroff (Kultusministerium), Staatssekretär Gentner (Landwirtschaftsministerium), Staatssekretär Höltermann (Sonderministerium).1

Tagesordnung:

I. Neujahrskundgebung. II. Landeszentralbank. III. Frage der Staatssekretäre. IV. Wohnungsbeschlagnahmen in Grünwald. V. Entlassungen im Wirtschaftsministerium. [VI. Wiedereröffnung der Universität München]. [VII. Landeszentralbank]. [VIII. Zustimmung des Ministerrats zur Ernennung leitender Beamter]. [IX. Glückwünsche zum Jahreswechsel].

I. [Neujahrskundgebung]2

Ministerpräsident Dr. Ehard verliest zunächst die Neujahrskundgebung der Bayerischen Staatsregierung an das bayerische Volk.3

Auf Vorschlag von Staatsminister Dr. Hundhammer werden sodann noch einige textliche Änderungen vorgenommen.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß die Neujahrskundgebung vom Ministerpräsidenten im Namen der Bayerischen Staatsregierung unterzeichnet wird.

Anschließend teilt Ministerpräsident Dr. Ehard mit, daß er aufgefordert worden sei, in der Neujahrsnacht eine Minute im Rundfunk zu sprechen.4 Er habe zugesagt, gleichzeitig aber veranlaßt, daß er am Neujahrstag selber, voraussichtlich am Nachmittag, eine längere Ansprache von ca. 10 bis 15 Minuten Dauer halten werde.5 Ministerpräsident Dr. Ehard weist noch daraufhin, daß die Regierungserklärung vorbereitet werden müsse. Zu diesem Zweck solle am Dienstag, den 7. Januar 1947, vormittags, ein Ministerrat stattfinden.6 Im übrigen sei es wohl zweckmäßig, dem Landtag eine erweiterte schriftliche Regierungserklärung zugehen zu lassen.

Staatsminister Dr. Pfeiffer teilt mit, daß soeben aus Stuttgart die Nachricht gekommen sei, daß auf Wunsch von General Clay dort am Dienstag, den 7., der Länderrat zusammentreten solle und am Tag vorher eine Direktoriumssitzung stattfinde. Da am 6. Januar in Hessen Landtagseröffnung sei, werde die Länderratstagung um einen Tag verschoben werden müssen,7 weshalb auch der bayerische Landtag wohl erst am 9. oder 10. zusammentreten könne.8 Der Präsident des Bayerischen Landtags müsse entsprechend verständigt werden. Es wird daraufhin vereinbart, daß die nächste Ministerratssitzung am Dienstag, den 7. Januar 1947, vormittags 8 Uhr, stattfinden solle.

II. [Landeszentralbank]

Staatsminister Dr. Kraus gibt bekannt, daß er Reichsbankdirektor Hartlieb nicht als Präsidenten der Landeszentralbank vorschlagen könne, da er sich für diesen Posten nicht eigne;9 dieser Meinung sei auch der überwiegende Teil der bayerischen Bankwelt. Als Vizepräsident käme Hartlieb jedoch in Betracht und er habe keine Bedenken, ihn mit der kommissarischen Übernahme der Landeszentralbank bis zur endgültigen Ernennung des Präsidenten zu beauftragen.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt fest, daß die Ernennung des Präsidenten möglichst bald erfolgen müsse.

Staatsminister Dr. Kraus weist daraufhin, daß auch mit möglichster Beschleunigung der Verwaltungsrat10 bestellt werden müsse und erklärt nochmals, daß Reichsbankdirektor Hartlieb in keiner Weise Unrecht geschehe, wenn er nur zum Vizepräsidenten ernannt werde, zumal dieser selbst vor einem halben Jahr nicht daran gedacht habe, die Stelle des Präsidenten anzustreben.

Der Ministerrat erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden.11

III. [Frage der Staatssekretäre]12

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt zur Erwägung, ob im Hinblick auf Artikel 49 der Bayerischen Verfassung es rechtlich möglich sei, mehrere Staatssekretäre in einem Ministerium zu bestellen. Da die besonderen Umstände häufige Abwesenheit der Minister erfordern, sei die Bestellung von Staatssekretären dringend notwendig. Man solle dem Landtag vorschlagen, sich mit der Ernennung von einem oder mehreren Staatssekretären einverstanden zu erklären und zugleich deren rechtliche Stellung im Kabinett festlegen.

Justizminister Dr. Hoegner glaubt, daß Schwierigkeiten durch Artikel 49 entstehen könnten. Die Frage sei, ob der Artikel 50 der Bayerischen Verfassung unter Geschäftsbereich etwas anderes verstehe, wie Artikel 49.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, man könne jedenfalls dem Landtag einen entsprechenden Vorschlag machen, der seinerseits zustimmen könne.

Staatsminister Dr. Hundhammer unterstützt diesen Vorschlag mit besonderer Betonung der umfangreichen Aufgaben der Ministerien.

Justizminister Dr. Hoegner weist daraufhin, daß Artikel 49 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung es gestatte, besondere Geschäftsbereiche zu schaffen, woraus man schließen könne, daß auch die Schaffung von Staatssekretären möglich sei. Zu überlegen sei auch noch die Frage der Stellvertretung. Nachdem Artikel 50 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung vom Staatssekretär als Stellvertreter für einen bestimmten Geschäftsbereich rede, könne eigentlich bei zwei Staatssekretären in einem Ministerium nur einer Stellvertreter sein. Man müsse die Sache wohl so regeln, daß ein Staatssekretär bei der Verhinderung des Ministers Stellvertreter sei, bei dessen Verhinderung erst der zweite Staatssekretär.

Ministerpräsident Dr. Ehard stellt Einverständnis darüber fest, daß ein entsprechender Vorschlag dem Landtag gemacht werde und daß die weiteren Fragen durch eine Geschäftsordnung zu regeln seien. Ministerpräsident Dr. Ehard wirft die Frage des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen auf und weist daraufhin, daß die Militärregierung an sich keine Änderung des Apparates für das Flüchtlingswesen wünsche und jedenfalls bei größeren Umänderungen gefragt werden wolle. Er schlage vor, gleichzeitig mit Vorlage vor dem Landtag der Militärregierung mitzuteilen, was von seiten der Bayerischen Regierung beabsichtigt sei. Einstweilen werde man an der Unterstellung des Flüchtlingswesens unter das Innenministerium festhalten und den gesamten Apparat beibehalten.13 Der Begriff des Flüchtlings müsse möglichst bald verschwinden.

Justizminister Dr. Hoegner bezeichnet die Einschaltung der Amerikaner als sehr eigenartig; es scheine, daß sich Beamte aus eigennützigen Erwägungen unmittelbar an die Amerikaner wendeten. Die Sozialdemokratische Partei habe ursprünglich ein eigenes Ministerium für das gesamte Flüchtlingswesen vorgeschlagen,14 aus dem nunmehr ein Staatssekretariat werden solle. Daran müsse unbedingt festgehalten werden. Auch er sei der Ansicht, daß dieses Staatssekretariat beim Ministerium des Innern bleiben und am Apparat nichts geändert werden solle. Man müsse aber allen Versuchen entgegentreten, sich unter Umgehung des Ministerrats unmittelbar an die Amerikaner zu wenden.

Ministerpräsident Dr. Ehard teilte mit, er habe die Amerikaner präzise gefragt, was sie eigentlich wollten, worauf diese gesagt hätten,15 sie seien nicht befugt, in die Selbstverwaltung einzugreifen.

Staatsminister Roßhaupter weist daraufhin, daß nach Beendigung des Flüchtlingsstroms ein besonderes Staatssekretariat überflüssig werde, da dann die Arbeitsfähigen eingegliedert seien, während die anderen der Wohlfahrtspflege anheimfielen.

Staatsminister Seifried erklärt, aus politischen Gründen sei die Schaffung eines Staatssekretariats unbedingt notwendig, da die Flüchtlinge großen Wert darauf legten.16

Ministerpräsident Dr. Ehard ersucht Staatsminister Seifried ein Exposé über die Flüchtlingsfrage auszuarbeiten, dessen Inhalt in der Regierungserklärung aufzunehmen sei und gleichzeitig den Amerikanern zugehen solle.17

Staatsminister Seifried teilte noch mit, die Amerikaner wollten den engen Kontakt aufrecht erhalten und hätten z.B. nach dem Gesetz über die Bildung des Senats gefragt.18

Justizminister Dr. Hoegner bezeichnet das als unnötige Doppelarbeit. Er schlage vor, die Militärregierung nicht offiziell zu verständigen, sondern lieber dem zuständigen Offizier den Entwurf privat zu geben.

Ministerpräsident Dr. Ehard schließt sich diesen Ausführungen an.

IV. [Wohnungsbeschlagnahmen in Grünwald]

Ministerpräsident Dr. Ehard teilt mit, die Angelegenheit der Wohnungsbeschlagnahmen in Grünwald habe sich, wie er aus der Unterredung mit einer Deputation entnommen habe, äußerst zugespitzt und man müsse mit einer Demonstration rechnen.19 Besonders bedenklich sei, daß die Beschlagnahmungen folgenden Wortlaut hätten: „Diese Häuser werden enteignet“. Es müsse jetzt unter allen Umständen etwas unternommen werden, wobei unter anderem darauf hinzuweisen sei, daß die Häuser in Harlaching heute noch leer stünden, obwohl sie bereits vor einem halben Jahr beschlagnahmt worden seien.20 Auch müsse man auf die ausdrückliche Erklärung von General McNarney hinweisen. Er schlage vor, daß eine Kommission, bestehend aus dem Innenminister, dem Arbeitsminister und einem Vertreter der Bayerischen Staatskanzlei, zu den Amerikanern ginge, um auf den Ernst der Lage hinzuweisen, vor allem müsse die angekündigte Überprüfung sofort eingeleitet und die Räumungsfristen verschoben werden.

Staatsminister Seifried macht auf die verschiedenen Schreiben und die persönlichen Schritte aufmerksam, die in den letzten Wochen unternommen worden seien, ohne daß sie einen Erfolg gebracht hätten.

Staatsminister Roßhaupter schließt sich diesen Ausführungen an.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, es sei ihm bekannt, daß man das Menschenmöglichste getan habe. Mit Rücksicht auf die Anordnung General McNarneys und die Stellungnahme der amerikanischen Presse, solle jedoch ein neuer Schritt versucht werden.

Staatssekretär Dr. Höltermann unterstreicht diese Ausführungen und regt an, möglichst sofort die amerikanischen Pressevertreter auf die Lage aufmerksam zu machen.

Staatsminister Roßhaupter meint, man könne sich nicht viel davon versprechen, da die Disziplin bei den Amerikanern zu wünschen übrig lasse und die untergeordneten Stellen oft machen was sie wollten.

Ministerpräsident Dr. Ehard erklärt, er werde im Landtag in aller Öffentlichkeit auf die Situation hinweisen.21 Im übrigen werde er nicht die Hand dazu reichen, daß deutsche Polizei mit Gewalt die Bewohner aus den Häusern vertreibe, die sich weigerten, ihre Häuser freiwillig zu verlassen.

Es herrscht Einverständnis, daß der durch Ministerpräsident Dr. Ehard vorgeschlagene Schritt unternommen wird.22

V. [Entlassungen im Wirtschaftsmmistenum]

Staatsminister Dr. Zorn gibt bekannt, daß eine große Zahl von leitenden Beamten und Angestellten im Wirtschaftsministerium entlassen worden seien, hauptsächlich wegen Fragebogenfälschungen, und noch weitere Entlassungen zu erwarten seien.23 Er sei dadurch in einer außerordentlich schwierigen Lage, zumal es sich durchwegs um Leute in Schlüsselstellungen handle und fast ein Drittel des Wirtschaftsministeriums entlassen worden sei. Er ersuche, ihm wenigstens vorübergehend Präsident Dr. Wagner24 vom Statistischen Landesamt zur Verfügung zu stellen, da gerade jetzt eine Reihe von dringenden Problemen zu lösen sei.

Staatsminister Seifried erklärt sich damit einverstanden, Dr. Wagner kurze Zeit dem Wirtschaftsministerium zu überlassen.25

Auf Anfrage von Staatsminister Dr. Zorn antwortet Ministerpräsident Dr. Ehard, daß Dr. Zorn bereits unterschreiben könne u.z. im Auftrag.26

[VI. Wiedereröffnung der Universität München]

Ministerpräsident Dr. Ehard setzt sich dafür ein, daß die Wiedereröffnung der Universität, die erst für Anfang Februar in Aussicht genommen sei, mindestens 14 Tage vorher erfolgen solle.27 Die Studenten befänden sich in so großer wirtschaftlicher und sozialer Not, daß man hier möglichst entgegenkommen müsse.28 Es sei doch wohl möglich, irgendwoher Kohle für die Beheizung der Universität zu erhalten. Unter Umständen müsse eben von Vergnügungsstätten usw. Heizmaterial abgezweigt werden.

Staatsminister Dr. Baumgartner weist daraufhin, daß offenbar bei den Kohlenbergwerken keine ausreichende Kontrolle sei, da er z.B. erfahren habe, daß eine Münchner Firma gegen Lieferung von Hosenträgern 400 Zentner Kohlen vom Bergwerk erhalten habe.

Der Ministerrat erklärt sich damit einverstanden, daß von Seiten des Wirtschaftsministeriums sofort geprüft wird, ob eine besondere Zuweisung von Kohlen an die Universität möglich sei, damit die Eröffnung vorverlegt werden könne.29

[VII. Landeszentralbank]

Staatssekretär Dr. Müller verliest die Verordnung über die Landeszentralbank30 und ersucht anschließend ihm von den Ministerien die vorgeschlagenen Vertreter im Verwaltungsrat zu benennen.

Staatsminister Dr. Kraus teilt dazu mit, daß sich Reichsbankpräsident Hartlieb bereit erklärt habe, die Stelle des stellvertretenden Präsidenten der Landeszentralbank zu übernehmen.31

Staatssekretär Dr. Müller schlägt daraufhin vor, die Reichsbankdirektoren Hartlieb und Padberg32 zu kommissarischen Leitern der Landeszentralbank zu bestellen, da bereits in den nächsten Tagen wichtige Aufgaben, insbesondere die Abwicklung der Reichsbank betreffend, zu erledigen seien und die Ernennung des endgültigen Präsidenten der Landeszentralbank nicht abgewartet werden könne.

Der Ministerrat erklärt sich einstimmig mit diesem Vorschlag einverstanden.33

[VIII. Zustimmung des Ministerrats zur Ernennung leitender Beamter]

Es herrscht Übereinstimmung, daß die Frage der Zustimmung des Ministerrats zur Ernennung leitender Beamter durch eine Geschäftsordnung geregelt werden müsse.34

[IX. Glückwünsche zum Jahreswechsel]

Abschließend entbietet Ministerpräsident Dr. Ehard den Mitgliedern des Kabinetts seine besten Wünsche zum Jahreswechsel.

Justizminister Dr. Hoegner dankt im Namen des Kabinetts für diese Glückwünsche und spricht gleichzeitig den in der neuen Staatsregierung befindlichen Mitgliedern der nunmehr abgetretenen Regierung seinen Dank für ihre Mitarbeit aus.

Der Bayerische Ministerpräsident:
gez. Dr. Hans Ehard
Der Sekretär des Ministerrats:
I. V.
gez. Levin Frhr. von Gumppenberg
Oberregierungsrat
Der Leiter der Bayer. Staatskanzlei:
gez. Dr. Anton Pfeiffer
Staatsminister